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Abendausgabe

Nr. 421 43. Jahrgang Ausgabe B Nr. 208

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreife fino in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Tel.- Adresse: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

Berliner Volksblatt

10 Pfennig

Dienstag

7. September 1926

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 8% bis 5 Uhr Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Spaniens Diktator behauptet sich.

Mit Hilfe des Königs. Kein Nachfolger vorhanden.

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Paris , 7. September. ( Eigener Drahtbericht.) Die strenge Zensur, die in Spanien über sämtliche Verbindungen nach außer halb geübt wird, gestattet keinerlei objektives Bild über die Vorgänge. Nach den letzten Nachrichten der Pariser Morgenpreffe scheint es, daß es Primo de Rivera gelungen ist, den wider­fland der Artillerieoffiziere in mehreren Gar­nifonen zu brechen. Ebenso scheint sich der König auf Seite des Diktators gestellt zu haben und ihn mit allen Mitteln zu unterstützen.

Am Montag hat ein kabinettsrat stattgefunden, nach deffen Berlaffen der Diktator erklärte, alles deute darauf hin, daß die Ruhe in fürzester Zeit wiederhergestellt fein werde. Primo de Rivera hatte im Laufe des Montag mehrere Besprechungen mif führenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und des Heeres. Außerdem empfing er auch den englischen Botschafter.

Das Zentrum der militärischen Bewegung gegen Primo ist die Stadt Bilbao . In Madrid dagegen ist die Garnison der Regierung freu geblieben. Wegen Beteiligung an der Meuterei find insgesamt 1667 Offiziere ihres Postens enthoben worden. Die Flotte in Cadiz und die Kriegsindustrie in Barcelona haffen sich der Aufstandsbewegung der Artillerie an­geschlossen. In Barcelona hatten sich zwei Artillerietasernen geweigert, ihre Waffen abzuliefern und sich zu ergeben. Die Gebäude wurden von Kavallerie und Infanterie umzingelt, worauf die eingeschloffenen Truppen die Waffen niederlegten.

Alle ausländischen Zeitungen werden an der Grenze angehalten, um die spanische Bevölkerung ruhig im unflaren zu lassen über die Vorgänge.

Nach den jüngsten Meldungen aus Madrid hat General Primo de Rivera am Montag im Laufe einer Besprechung mit dem König diefem feine Demiffion angeboten. Der König habe sie aber abgelehnt, da er überzeugt sei, daß zwar zahlreiche Generale geneigt feien, sich gegen Primo de Rivera aufzulehnen, aber kein einziger davon imftande sei, ihn im gegenwärtigen Augen­blid an der Spihe der Regierung zu ersehen.

Die Stimme des spanischen Offiziosus. BTB. verbreitet folgende Mitteilung: Nach einem Telegramm aus Madrid , das heute früh bei der Berliner spanischen Botschaft eingelaufen ist, haben sich die Lehrer der Artilleriea fademie

| von Segovia der Regierung unterworfen. Damit fönne man den Widerstand der Kommandeure und der Offiziere der Artillerie gegen die Staatsgewalt als been det betrachten. Diese Offiziere würden nunmehr durch Militärgerichte abgeurteilt werden.

Es ist zu bemerken, so fährt der Bericht fort, daß die jetzigen Vorkommnisse in Spanien in Wirklichkeit weder eine mili­fondern eine korporative Auflehnung zur Verteidigung einer Auf­tärische noch eine politische Revolution darstellten, fassung, die der Regierungsmeinung entgegengesetzt war.

Rivalität im Artillerieoffizierkorps als Ursache der Revolte.

London , 7. September. ( EP.) Der New York Herald " meldet aus San Sebastian , daß die Königin von Spanien den früheren amerikanischen Botschafter in Madrid Moose erklärt habe, daß die Unruhen der letzten Tage von den Artillerieoffizieren angezettelt worden seien, die nicht in Marotto gefämpft haben. Primo de Rivera habe ein Gesetz erlassen, wodurch die Beförderung der Offi­ziere nicht mehr nach Dienstjahren, sondern nach Verdien­sten erfolgen soll. Die in Frage stehenden Offiziere hätten nun ge­glaubt, bei der Beförderung zu furz zu fommen. Die Daily Mail" meldet aus San Sebastian , daß die plögliche Abreise des Mail" meldet aus San Sebastian , daß die plögliche Abreise des Königs, nach Madrid auf einen Anschlag der spanischen Republi faner zurückzuführen sei, die geplant hätten, den König ge­fangen zu nehmen und zum Abdanken zu zwingen.

