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Nr. 384 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 197

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

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Dienstag, den 17. August 1926

Neuer Kampf in Genf .

Spaniens Forderung nach ständigem Sitz.

Am 27. August wird sich das Reichskabinett wahrscheinlich das legzemal vor dem Zusammentritt des Völkerbundes mit dem Eintritt Deutschlands und mit der Zusammensetzung der deutschen Delegation befassen. Man erwartet bis dahin die offizielle Einladung zur Teilnahme an der Studienkommission für die Verteilung der Ratssize, die( auf Antrag Spaniens ) zum 30. Auguft einberufen ist.

Die spanische Regierung hat ihre Forderung damit begründet, daß dem Rat und vorher der Kommission ein Protokoll der Kom­missions beschlüsse vorgelegt werden müsse. Hinter dieser for­mellen Begründung steckt der Wunsch, vor dem Zusammentritt des Bölkerbunds noch einmal einen Versuch zur Erlangung eines st än= digen Sizes für Spanien zu machen. Die Aussichten hierfür sind gering, aber es besteht die Gefahr, daß die neuen Beratungen in einem Augenblid, wo ein großer Teil der Bölkerbundsdelegierten bereits in Genf versammelt ist, zu neuen Romplitationen führen, man sich auseinanderredet und vor lauter neuen Borschlägen wieder vor einem Nichts steht. Jetzt schon machen sich vermit telnde Bemühungen geltend, die über die Kommissionsbe­schlüsse vom Mai hinausgehen. Der Turnus, in dem die Inhaber der nichtständigen Size wechseln, soll danach von drei Jahren auf fünf Jahre verlängert und außerdem die Wiederwählbarkeit Spaniens mit 3weidrittelmehrheit schon jetzt und nicht erst nach Ablauf der fünf Jahre ausgesprochen werden. In der Bragis würde dieser Borschlag zweifellos dazu führen, daß auch Polen das gleiche Recht für sich in Anspruch nimmt. Auch könnte irgend ein Zugeſtändnis über die Kommissionsbeschlüsse vom Mai hinaus andere, bisher nicht in Betracht gezogene Mächtegruppen eben­falls zu neuen Forderungen veranlassen, ohne daß ein Ende abzu­sehen wäre. Es wäre deshalb am besten, wenn an den Kommissionsbeschlüf­sen vom Mai nichts geändert wird. Der Bölkerbund muß höher stehen als der Wunsch eines einzelnen Landes, dessen Er­füllung auch die neue Völkerbundstagung scheitern laffen fönnte.

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Die Tel.- Union meldet, daß eine Sigung der Reichsregierung im Auguft nicht mehr zu erwarten sei ,, es wäre denn, daß die außen­politische Entwicklung noch vor Zusammentritt der Studienkommiffion am 30. Auguft eine Wendung nimmt, die sofortige Beratung und Beschlüsse der Reichsregierung als notwendig erscheinen lassen würde.

Skandinaviens Stellungnahme. Kopenhagen , 16. Auguſt. ( WTB.) Die Nordische Inter­parlamentarische Delegiertenversammlung hat folgende Entschließung angenommen: Die Versammlung spricht ihre Befriedigung über den Standpunkt aus, der während der Delegiertenversammlung des Bölkerbundes im März d. J. von den nordischen Ländern in der Frage der ständigen Ratssitze eingenommen wurde. Die Auffaffung der Versammlung geht dahin, daß es im Interesse des Bölkerbundes ist, die Zahl der ständigen Size nicht über den Platz hinaus zu erhöhen, der Deutschland bei seinem Eintritt in den Völkerbund zufällt.

Mellons Besuch in Paris .

Mit Spannung erwartet.

Paris , 16. August.( Eigener Drahtbericht.) Der nordamerika­nische Schatjefretär Mellon ist nach den Besprechungen, die er in Rom mit Mussolini und dem Finanzminister Volpi hatte, am Sonntag in Evian am Genfer See eingetroffen und wird für die nächsten Tage in Paris erwartet. Die Presse betont, daß diesem Besuch angesichts der gegenwärtigen Spannung zwischen Frant reich und Amerika wegen der Schuldenfrage eine außerordentliche Bedeutung beizumeffen sei, da der Schatzsekretär mindestens offiziös beauftragt märe, in Rom , Paris und Brüssel über die Schuldenfrage zu verhandeln. Er soll in Paris eingehende Be­sprechungen mit Poincaré und dem Gouverneur der Bant von Frankreich haben.

