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Die wirklichen Erwerbslosenzahlen. Eine Verteidigung des Reichsarbeitsministeriums.
Unsere Veröffentlichung über die seltsame Verschleierung der wirklichen Ziffern der Erwerbslosigkeit hat das Reichsarbeitsmini- sterium veranlaßt, eine Erklärung zu verössentlichen, in der es heißt: Der Umstand, daß seit Jahresbeginn die Notstandsarbeiter in der Statistik der Erwerbelosensürsorge gesondert ausgeführt werden, wurde als Irreführung bezeichnet. Tatsächlich mußte eine Regelung erfolgen, weil die Arbeitsnachweise im Hinblick auf die besondere Stellung der Notstandsurbeiter sie teils in die Statistik aufnahmen, teils überhaupt wegließen. Bei der Neuregelung war folgendes zu beachten: Allerdings ist in bestimmten juristischen Beziehungen die Beschäftigung von Erwerbslosen   bei öffentlichen Notstandsarbeiten eine Form der Erwerbslosen- fürsorge. Bei der Statistik der Erwerbslofenfürsorge aber kommt es nicht hierauf an, sondern auf die wirtschaftliche und soziale Seite. In wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht sind aber die Notstands- arbeiter nicht erwerbslos, sondern stehen in Arbeit und erhalten abweichend von der früheren Regelung grundsätzlich Tariflöhne. Es war demgemäß richtig, sie in der Statistik der Erwerbslosen- fürsorge gesondert zu führen. Unzutreffend ist ferner, wenn in Teilen der Presse der beträcht­liche Rückgang der Ziffer der unterstützten Erwerbslosen in der zweiten Iulihälfte auf das Ausscheiden von langfristig Unterstützten aus der Fürsorge zurückgeführt wird. Im Gegenteil liegt eine un- bestreitbare Verbesserung des Arbeitsmarktes vor. Dos wird u. a. durch die Berichte der gewerkschaftlichen Verbände dargetan, die für den Monat Juli ebenfalls einen Rückgang in der Zahl ihrer arbeits- losen und ihrer in Kurzarbeit stehenden Mitglieder berichten." Diese Erklärung des Reichsarbeitsministeriums oersucht den eigentlichen Streitpunkt zu verschleiern. Das Reichsarbeitsministerium gibt zu, daß seit Jahresbeginn eine A e n d e r u n g in der Statistik der Erwerbslosenfürsorge ein- getreten ist. Es wäre Pflicht des Reichsarbeitsministeriums ge- wesen, die Oessentlichkeit mit allem Nachdruck auf diese Aen- derung aufmerksam zu machen, weil sie ein« k ü n st l i ch e Senkung der veröffentlichten Zahlen über die Hauptunter- stützungsempsänger bedeutet. Bis Ende 1g2S waren in diesen Zahlen die N o t st a n d s> arbeiter mitenthalten. Seit Anfang dieses Jahres ist das nicht mehr der Fall. Was das bedeutet, haben wir zahlen- mäßig in Nr. 378 desVorwärts" gezeigt. Am sinnfälligsten tritt das in die Erscheinung bei der Veröffentlichung am 15. Mai. Die amtlichen Veröffentlichungen weisen 1 743 429 Hauptunterstützungs- «mpfänger aus; tatsächlich hätten 1 913 534 ausgewiesen werden müssen. Durch die neue Methode des Reichsarbeitsministeriums erscheint der Rückgang der Hauptünterstlltzungsempsänger viel größer wie er tatsächlich ist. Um diesen Sachverhalt zu verdecken, polemisiert das Reichs- arbeitsministerium über Dinge, die gar nicht zur Diskussion stehen. Es erklärt:Der Umstand, daß seit Jahresbeginn die Notstands- arbeiter in der Statistik der Erwerbslofenfürsorge gesondert a u f g e f ü h i t werden, wurde als Irreführung bezeichnet." Das ist eine Verdrehung unserer Feststellungen. Wir haben behauptet, daß seit Anfang dieses Jahres Notstandsarbeiter nicht mehr als Hauptunter stützungsempsänger erscheinen und durch diese willkürliche Aenderung in der Statistik der Erwerbslofenfürsorge die Zahl der Hauptunter- stützungsempsänger künstlich gesenkt wurde. Das ist so un, bestreitbar, daß auch das Reichsarbeitsministerium nicht wagt, diesen Tatbestand zu bestreiten. Früher waren die Notstandsarbeiter, trog, dem sie immer gesondert ausgewiesen wurden, in der Zahl der Hauptunterstützungsempsänger mit enthalten und jetzt nicht mehr. Das ist die Aenderung und die Verschleierung! Um ein Beispiel anzuführen: Di« amtliche Veröffent- l i ch u n g sin der Presse) über die Zahl der Hauptunterstützungs-
