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Abendausgabe

Nr. 431 43. Jahrgang Ausgabe B Nr. 213

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10 Pfennig

13. September 1926

Vorwärts=

Berliner Volksblatt

Beclag und Anzeigenabteilung Geschäftszett 8% bis 5 Uhr Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin   SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-29

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Die Genfer   Besprechungen.

Ausschußzberatungen.

V. Sch. Genf  , 13. September.  ( Eigener Drahtbericht.) Das, Redaktionskomitee des Verfassungsunterausschusses hat seine Arbeit beendet. Bis auf Norwegen  , das seine Vorbehalte noch nicht völlig aufgegeben hat, ist die Entscheidung auf der Grundlage des Vorschlages der Studienkommission mit unwesent­lichen redaktionellen Aenderungen fertig. Die Wahl der nichtstän digen Ratsmitglieder wird aber frühestens am Mittwoch abend oder Donnerstag morgen vorgenommen werden. Die nächste Boll. Tigung ist auf Mittwoch vormittag festgesetzt. Nach den neuesten Versionen soll auch Rana da einen nichtständigen Rats­siz erhalten, womit Nordamerika   zum ersten Male im Rat ver­treten wäre, dagegen läßt Benesch entschieden versichern, daß die Tschechoslowakei   die Wiederwahl ablehnen würde.

Von den heutigen Kommissionsberatungen war die des Aus schusses zur Kontrolle des Waffenhandels, der im Jahre 1925 auf Antrag Macdonalds eingesetzt worden ist, die wichtigste. Die Arbeiten dieses Ausschusses sind schon sehr fortgeschritten, nur ist inzwischen der Ausschuß zur Vorbereitung einer Weltabrüftungs fonferenz eingesetzt worden. Die Frage war: Soll der Ausschuß zur Kontrolle des Waffenhandels und der Waffenfabrikation seine Arbeit, die sich auf ein beschränktes Gebiet erstreckt. fortsetzen oder soll sie mit der des Ausschusses zur Vorbereitung der Weltabrüstungs­fonferenz verschmolzen werden. Darüber wurde heute mittag de battiert. Lange- Norwegen   und vor allem Markowitsch- Südflawien vertreten die erstere Auffassung. Graf Bernstorff Deutschland, der im Namen der deutschen   Delegation loyale Mitarbeit an allen Abrüstungsbestrebungen des Bölkerbundes versprach, meinte, es wäre aus technischen Gründen besser, die Arbeiten des allgemeinen Aus schusses zum Abschluß zu bringen unter Berücksichtigung der Er­gebnisse des besonderen Ausschusses zur Kontrolle des Waffenhandels und die Detailfragen auf der geplanten Konferenz mit zu regeln. Dem schloß sich Paul Boncour Frankreich vollständig an. Schließlich brachte der französische   Gewerkschaftsführer Jouhaur den Vermittlungsantrag ein, daß man bestrebt sein nüffe, zu einer allgemeinen Abriftungstonferenz zu gelangen, bei der auch die Telifragen der Waffenfabrikation und des Waffenhandels erledigt werden müssen, daß aber, falls nicht in einem Jahre die Einberufung der allgemeinen Abrüftungskonferenz möglich sein würde, man, eine besondere Konferenz zur Be­tämpfung des Waffenhandels und zur Einschränkung der Waffenfabrikation abhalten müßte, auf der Grund lage der bisherigen Ergebnisse dieser Spezialkommission. Die Ab­stimmung über diesen Antrag, der mit großer Mehrheit, wenn nicht sogar einstimmig angenommen werden wird, ist heute nachmittag.

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Die südamerikanischen Delegationen haben fich geeinigt, für den dritten ihnen zustehenden nichtständigen Ratssitz Colum. bien in Vorschlag zu bringen. Außerdem soll Uruguay   weiterhin im Rat auf ein Jahr nichtständiges Ratsmitglied bleiben.

Die spanische Opposition völkerbundstreu. V. Sch. Genf  , 13. September.  ( Eigener Drahtbericht.) Der Präsident der Vollversammlung des Völkerbundes hat ein Tele­gramm des in Frankreich   in Berbannung lebenden spanischen   Schrift. stellers Blanco Ibanez erhalten, des geistigen Führers im Kampf gegen das Regime Primo de Riveros. Dieses Telegramm erklärt, daß die spanische Deffentlichkeit gegenwärtig getnebelt ist und zur Ausschlußerklärung der spanischen   Regierung nicht Stel­lung nehmen fönne. Die Nachfolger des diktatorischen Regimes würden als eine ihrer ersten Handlungen den Wiedereintritt Spaniens   in den Bölkerbund vollziehen.

