Nr. 40043. Jahrg. Ausgabe A nr. 205
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Donnerstag, den 26. August 1926
Der Kampf im Ruhrbergbau.
Vorverhandlungen gescheitert
-
Schiedsgerichtsverhandlungen noch nicht abgeschlossen.
Essen, 25. August. ( WIB.) Die dem Schiedsgericht vorausgegangenen Einigungsverhandlungen im Ruhrbergbau sind ergebnislos verlaufen. Im Anschluß daran fand eine Sihung des Schiedsgerichts mit je fünf Beisitzern unter dem Vorsitz des Oberlandesgerichtsrats Dr. 3 öffen ftatt, dessen Berhandlungen heute noch nicht zu Ende geführt worden sind, vielmehr morgen fortgesetzt werden sollen.
Aus Bergarbeiterfreifen wird uns geschrieben:
Der Reichsarbeitsminister Dr. Brauns gab vor Jahren in einer Berhandlung in Essen vor den Bergarbeitervertretern die Erklärung ab, daß die Bergarbeiter mit ihren Löhnen an der Spize marschieren sollen. Die Lohnverhandlungen am 18. August in Essen zeigten nun recht deutlich, wie die Bergbauunternehmer des Ruhrreviers diese Zusicherung auffassen. Auch sie haben den Wunsch, daß die Bergarbeiterschaft mit ihren Löhnen an der Spize stehen sollen. Doch nicht etwa auf dem Wege einer entsprechenden Erhöhung der Bergarbeiterlöhne, sondern auf dem Wege einer nachdrücklichen Ermäßigung" der höheren Industriearbeiterlöhne. Diese profitliche Unternehmerlogit prelite nicht nur die Bergarbeiter um die Erhöhung ihres Reallohnes, sondern sie ergäbe einen Extraprofit durch die Lohnersparnis an den Löhnen der Industriearbeiter. Es fehlte dann nur noch eine Erweiterung der Kreise der Randze chen, eine Erweiterung der Spannungslöhne und die Beseitigung des Soziallohnes. Die Forderung einer Lohnerhöhung glauben sie durch ihre Gegenforderung eines Lohnabbaues auf der ganzen Linie parieren zu können.
Die Unternehmer gehen mit einem Satz frebsen, der sich im Bericht der Studienreise der englischen Bergarbeiter im Ruhrrevier im März 1926 findet, den diese in der ,, Daily Mail" brachte:
,, Die deutschen Bergwerkseigentümer stehen offenbar in engerer Fühlung mit ihren Arbeitern und studieren die soziale Seite ihrer Belegschaften eingehender als bei uns."
Selbst wenn dieser Satz weniger einen taftischen Trumpf der englischen Bergarbeiter gegen die englischen Bergherren bedeutete, so ist er doch mehr als eine ritit des Verhaltens der rüdständigen englischen Unternehmer aufzufassen als ein Freischein für die Lohntaktik der deutschen Unternehmer. Die Ruhrbergleute, die die Erfahrungen mit ihren Unternehmern für sich haben und mehr auf die Sache geben müssen als auf den Schein, können das Urteil der englischen Berichterstatter um so weniger teilen, nachdem sie das Verhalten ihrer Unternehmer bei den legten Lohnverhandlungen beobachtet haben und deren Absicht zur Kenntnis genommen haben,
den Soziallohn zu beseitigen.
Bollte man die lagen der Unternehmer im Ruhrbergbau für bare Münze nehmen, dann gäbe es teine unglücklicheren Menschen auf der Welt als sie, die stets mit Ber Iust e'n arbeiten und nicht den geringsten Gewinn erzielen. Doch hinter diesen ständigen Klagen verbirgt sich nur notdürftig die Absicht, aus den Knochen der Bergleute noch mehr Profit herauszuschinden. Daß die Herrschaften sich um jedwede Lohnerhöhung herumzudrücken suchen, ist von ihrem Standpunkt aus begreiflich. Wenn sie jedoch behaupten, eine Lohnerhöhung sei nicht tragbar", so ist diese Behauptung einfach falsch und hält der genauen Nachprüfung nicht stand. Die Belegschaft des Ruhrkohlengebiete ist um 15 Proz.