Die Madrider Artillerie ergibt sich.

Madrid , gestern abend um 7 Uhr hat sich die gesamte Artil. Paris , 7. September. ( WTB.)" New York Herald " meldet aus 1eriegarnison von Madrid , bestehend aus vier Regi­mentern, ohne einen Schuß den Regierungstruppen ergeben.

In Barcelona gibt die Artillerie ihre Kasernen preis.

Madrid , 6. September. ( 8 Uhr 45 min. abends.)( WTB.) Es herrscht vollkommene Ruhe. Bis jetzt ist fein Zwischenfall ou melden. In Barcelona wurden die Artilleriefasernen von den Offizieren in voller Ruhe verlassen. Infanterie- und Kavallerie abteilungen besezten diese Kasernen, ohne daß sich der geringste 3wischenfall ereignet hätte.

Aus Gibraltar wird gemeldet, daß sämtliche Artillerie. offiziere von Algeciras entgegen dem Befehl der Regie. tung ihre Uniformen sowohl in den Kasernen wie auf der Straße weitertragen, ohne daß sie von den Behörden des wegen belästigt wurden.

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Gegen die Diktatur der Großmächte.

In Genf wehren sich die Kleinen.

figenden der sechs regelmäßigen Kommissionen besteht.

Das Bureau, dem die Bertreter der vier ständigen Ratsstaaten angehören, tritt heute nachmittag um 3 Uhr zur Beratung der formalen Erledigung des deutschen Aufnahmege­fuches und der Beschlüsse über die Ratserweiterung zusammen. Außerdem werden die sechs Bersammlungsausschüsse heute nach mittag ihre fonftituierenden Sigungen abhalten. Auch der Bölferbundsrat hat auf heute nachmittag eine Sigung anbe raumt.

V. Sch. Genf , 7. September. ( Eigener Drahtbericht.) Das| das, wie üblich, aus dem Präsidenten der Tagung und den Bor­Mißtrauen der kleinen Staaten gegen die Großmächte ist eine alte Erscheinung im Völkerbund. Sogar die Tatsache, daß sich vor Zusammentritt der Studienkommission Frankreich , Deutschland und England grundsäglich geeinigt hatten, ohne Fühlungnahme mit den übrigen Mächten, ist von den kleinen Staaten ungünstig aufgenommen worden. Ein Artikel des Matin", der diese deutsch . französisch - englische Einheitsfront als bedeutungsvolles Ereignis mitteilte, das für die Entwicklung des Völkerbundes richtunggebend sein werde, hatte lebhafte Beunruhigung in den fleinen Staaten ausgelöst und einen Gegenartikel des Journal de Genève" veranlaßt, in dem gegen die geplante Diktatur der Großmächte" protestiert wird und die kleinen Staaten zum Widerstand dagegen aufgefordert werden.

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Nur unter diesem Gesichtspunkt ist ein kleiner 3 wischenfall zu bewerten, den Nansen Norwegen am Schluß der gestrigen Bollfizung verursachte, als er sich lebhaft darüber beschwerte, daß er und viele andere Delegierte infolge der schlechten Akustik nicht gehört hätten, was der Präsident vorgeschlagen und worüber man abgestimmt hätte. Jezt verlautet, daß Nansen in der nächsten Sizung einen zweiten Borstoß machen wird, der sich gegen die Dittatur der Großmächte" bzw. des Wölferbundsrats richtet. Er will beantragen, daß entgegen dem Borschlag des Rats eine getrennte Abstimmung über den permanenten Ratssig für Deutschland und über die Schaffung der drei neuen nichtständigen Ratssize vorgenommen werde. Offenbar wollen die kleinen Staaten eine Debatte über diese Bermehrung der nichtständigen Ratssige entfesseln, um ihren grundsätzlichen Widerstand gegen diese Neuerung in der gleichen Form zum Ausdrud zu bringen, wie es bereits Echweden in der Studienkommission getan hat. Irgendeine Komplitation ist von diesem Vorstoß nicht zu erwarten und aruch nicht eine Berzögerung des Eintritts Deutschlands . Es handelt fich, wie gesagt, lediglich um die alte Rivalität zwischen den großen und den fleinen Mächten.

