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Nr. 37S 43. Jahrgang

2. Heilage öes Vorwärts

Noch ein baperijcher Jememoröftanöal.

Der Fall Dobner.

Genosse Felix Fechenbach schreit uns: Im November 1S20 feierte die damals m München erscheinende, von der bayerischen Einwohnerwehr(E. W.) mit Geldmitteln unter- stützte ZeitschriftDie Rote Hand" den Mörder des Genossen Kurt E i s n e r, den Grafen Arco-Dalley, als den National- Helden, der den Grundstein zum Wiederaufbau Bayerns gelegt Hab«. Daß man auch in der bayerischen Einwohnerwehr den Mord als Grundstein zum Neuaufbau des Staates ansah, geht schon daraus hervor, daß unter Leitung des Oberleutnant B ra u n die Wirtfchafts- stelle der Einwohnerwehren zugleich ihre Mörderzentrale war, die den Fememördern alles Nötig«(Autos, Waffen usw.) zur Der- fügung stellte. Sie hatte im Bedarfsfall« auch dafür zu sorgen, daß die Mörder dem Zugriff von Polizei und Justiz entzogen wurden. Dabei ergab sich ein verständnisvolles Zu- fammenarbeiten zwischen E. W. und bestimmten amtlichen Personen und Stellen. Neben den bayerischen Fememorden an dem Dienstmädchen Sandmayer, am Kellner Härtung und an dem Landtags- abgeordneten, Genossen Karl Gareis gehört der Mordversuch an dem ehemaligen Reichswehrsoldaten Dostner zu den schlimmsten Polizei- und Iustizskandalen in Deutschland . Dobner, der mit einem Dolmetscher der Ententekommission Georg P racher in Verbindung stand, war von diesem mit Einwohnerwehrleuten bekannt gemacht worden, die Interesse für Wafsenlager hatten. Dobner wußte von einem solchen Lager in Mirstofen und sollte es den Beauftragten der Einwohnerwehr gegen Bezahlung von 3000 Mark zeigen. Totter- sallbesitzer und früherer Oberleutnant B ö hm stellt« zu diesem Zwecke sein Auto zur Verfügung. Am späten Nachmittag des 20. Oktober 1920 fuhr dann Dobner zusammen mit den Studenten Schuster und B e r ch t o l d vom Hauptbahnhof in Mächen in Richtung auf Freising im Auto ab, angeblich zur Besichtigung des Waftenlagers. Das war selbstverständlich nur ein V o r w a n d, denn Mirskofen > war«in altes Waffenlager der E. W., das sich die beiden Studenten nicht erst von Dobner zeigen lassen mußten. Dobner war aber aus den Schwindel hereingefallen und wußte nicht, daß die Fahrt nur unternommen wurde, da- mit er im Auto ermordet werden könne. Sobald es dunkel geworden war, fielen die beiden Studenten mit Totschlägern über ihn her. Nach dieserBearbeitung" stellt« sich Dobner tat. Er wurde nun mit einer Taschenlaterne beleuchtet und Schuster sagtet Der ist schon hin! Dos Schwein blutet. Mt dem hat es lange gedauert, derhotein zähes Leben." Schuster wollte ober sicher gehen und schlug vor, den Dobner noch mit der Hand zu drosseln, aber Berchtold erklärt«, er habe «inen Strick dazu. Der wurde dam Opfer nun um den Hals gelegt und Dobner konnte sich nur dadurch vor dem Erwürgtwerden retten, daß er zwischen Strick und Hals seinen Finger schob, in der Dunkelheit den Strick zu seinem Mund bracht« und ihn mit den Zähnen durchbiß. Der Chauffeur Leutnant N e u n z e r t fragt« nach rückwärts:Seid ihr sicher, daß er tot ist?" Das wurde bejaht und man vereinbarte, den Dobner hinter Freising hinauszulegen. Inzwischen hotte sich der Todeskandidat freigemacht und war aus dem fahrenden Auto gesprungen. Der Mord war mißlungen. Als am anderen Tag die Polizei durch ihre Einwohnerwehr- Vertrauensleute von dem Vorfall erfuhr, begann«ine wilde Jagd, aber nicht auf die Mordstudenten, sondern aus Dobner! Er wurde von einem Heer von Krimialbeamten und Spitzeln durch all« Vororte Münchens von einem Versteck zum andern gehetzt und wandte sich schließlich hilfesuchend an den Abgeordneten Karl G a r e i s, der dann zusammen mit Genossen Timm die Einsetzung eines parla- mentarischen Untersuchungsausschusses im Landtag durchsetzte. Da aber die Einwohnerwehren sich des besonderen Schutzes der bayerischen Regierung erfreuten und Beamte der Münchner

