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Nr. 42S 4Z,�ahrgang

! ÖCÖ �OPtDöttÖ Soanabenü, n. September? 4 26

was bringt Sie: Die. alljährlich im cherbst stattfindende große Funkausstellung in Wißleben hat schon einen festen Platz im Iahresprogramm der Berliner Bevölkerung gewonnen. Kein Wunder bei der Popu- larität des Radios, namentlich in Berlin , leben doch von den Mil- lionen chörern der deutschen Rundsunkgemeinde nahezu die chälfte in Berlin . Selbstgebaules Gerät. Daß auch die werktätige Bevölkerung lebhaft daran teilnimmt. zeigen die Ausstellungen des sunkentechnischen Per- b a n d e s sowie der Arbeiter-Radio-Klubs. Hier sind durchweg selbstgebaute Geräte ausgestellt, vom einfachsten Detektor- «mpsänger bis zum empfindlichsten S-Röhren-Tuper-Heterodyngerät. Und man kann nur mit Freude feststellen, daß zahlreiche Aussteller Arbeiter sind, und daß sie oft die besten Sachen geliefert haben. Manche werden es als natürlich betrachten, daß auf diesem Felde die Arbeiter Gutes leisten, weil ihnen handwerkliche Geschicklichkeit von Natur- und Berusswegen eigen ist. Aber das wäre ein Irrtum, Venn auch solche Berufe, die fern von Drehbank und Schraubstock leben, haben sich mit Erfolg betätigt. Einer der bemerken s- wertesten Fernempfängcr war z. B. von einem Backer ausgestellt, dessen Berus ihn doch ganz gewiß nicht Zehrt, mit Feile, Bohrmaschine und Lötkolben umzugehen. Roch verschiedene andere gleichartige Berufe waren mit Glück vertreten. Außerdem waren mehrfach Meßgeräte ausgestellt wie Wellenmesser, Kapazitätsmeßbrücken und anderes, deren Anfertigung nicht nur handwerkliches Geschick, sondern auch eine nicht ganz leichte Berech- nung voraussetzt, eine Ausgabe, die offenbar mit Erfolg gelöst worden ist. Man kann daran erkennen, welche wertvoll� Ausgabe dem Radio gestellt ist. Der an sich rein sportliche Wettstreit, ob Hansens oder Fritzens selbstgebauter Empfänger am meisten ent- lernte Stationen heranholt, wird zum Ausgangspunkt reger geistiger Entwicklung, die den daran Beteiligten sicherlich großen Nutzen bringt. In Amerika , dem Ursprungslande des Radios, haben wir es gesehen, wie Amateure der Entwicklung der Wisienschast große Dienste geleistet haben, daß es auch in Deutschland so kommen möge, wird jeder wünschen. fertiges Gerät. Was die diesjährige große Funkausstellung auszeichnete, war war allem die Tatsache, daß auf die Bedürfnisse des Bastlers in weitestem Maße Rücksicht genommen worden ist. Von den fertigen Geräten zu sprechen lohnt kaum, so- weit sie gut sind, sind sie für die werktätige Bevölkerung, namentlich »n einer Zeit großer Arbeitslosigkeit, zu teuer, soweit sie billig sind. ist ihre Leistung gegen frühere Zeiten kaum gesteigert. Immerhin sieht man zuweilen Geräte, die bei sehr mäßigem Preise doch Gutes leisten und unter besseren Empfangsverhältnissen, als sie in Berlin herrschen, wohl auch einen Fernempfang, wenigstens mit Kopfhörer gewähren. Ein Zweiröhrenempsänger mit einer Niederfrequenz- verstärkcrröhre kann schon in Berliner Vororten recht wohl guten Fernempfang geben, und ein solches Gerät ist in vorzüglicher Aus- führunz schon für 50 M. zu haben. Natürlich ist das noch sehr viel Geld, dann muß man eben seine Geschicklichkeit anspannen und sich so etwas selber bauen, die Schwierigkeiten sind nicht zu groß. Geht man zu 3-Röhren-Geräten über, die unter guten Empsangsver- Hältnissen schon Lautsprecherempsnng auswärtiger Sender liefern, so muß man sreilich gleich sehr viel mehr Geld anlegen, der Sprung ist gerade hier sehr groß. Lautsprecher. Für den Lautsprecher werden sich heute wohl viel mehr Funkfreunde entscheiden als noch vor einem Jahre. Es ist nicht zu verkennen, daß sie erheblich verbessert worden sind. Es hat sich eben ergeben, daß alle Kunststücke mit Vermeidung des gefürchteten Trichters nichts Wesentliches bringen, daß das, woraus es einzig und allein ankommt, sauberste Werkstattarbeit und gute elektrische Bemessung des Telephons ist. Dieser Weg ist zuerst von den Deutschen Telepbonwerken betreten worden, die durch ihre Ersahrungen aus dem- Gebiet der Herstellung von Telephonen dazu besonders befähigt waren, die anderen Firmen sind ihnen gefolgt. Nicht nur, daß man jetzt viel weniger trichterlose Lautsprecher sieht als früher, hat dieses Jahr eine Firma sogar einen Lautsprecher mit Trompetenhorn ausgestellt, in der gar nicht

