Aum Toöe Nehlichs. Beileidstelegramme der Regierungen. Der R e i ch s a r b e i t s m i n i st e r hat an die Hinterbliebenen des Reichs- und Staatskommissars M e h l i ch in Dortmund folgende Drahtung geschickt: „Auf das tiefste ergriffen über das trogische Ende Ihres Vaters spreche ich Ihnen und Ihren Geschwistern meine aufrichtigste Teil- nähme aus. Durch unermüdliche erfolgreich st e Tätig- keit in schwer st enZeiten und Unparteiischesselbst- loses Wirken hat sich der so früh Dahingeschiedene bleibende Verdienste um Ruhrgebiet , und Reich erworben, unser aller auf- richtigsten Dank gesichert. Sein Wirken wird unvergessen bleiben. Möge Ihnen der Allmächtige Kraft verleihen, das schwere Leid zu ertragen, das so unoermittelt über Sie und die Ihrigen hereingebrochen ist.* » Wolfss Telegraphenbureau schreibt zum Tode Mehlichs: Mit Mchlich, der erst im Alter von 44 Jahren stand, ist ein Mann dahingegangen, der sich auf sozialem und Wirtschaft- lichem Gebiete hohe Verdienste erworben hat. Seit 1919 war er Mitarbeiter des damaligen Reichs- und Staatskommissars Severins, dessen Nachfolger er 1920 wurde. Die Nachwirkungen der Unruhen des Jahres 1919, die immer bedrohlicheren Wirtschaft- lichen Schwierigkeiten im rheinisch-westfälischen Industriebezirk stellten an ihn, dem vor allem die S ch l i ch t-u n g der Lohn- streitigkciterr oblag, außergewöhnliche Anforderungen. Schwerste Tage brachte ihm im Jahre 192Z die Besetzung des Ruhrgebiets. Weit über sein engeres Fachgebiet hinaus hat er damals dem Wohl und den Rechten der von fremder Gewalt be- drückten Ruhrbeoölkerung wie der gemeinsamen deutschen Sache aufopfernd gedient. Durch die Lauterkeit seines Charakters, durch seine Unparteilichkeit und die r e st- lose Hingabe an seine verantwortungsvollen A u f g a b e n hat er bis zu seinem Tode in seltenem Maße das Ver- trauen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer genosien und den Arbeits- frieden auch unter schwrierigsten Verhältnissen zu erhalten vermocht. Cs ist ein tragisches Schicksal, das ihn auf der Heimfahrt von einer dienstlichen Besprechung in Berlin so früh aus erfolg- reichem Wirken herausriß. Sein Name wird in der Geschichte des Ruhrgebiets und der deutschen Sozialpolitik ehren- voll fortleben. « Der Stellvertreter des Reichsministers für die besetzten Gebiete, Staatssekretär Dr. Schmid, hat an Fräulein Mehlich folgendes Telegramm gesendet: Tief erschüttert von der Nachricht, daß unter den Todesopfern der Eisenbahnkatastrophe bei Hannover sich auch Ihr Herr Vater befindet, spreche ich Ihnen und allen übrigen Familienangehörigen mein aufrichtigstes Beileid aus. Die hingebungsvolle Arbeit, die der Heimgegangene in den letzten Jahren, besonders aber während der schweren Zeit 1923, die unsere deutschen Brüder und Schwestern an Rhein und Ruhr durchleben mußten, für unser Vaterland geleistet hat, wird ihm in der Geschichte unseres Volkes einen Ehrenplatz sichern. Auch ich werde ihm für alle Zeit ein treues Gedenken bewahren. Der Reichsminister für die besetzten Gebiete I. V.: gez. Schmid. • An Mehlichs ältestes Kind ging das folgende Telegramm des preußischen Staatsministeriums ab: Die preußische Staatsregierung nimmt innigen Anteil an dem plötzlichen Heimgang Ihres Vaters. Als vortrefflicher Kenner des wirtschaftlichen Lebens.an der Ruhr hat Ihr Dater durch fome erfolgreiche Schlichtungsarbeit für den wirtschaftlichen Ausbau in der schwierigen Nachkriegszeit Lorbildliches geleistet. Seine ver- dienstoolle Tätigkeit sichert ihm ein dauerndes ehrendes Angedenken.