Polizei mit Recht beschuldigt waren, in die dunkle Affäre verwickelt zu sein, hatten die bürgerlichen Parteien des Landtags ein größeres Interesse an der Vertuschung, als an der Aufklärung des Falles. Die beiden Mordstudenten, von denen der ein« Schuster Mitglied der Deutschnationalen Volkspartci war, standen in engster Beziehung zur Polizei und die Waffengeschäfte der E. W. wurden unter Assistenz von Offizieren desWehrkreiskommandosderReichswehrundvon Beamten der Polizeidirektion München ausge- führt. Dabei bediente sich die Polizei auch des bei der Entente- kommission beschäftigten Georg Pracher, der Dobner mit den Mördern bekannt gemacht hatte. Interessant ist es, zu erfahren, wie Pracher dazu kam, der Polizei bei ihren Wafsengeschäften Dienst« zu leiestn. Er erfuhr durch seine Tätigkeit bei der Ententekommission von manchem Waffenlager und teilte sein« Kenntnisse aktiven Offizieren mit, unter anderem auch dem des Mordes an der Sondmayer und am Abgeordneten Gareis verdächttgen früheren Leutnant S ch w e i k a r t, der ihn dafür bezahlt«. Eines Tages wurde Pracher ängstlich und fürchtete, er könne sich strafbar machen. Darauf erklärte ihm Schweikart: wenn Sie verhastet iverden und zur Polizei kommen, werden Sie sofort wieder enllasscn."t!) Pracher wurde taffächlich wegen semer Wafsengeschäfte verhaftet. aber auf Intervention des Schweikart gegen das Versprechen, nunmehr der politischen Polizei zu dienen, wieder entlassen. Seitdem worder Ententeogentim Spitzeldien st für Waffengeschäfte der Münchener Polizei tätig undwurde dafürbezahlt. Als aber die Geschichte durch den mißlungenen Mardanschlag auf Dobner brenzlich wurde, ließ die Polizei ihren Spitzel fallen und verhafteteihnwegenseiner Beziehungen zur Ententetommission, die der PolizcibisdahinAnlaßwaren.ihnzubeschäftigen und z u bezahl« nl Auch Dobner, der ermordet werden sollte, wurde verhaftet, nicht aber der Mörder Berchtold. Schuster war noch ein paar Tagen Hast wieder freigelassen worden. Die Polizei verkündet« dann in der Press«, daß Dobner des Mordes an der Sandmeyer verdächtig sei. In Wirklichkeit hatte er von dieser Angelegenheit keine blasse Ahnung. Im Landtag verstanden Regierung und bürgerliche Parteien recht geschickt, die Untersuchung des Mordsalles und die Aufklärung der Beziehungen der Polizei zu den Waffenschiebern und Mördern zu sabotieren und am 12. Januar 1921 kam es dann zu einer Verhandlung vor dem Münchener Schöffengericht gegen Pracher, Dobner und einige ander« Angeklagte wegen Verrats militärischer Geheimnisse". Pracher wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, Dobner freigesprochen. Während des Prozesses hatte das Gericht all« Fragen der Verteidi- gung, die sich auf die Tätigkeit des Leutnants Schweikart bezogen, nicht zugelallen. Ebenso wurden all« Beweisanträg« abgelehnt, die Licht in dieGnerkwürdig« Roll« hätten bringen können, die die Polizei in der ganzen Angelegenheit gespielt hatte. Der ehemalige Ober- leutnant Böhm bei dem übrigens S ch w« i k a r t beschäftigt war hatte große Summen für die Waffengeschäfte zur Verfügung gestellt, in seinem Auto sollte Dobner ermordet werden, er war also an dem Mordanschlag beteiligt und wurde trotzdem vereidigt als Zeuge vernommen. Der Verteidiger fragte Böhm, warum er die in München erscheinende USP-ZeitungDer Kamps" nicht verklage, da doch in diesem Blatt gegen ihn der Vorwurf des Mordes er- hoben wurde. Der Zeuge gab keine Antwort. Dos Gericht kam ihm sofort zu Hilfe und ließ die Frage nicht zu. Böhm atmet« erleichtert auf.