üblen Ueberleguna, daß das, was bei Musikinstrumenten gut ist, bei Radiomusik wahrscheinlich auch nicht schlecht ist. Erfreulicherweise sind sie auch billiger geworden, für 25 bis 30 M. ist schon ein ganz guter Lautsprecher zu haben. Bei der Stärke der heutigen Sender kann ein guter Detektorempfänger in der Nähe des Senders mit einem empfindlichen Lautsprecher recht wohl Empsang geben, was für viele Besitzer von Detektorgeräten natürlich von guten, wohl- gemerkt Veranlassung geben wird, sich die Lautsprecherfragc ernst- lich zu überlegen. Neben diesen Dingen sieht man Einzelteile zum Selbstbau. von Empfängern, Wellenmesiern usw. in ungeheurer Zahl. Der- glichen mit dem Vorjahre fällt vor allem die Zunahme der Qualitäts- arbeit auf. Welcher Bastler kennt nicht das Leiden mit den ewig schleifenden Kondensatoren, den durchgeschlagenen Transformatoren und den anderen, oft versagenden Einzelteilen? Heute sieht es doch etwas anders aus, die Münchener Fabrik von Förg, die mit dtm Bau von Präzisionskondensatoren Schule gemacht hat, ist nur noch eine in zahlreicher Gesellschaft, ebenso steht es mit den Trans- formatoren. Leider sind die guten Kondensatoren noch viel zu teuer, Preis etwa 12 bis 15 M. Die Transformatoren sind im Vergleich viel billiger. Die nächste Ausgabe der deutscheu Funk- industrie wird es daher sein, gute Ware zu erschwinglichen Preisen zu liefern. Auf Wiedersehen im nächsten Jahre! Dipl.-Ing. Dr. H.

