Nr. 392 43. Jahrg. Ausgabe A r. 201
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Sonnabend, den 21. August 1926
Fortsetzung des Bergarbeiterkampfes.
Appell an die englische Regierung.
London , 20. Auguft.( EP.) Der Vollzugsausschuß der Berg-| werden. Der neuen Institution werden 12 Generäle angehören, die arbeiter beschloß, der Regierung einen ausführlichen Bericht über sich am 23. d. M. in Warschau bei Pilsudski einfinden sollen.
die gestrigen Berhandlungen mit den Grubenbefizern zu überreichen, aus dem hervorgeht, daß die Schuld an dem Abbruch der Berhandlungen nicht auf feiten der Bergarbeiter gelegen habe. Baldwin ist in London geblieben, um von diesem Bericht kenntnis zu nehmen. Inzwischen haben einige Grubenbefizer in Nottinghamshire und Derbyshire , die aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten find, den Arbeitern die Wiedereröffnung ihrer Gruben auf der Grundlage der Löhne vor dem Streif und des 7½stündigen Arbeitstages vorgeschlagen. Ein Teil der Arbeiter hat sich damit einverstanden erflärt, jedoch haben seit der vor etwa sechs Wochen erfolgten Beröffentlichung der Arbeitgeberbedingungen nur etwa fünf Prozent der Arbeiterschaft die Arbeit wieder aufgenommen. Die Bergarbeiterdelegierten find in ihre Bezirke zurückgekehrt, was allgemein als ein Zeichen für die Fortsehung des Kampfes betrachtet wird. Vor der Abreise erklärten sie, wenn die Arbeitgeber ihre Haltung nicht änderten, werde der Streik noch mindestens zehn Wochen
dauern.
Aufruf des Generalrats.
Condon, 20. Auguft.( WTB.) Der Generalrat des Kon gresses ter Gewerkschaften und der Bergarbeiterverband veröffentlichen zusammen einen Aufruf für Geldsammlungen zur Unterftützung der streifenden Bergarbeiter.
Frankreich liefert Bombenflugzeuge. Basel , 20. Auguft.( Schweizerische Depeschenagentur .) Im Baseler Flughafen landete ein außerordentlich großes Bombenflugzeug, das gleichzeitig mit einem anderen gleichen Apparat von Paris nach Warschau fliegt. Den beiden Flugzeugen werden noch zwölf weitere folgen, die in Frankreich für die polnische Armee gebaut werden.
Amerika und das Weitschiedsgericht.
Völkerbundsberatung der Vorbehalte.
Genf , 20. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Die Regierung von Benezuela hat ihr Teilnahme zu der am 1. September beginnenden Konferenz zur Beratung der Vorbehalte der Ber einigten Staaten für ihren Beitritt zum Inter= Benezuelas ist neben derjenigen Kanadas die einzige aus dem nationalen Gerichtshof angemeldet. Die Anmeldung amerikanischen Kontinent. Man empfindet diese Zurückhaltung der amerikanischen Staaten hier etwas peinlich. Im ganzen sind bisher 24 Anmeldungen eingegangen. Diese Zahl wird sich noch steigern, da eine Reihe von Regierungen ihre Anmeldungen erst mit derjenigen ihrer Delegation zur Bölferbundsversammlung anzeigen werden. Daher erscheint es nicht ausgeschlossen, daß die Konferenz zwar am 1. September programmäßig eröffnet werden und sich fonstituieren wird, ihre fachlichen Beratungen aber erst während der Völkerbundsversammlung führen, jedenfalls aber sie erst dann
abschließen mird.