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Das Bureau gewählt. Die Sigungen des heutigen Nachmittags.

Genf , 7. September. ( Eigener Drahtbericht.) Heute vormittag wurde in der Sigung der Bollversammlung das Bureau gewählt,

Der Völkerbund in den deutschen Rundfunk! in den öffentlichen Sizungen der Vollversammlung werden in ver­V. Sch. Genf , 6. September. ( Eigener Drahtbericht.) Die Reden reich, in England, in der Schweiz und in der Tschecho schiedenen Ländern durch Radio verbreitet, vor allem in Frank­lo matei. Uns will es scheinen, daß Deutschland alles Uns will es scheinen, daß Deutschland alles Interesse daran hätte, sich in besonderer Weise der Populari­fierung des Bölkerbundsgedankens zu widmen und entsprechende Borkehrungen zu treffen. Zumindest könnte man den Verlauf der Gigung am Freitag vormittag, in der Deutschland in Genf erscheinen wird, durch Rundfunk verbreiten. Zwar werden die meisten Reden nur in französischer und englischer Sprache gehalten, aber erstens dürften viele Tausende von Zuhörern sich trotzdem dafür interessieren, und außerdem wird ja Stresemann seine Antritts rede zweifellos in deutscher Sprache halten.

Das Kölling- Verfahren eingestellt! Haas, Fischer, Reuter erhalten Entschädigung! Magdeburg , 7. September. ( Eigener Drahtbericht.) Das im Zusammenhang mit dem Mordprozeß Schröder vom Untersuchungsrichter Kölling eingeleitete Strafverfahren gegen den Kaufmann Rudolf Haas, den Schriftfeher Fischer und den Chauffeur Reuter wegen angeblicher Anstiftung und Beihilfe zum Morde ist jetzt durch Gerichtsbeschluß endgültig eingestellt worden. Gleichzeitig wurde der Anspruch der zu Unrecht Befchul­digten auf Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft anerkannt.

Die russische Mauer.

Moskauer Pressepolitik.

Die russische Botschaft in Berlin hatte, wie unseren Lesern bekannt, unserem Genossen und Mitarbeiter Kurt Heinig die Erlaubnis zur Reise nach Rußland zunächst zugesagt, fie fah sich aber infolge einer Entscheidung der Moskauer Re­gierung genötigt, diese Zusage zu widerrufen. Die peinliche Lage, in die sie durch den Unverstand ihrer Auftraggeber geraten ist, verdient alles Mitgefühl, sie gibt ihr aber nicht das Recht, die Verantwortung für das sogenannte Miß­verständnis" dem Genossen Heinig zuzuschieben, wie sie das fich Genoffe Heinig mit der folgenden Erklärung zur Wehr: heute morgen in ihrem hiesigen Organ tut. Dagegen fetzt

1. Das hiesige Organ der russischen Botschaft behauptet ein, geheimes Abkommen" entdeckt zu haben, das zwischen dem ,, Vorwärts", der Sozialdemokratischen Partei und Gewerkschafts­presse und mir geschlossen worden sei. Diese Entdeckung sei der eine Grund der Zurückziehung der bereits erteilt gewesenen Ein­reiseerlaubnis.

Der heimliche Zwed meiner Rußlandreise sei nach jenem Ab­fommen"

a) ich solle mir die Autorität eines Rußlandstenners verschaffen, b) mit dieser Autorität solle ich den Arbeiterdelegationen im ,, Vorwärts" sowie in der übrigen Partei- und Gewerkschafts­presse entgegentreten.

Ich erkläre hiermit öffentlich, daß das hiesige Organ der russischen Botschaft mit diesen Behauptungen bewußt die Unwahr­heit fagt. Das Abkommen" ist frei erfunden.

2. Weiter läßt die russische Botschaft als anderen Grund zur Zurückziehung der erteilten Erlaubnis die Behauptung verbreiten, daß ich ihr weder über meinen Reisezwed noch über meine Auf­traggeber die volle Wahrheit gesagt hätte.