Große havelfahrt. Diesmal sollte die Fahrt etwas weiter hinausgehen, als im all- gemeinen die großstädtischenDampfer mit Musik" die Berliner bringen. Im Gegensatz zu der üblichen Fortbewegung auf dem Wasser konnten wir selbständiger auftreten. Ein Freund stellte ein Motorboot zur Verfügung und lud uns und unsere Sachen ein. Die Sache mit der Wettervoraussage klappte(ausnahmsweise!) bald hatten wir Spandau hinter uns. Schwanenwerder, die Pfauen- infel, die Glienicker Brücke zogen an uns vorüber, alles bekanntes Gebiet, zu Wasser und zu Lande. Unser Führer steuerte die Krampnitz an. War bisher noch einiger Betrieb aus dem Wasier, so empfing uns hier die Stille, die die Nerven zur Erholung brauchen. Das hatten aber auch schon einige andere Wasserfahrer ausfindig gemacht, deren Boote weitgehende Rückschlüsse auf die Größe ihres Geldbeutels zuließen. Unser uns so nobel dünkendes Motorboot sank im Vergleich mit diesen Luxusjachten zum Arme- leutckahn herab, wobei wir uns aber mit dem Gedanken trösteten, daß sie schließlich trotz allem Protzentum hier draußen auch keine bessere Luft kriegten als wir. Eine herrliche Nacht im Boot unter herrlichstem Sternenhimmel, dann Morgentoilette im See und Morgenkaffee unter Buchen und Erlen unserÄöppcn* drängte zur Weiterfahrt. Von Potsdam sahen wir bei der Freundschasts- insel den alten Teil, der nicht nach Perückenpuder und Aktenstaub roch. Alte, ehrwürdige Häuschen, das Eigentum alteingesessener Fischersamilien, grüßten zu uns herunter: vorwärts ging's weiter der mittäglichen Rast am Luftschisfhafen zu. Bei Caputh kam der düster« Schwielvwsee in Sicht: wir hielten auf Baumgartcnbrück zu. Der tägliche Wcrdersche Obstschleppzug zeigte uns die Nähe der märkischen Obstkammer. Wir verzichteten aufBismarck "- und Friedrichshöhe", sahen das freundliche Städtchen nur vom Wasser her und fanden bald in Alt-Töplitz bei freundlichen Wirtsleuten ein weiches Nachtlager im Heu. Am nächsten Tage führte uns das Gewirr der Havelkrümmungcn durch havellöndisches Luchland. Wasservögel aller Slrt stöberte unser Boot auf, die schwarzen, spitz- köpfigen Taucher senkten den schlanken Leib in die Fluten, Müven verfolgten uns lange Zeit, frischer Heuduft und Grasmahd würzten die Luft. Große Fuder Heu kamen aus zusammengekoppelten Kahn- fähren angeschlichen, Angler übten ihren nervenstärkenden Sport im Schilf, hier und da begegnet uns ein Schleppzug. Das alte, treu- herzige Fischerslädtchen Ketzin bleibt rechts liegen: noch einmal er-

weitert sich der Fluß zum Trebelsee dann nehmen uns spreewald - ähnliche Wasserarme auf und führen uns in ungezählten Bogen nach Brandenburg an der Havel . In rascher Fahrt treibt uns Motor und Strömung im Silokanal zum Landhaus der Soziali st ischen Arbeiterjugend am Quenzsee, wo uns spät abends Quartier und Kost für einige Rasttage geboten wird.

Weitere Hestänüniffe des Naubmörüers ööttcher. Zwei Ueberfälle bei Zvuhlgarten. Die Schandtaten, die dem verhafteten Raubmörder Böttcher zur Last fallen, werden immer zahlreicher. Man fand bei ihm u. a. auch eine kleine Armbanduhr mit einem Ripsband. Es ergab sich, daß diese sich in einer Handtasche befunden hatte, die am 30. Mai abends um 10 Uhr einer Pflegerin der Anstalt Wuhlgarten auf dem Wege vom Bahnhof Biesdorf nach der Anstalt geraubt worden war. D«r Wegelagerer hatte außer der Uhr auch noch ein Portomonnaie mit 35 Mark erbeutet. Dieses Portomonnaie, da» Böttcher leer bei sich behalten hatte, und die Uhr. wurden von der Pflegerin als ihr Eigentum wiedererkannt. Der Verbrecher gab daraufhin auch diesen Ueberfall zu. Am dritten Juni kehrte die 18jährig« Tochter eines Ange st eilten der Anstalt Wühl- garten mit einem Spätzuge aus Berlin zurück. Da sie Angst hatte. allein zu gehen, bat sie einen Schupobeamten, der mit seinem Hunde am Bahnhof stand, um Schutz. Der Beamte ging mit dem Hunde in einiger Entfernung hinter dem Mädchen her. Kaum hatte es, etwa Illv Meter weit an einem Roggenfeld entlanggehend, den mit dichtem Gebüsch besetzten Zaun der Anstalt erreicht, als aus diesem Buschwerk heraus ein Mann sprang und da» junge Mädchen am Halse würgte. Der Schupobeamte eilte zu Hilfe und machte auch seinen Hund lo». Dieser stürzte sich auch auf den Wegelagerer, der jedoch trotzdem in da» Kornfeld hinein entfloh und entkam. Der Hund lief ihm nach, kehrte aber nicht zu seinem Führer zurück. Böttcher will sich dieser Vorgänge bei seinen vielen Ueberfällen nicht mehr er- innern, gibt aber zu, daß er wohl der Täter gewesen sein werde.