empfänger am 15. Juli weist 1 7lS Sßl aus; die Zahl der Notstands- arbeiter wird mit 143 695 ausgewiesen. Um aber den Veihältnissatz der Notstandsarbeiter zu den Hauptunterstützungsempfängern zu erreichen, addiert das Reichsarbeitsministerium 1718 861 und 143 695; das ergibt die von uns veröffentlichte Zahl von 1 SLZ 556) Diese Ziffer wird aber verschwiegen. So entsteht, besonders bei Anwendung einer falschen Verhältniszahlberechnung, ein durchaus falsches Bild von der Gesamtlage. Da Statistiken nur Wert habe», wenn sie fort- laufend gelesen werden können, so müssen sie auch nach gleich- bleibenden Grundsätzen aufgestellt werden. Jede Veränderung dieser Grundsätze aber muß deutlich erkennbar sein. Das ist hier nicht der Fall. Der Nachweis für die Richtigkeit unserer Behauptungen wird überaus schlüssig durch die Ziffern des Arbeitsministeriums selbst erbracht. Es entsteht in diesem Zusammenhange auch noch die andere Frage: Sind die Notstandsarbeiter nach der gegenwärtigen recht- lichen Regelung Erwerbslose oder freie Arbeiter? Das Reichsarbeitsministerium hütet sich, das letztere zu behaupten, weil es im Gegensatz zu den Forderungen der Gewerkschaften daran festhält, daß die Beschäftigung bei Notstqndsarbeiten eine Form der Erwerbslofenfürsorge bleibt, also kein freies Arbeitsverhältnis wird. Das hat zur Folge, worauf auch Lehfeldt in seinem Kommentar zur Erwerbslosenfürsorge hinweist, «daß gesetzliche Vorschriften, die sich auf Arbeitsverhältnisse beziehen, auf die Beschäftigung von Notstandsarbeitern grundsätzlich nicht an- zuwenden sind; d. h. sie sind nur insoweit anwendbar, als sich das aus einer anderen Vorschrift ergibt. Nicht anwendbar auf Not, standsarbeiter sind also insbesondere die Vorschriften des B e- triebsrätegesetzes; weder werden die Notstandsarbeiter den Arbeitnehmern zugerechnet, deren Anzahl nach den ZZ 1 ff. des Be- triebsrätegesetzes maßgebend für die Errichtung eines Betriebsrates oder die Wahl eines Betriebsobmannes ist. noch sind die Notstands- arbeiter zur Mitwirkung bei den Wahlen nach dem Betriebsrätegesetz berechtigt usw.", Also Lehfeldt, der Ministerialrat im Reichsarbeits- mintsterium. Er stellt weiter fest, daß zu den Erwerbslosen die Notstandsarbeiter zählen. Will das Reichsarbcits- Ministerium die Beschäftigung bei Notstandsarbciten zu einem freien Arbeitsverhältnis machen, es wird unsere nachdrückliche Unterstützung finden. Was die Fage anbelangt, ob der Rückgang der Zahl der Haupt- Unterstützungsempfänger auf einer Besserung des Arbeitsmarktes oder auf das Ausscheiden von ausgesteuerten Erwerbslosen aus der Erwerbslofenfürsorge zurückzuführen ist, so ist dazu zu bemerken, daß wir selbst darauf hingewiesen haben, daß die Arbeitsmarktlage in der Landwirtschaft und im Bergbau sich gebessert haben mag. Es wäre sehr schlimm, wenn wir den gegenwärtigen Stand des Arbeitslosenheres beibehalten würden. Worauf wir in diesem Zu- sammenhange hinwiesen, ist die unbestreitbare Tatsache, daß ein Rückgang in der Zahl der Hauptunterstützungsempsänger auch durch das Ausscheiden von Ausgesteuerten automatisch ein- tritt. Es wäre verderblich, davor die Augen zu verschließen. Der Reichsarbcitsmlnister hat im Reichstage selbst darauf hingewiesen, daß wir mit einer langandauernden großen Arbeits- l o s l g t e t t zu rechnen haben. Angesicht, dieses Sachverhaltes ist es unverständlich, daß die Reichsregierung daran festhält, die Un­terstützung der Auegesteuerten der Armenfürsorge zu überlassen und von der Möglichkeit einer Verlängerung der Unterstützungs- dauer in der Erwerbslofenfürsorge kein Gebrauch machen will.