Kunduriotis wieder Präsident.
Nach Beseitigung der Diktatur. Athen , 25. Auguft.( WTB.) General Kondylis und jämtliche Parteiführer, nämlich kafandaris, Michalakopulos, Papanastasiu, Metaras, Zaldaris, Demerdjis und Sofulis, die sich gestern abend unter dem Vorsitz des Admirals Kunduriofis verjammelten, erkannten einstimmig und in offizieller Weife Kunduriotis als Präsidenten der Republik an. Infolge diefer Anerkennung veröffentlichte das Amtsblatt folgende Botschaft des Präsidenten an das Bolt:„ Nach der Beseitigung der Diktatur übernehme ich von heute an wieder die Präsidentschaft, zu der mich die vierte hellenische Nationalversammlung berufen hat. Dieser Schritt wird, der Agence d'Athènes zufolge, von der Preise und der öffentlichen Meinung mit Genugtuung als ein geschichtliches Ereignis begrüßt, das den besten Beweis für die innere Beruhigung und die Rückkehr zu einem normalen verfaffungs
mäßigen Leben liefert.
Rom , 25. August. ( EP.) zu einer Anspielung des Genes rals Kondylis über Griechenlands Ansprüche auf den Dode.
fanes wird in Italien betont, es gebe feine Dodekanes . Frage mehr, da der Besiß dieser Inseln endgültig geregelt jei, unb bie Frage nicht mehr aufgeworfen werden dürfe.
verringert. Trotzdem ist die Friedensförderung weit überschritten.
Wie diese Förderung erzielt wurde, ergibt folgende Aufstellung einer Zeche des Ruhrreviers. Danach betrug:
intl.
Die
Die
Der tarifliche Monatsbleistung Hauer- Repa durch ratur schnitts- hauerLohn lohn
über
im Monat
Die Schichtenzahl in der Grube
Tages förde.
betrieb
50 491
64 340
in der rung 1. Roterein Tonnen Grube haupt 52 424
50 430
65 288
51 039
60 264
54 773 59722
48 340
57 055
1,012 0,790 7,06 1,065 0,800 7,48 1,171 0,991 8,05 66457 1,375 1,164 8,05
6,10 6,50 7,00 7,00
1924 Nov. 1925 Mai Nov. 1926 Juli Danach betrug im Monat Juli 1926
die Zahl der weniger die monatliche Mehrverfahrenen Schichten
gegenüber dem Monat
Dezember 1924.. Mai 1925.
Dezember 1925.
7285
8025 8209
förderung
in Tonnen:
12 043 11 684 6735
Diese Steigerung wurde erzielt, weil die Gedingefäße fast durchschnittlich heute noch so stehen wie im Monat De 3ember 1924, ja zum Teil noch gekürzt wurden, besonders im Gesteinsbetrieb. Mithin hat die Erhöhung des Hauer durchschnittslohnes den Werten feinen Pfennig getestet. Nur die Erhöhung des Lohnes der Schichtlöhner hat die Unternehmer etwas getoftet, doch die Zahl der Schicht= löhner wurde gewaltig reduziert.
So wie auf dieser Schachtanlage ist es auf den anderen Schacht. anlagen auch. Es ist dies das beste Bild für die Unhaltbarkeit der Klagelieder der Unternehmer. Durch Mehrarbeit haben die Hauer die Erhöhung des Tariflohns wettmachen müssen.
Um diese Tatsachen zu übergehen, schieben die Unternehmer den Wettbewerb in den Bordergrund. Jetzt gibt man die bestritteEs bliebe da zu untersuchen, ob die stärkere Nach
nen Gebiete an.