�bwanüerung aus Ostpreußen . Die staatspolitische Pflicht der Regierungsstellen. Der Direktor des Instituts für ostdeutsche Wirtschaft, Professor Dr. M a n n, hat soeben im Verlag Gustav Fischer, Jena , eine Schrift über.Ostdeutsche Wirffchastssorschung* herausgegeben. In dieser Schrift- wird u. a. die aufsehenerregende Feststellung gemacht, daß ausderProvinzOstpreußeninderZcitvoml. Sep- tember 1923 bis zum 16. Juni 192 5, also in nur 1?L Iahren, 169 009 Personen abgewandert sind. In der Zeit vor dem Kriege erfaßte die Abwanderung durchschnittlich nur 17 500 Personen im Jahr. Nach der.Deutschen Tageszeitung* Nr. 380 ist die gewaltige Ab- Wanderung einmal ein Symptom für die schwierige Wirtschaftslage, in der sich Ostpreußen seit den letzten Jahren befindet, zum anderen aber sür die Wirkung der unnatürlichen Abschnürung durch den pol- nischen Korridor. Wir bestreiten, daß das die allein ausschlaggebenden Gründe sind. Nach unseren Wahrnehmungen und Beobachtungen setzt sich der größte Teil aller aus Ostpreußen abgewanderten Personen aus Landarbeitern zusammen, denen die ostpreußi- schen Großgrundbesitzer das zum Leben Notwen- big« verweigern und die sich die unerhörte st e Bc. schränkung ihrer persönlichen Freiheit gefallen lassen müssen. Wir behaupten nicht zuviel, wenn wir sagen. daß der ostpreußische Landarbeiter der am schlechtesten entlohnte und abhängigste Arbeiter in ganz Deutschland ist. Bei der gewaltigen Abwandcnmg aus Ostpreußen dürfen die Regierungsstellen nicht mehr schweigen. Hier müssen sie rücksichtslos die Situation klären und unverzüglich beraten, was zur Abstellung der von Profesior Mann aufgedeckten, die Interessen de« Staates tief berührenden Erscheinungen geschehen muß. Ein Bangemachcn durch die Wünsche der ostpreußischep Großgrundbesitzer kann und dars es nicht mehr geben._ Nochmals Kölling. Er berichtigt gegen Hörfing. Magdeburg . 20. August.(Eigener Drahtbericht.) Der Magde- burgcr Untersuchungsrichter Kölling und seine Freund- haben offenbar noch nicht genügend Reinfälle erlitten. Herr Kölling ver- sendet jetzt eine Berichtigung zu dem Artikel von Otto Hörsing . Kölling bestreitet, daß Horsing das Gespräch, da» zwischen ihm und Kölling geführt worden ist. richtig wiedergegeben hat. insbesondere bestreitet er. daß Ulm Hörsing von den Ermittlungen des Kriminal- kommissars Büsdorf Mitteilung gemacht habe. Cr bezeichnet es als unwahr, daß ihm Hörsing gesagt habe,.die Leiche des Helling liege im Keller vergraben*. Busdorf werde, von Königsberg zurückge- kehrt, erst seine Verhaftung vornehmen, dann die Leiche ausgraben und sie mir bringen. Kölling wiederholt seine Behauptung, er habe erst durch das Geständnis des Schröder erfahren, daß die Leiche Hellings im bezeichneten Schröderschen Haus« vergraben wurde. Wir sind ermächtigt zu erklären, daß Oberpräsident Hörsing seine Darstellung des Gesprächs mit Kölling vollundganzaus- recht hält, insbesondere, daß er im Laufe des Gesprächs Mit-
E h I a s s o. 20. August. (Eigener Drahlbericht.) Genosse A r l u r o L a b r I o l a hat mit anderen persönlichkeilen, die den verschiedensten Oppositionsparteien angehören, die Bildung einer republikanisch. sozialistischen Partei in Angriff ge- nommen. Die Erklärungen und Schriften der Gründer zeigen die einmütige Absicht, die Verteidigung dieser Partei der Arbeiter- klaffe anzuvertrauen.„Es könnte geschehen— so schreibt Ca- briola in der„voce R e p u b l i c a n a*—. daß während des schwersten Fieberfrostes unsere» politischen Lebens ein heil- mittel gesucht werden muß, besten haupteigenschast die so- sortige Wirkung sein soll, verschiedentlich und auch bei den gebildeten Katholiken bemerkt man die Neigung, eine v e- w e g u n g hervorzurufen, die in der Lage sein kann, zu einer großen republikanisch.sozlalistischen Partei zu werden.