vle neue Vergnügungssteuer. Auf Grund neuer Reichsrotsbestimmungen sind die Gemeinden gehalten, ihr« Vergnügung» st euern einer radikalen Revision zu unterziehen. Auch die Stadt Berlin Hai deshalb «ine neu« Ordnung ausgearbeitet, die am 1. Oktober in Kraft treten soll. Der Berliner Magistrat hat sein« Vorlage in allen Einzelheiten an die Bestimmungen des Reichsrats angelehnt und mit Rücksicht aus die Finanzlage der Stadt die Höchstsätze vorgeschlagen. Dem hat sich gestern der Steuerausschuß der Stadtverordnetenversammlung nach längerer Debatte angeschlossen. Gegenüber dem bestehenden Zustand bedeutet die neu« Steuerordnung für die S p r e ch t h« a t c r eine Ermäßigung von 10 auf 8 Proz., für die L i ch t s p i e l- t h« a t e r sind Sätze von 15, 12?« und 10 Proz., je noch der Art de» betreffenden Film, festgesetzt. Es ist kein Zweifel, daß die Stadt- verordnetenverfammlung in ihrer nächsten Sitzung diesem Beschluß des Steuerausschusses beitreten wird.

Wictzer ein Sittlichkeitsverbrechen! Unter der schweren Beschuldigung, sich an einem dreizehn- jährigen Mädchen vergangen zu haben, ist in L i ch t e n b e r g ein Fuhrwerksbesitzcr festgenommen worden. Das Mädchen, das bei den Eltern in der Kreuzberggegend wohnt, hatte zu der in der äußeren Luisenstadt wohnenden Großmutter gehen wollen und war von dort nicht wieder heimgekehrt. Aus die bei der Polizei ge- machten Vermißtenanzeige erhielt der Vater am nächsten Abend die Meldung, daß er sein Kind von einem Polizeibureau in der Frank- furtcr Allee abholen könne. Dort erfuhr der Vater von dem Mäd- chen, daß es den Rummelplatz an der Köpenicker Brücke besucht hatte und von einem fremden Manne aus seinem Fahrrad mitgenommen worden war. Der Mann habe dann, erzählte die Kleine, sie in einem Stall mißbraucht und sie bis zum nächsten Abend eingesperrt gehalten. Aus Grund der An- gaben des Kindes gelang es dem Vater, zwei Tage später nach vielen Bemühungen dos Haus zu finden, in das es verschleppt worden war. Mit Hilfe von Polizeibeamten wurde der Beschuldigte dann aus der Straße ermittelt und in Hast genommen. Ueber da» Ergebnis der ersten Vernehmung liegt noch kein« amtliche Mitteilung vor.