frage nach Kohlen infolge des englischen Bergarbeiterstreiks keine Erhöhung der Preise brachte. Mit dem Hinweis auf den Wettbewerb wurden auch die Stillegungen der Werke begründet. Als die englische Studienkommission nach der Ursache der Arbeitslosigkeit frug, wurde ihr geantwortet, sie sei die Folge des Auslandswettbewerbs. Der Kommission kam diese Erklärung recht merkwürdig vor, da man ihr zu Hause dieselbe Geschichte erzählte. Der Bericht der englischen Studienfommission sei aber auch in dem Bunkte erwähnt, der die hohen Gewinne der Unternehmer im Ruhrbergbau aus der Nebenproduktion berühri: " Der Deutsche zieht aus seiner Industrie einen großeren Nuzzen als wir. Wir haben zwar reichere Flöze, strohend von Stoffen, die in Nebenproduktionsanlagen gewonnen werden fönnten, trotzdem geben sich unsere Bergwerkseigentümer damit zufrieden, ihre Kohlen für Hausbrand- und industrielle Feuerungs. zwecke mit einem sehr geringen, zuweilen auch mit gar feinem Nutzen zu verkaufen. Der Deutsche dagegen mit seiner geringwertigen Kohle gewinnt all die wertvollen Nebenerzeugnisie und erzielt so einen ansehnlichen Nutzen aus seinem Kohlenbergbau." Die Bergarbeiter lassen sich durch die gewohnheitsmäßigen Klagen der Unternehmer nicht täuschen und werden dafür sorgen, daß auch die Deffentlichkeit nicht getäuscht wird. Sie machen ihr Recht auf erträglichere Arbeitsbedingungen geltend und werden ihre Forderungen durchzusetzen wissen.
Der Austauschgefangene.
Der im sogenannten deutschen Tscheka Prozeß zum Tode verurteilte, zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigte und jetzt zum Austausch gegen in Rußland verurteilte Deutsche zur Auslieferung an Sowjetrußland bestimmte angebliche Globlemsti spielte in dem Brozeß selbst eine äußerst geheimnisvolle Rolle. Nun teilt die in Berlin erscheinende russische Zeitung ,, Rul" mit, daß Stoblewski in Wirklichkeit Krylon heißt und früher in Ruß land Abteilungschef der Tscheta war. Als solcher gehörte er der Expedition Rebroff" an. Diese Expedition bereifte ganz Rußland und bekämpfte die Gegenrevolution. Nach Beendigung dieser Expedition wurde Krylow der Komintern zugeteilt und nach Deutschland entsandt.
Linksblock in Prag.
der chechischen Sozialdemokraten, fordert am Mittwoch in einer Prag , 25. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Das Zentralorgan Besprechung der am Dienstag gefaßten Entschließung des Partei. vorstandes, die sich gegen den Eintritt in die Regierung ausge. prochen hat, die Bildung eines oppofitionellen ints: blods. Es nennt als in Frage kommende Teilnehmer die tschechifchen und deutschen Sozialdemokraten, die Legionäre, die tschechi fchen Nationalsozialisten, die Nationale Arbeitspartei und die fortfchrittlichen Kulturbewegungen. An die Kommunisten wird dagegen eine entschiedene Absage gerichtet.
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Die mazedonische Frage, die sich durch das Vorgehen Südsla wiens, Biechenlands und Rumäniens gegen Bulgarien wieder einmal sehr vernehmlich zum Wort meldet, gleicht der lernäischen Hydra: schlägt man ihr einen Kopf ab, fo wachsen zwei neue nach. Ursprünglich handelte es sich um ein vorwiegend soziales Problem, um die schonungslose Ausquetschung der Raja, der christlichen Bachtbauern durch die mohammedanischen Grundherren, aber an dem Feuer der Unzufriedenheit, das deshalb früh schon in Mazedonien aufzüngelte, dachten die Großmächte die Kastanien ihrer imperialistischen Politit zu rösten. Da Bulgaren und Serben Stämme ein und desselben südslawischen Volkes find, war es das Gegebene, daß im 19. Jahrhundert beide nach Abschüttelung der Türfenherrschaft das Dach eines Staates über sich errichteten; so sahen auch die Freiheitstämpfer hier wie dort die Zukunft vor sich. Aber von den beiden wesentlichen Anrainern der Balfanfrage wollie Defterreich von einem großen Südslawenstaat vor seinen Toren nichts wissen, weil er die von der schwarzgelben Knute furanzten Südflamen, Kroaten und Slowenen. auffäffig zu machen drohte, und Rußland glaubte feine auf Konstantinopel zielen= den Eroberungspläne leichter verfolgen zu können, menn es auf dem Balkan mit ohnmächtigen Kleinstaaten zu tun hatte. So entstanden nebeneinander ein selbständiges Serbien und eine selbständiges Bulgarien , das eine so lebensunfähig wie das andere, und um das Teile und herrsche! glorreich zu vollenden, warf Petersburger und Wiener Arglist Maze= bonien als 3anfapfel zwischen beide.