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Dem linksstehenden Abendblatt Paris Soir" hat das Finanz ministerium auf Anfrage mitgeteilt, daß das Datum der Ankunft Mellons noch nicht festgesetzt sei, daß aber das Finanzministerium der Ankunft Mellons mit großer Spannung entgegensehe. Die Aus­führung des Boincaréschen Finanzprogramms seiso schreibt das Blatt bis jetzt bis auf den delikatesten Punkt, nämlich die Frankenstabilisierung, soweit gelungen. Der Minister­präsident habe sich in der letzten Zeit zu der Ansicht der Sachver ständigen bekehrt, nach der eine Stabilisierung ohne Aus= landskredite unmöglich sei und diese nur nach Ratifi­zierung der Schuldenabkommen zu erlangen seien. Dies werde aber nicht ohne Schwierigkeiten vorgenommen werden fönnen, denn es sei bekannt, daß sogar innerhalb des Ministeriums über diesen Punkt starke Meinungsverschiedenheiten

herrschen.

Kommunisten stören eine Gefallenenbestattung. Paris , 16. Auguft.( WTB.) In Francoville( Arrondissement Bontoije) tam es anläßlich der Bestattung eines von der Front

übergeführten gefallenen Soldaten zu Zusammenstoßen mit Kommunisten, die sich des Sarges bemächtigten. die Trikolore durch die rote Fahne ersetzten und den Toten zum Gemeindefriedhof trugen. Erst nach einem Handgemenge auf dem Friedhof konnte die Bestattung vor sich gehen.

Spanien verlangt Tanger . Ablehnung in Paris .

Vorwärts- Verlag G.m. b. H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3

Boftscheatonto: Berlin 37 536 Banktonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65; Diskonto- Gesellschaft, Depofitentaffe Lindenftr. 3.

Staatsbejahung.

Die Seutschen Universitäten und der heutige Staat.*) Bon Professor Dr. S. Mard, Breslau .

Der in diesem Jahre unternommene Versuch einer Gruppe liberaler Hochschullehrer, alle Elemente an den Uni­versitäten, die sich, aus welchen Motiven immer, zur Reichs­verfassung bekennen, zusamenzufassen, ist gewiß angesichts der immer noch start vorherrschenden Strömung an den Universitäten dankenswert. Die vorliegenden Referate der Weimarer Tagung aber zeigen seine ganze Schwierigkeit. Das erste Referat des bekannten volksparteilichen Juristen Wilhelm Kahl ist schwarzweißrot mit kleiner schwarz­retgoldener Gösch, Meine des Vortrag ist gemäß der Ideologie der Liberalen Vereinigung schwarzrotgold mit Paris , 16. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) General Brimo starter schwarzweißroter Gösch, Radbruchs schwarzrot­de Rivera hat in einem Interview die Einverleibung Tan- goldener Stellungnahme kommt durch den skeptischen Klang und die skizzenhafte Fassung seiner Ausführungen nicht sehr gers in die spanische Maroffozone verlangt. Das hat hier, besonders in den Linkstreifen, peinliches Aufblikaner auf dem Boden der Tatsachen", und die Anerken­traftvoll zur Geltung. Kahl ist ,, verfassungsmäßiger Repu­sehen hervorgerufen. Man bringt diese plötzliche Forderung Spaniens mit dem fürzlich zwifchen Spanien und Italien abgeschlossenen Freundschaftsvertrag in Zusammenhang. Bereits jetzt aber widerspricht die französische Bresse dieser spanischen Forde­rung und betont, daß Frankreich nicht geneigt sei, irgend welche Aenderungen an dem internationalen Statut von Tanger vor. zunehmen.

Polen und Litauen .