Für heute möchte ich darauf nur antworten, daß meine Ein­munistischer Seite, bei der russischen Botschaft befürwortet reise mündlich und schriftlich von dritter, und zwar von fom= worden ist. Diese Befürwortung erfolgte bei voller Kenntnis meiner meiner Rußlandreise zu berichten. Und das Allerwichtigste: die Ge­Absicht, in der sozialdemokratischen Arbeiterpreffe über die Eindrüde nehmigung meiner Einreise ist auf Grund jener Befürwortungen erfolgt.

3. Im übrigen muß ich die Unanständigkeit zurückweisen, die darin liegt, mir vorgefaßte Meinung gegen Rußland zu unterstellen. Ich bin seit Jahren aus freier Entschließung Mitglied der Gesellschaft der Freunde des neuen Rußlands ", ich habe weder im Vorwärts" noch sonstwo gegen Rußland Stellung genommen. Es ist mir deswegen unerfindlich, mit welchen Beweisgründen die Objektivität meiner Berichterstattung anzu­zweifeln war.

Berlin , 7. September.

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"

Kurt Heinig .

Man kann wohl sagen, daß die Größe der Verlegenheit, in der sich die russische Botschaft befindet, erkennbar ist an der Plumpheit der Ausreden, die sie gebraucht. Die russische Botschaft will nicht gewußt haben, daß Heinig über seine russischen Reiseeindrücke dem Vorwärts" etwas schreiben wolle. Heinig habe ihr das geflissentlich verschwiegen. Ganz abgesehen davon, daß sie damit, wie Heinig beweist, die Unwahrheit sagt hätte die Botschaft nicht selbst die schwarzen Pläne Heinigs erraten können, wenn er sie ihr wirklich ängstlich verschwiegen hätte? Die russische Botschaft muß doch wissen, daß Genosse Heinig jahrelang Redakteur am Vorwärts" war, daß er heute noch sein Mitarbeiter ist und beispielsweise über seine Ameritareise im Vor­wärts" berichtet hat. Wenn sie jetzt so tut, als hätte sich Genosse Heinig gewissermaßen vermummt und verkleidet nach Rußland einschleichen wollen, so ist das doch einfach kindisch!

Aber noch mehr: dieselbe russische Botschaft, die nicht gewußt haben will, wer Heinig ist, besitzt auf einmal so genaue Kenntnisse von den Beziehungen, die zwischen Heinig und uns bestehen, daß sie sogar Geheimabfommen entdeckt, die zwischen uns und ihm geschlossen worden sein arbeitern getroffen werden, als Geheimabkommen" sicher den sollen! In journalistischen Kreisen wird die Bezeichnung von Abreden, die zwischen den Redaktionen und ihren Mit­fröhlichsten Widerhall finden. Jedermann weiß doch, daß solche Dinge nicht auf Bargamenten mit Wachssiegeln, son­Unter solchen Umständen ist das Geheimabkommen" eine folche Dinge nicht auf Bargamenten mit Wachssiegeln, son­dern in kollegialer Aussprache erledigt werden. felbst für einen ordinären Polizeifpigel ganz ungewöhnlich dumme Erfindung.

"

lauter

Ausführungen über den Fall Heinig mit dem Saße: Der Das hiesige Organ der russischen Botschaft beginnt seine Gonntag, Borwärts" schwelgt in Wonne." In diesen Worten scheint uns eine außerordent­lich scharfe Kritik des Verhaltens der russischen Regierung zu liegen, sie sagen doch dem Sinne nach: Da haben die in Moskau eine ungeheure Dummheit gemacht, und der Vor­wärts" reibt sich darüber die Hände." Mit der ungeheuren Dummheit stimmt's, aber daß wir über sie Freude empfinden, ist falsch.

Wir sind feine Kommunisten, die mit ,, Entlaroungs­manövern" arbeiten. Genosse Heinig hat das Einreisegesuch nicht gestellt, damit es abgelehnt werde und die russische Regierung Gelegenheit finde, sich zu blamieren, sondern er hat es getan mit dem Wunsch und in der Hoffnung, daß die Bewilligung erteilt werden würde. Diesen Wunsch und diese Hoffnung hatten wir geteilt in voller Kenntnis der Tat­