* Labriola schil- dert dann den Charakter dieser Partei:.Die rcpubtikanisch.sozia. listlsche Partei würde die Partei der Sozialdemokratie fein, die in Freiheit das Problem des Proletariats lösen will. Aber da sie keine besondere Drohung für die anderen sozialen Klassen ausspricht, werden diese gezwungen werden, eine Politik auszugeben, in der sie dauernd die Idee der Freiheit der Klassen zu opfern pslegcn.* Krach bei den italienischen Kommunisten. Maßregelung der Opposition. Chiasso , 20. August.(Eigener Drahtbericht.) Der Exekutivaus- schuß der italienischen Kommunistischen Partei ist zusammengetreten, um disziplinare Entscheidungen gegen verschiedene Mitglieder des dem äußersten Extremismus zuneigenden linken Flügels der Partei zu treffen. Es muß dabei daran erinnert werden, daß auf dem
teilungen über Busdorfs Feststellungen in Rottmersleben und besten weitere Absichten gemacht hat. Für die Richtigkeit seiner Darstellung steht Hörsing ein Zeuge zur Verfügung, der die ganze Unterredung mit Kölling mit angehört hat. Bazillc-Richter. Stuttgart , 20. August. (Eigener Drahtbericht.) Der Württem- bergische Richterverein hat am Freitag ohne jede Beranlas» s u n g eine tendenziös gefärbte Darstellung der Magdeburger Borfälle verössenticht. Um die Verantwortlichkeit in der Hand- lungsweise der Hoffmann und Kölling zugunsten des Phantoms von der Unantastbarkeit der deutschen Richter zu decken, polemisiert der Württembergische Richterverein gegen Demokratie, Sozialismus, Kom- munismus und dos Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, ja versteigt sich sogar zu der Behauptung, daß die Vorfälle in Magdeburg gezeigt hätten, daß etwas faul sei in der preußischen Verwaltung und das Verhalten des preußischen Innenministeriums einen A k t derKabinettsjustiz darstelle. Weiter macht sich der Würtlem- bergische Richtervtrein die Urteile der reaktionären Preste, daß von der preußischen Verwaltung ein Verfassungsbruch veriügt v orden sei und ihr Verhalten kriminalistische Anarchie bedeute, vor- behallslos zu«igen. Mit dieser Art des öffentlichen Austreten? hat der Württembekgische Richteroerein endgültig die Maske von seinem politisch-reaktionären Gesicht fallen lassen.
Die Unterstützung öer Ausgesteuerten. Eine halbe Maßnahme. Die scharfe Kritik, die in Gewerkschaftskreisen gegen die Pläne der Reichsregierung zur Neuregelung der Unterstützung der Ausgesteuerten eingesetzt hat, blieb bei den maßgebenden Stellen nicht ohne Eindruck. Wie wir erfahren, sind die Bedingun- gen, unter welchen die Gemeinden 50 Proz. der Ausgestet<'rten- Unterstützung zurückvergütet erhallen, etwas verbessert worden. Zunächst war vorgesehen, daß nur die Gemeinden, die S Proz. Erwerbelos« und 6 Promille Ausgesteuerte aufweisen, 50 Proz. zurückvergütet erhalten. Diese Zahlen hat man jetzt gemildert. Wie weit die Milderung geht, darüber verlautet leider nichts. Di« Verbesserung der Bedingungen, unter denen die Gemeinden einen Teil der Unterstützung rückvergütet erhalten, war eigentlich nur eine Selbstverständlichkeit. Ungeheuerlich wäre es gewesen, wenn man«ine Reihe von großen Städten von der Rück- Vergütung ausgeschlosten hätte. Durch die Derbesterung geradezu unmöglicher Bestimmungen und Bedingungen wird aber nichts an der bedauerlichen Taffach« geändert, daß die geplant« Neuregelung der Ausgesteuertenunterstützung eine bedenkliche Halbheit bleibt. Djes« Neuregelung wird sich nicht bewähren. Deshalb wäre es das beste, sie gar nicht erst zu schaffen und lieber auf den Vor- schlag der Gewerkschaften: Verlängerung der Unter- stützungsperloden der Erwerbslosen einzugehen.