Außenminister Zaleski gegen Moskauer Hehe. Warschau , 16. Auguſt.( TU.) Der russische Gesandte in Polen , Bojtoff, hatte eine Unterredung mit dem polnischen Außen­miniſter 3 a lesti. Dieser betonte dabei, daß die Hetze der russischen Presse wegen angeblicher polnischer Angriffsabfichten auf Litauen ungerechtfertigt sei. Die Konzentrierung der Trup­pen an der polnisch- litauischen Grenze sei nichts weiter als Armee manöver; es müsse eine Besserung der polnisch- russischen Beziehungen eintreten. Dies könne durch einen Besuch Tschitscherins in Warschau geschehen.

Die Kleinkalibrigen.

Eine Umfrage des Reichsinnenministers. Der Kleinkalibersport der rechtsradikalen Bereinigungen wächst sich täglich mehr zu einer inneren Gefahr für das Reich aus. Den Reichsinstanzen fehlt jede Kontrolle über die im Besitz der Rechtsverbände befindlichen Waffen und die Schäßungen ein­geweihter Kreise weichen so start voneinander ab, daß sie nicht einmal eine sicher erscheinende Vermutung über die tat fächliche Zahl der im Gebrauch befindlichen einfaliber- Gewehre gestatten. Die einen rechnen mit 30 000, die anderen 100 000, und es gibt Leute, die weit über diese Zahl hinaus bis zu einer Million Gewehre schätzen. Die Schwierigkeiten bei diesen Schätzungen liegen zum großen Teil in der unerlaubten Einfuhr von Klein faliberwaffen aus dem Auslande. Es ist z. B. nur noch ein offenes Geheimnis, daß unsere nationalen" Organisationen von Belgien aus eifrig Waffen beziehen und sie, ohne die erforderlichen Waffenscheine zu besitzen, an ihre Angehörigen aushändigen. Infolge­dessen ist selbst an Hand der Waffenscheinlisten eine genaue Schäzung der Kleinkaliberwaffen nicht möglich. Die Republit iſt also in der beneidenswerten Lage, nicht einmal an nähernd die Stärke ihrer Gegner zu fennen. Dieser Zustand ist unhaltbar, und wenn jetzt nicht unmittelbar eingegriffen und Ordnung geschaffen wird, ist das Reichsbanner einfach verpflichtet, zur Selbsthilfe zu schreiten.

Der Reichsminister des Innern hat, wie der Soz. Pressedienst" erfährt, an die Regierungen der Länder eine Umfrage über ihre Erfahrungen mit dem Kleinkalibersport ge­richtet. Das Ergebnis dieser Enquête soll zum Anlaß von neuen richtet. Das Ergebnis dieser Enquête soll zum Anlaß von neuen reichs gesetzlichen Bestimmungen über den Kleinkalibersport genommen werden. Der Reichsminister des Innern beabsichtigt, be­vor derartige Maßnahmen getroffen werden mit den Länder regierungen persönliche Rücksprache zu nehmen. Eine entsprechende Konferenz ist vorläufig für Anfang September in Aussicht ge­

nommen.

Mittel für den Wohnungsneubau.

Preußen gibt 60 Millionen.

Die preußische Staatsregierung hat beschlossen, zur Minderung der Erwerbslosigkeit im Baugewerbe einen Kredit in Höhe von 60 Millionen M. aufzunehmen. Der Betrag soll, wie der Amtliche Breußische Pressedienst schreibt, zur Hergabe in Form sogenannter auszinssteuerhypotheken für die Schaffung neuer Woh­nungen verwendet werden. Die Bewilligung der Mittel im einzelnen wird über die Gemeinden und Gemeindeverbände ge= schehen. Es wird damit gerechnet, daß mit Hilfe der neuen Bewilli­gung das diesjährige Bauprogramm in Breußen um menigstens 12 000 Wohnungen vergrößert wird,

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nung dessen, was ist, ist heute bei einem rechtsstehenden Politiker und Hochschullehrer gewiß gewichtiger und schwerer, als solche Haltung 1918 war und ein Zeichen von Liberalis Aber die Berbeugung vor den akademischen Vater= ländischen Verbänden, die Trennung des Staates von der Staatsform, der tatsachenfremde Borwurf, daß die Atmosphäre der Zwietracht auf das Konto der jungen Republik käme und die Absonderung zu republikanischen Bünden gerade ein einheitliches Staatsbewußtsein störten, zeigt doch die ganze Kluft zwischen einem solchen Gedankengange und entschiede­nem Republikanismus.