Die Unterredung Stresemann- Vandervelde.

Wirtschaftsfragen.

Brüssel, 13. September.  ( Eigener Drahtbericht.) Außenminister Bandervelde tehrie am Sonntag morgen aus Genf   zurüd. Ueber seine Unterhaltung mit Stresemann   erflärte er, daß es fich um einen Höflichkeitsbesuch gehandelt habe, bei dem flüchtig über

verschiedene Fragen gesprochen worden sei, in der Hauptsache über die Ausfuhrbedingungen für waren aus Lugem= burg nach Deutschland  , vor allem Wein, sowie über das Stahlfartell. Der Minister glaubt versichern zu können, daß die Verhandlungen gut vorwärtsschreiten. Er fügte hinzu, daß die Unterhandlungen zwischen den belgischen Metall­industriellen weiter gehen und seit Freitag auf dem besten Wege find. Wichtige Werte von Charleroi   feien für das Kartell ge

wonnen.

Industrielle für Herriot  .

Gegen die Lyoner Sozialisten.

Paris  , 13. September.  ( Eigener Drahtbericht.) Der Angriff der fozialistischen Fraktion des Lyoner Gemeinderates auf den Bürger meister Herriot   macht den Lysner Wirtschaftstreifen Gorgen. Unternehmerverbände veröffentlichen ein Manifest, das er. tlärt, die politischen Gegenfäße im Stadtrat dürften nicht zu einer Schädigung der allgemeinen Interessen führen, Herriot   habe sich um die Stadt Lyon   im höchsten Maße verdient gemacht; Handel, In­dustrie und Wirtschaft hätten zu ihrem Bürgermeister Herriot   ab­solutes Vertrauen und sprächen ihm öffentlich ihren tiefsten Dank aus. Man erwartet für heute abend in der Gemeinderatssigung, an der Herriot   teilnehmen wird, einen neuen Angriff der sozialistischen  Fraktion.

Rebellion in der KPD  .

Erklärung von 700 Funktionären gegen die Zentrale.

Die fommunistische Zentrale hat versucht, die große Auseinanderseßung in der Kommunistischen Partei, die durch den Zusammenbruch der kommunistischen   Ideologie gegenüber den harten Tatsachen der Geschichte unvermeidlich geworden ist, im Dunkeln zu halten. Entsprechend den russisch- diktatorischen Methoden behandelt sie die kommunisti­fchen Mitglieder als eine nicht denfende, willenlose Masse, die gehorsam der Führung zu folgen und nicht nach dem Sinn des politischen Handelns zu fragen hat. Diese diktatorischen Methoden der Unterdrückung jeder Diskussion haben zu einer Explosion geführt. Die fommunistische Oppo fiton hat sich schweigend gesammelt und trift nun mit einem Stoße geschlossen in die Deffentlich. teit. Sie wird sichtbar. Man erkennt, wer zu ihr steht, was sie will und zugleich, daß sie überraschend starf ist. Sie veröffentlicht eine Erklärung, die eine Solidaritäts­aktion für die russische   Opposition darstellt.

Die politische Plattform dieser Erklärung ist niedergelegt in der Resolution zur russischen Frage, die die Opposition in der Zentrale der KPD  . am 6. August 1926 eingebracht hat. Diese Resolution steht auf der Grundlage des Glaubens an die WeltrevD: lution und des Willens zum Weitertreiben der Welt­revolution. Sie wendet sich gegen eine oderung der Diktaturin Rußland gegenüber der Stadt- und Dorfbourgeoisie und betont, daß das Industrieprole. tariat und die Dorfarmut die privilegierte Klasse bleiben musse. Sie wendet sich gegen die Idealisierung der russischen Wirtschaft als sozialistische Wirtschaft, damit de­moralisiere man nur die Arbeiterklasse der ganzen Welt. Sie protestiert gegen lebertreibungen der Mep und fition und innerparteiliche Demokratie. fordert schließlich Diskussionsfreiheit für die Oppo­fition und innerparteiliche Demokratie.

wieder

Der Sinn dieser Resolution ist, den Leninismus in Prägung feiner ursprünglichen lebendig zu machen. Sie wollen zurückkehren zu jenem radikalen theoretischen Programm, das durch die geschichtlichen Notwendigkeiten der russischen Entwicklung unhaltbar geworden ist. Die kommunistische Opposition sieht den ungeheuren Widerspruch, der zwischen der Theorie und der Ideologie des Bolschewismus in der ursprünglichen Lenin­schen Prägung und den staatlichen, wirtschaftlichen und ge­sellschaftlichen Tatsachen in Rußland   besteht. Sie betont Theorie und Ideologie und wendet sich gegen die russische Braris.