Ein britischer Horthy - Gehilfe. Provisionsnehmer beim Gesandtschaftsgeldraub. In einer Verhandlung des Londoner Bankrott- Gerichts vom 21. Juli 1926 gegen Ellis Ashnead Bartlett, Journalist und gewesenes fonservatives Unterhausmitglied für Hammersmith - Lon don , kam es zu Feststellungen, die wieder einmal Licht auf die inneren Vorgänge in der ungarischen Gegenrevolution nach der Rätediktatur von 1919 werfen. Während des öffentlichen Verhöres des Schuldners wurde festgestellt, daß er in jenem Jahr als Spezialberichterstatter des Daily Telegraph " nach Mitteleuropa gesandt wurde, nach drei Monaten aber seine Aufgabe im Stich ließ, um eine attive Rolle in der Gegenrevolution zu spielen. Als Entgelt für seine Dienste in der Organisation und besonders für seine Hilfe bei dem Diebstahl eines großen Geldbe. trages in der Wiener Gesandschaft der Roten Regierung, der den Konterrevolutionären zufloß, erhielt er von diesen eine Provision von 10 Broz. der Summe, 10 000 Pfund! Die Veröffentlichungen über diese Tätigkeit Bartletts, die die Wiener Zeitung „ Der Abend" vor ungefähr einem Jahr vornahm, waren eine der Hauptursachen seines Niederganges und des folgenden finanziellen Zusammenbruchs. So wird langsam ein Schleier nach dem anderen weggerissen von der Geschichte jener Tage und die Methoden, die die gegenwärtigen Herren Ungarns verwendeten, um sich zur Macht emporzuschwingen, entscheidung nach eigenem Gutdünken zu treffen. hüllt.
Schreiben der Opposition an die Parteileitung.
Völkerbundsmitglieder im Kriegszustand.
Warschau , 20. August.( Eigener Drahtbericht.) Außenminister 3alemiti erflärte zur polnisch- litauischen Frage dem Vertreter einer Wiener Zeitung : Die vorige litauische Regierung hat sich in ihrer Politik lediglich von nationalistischen Gefühlen leiten laffen. Das hatte eine faft völlige Isolierung Litauens auf dem Gebiete der internationalen Politik zur Folge. Alle Gerüchte über eine Regelung der polnisch- litauischen Streitigkeiten auf dem Wege territorialer Zugeständnisse entbehren jeder Grundlage und erschweren. nur eine eventuelle Berständigung. Litauen wird früher oder später seine bisherige Politik Polen gegenüber im eigenen Intereffe ändern müssen. Ein Zustand, wie er gegenwärtig zwi. schen Polen und Litauen besteht, nämlich, daß Litauen sich als mit Polen im Kriegszustand befindlich betrachtet, fann zwischen zwei Bölterbundsmitgliedern auf die Dauer nicht be. Stehen." Am Schluß betonte der Minister, daß die Nachrichten über beabsichtigte polnische Gewaltmaßnahmen gegen Litauen falsch seien.
Wilna , 20. August.( DE.) Die polnische Regierung will Ar. beitslose aus Lodz im Wilnagebiet anfiebeln. Sowohl die Weiß: russen als auch die Litauer des Gebiets sind dadurch sehr erregt; Sie fordern alle etwaigen Landanweisungen für die einheimischen Meinbauern.
Bolens neue Heeresleitung.
Warschau , 20. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Die Organisation bes Generalinspettorats der Armee, mit der Marschall Biljubiti sich in den letzten Tagen befaßte, wird demnächst abgeschlossen
Paris , 20. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Eine Anzahl Abgeordnete und sonstige Führer der sozialistischen Partei haben an die permanente Berwaltungskommission der Partei ein Schreiben gerichtet, in dem sie zu verschiedenen Problemen, die gegenwärtig die Partei bewegen, Stellung nehmen. Sie verteidigen, entgegen dem Beschluß der Verwaltungskommission, die Haltung Paul Boncours in Genf ebenso wie die Tätigkeit des Völkerbundes überhaupt, dem zahlreiche andere Führer der internationalen Arbeiterbewegung angehörten. Uebrigens habe nur ein Nationaltongreß der Partei das Recht, über den Fall Bonceur zu entscheiden. Was die Parteitätigkeit felbft anbelangt, so be dauert der Brief, daß die sozialistische Partei sich zu einer systematischen Politik der Enthaltung bekannt und sich geweigert habe, in eine Regierung einzutreten. Auch für diese Frage sei ein Kon greß notwendig. Der Brief protestiert dann gegen den Anspruch der Verwaltungskommiffion, als„ oberftes Direttions: organ" aufzutreten. organ" aufzutreten. Die Parlamentsfraktion müsse daneben das Recht haben, für gewisse außergewöhnliche Fälle ihre eigene Ent
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Der Separatismus.