Auch bei Meine de überwiegt vielfach die Schonung der Empfindlichkeit der tonangebenden Universitätskreise und ihrer gesellschaftlichen Macht, über das Bekenntnis zu den starken Bolfskräften außerhalb der Universität. Auch er will das Weimarer Zusammentreffen scharf von einem Zusammen­schluß republikanischer Akademiker abgrenzen. Aber er ist der Mann des psychologischen Tatsachenfinns und der klaren Selbstfritif. So spricht er von der ,, verkehrten politischen Men­talität", der ,, professoralen Kriegsliteratur", bei der auf ihrem Fachgebiete nüchterne Forscher außer Rand und Band" gerieten, so erkennt er an, daß ein Staat, wie das alte Deutsche Reich nicht mit ungefestigter popularer Basis in den Existenz­tampf gehen fonnte, so sieht er in der Republik den relativ größten Zusammenhang von Staat und Volk, der eigentlich auch den rechts Gerichteten zur nationalen Demokratie befehren müßte. Aber den Gesinnungsrepublikaner wird die Wendung verstimmen, man hätte 1919 die Seeflagge zur nationalen Einheitsflagge machen müssen, und dem Arbeiter wird Schwarzrotgold nicht schmackhafter gemacht, wenn es zur Beruhigung des Bürgertums gegen Rot ausgespielt und damit die Erinnerung an schwere proletarische Bruderkämpfe heraufbeschworen wird. Auch der soziale Reform­mille, den Meinecke gegen einen sozialrevolutionären Republikanismus setzt, ist etwa an Wirths fräftigem sozial­republikanischen Bekenntnis gemessen, auffallend dünn. Bei Radbruch stehen manche erfrischende Deutlich­feiten, mehr aber steht zwischen den Zeilen. Nichts ist gut­gläubiger, als ein Professor außerhalb saines Fachwissens", so charakterisiert er die politische Betätigung mancher Kollegen. Bon seinem Skeptizismus aus, der der Universität keine nationalpolitische Aufgabe, keine Aufgabe der Führer­erziehung zuerkennt, bezeichnet er das von den Studenten im heutigen Gemeinwesen beanspruchte Führermandat als in breiten Kreisen lächerlich wirkend. Aber es ist doch sehr fraglich, ob Erziehung zum heiligen Zweifel", Schulung im Relativismus der Parteienlehre im Studenten außer Stepsis und Toleranz auch eine so entschiedene praktische Stellung­nahme erzeugen werden, wie sie eine einzigartige Erscheinung wie Max Weber mit theoretischem Relativismus verbinden konnte. Anderseits fordert Radbruch auch aus theoretischen Gründen eine entschieden republikanisch orientierte Rechts­wissenschaft, er hofft manches von den heute noch wenig zahl­reichen Arbeiterstudenten und bekennt sich zum Schluß zum Saße des alten Lichtenberg , daß beim Uebergang einer Monarchie zur Republik jeder Stein anders behauen werden müffe, wozu freilich Zeit gehöre.

Man wird aus diesen Proben und aus den Gegensätzen innerhalb der Referate selbst gesehen haben, daß das gewiß dankenswerte Hervortreten der Vernunftrepublikaner an den Universitäten, den Kampf derer, denen die Republik Ueber­zeugungsfache ist, vor allem, wenn sie ihr als Sozialisten einen ganz anderen Inhalt als bisher geben wollen, in feiner Weise überflüssig machen kann. Im Gegenteil, die Fülle der Ronzessionen, die bei diefen Kreisen dén Todfeinden der Republik . gemacht werden, zeigt die ganze Notwendigkeit dieses Kampfes. Die Erfolge

*) Die deutschen Universitäten und der heutige Staat. Referat, erstattet auf der Weimarer Tagung deutscher Hochschullehrer am 23. und 24. April 1926 von Wilhelm Kahl , Friedrich Meinecke , Guftav Radbruch. 1926 3. C. B. Mohr,