frektag, 13. ftugust142H

Die beiden Mordstudenten wurden nicht im gleichen Prozeß mitoerhandelt, sondern in«inem besondcren Ver- fahren in Freising . Der Prozeß fand am 25. Januar 1921 vor dem Schöffengericht in Freising statt. Kennzeichnend für die Ein- stellung des Gerichts ist folgender Vorgang: Der Angeklagte Berchtold erklärte unter anderm, er habe mit Oberleutnant Böhm im Der- schieben von Waffen noch nie zusammengearbeitet. Daraus fiel ihm der Vorsitzende in die Rede:Es handelt sich doch nicht um Ver- schieben! Es handelt sich doch um Rettung der Waffen vor unseren Feinden!" Dobner, der aus unaufgeklärten Gründen inPolizeihaft" war, wurde unter Eid als Zeuge vernommen. Er schilderte wahr- lzeitsgemäß den Hergang des Mordversuches, während die Ange- klagten sich nach Möglichkeit herauszulügen versuchten. Unter anderem konnte sich Schusternicht erinnern"(I), daß er gesagt habe, bei anderen sei es schneller gegangen. Die Verteidiger der Mörder und der Amtsanwalt nahmen nun Dobner in ein Kreuzverhör, um ihn in Widersprüche zu oerwickeln und seine Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Dobner blieb aber bei seiner eidlichen Aussage. Das Verholten des Amtsanwalts war so merkwürdig, daß man überhaupt nicht mehr wußte, wer in diesem Prozeß die Anklage vertrat. Der interessanteste Zeuge war Oberleutnant Böhm, der schon im Pracherprozeß in München vernommen worden war. Er hatte das Mordauto gestellt und dem Pracher 1000 Mark für das Wafsenlager bezahlt. Da sein Auto am Abend nicht mehr zurückkam, ging er am andern Morgen zu Polizeisekretär Glaser(!) und erkundigte sich nach seinem Wagen. Gloser war in die ganze Angelegenheit eingeweiht, wußte aber angeblich nichts von dem Verbleib des Autos. Böhm schilderte nun als Zeuge, daß Pracher dazu gekommen fei und sehr erregt nach Dobner gefragt habe.Da Pracher sehr aufgeregt war, gab ich ihm weitere 1000 Mark." Das Gericht fand es scheinbar in schönster Ordnung, daß solch« Gespräche in einem Polizei- bureau geführt wurden, und kam gar nicht auf den Gedanken, daß die 1000 Mark Schweigegeld gewesen fein könnten. Glaser wurde übrigens nicht als Zeug« geladen. Ebenso hott« man auf alle anderen Zeugen verzichtet, die Berchtold und Schuster be- l a st« n, oder die merkwürdigen Beziehungen der Münchener Poliz« aufdecken konnten. In seinem Plädoyer beantragt« der Amtsanwalt gegen jede» Angeklagten wegen Körperverletzung und Bedrohung 6 Wochen Ge- fängnis. Von Mordversuch war keine Red«. Seine wesentlichste Tätigkeit richtete der Amtsanwalt» aber gegen den Zeugen Dobner, dessen Glaubwürdigkeit er herabsetzte und gegen den er schließlich Haftbefehl wegen Verdachts des Meineids beantragte. Dobner war der gefährlichst« Zeug« für die Angeklagten. Seine Aussoge mußte deshalb entwertet werden. Das Urteil lautete dann gegen die beiden Angeklagten Schuster und Berchtold wegen je eines Vergehens der Körperverletzung aus je 150 Mark Geldstrafe und wegen Bedrohung auf je 100 Mark Geldstrasc. Gegen Dobner wurde Haftbefehl wegen Verdacht des Meineids erlassen! Damit war der Ankläger zum Angeklagten gestempelt. Dobner blieb einige Zeit in Haft, wurde aber dann wieder freige- lassen. Das Meineidsverfahren ist nie durchgeführt worden, weil Dobner unter Eid die Wahrheit ausgesagt hgtte. Aber der Haftbefehl hatte seine Schuldigkeit getan. Dobners Aussoge wpr entwertet, die Angeklagten hatte man für glaubwürdig erklärt und man brauchte sie nicht wegen Mordversuchs zu verurteilen. Sechs Wochen später beteiligte sich dann der in Freising vom Mordverdacht gereinigte Berchtold und Leutnant V e u u z e r t. der das Mordauto beim Ueberfall auf Dobner gelenkt hatte, an der Ermordung des Kellners Härtung in Zusmarshaufen. Damit die Sache aber nicht noch einmal schief gehe, wurde Härtung von elf Revoloerkugeln durchbohrt. Man hatte aus dem Fall Dobner gelernt. Wie die Mörder des Hortung dann ihrer gesetzlichen Strafe entzogen wurden, ist bereits bekannt. Der Abgeordnete Karl G a r e i s, der den Mördern und ihren Hintermännern durch sein« Enthüllungen gefährlich wurde, wurde dann am 9. Juni 1921 im Auftrag der Münchener Mörderzentrole ermordet.

F. KÜKENTHAL

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