Der baherischen Dunkelheiten zweiter Teil.
Beim Reichsgericht befinden sich umfangreiche Aftenbände, welche die Grundlage für ein hochverratsverfaren abgeben sollten, das niemals zur Verhandlung tommen wird. Für den Politiker und Historiker dürften diese Aften eine Fülle Material enthalten, das nicht verloren gehen sollte. Es sind die Akten mit dem Zeichen ,, Graf Bothin er"; fie leuchten hinein in das separatistische Treiben und in die separatistischen Zusammenhänge; sie lassen vieles und manches erklärlich erscheinen.
Bier Hauptzentren dieses Treibens find leicht erkenntlich: burg, wobei letztere die harmloseste Zentralstelle ist. Sie München , Wiesbaden , Hannover und M a r= erstrebte die Schaffung eines selbständigen Hessen unter Loslösung preußischer und bayerischer Gebietsteile, wobei besonders an die Provinz Heffen- Nassau und an den Teil des bayerischen Regierungsbezirks Unterfranken bis zur Spessartwasserscheide gedacht war. Diefe Tendenzen wurden wissenschaftlich" gestützt und gefördert durch den Hallenser Historifer Hellmann. Die hannoversche Zentrale wurde von der welfischen Bewegung unter dem bekannten Major D. Tannenberg geleitet. In Wiesbaden saß Dorten, bindung mit den militärischen Spitzen der franzöſiſchen mit seinen Getreuen in Mainz in Koblenz , in enger BerBesatzungsbehörden und finanziell von diesen ausgiebig unterstützt. Der Hauptherd aber war in München , wo die partitularistisch- separatistische Fühlungnahme mit dem fran zösischen Gesandten Dard keine allzulose war. Der genannte Graf Bothmer wirkte hier ebenso eifrig mit wie der Gründer der Bayerischen Volkspartei Dr. Heim.
Es ist geradezu erstaunlich, welche Geldmittel der Bewegung allerorts zur Verfügung standen, wie aus der umfangreichen Agitation und aus den Presseunternehmungen der Separatisten hervorgeht. Konnte sie fich doch sogar ein groß aufgezogenes Telegraphen- und Korrespondenzbureau in München leisten, das im Hause des englischen Konsulats untergebracht war und in dessen Aufsichtsrat neben dem Fürsten v. Löwenstein auch der bekannte Freiherr v. Kramer Klett saß. Es war wohl nur ein Zufall, daß dieses Bureau streng vertrauliche, aber immerhin nicht unbedeutsame Aufzeichnungen des früheren bayerischen Kronprinzen Rupprecht veröffentlichen fonnte.
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Die separatistischen Zentren standen untereinander in Verbindung, unterstützten sich auch gegenseitig in der Agitation. So wirkte Dr. Heim für Dorten, der sich mit dem Grafen Bothmer erst etwas überwarf, als die gräflichen Spesenrechnung mit Rücksicht auf die Standesgemäßheit" des hochgeborenen Herrn zu hoch wurden. Auch die hessische Zentrale war nicht ohne Berbindung mit Dorten auch die Welfen nicht. Einmal versuchte man es sogar mit einem großen" Kongreß, zu dem ein halbes Dutzend der Wortführer erschienen war, unter denen der fattsam bekannte Diplomingenieur Ballerstedt aus München die radikalſten Töne anschlug. Damit find. die Zusammenhänge nicht erschöpft. Am Borabend des Kapp- Butsches wurde von der Dortenjchen Billa in Wiesbaden aus ein Ferngespräch geführt, in dem davon die Rede war, daß die Geldmittel bereit seien und in Berlin zur Verfügung stünden.