vorbildliche Minöerheitsbehandlung. Deutsche Kulturautonomie in Estland . Reool, 20. August.(OE.) Das Unterrichtsministerium hat der Regierung den Vorschlag unterbreitet, daß alle vom estnischen Staat und von den Kommunen unterhaltenen deutschen Schulen der deutschen Kulturverwaltung übergeben wer- den sollen. Diese Kulturverwaltung ist den Deutschen Estland» schon vor einiger Zeit zugestanden worden, und sieht die kulturellen und Schulfragen des estländischcn Deutschtums als ihre wichtigste Aufgabe an. Der französisch -rumänische vertrag. Garantie für den Besitz Bcssarabicns. Der Pariser Korrespondent des„Nowy Kurjer Polski*, der über gute Beziehungen am Quai dDrsay verfügt, berichtet seinem Blatt über den neuen franzosisch-rumänischen Garantievertrag. Darin garantieren beide Staaten unter Bezugnahme auf die Artikel 10 und 16 der Völkerbundssatzung einander ihren territorialen Besitzstand. Im Falle eines unprovozierten Angriffes einer dritten Macht verpflichten sich die vertragschließenden Parteien, ein- ander unverzüglich Hil fe und B eist an d zu leisten. Hier ist ein Unterschied gegenüber dem sranzösisch-polnischen Garantie- vertrag von Locarno festzustellen: während nach dem letzteren der territoriale Besitzstand allein gegen einen deutschen Angriff garan- tiert wird, erstreckt sich die gegenseitige Garantiepflicht. die Frank-
letzten kommunistischen Kongreß in Italien sich bereits eine Links- o p p o s i t i o n gegen die Politik nicht nur der nationalen Zen- trale, sondern auch der Internationale bemerkbar gemacht hat. Nach- dem der Kongreß diese Opposition durch eine große Majorität zurück- gewiesen und diese selbst sich sür besiegt erklärt hatte, versprach sie, sich dieser Mehrheit zu bdugen und mit Beobachtung jeglicher Partei- disziplin die Mchrheitspolitik zu unterstützen. Nach dem kommu- nistischen Organ„Unit a* haben jedoch die sanatischen Anhänger dieser Opposition fortgefahren, sich der Politik und Disziplin der Zentralorganisation zu entziehen. Die Opposition hatte erklärt, die politische Linie der Partei als obligatorisch anerkennen zu wollen. dann aber verweigerte sie die Zusammenarbeit mit der Behauptung, sie befinde sich in Meinungsverschiedenheiten mit den Führern der Partei. Das Kommunique des Exekutivausschusses zählt die Namen der Mitglieder auf, die sich des Disziplinbruchs schuldig gemacht haben..Die Genossen Repossi, Fortichiari und Damen,* sagt das Kommunique,„haben mit ihrer Eigenschaft als Abgeord- ncte eine bedeutende Verantwortung übernommen, ebenso schwer- wiegend ist die Verantwortlichkeit des Genossen Perrone für die schweren Bedingungen, unter denen der Partei die Tätigkeit gesichert bleibt. Der Exekutivausschuß fft sich schlüssig geworden, für ein Jahr die Genossen Damen , Fortichiari und Repossi von aller Partei- tätigkeit auszuschließen und sür«inen Zeitraum von sechs Monaten den Genossen Deila Lucia.* Man bemerke, daß sich unter den Betroffenen nicht der Inge- nieur B o r d i g a befindet. Offenbar hat man ihn, wie der „Avanti* schreibt, geschont, um ihm eine Warnung zukommen zu lassen, denn taffächlich fft Bordiga immer nach der Führer der Opposition.
reich und Rumänien nunmehr übernehmen, aus sämtliche Gren- zen der beiden Staaten. Die Annexion Bessarabiens durch Rumänien wird somit von Frankreich gegen russische An- spräche verbürgt. Zugleich teilt der Pariser Gewährsmann des„Nowy Kurjer Polski* mit, daß ein ähnlicher Vertrag zwischen Frankreich und Südslawien bereits im März dieses Jahres von Briand und Nintschitsch vorläufig unterzeichnet worden sei.