Reichshilfe für Sie Saarbeamten. Zum Ausgleich für die Frankcncntwertung. Das Reich hat zur Entschuldung der Beamten des Saargebiets, dessen Frankenwährung von der Jnslation heim- gesucht ist. rund 1 Million Mark zur Verfügung gestellt. Die Saar- beamten bis Gruppe 4(Stufe 4) erhalten, wenn verheiratet, 159 M., wenn ledig 120 M., von Gruppe 4(Stufe 5) bis Gruppe 8(Stufe 2) 200 bzw. 160 M., von Gruppe 8(Stufe 3) bis Gruppe 14(Stufe 3) 250 bzw. 200 M., von Gruppe 14(Stufe 3) bis Gruppe 19 300 bzw. 240 M. Man fragt sich unwillkürlich, warum ausgerechnet nur die Be- amten entschuldet werden. Brauchen z. B. die Sozialrentner nicht ebenso dringend Hilfe? Gerade sie stehen doch infolge des Frankensturzes gegenüber dem Nichts. Warum nur diese halben Maßnahmen, die nur verstimmend wirken? französische Steuern im Saargebietl Saarbrücken, 14. August.(Mtb.) Das Saargebiet weist so manche Kuriosa auf: Sogar innersranzösische Steuern werden an den Grenzen des Saargebietes durch die französische  Zollbehörde von den Einwohnern oes Saargebiets erhoben. Es dürfte wohl beispiellos dastehen, daß eine Regierung sich der Steuerhoheit begibt. Reue Belege hierzu liefert die Handelskammer, die berichtet: Durch Dekret vom 3. August 1926 sind sämtliche innerfranzösischen Verbrauchsabgaben sehr wesentlich erhöht worden. Diese Erhöhungen haben im Saargebiet selbstver- ständlich keine Gültigkeit. Trotzdem ist anscheinend die Zoll- Verwaltung, der durch Verordnung der Rcgierungskommission die Erhebung der Verbrauchssteuern für Kolonialwaren übertragen wurde, in einigen Fällen bereits dazu übergegangen, die neuen Sätze zu erheben. Ein derartiges Borgehen ist ungesetzlich und daher abzulehnen. Im Saargebiet haben nach wie vor die bisherigen Steuersätze Gültigkeit. Die Handelskammer bittet, alle Fälle, in denen die Zollverwaltung die französischen   Sätze zur Erhebung bringen will, ihr zur Weitergabe an die Regierungskom- Mission unverzüglich mitzuteilen. Der Völkerbundsrat sollte nicht Unterlasten, seine Saar- regierungskommission zur Wahrung ihrer Steuerhoheit, auch gegen sranzösisch« Zollbeamte, aufzumuntern!