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Nun wäre man versucht, einzuwenden, daß es sich hier um Betrachtungen handle, die nur historischen Wert befizen. einigte sich am Freitag auf eine Reihe von nichtssagen den Ein solcher Einwand ist aber nur bis zu einem gewissen Grade Dekreten, die ganz gut gemeint sein mögen, aber eine starte stichhaltig, denn diese staatszerstörenden Bestrebungen sind Naivität dem Teuerungsproblem gegenüber ver- noch lange nicht verschwunden; ihre wirklich erkennbare raten. So wurde beschlossen, den Bäckermeistern zu verbieten, Spize richtet sich eben gegen diesen Staat, gegen die anderes als alt bacenes Brot zu verkaufen. In den Restaurants Republik . Die separatistisch- partikularistische Bewegung dient dürfen in Zukunft nur noch Mahlzeiten von höchstens 3 wei mehr oder weniger verhüllten monarchistischen 3ieGängen verabreicht und die Getreide- und Nahrungsmittelvorräte len und deshalb hat sie aktuellste Bewertung, weil hier der Großhändler sollen strenger als bisher kontrolliert Brücken geschlagen wurden, auf denen sich die ganze monwerden, um zu verhindern, daß man solche zu Spekulationszweden archistische Borhut in Deutschland trifft. Unnötig zu sagen, anhäuft. In allen Gasthöfen und Nahrungsmittelgeschäften sollen daß dieses hartnäckige Treiben größere Beachfung verdient die Preise angeschrieben sein. Das ist übrigens in Paris seit Jahren wie die politischen Kindereien und Tiraden der Hitler, Ludender Fall. Endlich sollen für die ärmere Bevölkerung Volksdorff und Konsorten. Letzten Endes ist das der Boden, auf peisehäuser gegründet und die Beschickung der Großmärkte dem die staatsverneinenden Geheimverbände und die Feme scharf beaufsichtigt werden. gedeihen. Denn fattisch hatte gerade Bayern bereits Schwarzen Dor Aufstellung der Reichs mehr feine militärisch organisierte Brigade Ed, mit dem Löwenkopf auf dem Aermel, Leute, die gegen alles mögliche kämpfen und die ganze Welt siegreich schlagen wollten. Tatsächlich handelte es sich um nichts anderes als um eine Vereinigung der Offizierskafte mit den Monarchisten, welche beide ein machtinstrument zur Durchsetzung ihrer politischen Ambitionen schaffen wollten und wollen. Noch sind die legten treibenden Kräfte nicht aufgedeckt, ja es ist zu fürchten, daß dieses mühsame ert auch dem Unterfuchungsausschuß bei der passiven Resistenz gewisser Kreise, deren Pflicht es eigentlich wäre, alles zur Aufklärung zu tun, nicht gelinat.
In einer langen Erläuterung dieser Beschlüsse wird ausgeführt, daß fie nur den ersten Teil der Teuerungspolitik der Regierung um fassen und bald ein zweiter folgen soll, der sich mit der Organi sation der nationalen Produktion und der besseren Ausbeutung der nationalen und kolonialen Hilfsquellen Frankreichs " befaffen wird. Von diesem Erlaß, der den wahren Grund des Problems, nämlich die Frankenbaisse, überhaupt nicht berücksichtigt, versprechen sich Poincaré und seine Ratgeber allen Ernstes einen wirksamen und dauernden Rückgang der Teuerung in Frankreich .
Der Frank fällt wieder.