u, Die Sigurantin. Roman eine» Dienstmädchens von Läon Jrapie. Autorisierte Uebersetzung aus dem Französischen von Kunde-Grazia. Ich wende mich also an ein Bermittlungsbureau. Bei meinem Eintritt sehen der Mann und die Frau einander an, sagen unfreundlich zu mir: Wollen Sie zu Leuten geizen, die erwachsene Söhne im Alter von 20 bis 22 Iahren haben und ein hübsches Dienst- mädchen wünschen?" Ich lehne ab, da werden sie noch unfreundlicher und in heftigem Tone sagen sie: Sie sind schwer unterzubringen, wenn Sie sich zu keinem Scherz hergeben wollen." Sie sind ein zu hübsches Mädchen, das ist genau so ein Fehler, wie wenn Sie zu häßlich, einäugig oder bucklig wären. Es darf keinerlei Uebermaß sein. Sie müssen be- greifen, daß kluge Leute um keinen Preis ein Mädchen mögen, das zuviel physischen Reiz hat." Sulette nickte mit dem Kopf: Ja," ich habe einmal eine Dame gehört, die beim An- blick einer sehr hübschen Alesierin wie vor der Pest aufschrie: Das will ich nicht, will ich nicht, ich habe keine Lust alle Hosen den Quartiers in mein Haus zu locken!" In der Tat", ergriff die Gefährtin wieder das Wort, war ich nach Ablauf meiner acht Tage ohne Stellung, sah mich also gezwungen, mit dem Koffer ins Hotel zu ziehen. Ungebeten nennt mir der Vermittler eins in der Nachbar- fchaft als billigstes. Ich gehe hin und entscheide mich für eine Kammer: Tag und Nacht 20 Sous. Ich ahnte noch nichts von dem Handel solcher Hotels, aber man mußte durch ein Zimmer mit Weinschrank gehen; Eigentümer wie Gäste hatten nichts Vertrauenerweckendes, dazu wechselten sie mit- einander verstohlene Blicke. Kurz, gleich am ersten Abend faßte ich. trotzdem ich doppelt verschlossen hatte, den Gedanken, mit Koffer und Fauteuil die Tür zu verbarrikadieren. Ich habe ruhig geschlafen. Den zweiten Abend, ich komme tot- müde nach Hause den ganzen Tag war ich herumgelaufen, etwa ein Dutzend Adressen aufzusuchen, verstelle noch meine Tür und lege mich sofolt nieder, lösche die Kerze, und fast im selben Augenblick schlägt draußen eine Wanduhr. Ich hatte vergessen, nach der Zeit zu sehen und ob meine Uhr richtig ging; da sie auf dem Nachtisch beim Licht lag, zünde

ich ein Streichholz an, um auf sie zu schauen, werfe dann das Hölzchen weg. Ich glaube es ausgeblasen zu haben, aber es fällt, ohne verloschen zu sein, auf den Teppich. Jetzt beuge ich mich ganz über den Bettrand, es zu fassen und im selben Moment, in der Stille, in dem von einem Lichtschein durch­zuckten Dunkel, erblicke ich eine große Hand, die darauf sich legt." Eine Pause des Entsetzens. Sulette riß vor Schreck den Mund auf und prüfte instinktiv den ihr fremden Ort. Die andere fuhr fort:Wie man einen solchen Schreck nur überleben kann! Ich wollte schreien, unmöglich! Auf- springen, unmöglich! Mich überkam es wie ein Schwindel, alles Blut wich aus meinem Kopfe, ich fiel in Ohnmacht." Sie schwieg abermals. Als ich wieder zu mir kam, war es Tag. Ich glaubte zuerst an einen wüsten Traum. Nein, ich war gebraucht worden... ich hatte einen üblen Arzneigeschmack auf der Zunge. Da packte mich Furcht, Verzweiflung und Scham! Aber besonders die Furcht, die Furcht! Ich zog mich an und bin wie eine Wahnsinnige auf die Straße gerannt, hatte nur .einen Gedanken: fliehen. Bin lange Zeit gelaufen, dann habe ich mich auf eine Bank gesetzt, in einer Allee, wo wenig Leute vorbeigingen: da sind mir die Tränen gekommen. Was tun? Was sagen? An wen mich wenden, bei wem mich betlagen? Wie beweisen, was nützt es? Da begreift man erst, wie wenig ein Dienstmädchen in Pari? gilt, wie das be- wertet wird, was es erzählt! Und diest Einsamkeit, Un- kenntnis, dieses:Nichts hllft dir!" Ja," sagte Sulette. nachdenklich mit dem Kopf nickend, es gibt Fälle, da kommt es einem vor, als wäre man in einem fremden Lande, dessen Sprach« man nicht verstände, so wird man sogar am Sprechen gehindert... Und mit solcher Sicherheit zu wissen, daß zu unseren Gunsten gar nichts existiert!" Die Gefährtin stand auf und begann sich auszuziehen, dabei ununterbrochen weiterredend: Trotzdem glaub« ich, daß es mehr gute Menschen als schlechte gibt man muß nur das Glück haben, auf gute zu stoßen. Hören Sie weiter: eine verschleierte Dame mit ganz gelber Gesichtsfarbe hat sich auf meine Bank gesetzt und mich gefragt, warum ich weine. Ich erzählte ihr das Verbrechen nicht wahr, einer Frau, das war doch möglich? Ich hoffte, sie würde mich vielleicht mitnehmen, mich irgendwo unter- bringen. Aber Staunen und Schrecken ergriff sie, und ich glaube auch Abscheu... es mochte wohl ein altes Frchckm