Bor Griechen, Walachen, Albanern und Türken steht als Hauptmasse der Bevölkerung Mazedoniens ein füdslawischer Stamm. Ob es sich dabei um Serben oder Bulgaren handelt, ist eine ebenso hiziq umstrittene mie törichte Frage, die etwa darauf hinausläuft, ob die Mitteldeutschen Norddeutsche oder Süddeutsche sind. Gefchichtliche Belege", die für die eine wie die andere These in Haufen beigebracht werden. gehören im 20. Jahrhundert in die Trödelbude, und auch wenn man die mazedonischen Mundarten unter die Lupe der Sprachwissenschaft nimmt, läßt sich alles oder nichts beweisen. Genug, der in die bulgarische Schule gesteckte slamische MazeDonier wird ebenso mühelos zum Bulgaren wie der durch den serbischen Unterricht gegangene zum Serben. Diese Tatfache ausbeutend, warf sich in den letzten Jahrehnten vor dem Weltkriege die Sofioter wie die Belgrader Propaganda auf das noch unter dem Halbmond schmachtende Land, um Menschen nach ihrem Bilde zu schaffen. 1912 fchien der Bailanbund und die Bertreibung der Türken aus Europa eine glattere Lösung der mazedonischen Frage anzubahnen, aber die Machenschaften des Wiener Ballolages sprengten das Bündnis und trieben es zum Bruderfrieg zwischen Serben und Bulgaren . Der Friebe nnn Butareft erledigte 1913 die Frage ebensowenig wie der Ausgang des Weltkrieges, denn jede Lösung lahmt, die Sofia und Belgrad nicht innerhalb der gleichen Staatsgrenzen sieht.
Wenn es bei dem jüngsten Streitfall um den zum Königreich der Serben, Kroaten und Glowenen geschlagenen Teil Mazedoniens geht, so ist die Lage seiner Benöfferung national anders als in den griechisch- mazedonischen Strichen. Werden hier Slamen gewaltsam zu Hellenen gemacht, so leben dort immerhin Südflamen in einem südslawischen Staat. Aber mächtig gärt auch unter ihnen die allgemeine Nachkriegsunzufriedenheit. Das dünn bevölkerte Land, etwa anderthalb Millionen Einwohner auf 45 000 Quadratkilometer, ist mirtschaftlich und kulturell meit aurück. Der Gefundheitszustand des Bolkes ist übel, die Schulverhältnisse liegen im Argen, Analphabetismus ift Trumpf. Die Agrarreform wurde unzureichend durchgeführt, die Berkehrsmittel find schwach entwickelt, die andere Provinzen beschattende Wirtschaftskrise verschont auch Mazedonien nicht. Dazu ein schroff verständnisloser Zentralismus, eine Amtsschreiberfaßte mit nicht immer reinen Händen, eine zügellos sich austobende Partei- und Cliquenwirtschaft, und es wird begreiflich, wie diese Gaue zum günstigen Nährboden für die Propaganda der Inneren Mazedonischen Revolutionären Organisation" werden konnten.
Auch den Bandentrieg betreibt diese Organisation als Bropagandamittel, hauptsächlich um nach einem schon in der Türkenzeit erprobten Rezept die Augen Europas auf das mazedonische Problem zu lenten. Die Mazedonisierenden" stellen einen in Bulgarien sich ungehindert entfaltenden mächlutionäre Mazedoniertum" bereits als Lebensberuff betrachten. tigen Verband dar, von dessen Mitgliedern viele das ,, revoWas aber heute zur Erörterung steht, ist die von Belgrad , Athen und Bukarest behauptete Duldung oder gar Förderung der in die Nachbargebiete einbrechenden Banden durch die Machthaber in Sofia . Obwohl die Regierung japtchews unter Beter- und Mordiogeschrei ihre Unschuld beteuert, spricht dach genug für jene Behauptung, denn das 9. Juni- Regime" wurde 1923 durch einen blutigen Staats