Irieüetisreüen in Paris  . Auf dem Kongreßfrllhstllck bei Briand  . Paris  , 14. August.(Eigener Drahtbericht.) Außenminister Briand   veranstaltete am Sonnabend im Quai d'Orsay zu Ehren der Delegierten des 6. internationalen demokratischen Friedenskon- grsstes ein Frühstück mit 130 Teilnehmern. Don Ministern waren auch Barthou  , Painlev« und Sarraut anwesend. Reden für Völkerversöhnung und Frieden hielten der Veranstalter des Kongresses, Marc Sangnier  , Iustizminister Barthou und der Präsident der Liga für Menschenrechte. Ferdinand B u i s s o n.
preistreiberprozeffe in Frankreich  . Auftrag au die Staatsanwälte. Paris  . 14. August.(Eigener Drqhtbericht.) Der Justizminister hat an olle Staatsanwälte Frankreichs   ein Zirkular erlösten, in dem er auffordert, Preistreibereien, und zwar besonders in der Nah- rungsmitelbranche, scharf zu überwachen und gegebenenfalls mit allzr Schnelligkeit und Energie vorzugehen. Der Minister verlangt, über alle Strafverfolgungen weitgehend unterrichtet zu werden, da- mit jeder Willkür vorgebeugt wird.
�upen,Malmeöp. Sine tendenziöseTemps"-Mcldung. pari», 14. August.(Eigener Drahtbericht.) Die seit einiger Zeit öffentlich erörtert« Möglichkeit deutsch  - belgischer VerHand- lungen über Eupen   Malmehy scheint einer gewissen Richtung in der französischen   Politik so unsympathisch zu sein, daß sie ver- sucht, ihr entgegenzuwirken. So meldet derTemps" aus Brüssel  , der belgischen Regierung habe Dr. Schacht mehrmals den Bor- schlag gemacht. Eupen Malmedy   an Deutschland   zurückzugeben, das dafür die Okkupationsmark irgendwie einlösen soll«. Dabei soll Schacht die Unterstützung des belgischen Vertreters bei der Repara- tionskommistion, de l a E r o i x, gefunden haben, der sich angeblich sogar bereit erklärte, für die finanzielle Durchführung der Schacht- schcn Vorschläge die Verantwortung übernehmen zu wollen.
Vie fingst vor potemkin. Auch in Prag  . Prag  . 14. August.  (WTB.) WiePravo Lidu"(tschcch.-soziald.) erfährt, wurde der Prager   giliiizenlur der FilmPanzerkreuzer Potemkin  " zur Begutachtung vorgeführt. Bei der Abstimmung über seine Zulässigkeit ergab sich ein Stimmenverhältnis von 4: 5, was das Verbot des Films bedeuten würde. Noch längerer Ver- Handlung wurde beschlossen, den Film noch einem breiteren Zcnsurkollegium vorzuführen, dos die definitive Ent- scheidung treffen soll.
Mussolinis Gelögeber. Frankreich   hat ihm die Kriegspropaganda bezahlt. Paris  . 14. August.(Eigener Drahtbericht.) Die Revolutionärin Mario Rygier erzählt in denEr« Nouvelle" von einem Miß- grschick, da» von peinlichen Folgen für Mustolini sein kann. Maria Rygier   hat bis vor kurzem im Palast Borghese in Rom   gewohnt,«in Hotel, das gegen die Uebergrjffe der Faschisten durch die Eigenschaft feiner Mieter, die fast ausnahmslos der hohen Aristokratie an- gehören, und dadurch geschützt war, daß auch die südslawische Ge- sandtschaft dort untergebracht ist. Mario Rygier erfuhr, daß die italienische Polizei wiederholt während ihrer Abwesenheit mit Falschschlüsseln in ihre Wohnung eingefallen war. Die Karabineri haben dabei«inen Teil ihrer Korrespondenz und ihrer Bücherei mitgenommen. Di« Wäsche und die Garderobe wurde geplündert, Porzellan und anderes zerbrechliches Ge- schirr zerschlagen, die Möbel beschädigt. Maria Rygier   hatte sofort eine Beschwerde über diesen Ein- bruch eingereicht. Da sie aber nicht des Glaubens ist, daß die ita- lienischen Richter in der Lage sind, die Uebergriffe der Diktatur zu züchtigen, hält sie es für wirksamer zur Wahrung ihrer Inter  - essen,»ine Warnung an die Adresse Mussolinis in der Presse zu veräffentlichen.Ich fordere", so schreibt Maria Rygier  ,die vollkommene Wiederzustellung meiner Papiere, Zeitungen und Bücher, die mir geraubt worden sind und deren genaues und detailliertes Verzeichnis ich besitze. Die Nachprüfung dieser Papiere wird der Regierung außerdem beweisen, daß. wenn sie glaubte, sich durch dieses verbrecherische Mittel in den Besitz von Dokumenten zu setzen, dt- mich oder dt« vppvsition kompromittieren. sie einen vergeblichen Uebergriff begangen hat. Ich versichere tm
übrigen, daß ich seit der Haussuchung vom 17. Februar tatsäch- l i ch gesährliche Papiere in meinem Besitz hatte, die aber s o g u t ver st eckt waren, daß die Polizei sie nicht finden konnte. Ich habe nicht nur die kompromittierenden Papiere so- fort im Ausland in Sicherheit gebracht, sondern auch ein umfangreiches Aktenbündsl, das alle möglichen interessanten Dinge und unter anderem auch meine Korrespondenz mit dem sranzösi- schen Minister Guesde. und ich bin sehr davon überzeugt, daß dies Herrn Mussolini   zu denken geben wird, der weiß, welche Rolle Herr Guesde bei der Gründung derP o p o l o d' I t a l> a" gespielt hat, besonders wenn ich die Tatsache hinzu- füge, daß ich es gewesen bin, die der französischen   Regie- r u n g im eSptember 1914 die Idee eingegeben hat, in Mailand  «in interventionistisches Organ erscheinen zu lassen, das die deutschenfrcundlich� Propaganda des von Herrn Mussolini   geleitete«Avant i" in ihren Wirkungen ausheben würde. Um demDuce" zu zeigen, daß ich sehr viel von ihm weiß, werde ich nächstens verschiedene bisher unveröffentlichte Details berichten, die die letzten von Herrn de Am bris gemachten Enthüllungen bestärken werden(derVorwärts" hat seinerzeit darüber berich- tet. Anm. der Red.), und wenn die gestohlenen Papiere mir nicht schnellstens zugestellt werden oder wenn mir oder meinen Freunden Widerwärtigkeiten daraus entstehen, werde ich Herrn Mussolini  auf seine Unkosten nachweisen, daß der wertvollste Teil meines s,oli- tischen Archivs trotz seiner Zöllner, seinen Schwarzhemden und seiner Polizei, die Grenze überschritten hat."
Unsariscke Klassenjustiz. Ter Regicrungökrieg gegen dieNepszava  ". Zwei Tage nach dem Schandurteil gegen Rakosi   und Genossen wurde Genosse S z ö k e als Verantwortlicher des sozialdemokratischen ZentralorgansNepszava  "(Volksftimme) von einem Gericht unter dem Vorsitz des berüchtigten Törcky zu 1� Iahren Ge- fängnis verurteilt und derNepszava  " 69 Millionen ungarische Kronen G e l d st r a f e auferlegt. Diese Geldstrafe ist die Haupt- fache, denn das Ziel ist, die materielle Existenz des sozial- demokratischen Tageblattes zu untergraben. DerGrund" für diese Verurteilung ist ein sehr einfacher. Das Blatt hat gewagt, von den 64 Menschen, die am 14. August 1919 in Waitzen von der mit den rumänischen Bcsatzungstruppen vereinigten ungarischen Brachial- gewalt ohne Urteil getötet worden sind, zu sprechen. Aber die Richter Horthys waren diesmal geradezu milde. Denn frühere Redakteure derNepszava  ", die Genossen S o m o g y i und B a c s�o wurden von Herrn Horthy selbst in hie Donau  baden geschickt", in seinem höchst persönlichen Austrage ertränkt. Dieser Mord ist noch ungesühnt, und da soll erlaubt sein, von den anderen Morden der ungarischen Konterrevolution zu sprechen.
Da? Reichsschulgcseh ist inzwischen soweit fertiggestellt, daß sich eine der nächsten Kabinettssttzungen mit ihm besasseu wird.
Reform üer Justizverwaltung. Sntlastunft des Prozcßrichters. Die Stockung in der Erledigung der gerichtlichen Geschäfte, die durch den außerordentlichen An stürm von Prozeßsachen veranlaßt ist und sich nach Beendigung der Gerichtsferien verschärft bemerkbar machen wird, hat den Bund Deutscher Justizamtmänner in Berlin   veranlaßt, in einer dem Rechtsausschuß des Reichstages eingereichten, eingehend begründeten Denkschrift darauf hin- zuweisen, daß durch wirksamere Gestaltung des den amfs- gerichtlichen Prozehverfahren obligatorisch vorangehenden Güte- verfahren» eine Befreiung des Streitrichters von der großen Zahl der von ihm heute noch zu bearbeitenden, tatsächlich überhaupt nicht streitigen Sachen möglich sei.(Von 800 000 Prozessen sind 1924 z. B. nur 200 000 durch ein streitentscheibsndes Urteil beendigt; alle anderen konnten durch Vergleich. Anerkenntnis, Ver- zicht, Versäumnis oder Rücknahme der Klage erledigt werden.) Die Denkschrift über das Güteverfahren stellt im einzelnen fest, daß ebenso wie in anderen Ländern(besonders in der Schweiz  ) auch an verschiedenen deutschen   Gerichten sehr gute Erfolge erzielt worden seien, und kommt zu dem Ergebnis, daß etwaige Mißerfolge lediglich auf der unzweckmäßigen Ausgestaltung und Handhabung des Güt»verfahrens beruhten. Ein Hauptmangel fei die Ueberlastung des schlichtenden Richters, der bei einem Tagespensum von 100 bis 150 Sachen eine eingehende Er- örterung des gesamten Streitoerhültnisses nicht vornehmen könne. Neben der deshalb nötigen Vermehrung der Schlichter sei aber ferner erforderlich, daß das Gütevorfahren von dem Streitversahren getrennt werde. Bei einer erforderlichen Trennung des Güteoer- fahrens vom Strettverfahrcn könne die Vermehrung der Schlichter ohne Neueinstellung von Beamtenkräften erfolgen, wenn die Gerichtsamtmäniier, deren Befähigung dazu vom Reichsjustiz- Ministerium in dem Entwurf der Verordnung vom 13. Februar 1924 bereits anerkannt sei, am Güteverfahren beteiligt würden. In einer weiteren Denkschrift des gleichen Verbandes werden eingehende Borschläge zu einer Reform des Verwaltunge- b e t r i e b s in der Justiz gemacht werden. Die Borschläge hohen zum Ziele, zwei gegen das heutige System hauptsächlich vorgebrachte Mängel zu beseitigen: die Kostspieligkeit de» Verwaltung»- apparoles und den V u r e a u k r a t i s m u s. Die Denkschrift sucht diese Ziele u. a. zu erreichen: durch Dezentralisation, d. h. Heber- tragung von Geschäften oberer Behörden auf untere, durch Aus- scholtung von Zwischeiiinftanzen, durch Uebeftragung von Geschäften der Beamten höherer auf Beamte ni»drigsrer Vesoldungsgruppen derselben Behörden, durch Umorganisation und M o d e r n i f t e- r u n g des Bureaubetriebee, durch Umgestaltung der Laufbahnen der Beamten. Zum Schluß weist die Denk­schrift daraus hin, daß die Verwilktichung der Rcformvorschläge nicht nur eine Vereinfachung, Verbilligung und Verbesserung der Justizverwaltung herbeisühren, sondern auch eine Hebung der Arbgitsfreudigteit der Beamten zur Folge haben würd«.