sein... hastig, hastig durchwühlte sie mit zitternden Händen einen Hundertfrankenschein, rief, ohne auf Wiedersehen oder sonstwas zu sagen, einen Kutscher an und eilte davon." Sulette richtete sich plötzlich auf dem Kissen empor, da sie im Winkel der Kammer etwas wie ein Geräusch von Mäusen vernahm. Die Gefährtin zuckte die Achseln: Sie haben den Schieber gehört! Es ist einer da, der uns beobachtet... Ach! Wenn Sie die Wände noch so genau prüfen, Sie werden die Stelle nicht finden... Diese Vor- hänge, Gemälde und die mit Stoffen drapierten Spiegel sind eigens dazu da... das muß man ertragen oder eben drei Franken die Nacht bezahlen." Sie legte ihr Korsett weg Busen, Arme zeigten die vollendeten runden Formen einer Marmorstatue. Ihre Stimme nahm gleichgültigen Klang an: Ich hotte noch Glück in meinem Unglück: Folgen blieben aus, keine Krankheit, kein Kind. Allein, statt in meine Heimat zurückzukehren und mich zu verheiraten, bin ich in Paris ge- blieben." Sulette fragte: Aber gleich nach Ihrem Unglück, was fingen Sie da an?" Ich habe durch einen Dienstmann meinen Koffer holen lassen: ich kam aus Batignolles und sah mich jetzt hinter dem Lurembourg. Ich fand in diesem Quartier andere Vermitt- lungsbureaus und andere Hotels. Die Schwierigkeit, mich zu placieren, blieb auch in diesem Teil von Paris die gleiche, trotzdem er so unterschiedlich von dem andern erschien. End- lich stellte man mich eines Morgens, als ich allein im Sprech- zimmer des Bureaus war, einer noch jungen Dame mit feinen, regelmäßigen aber nicht belebten Zügen vor. Sie hatte schöne blaue Augen, von einem Zauber, wie ich ihn ähnNch nie gesehen. Ich gefiel ihr, und man fühlte, daß sie wünschte, mich wie ein Geschmeide, ein Juwel zu besitzen, sie betrachtete mich ganz selig und sagte:Ach das schöne Geschöpf!" Dann fragte sie, ob sie mich allein sprechen könnte und nahm mich freund- lich bei der Hand.Ich wäre sehr glücklich, würde Ihnen sehr donkbar sein, wenn Sie kämen... ich will Ihnen nur im voraus sagen, daß mein Mann ganz frei ist... ganz frei... ich mußte mich einer Operation unterziehen... nun sieht sich mein Mann gezwungen... da er sehr zärtlicher Natur... Oh! Aber er ist dreißig Jahre, Beamter, groß, brünett, vornehm." (Fortsetzlmg tzolgL)