Calles bleibt fest. Keine Einstellung d-r Kirchenpolitik. London , 20. August.(Eigener Drahtbericht.) Aus Mexiko wird gemeldet, daß Präsident Calles die von dem Episkopat gewünscht« Suspensierung der Kirchengesetze bis zur Möglichkeit einer Verfassungsänderung abgelehnt hat. In einem längeren Schreiben erklärt Calles, daß er oder der Kongreß zwar die zu- ständige Stelle zum Empfang verfaffungsändernder Petitionen sind. er persönlich aber keine Neigung habe, eine Derfassungs- änderung zu unterstützen, zumal d i e Verfaffungsbestimmungen, die seit 1. August auf die Kirche angewandt werden, sich in Ueberein» stimmung mit seiner Weltanschauung und seiner polt» tischen UeberzeUgung befänden. Niemand hindere die Kirche daran, gesetzliche Mittel zu gebrauchen, um ihre Ziel« zu erreichen. Einem Antrag von Abgeordneten oder Senatoren stände selbstverständlich nichts im Wege. Ebenso stände es der Kirche frei, den Bundesgerichtshof gegen die Ausführungsgesetze an- zurufen. Parlamcntariergefecht auf der Straße. Mexiko , 20. August. (WTB.) Infolge politischer Auseinander» setzungen kam e» gestern in Mexiko zu einer Schießerei zwischen mehreren Kongreßmitgliedern. Ein Ober st Garcia wurde getötet, zwei Abgeordnete und ein Zei- tungsoerkäufer schwer verletzt. Der frühere G o u v e r- neur Garido erhielt einen S ch u ß i n s G e s i ch t. Da die Schießerei aus offener Straß« und in belebter Gegend am Nach- mittags �folgte, bemächtigte sich der Passanten eine Panik.
Die Feiten ändern sich... Die Marseillaise bei Neventlow.— Rußland auf dem Polizeitongreß. Wenn vor ein paar Iahren irgendeine Wahrsagerin prophezeit hätte, im Jahre 1926 würde eine Internationale der Böl- k i s ch e n gegründet werden und Rußland werde, ohne seine Re- gierungsform geändert zu haben, aus einem internationalen Kriminal! st«nkongreß vertreten sein, so hätte wohl die ganze Welt über solche Phantastereien die Köpfe geschüttelt. Jetzt teilt der völkische Graf Reoentlow in seinem„Reichs- wart* freudestrahlend mit, daß vor kurzem aus dänischem Boden eine internationale Antisemitenkonferenz stattgefunden habe, an der u. a. auch Briten , Franzosen, Polen , Tschechoslowaten, lauter Erbf-.inde o. D.. teilgenommen haben. Und nicht nur das: Der„Reichswart* erscheint zur Feier dieses glückverheißenden Ereignisses mit d e u 1 1 ch- französischem Text: auf der ersten Seite wird ein der Marseillaise nachgedichtetes Antijudcngedicht im französischen Urtext abgedruckt! Das ist gewissermaßen die neue Kriegshymne für den „gemeinsamen Kampf gegep den Weltfeind*, in dem Graf Revent- low allen Völkern die Fahne voranträgt. Man darf diese Entwicklung begrüßen. Denn wenn die inter- national verbrüderten Nationalisten, statt wie bisher das gegen- fettige Halsabschnciden der Arier zu predigen, unter den Klängen der Maffaillaise in den Hakcnkrcuzzug gegen Israel ziehen, so wird das für alle Beteiligten viel weniger gefährlich. Ist der neue Revenilowbund gewissermaßen als eine vierte Internationale anzusprechen, dann bildet der internationale K r i- minalpolizistenkongreß sozusagen die fünfte. Aus diesem internationalen Kriminaltstenkongreß wird nun, wie das„B. T.* zu melden weiß, auch Sowjetrußland vertreten sein. Die GPU. und die Abteilung I A werden dort ihre Erfahrungen austauschen. Tschekisten werden mit gewiegten Fachkollegen aus Paris , London und New Jork darüber beraten, wie die gesetzliche Ordnung am besten zu schützen seil Man kann die Stadt Berlin beglückwünschen, daß sie dazu bestimmt ist, sür dieses Schauspiel— das mehr als irgendein anderes die„Verbürgerlichung* des neuen Rußland demonstriert— den Schauplatz abzugeben. So erlebt man Seltsames und Seltsamstes. Einst war es paradox, aber jetzt bestätigt es die Zeit.