Vom Standpunkt der reinen Theorie aus sieht sie in der russischen Staatspraxis und in der Praxis der russischen Parteimehrheit gegen die russische   Opposition einen ein­gigen großen Att der Liquidierung des Leninismus, der sich nicht nur in Rußland  , sondern in allen Parteien der Komintern auswirken muß. In der Erklärung der Opposition heißt es:

,, Wenn der Vorsitzende des Präsidiums des Etti als Spalter der bedeutendsten Settion der Komintern beschuldigt wird, wenn derselbe Ginowiem, der von der Gründung der Komintern an ihr Präsident ist, angeblich an der Spige einer illegalen Frattion stehen soll, so müssen diesen Anschuldigungen Dinge von weittragender Bedeutung vorausgegangen sein. Wenn der Präsident der Komintern und eine Reihe anderer alter und bewährter Bolschewifen aus dem Politbureau und Zentralfomitee der wichtigsten Partei der Komintern gejagt, per den Augen einer entzückten Bourgeoisie unter dem Jubel aller Menshewiften in- und außerhalb der Komintern durch die Gosie geschleift und durch die Presse sämtlicher kommunistischer Parteien mit Schmustübeln überschüttet werden, dann kann das nicht ohne die ernste sten Folgen für die Komintern sein."

schwerer noch als der Inhalt der Erklärung miegen die Untera schriften.

700 verantwortliche Funktionäre der Kommunistischen Partei, die zum großen Teil an erster führender Stelle stehen, haben diese Erklärung unterzeichnet. Wir geben im folgenden, nach Bezirken geordnet, die wichtigsten Namen der Unterzeichner wieder. Hinter dem Namen der Unterzeichner ist das Jahr angegeben, seitdem der Betreffende zur Kommunistischen Partei resp. zur Unab­hängigen Sozialdemokratie oder zur Sozialdemokratie ge­hört. Aus dieser Angabe erkennt man, daß es sich um die Rebellinon der Kerntruppen der Kommunistischen Partei handelt. Bezirk Berlin- Brandenburg.

Mar Schütz, 1911, m. d. R., Werner Scholem  , 1912, M. d. R., Mar Schlüter, 1919, Stadtverordn., Reinhold Busch, 1913, Bezirksverordn., Hermann Wife, 1910, Stadtverordn., Karl Rynast, 1907, Bezirksverordn., Mar Riese, 1919, Pol. Leiter des 3. Bezirks, Hans Weber, 1917, Mitglied der Zentrale der KPD.  , Mar Müller, 1908, Bezirksvorst., Heinrich Win! ler, 1910, Mitglied der Bezirksleitung Berlin- Brandenburg, Mar Hesse, 1912, Stadtverordn. und Pol. Leiter des 7. Bezirks, Runow, 1919 Be­zirksverordn., Selma Schü g, 1911, Bezirksverordn., H. 3aulig, 1912, Bezirksverordn., B. Fieber, 1918, Bezirksverordn., Otto Sie mich, 1919, Bezirksverordn., Hermann Krüger, 1919, Stadt­rat, Friz Schimansti, Kandidat des Zentralfomitees, Pol. Leiter des 14. Bezirks, Bezirksverordn., Anton Grylewicz  , 1912, M.d.e., Paul Schlecht  , 1900, Mitglied des Zentralkomitees, M.b.R m.d.., Paul Schlecht  , 1900, Mitglied des Zentralfomitees, M.d.R.. Paul Breißing, 1904, Stadtverordn., Paul Kowal fe, 1903, Bezirksverordn., Stadtrat, H. Liebing, 1893, Stadtverordn., Bea zirksvorst., Paul Böttcher  , 1912, Bol. Leiter des 18. Bezirks, Bes zirksverordn., Lina Pi13, 1908, Frauenleiterin und Bezirksverordn., Paul Rie ge r, 1908, Bezirksverordn., Gustap Prippenau, 1905, Bezirtsverordn., H. Hütttöper, 1912, Bezirksverordn.

Ortsgruppe Rathenow  .

Wilh. Görn, 1909, Stadtverordn., Branchenleiter im DMV., Her mann Jonas, 1905, Stadtverordn., August Ritter, 1906, Stadt rat, Otto Weber. 1917, Stadtverordn., Mitgl. des Prov.- