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Nr. 382+43. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Die Erwerbslosigkeit und ihre Bekämpfung.

Mängel der Arbeitsmarktstatistik. Ein Vergleich.

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für 88 Pro3. der Arbeitskräfte in den berichtenden Betrieben schlecht( gegen 89 Proz. im Vormonat, doch gegen 46 Proz. im Juli des Vorjahres).

In der Elektroindustrie wird eine Belegschafte verminde. rung um 2 Broz. verzeichnet. 94 Proz. der Betriebe sind schlecht beschäftigt. Einer geringen Zunahme der Inlandsaufträge steht ein Rückgang der Auslandsaufträge gegenüber.

Etwas besser gestaltet sich die Lage in der Textilindustrie. Die Arbeitsmarktlage in der Textilindustrie ist wenig einheitlich. Die Zahl der Beschäftigten in 450 typischen Tegtilbetrieben stieg um 1,2 Broz, und auch die Zahl der gut bzw. mittelmäßig be­schäftigten Betriebe stieg von 27 Pro3. auf 32 Proz. Eine Beffe­rung der Lage verzeichnen namentlich Brandenburg , Thüringen , Freistaat Sachsen und die Pfalz , während die übrigen Bezirke über eine schwankende, meist aber ungünstige Lage berichten. Im Bekleidungsgewerbe ist die Gesamtzahl der Ar beiter in den erfaßten Betrieben im Juli nicht verändert. Aus dem Nahrungs- und Genußmittelgewerbe wird zusammenfassend berichtet:

Nachdem sich die amtliche Wirtschafts- und Sozialpolitik glücklich zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bereit gefunden hat, tommt es darauf an, ein klares Bild über die Lage des Arbeits­marktes zu gewinnen. Nur eine genaue Kenntnis der Ent= widlungslinien in der Wirtschaft kann uns fagen, wo eine Bekämpfung der Arbeitslosigkeit einzusetzen hat, ob furz befristete Notstandsmaßnahmen oder auf lange Sicht geftelte Wirtschaftspolitik im Vordergrunde der Arbeitsmarktpolitik stehen muß. Wiederholt hatten wir Gelegenheit, die statistisch- methodischen Mängel der Er­hebungen über die Arbeitslosigkeit festzustellen. Aber nicht nur hier ergibt sich ein starter Widerspruch zu der Wirklichkeit. Es ist noch in wurden, die die Lage der Gesamtwirtschaft im rosigsten Licht er­wurden, die die Lage der Gesamtwirtschaft in politischem Licht er­fáeinen ließen. Spätere Berichte besonders aus den Verar. beitungsindustrien haben unsere Auffassung bestätigt, daß dieser Optimismus mindestens nicht in vollem Umfange be­rechtigt war. Der Einfluß des englischen Kohlenstreifs, der nicht nur unsere Montanindustrie begünstigt, sondern z. B. selbst bis in die Besserung des Beschäftigungsgrades eingetreten. Ausschlaggebend Nach 442 Berichten typischer Betriebe ist im ganzen eine leichte Textilindustrie übergreift, und die Wirkungen der Saison­konjunktur, besonders der Ernteeinbringung haben Hoffnungen ent- dafür waren das Brauereigewerbe und die in der Saison befindliche Konservenindustrie. In der Süßwarenindustiie ist dagegen stehen lassen, die näherer Betrachtung nicht voll standhalten. Aehnlich ebenfalls der Jahreszeit entsprechend die Beschäftigung zurüd­die Beschäftigung zurüd­ist es mit den Beobachtungen am Arbeitsmartt, wo es eben­gegangen. Insgesamt hat sich durch sie die gesamte Beleg­falls nicht an Widersprüchen zwischen den Hoffnungen und den Tat- chaft in der Zeit vom 15. Juni bis zum 15. Juli um 1,2 Pro 3. sachen fehlt. Derringert.

Industrieberichte und Arbeitsmarkt.

Die halbamtliche Darstellung der Berhältnisse am Arbeitsmarkt ermedt immer wieder den Anschein, als ob die deutsche Wirtschaft neuerdings ganz wesentlich aufwärts schreitet. Hält man demgegen über die Berichte, die das Reichsarbeitsblatt" allmonatlich zusammenstellt, so ist von einer derartigen Besserung der Gesamtlage wenig zumerten. Der am 6. August abgeschlossene Monatsbericht für den Juli und den Anfang August ergibt zufammengefaßt das folgende Bild:

Nach den Einzelberichten, die aus der Industrie für rund zwei Millionen Beschäftigte vorliegen, zeigt sich wiederum eine schwache Verbesserung des Grades der Beschäfti­gung. 3860 unter den Einzelberichten typischer Betriebe verschiede ner Industriezweige haben vergleichbare Angaben über den Be­schäftigungsgrad wie über die Anzahl der am 15. Juli und 15. Juni Beschäftigten gegeben. Danach waren im Juli 64 Broz. der Arbeiter und Angestellten in Unternehmungen mit schlechtem Geschäftsgang tätig gegenüber 68 Pro 3. im Juni. Der Anteil der gut beschäftigten Betriebe ist von 5 auf 10 Broz. gestiegen, ist also trotz der Verdoppelung noch immer gering, insbesondere gegenüber dem Vorjahre.

Die Befferung, die aus diesen Zahlen hervorzugehen scheint, erstreckt sich auf einige ganz wenige Gewerbezweige, besonders in ber Rah und Halbstoffindustrie. In der verarbeiten. den Industrie überwiegen weitaus noch die Berichte, die eine Berschlechterung oder mindestens einen Stillstand der Kon junttur erkennen lassen. Das tritt noch ganz deutlich hervor bei solchen Industriezweigen, deren Entwicklung von der statistischen Berichterstattung des Reichsarbeitsblattes" genauer erfaßt wird. In der Metallverarbeitung zum Beispiel wird die Entwicklung als nicht einheitlich bezeichnet. Für die Groß­industrie find Besserungsaussichten vorhanden; der Auftragseingang hat sich verschiedentlich gebessert, wenn auch nicht allgemein. In den Industriezweigen der Kleineisenindustrie und Metallwaren dagegen sind zum Teil noch weitere 2b fchwächungen des Beschäftigungsgrades zu verzeich­nen. Von den 285 Berichten typischer Betriebe der Metallindustrie zeigen die 160 Berichte von Großeisenwerten und Gießereien eine Teichte Zunahine der Beschäftigung, während sich für Kleineisen, Metallwaren und Schmuckindustrie eine weitere Zunahme des Anteils der schlechtbeschäftigten Betriebe ergibt. Insgesamt wird Don den 285 Berichten die Beschäftigung als schlecht für 82 Prob. der Arbeitskräfte angegeben( den gleichen Anteil wie im Vormonat); als befriedigend wird der Geschäftsgang für 15 Proz.( gegen 14 Proz. im Vormonat) bezeichnet, als gut nur für 3 Broz.( gegen 4 Broz. im Bormonat. Trozdem nach den Feststellungen der Landesarbeitsämter Betriebszeitverkürzungen und Ar­beiterentlassungen besonders in der ersten Hälfte, dann aber auch um die Wende des Berichtsmonats stattfanden, ist im ganzen eine weitere Verminderung der Belegschaft nicht mehr vor fich gegangen; nach den Einzelberichten ist durch geringe Wieder­einstellungen in der Großindustrie eine Zunahme der Beschäfti­gungszahl vom 15. Juni bis 15 Juli um 2 Broz. eingetreten.

Die Arbeitsmarttlage im Metallgewerbe wird von den Landesarbeitsämtern als nach wie vor ungünstig geschildert, obschon für einzelne Berufszweige vereinzelt Neueinstellungen von Spezial­arbeitern stattfanden. Der Umfang war nicht beträchtlich; jedenfalls fonnte in allen Bezirken die sich regende Nachfrage nach Fach arbeitern leicht befriedigt werden.

Nicht anders ist das Bild vom Maschinenmarkt und der Elektroindustrie. Hier hat sich die Beschäftigung nicht wesentlich perändert. Immerhin find vereinzelt Berbesserungen des Auftragseinganges festzustellen. Nach 762 Einzelberichten typischer Betriebe des Maschinenbaues wurde die Anzahl der Be fchäftigten vom 15. Juni bis 15. Juli noch um 2,5 Broz. vermindert ( Don 264 300 auf 257 700). Der Geschäftsgang war im Juli

DIE GUTEN

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Also selbst die gute Beschäftigung des Braugewerbes fonnte die Gesamtlage der Nahrungs- und Genußmittelindustrie nicht wesentlich bessern.de

Die Gesamtlage im Holz und Schnißft off. gewerbe zeigte nach den Berichten der Verbände und typischen Betriebe im allgemeinen gegenüber dem Vormonat feine Ber änderung. Bei 181 berichtenden Einzelbetrieben waren rund dreiviertel der beschäftigten Arbeitnehmer in Betrieben mit schlechtem Geschäftsgang tätig, 20 Broz. in Betrieben mit befriedigendem und nur 6 Broz. mit gutem Geschäftsgang.

Während in der teramischen Industrie der Geschäfts gang weiter zur Berschlechterung neigt, blieb die Lage nach 460 Berichten typischer Betriebe der Glasindustrie im ganzen unverändert, zum Teil verschlechterte sie sich etwas. Nach den Berichten der Landesarbeitsämter war die Beschäftigung in der Glasindustrie der Provinz Brandenburg , wie teilweise in Schlesien , Hannover , Thüringen und im Rheinland rückläufig, im Freistaat Sachsen uneinheitlich.

Sogar aus der Leder- und Gummiindustrie wird nach Berichten von 110 typischen Industriebetrieben eine Bere schlechterung der Lage gemeldet, obwohl hier der Umschwung am Leder- und Häutemartt hätte belebend wirken müssen.

Dieser Ueberblick über die vom Reichsarbeitsblatt" genauer beobachteten Erwerbszweige zeigt. daß von einer! beobachteten Erwerbszweige zeigt. daß von einer!

B

Sonntag, 15. August 1926

daß im letzten Monat 88 v. 5. der Arbeiter in schlecht beschäftigten Betrieben tätig war, gegen 89 v. 5. im Februar.

Die Besserung beträgt in diesem wichtigen Gewerbezweig ein volles Prozent!

Was lehren diese Bahlen? So sehr auch wir hoffen möchten, daß die unverkennbare Besserung in der Industrie anhält, die Tat fachen sprechen ein beredies Wort für die Notwendigkeit, jetzt keinesfalls in der Arbeitsbeschaffung nachzulaffen, sondern alle Kräfte daran zu sehen, um die Anfäße zu einer Befferung der konjunktur einer dauernden Gefundung nutzbar zu machen. Es geht nicht nur um das Schicksal Hundertausender von Erwerbslosen , es geht darum, Nu zgrad und Absabfähigkeit der industrie­ellen Arbeit so zu steigern, daß ein möglichst großer Teil des Volkes die Aussicht auf die Erhaltung seiner materiellen Eristenz wiedergewinnt.

Handelspolitische Mittel gegen die Erwerbslosigkeit. WTB. Handelsdienst bringt zu dieser Frage folgende beacht lichen Ausführungen:

Das Erwerbslosenproblem beschäftigt in der Gegenwart in mehr oder minder zunehmendem Maße die Oeffentlichkeit aller europäischen Länder. Keynes hat schon 1925 barauf hingewiesen, größte aller Wirtschaftsprobleme der nächsten europäischen Zukunft baß das europäische Bevölkerungsproblem im Begriffe stehe, bas zu werden und daß es notwendig sei, der handelspolitischen Bewältigung dieses Problems die erforderliche Aufmerksamkeit und das nötige Interesse zu widmen.

In diesem Zusammenhange wird daran erinnert, daß nahe. zu 75 Broz, des deutschen Boltseinkommens aus Lohnarbeit stammen und daß deshalb Veränderungen im deutschen Außenhandel von besonderer Bedeutung für die Bemer tung handelspolitischer Maßnahmen Deutschlands sind. Als ehe­mals größtes Beredelungsland der Welt verliert Deutschland mit der zunehmenden Industrialisierung jeiner früheren Abjaggebiete in Europa und in Uebersee immer mehr Veredelungsarbeit Dabei gewinnt Deutschland zwar zum Teil Veredelungsarbeit anderer Art. Zugleich wird jedoch nationale Arbeit in Deutschland durch Balutadumping untervalutarischer Nachbarländer verdrängt. Zur handelspolitischen Bewältigung dieser Probleme genügt die Be­zifferung des jeweiligen deutschen Ausfuhrüberschusses längst nicht mehr. Sollen dem 3wedbewußtsein deutscher Handelspolitik fonkrete Unterlagen für wirtschaftspolitische Beschlüsse geboten werden, die der Gegenwartslage der deutschen Wirtschaft entsprechen, dann er­scheint es als dringend notwendig, daß durch entsprechende st a= tistische Erfassung die inneren Veränderungen des deutschen Außenhandels herausgestellt werden. Wie groß sind die Summen der Anteile nationaler Arbeit und der Anteile nationaler Rohstoffe an den deutschen Ausfuhrwerten der Gegenwart? Bis zu welchem Grade erscheint die Einfuhr von Pro­duften frember Land- und Biehwirtschaft vermeidbar, und bis zu welchem Grade tönnen solche Einfuhren durch Berbilligung des land­wirtschaftlichen Realkredites und Berbilligung sonstiger landwirt­Schaftlicher Produktionsmittel, durch bäuerliche Siedlung tatsächlich permieden werden? Würden solche und ähnliche Fragen unter be­sonderer Einstellung auf Möglichkeiten der Minderung deut icher Arbeitslosigteit statistisa behandelt werden, dann tönnte sich daraus vielleicht manche Aenderung in der han

dels politischen Bewertung von Ausfuhrintereffen und 34­geständnissen bei Handelsvertragsverhandlungen ergeben. Auch in innerwirtschaftlicher Beziehung wäre es zu begrüßen, wenn Zölle, Frachten, Steuern, Bewilligung von Veredelungsverfehren usw. in erster Reihe auf Minderung der Erwerbslosigkeit abgestelt mürden.

durchgreifenden Befferung im Juli überhaupt nicht die Rede fein kann, daß sogar hier und da noch gerade in den Ber­arbeitungsindustrien der fatastrophale Mangel an Aufträgen angehalten hat. Diese Feststellungen des Reichsarbeitsblattes" stehen in einem schroffen Widerspruch zu der optimistischen Aus mertung der Arbeitsmarktstatistit, mit der man das ganze Elend der Erwerbslosen als halb so schlimm hinzustellen sucht. Es wäre immerhin angebracht, daß man im Reichsarbeitsministerium ge­legentlich das Reichsarbeitsblatt" liest, che man ein Urteil über die politische Beschlüsse zur Minderung der Erwerbslosigkeit fönnte eine Gesamtlage fällt. Bielleicht würde man dann wenigstens ver­nünftige, vorausschauende Sozialpolitit treiben.

Nun hat sich feit Anfang Februar bis Mitte Juli die Zahl der Erwerbslofen nach amtlichen Angaben vermindert. Ift gleichzeitig der

Beschäftigungsgrad der Industrien gestiegen?

Die Frage ist zu bejahen. Aber die Befferung bezieht sich nur auf wenige Gewerbezweige und durchaus nicht auf die Industrie als Ganzes. Legen wir wieder die Vergleiche, die das Reichsarbeitsblatt" selbst anstellt, zugrunde, so ergibt sich folgendes Bild:

Februar 1926 Juli 1926

Bahl ber berichtenden Betriebe 3658

Beschäftigte Arbeiter und Angeftellte 1847 259 1 840 827

Davon in befriebigenb fchlecht beschäftigten Betrieben 15% 77% 26% 6400

gut 8% 10%

. 3860 Zwei Tatsachen treten in der Gegenüberstellung unpertennbar hervor: Eine Befferung des Beschäftigungsgrades ist festzustellen. Eine Besserung aber, die an dem Punkt haltmacht,

wo noch fast

volle zwei Drittel der Betriebe unbefriedigend beschäftigt sind, fann doch wohl nicht gut als die Entlastung der Wirtschaft angesehen werden, von der man heute so viel sprechen hört.

Hinzu kommt noch, daß der Einfluß der Rohstoffindustrien( Kohle, Gifen) mit ihren riesigen Arbeiterzahlen das Gesamtbild günstiger erscheinen läßt, als es für eine große Zahl mindestens ebenso wichtiger Betriebe anderer Gewerbegruppen zutrifft. 3. B. ergibt ein Betriebe anderer Gewerbegruppen zutrifft. 3. B. ergibt ein Bergleich der Maschinenindustrie im Februar und im Juli,

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ZIGARETTEN

urteilen Sie selbst!

Die Schaffung fontreter Unterlagen für derartige wirtschafts. bringende Aufgabe für Fachausschüsse der Wirtschafts­enquete merden. Es ist für ein Land noch immer vorteilhafter, Erzeugnisse feiner nationalen Arbeit zu exportieren, als die Ver­treter dieser Arbeit selbst in Form der Auswanderung.

Rückgang der Erwerbslosigkeit in Berlin . Leichte Entspannung, fein Umschwung am Arbeits.

markt.

Das Landesarbeitsamt Berlin berichtet über die Arbeitsmarktlage in der abgelaufenen Woche. Die Ge famtlage zeigte eine schwache Entspannung des Arbeits­marktes. Die Zahl der Erwerbslosen ist wiederum zurüd­gegangen, und zwar um rund 1900 Personen, so daß in den legten drei Wochen ein Rückgang von insgesamt rund 4450 Per­fenen zu verzeichnen ist. Dieser Rüdgang fann jedoch nicht als cin Zeichen eines günstigeren Umschwunges bewertet werden, da hierzu die Senfung der Arbeitslosenzahlen noch viel zu gering ijf. Der Stand der Beschäftigungslosen mit 273 738 Perfonen ist für Berlin noch ein außerordentlich hoher. Im allgemeinen ist auch weiterhin die linsicherheit im Wirtschaftsleben vorherrschend geblieben, da noch andere Umstände wirtschaftlicher Natur einer entscheidenden günstigern Wendung entgegenstehen. Bei einem Ver­gleich der Lage in den einzelnen Berufen zeigt sich die Kurve sehr medfelvoll. Der Abstieg bei einzelnen Berufen wird durch den Aufstieg anderer Gruppen wieder aufgehoben. Bei der Ungunit der heutigen wirtschaftlichen Verhältnisse müssen auch die An­fprüche und Bedürfnisse des Publitums, die nicht

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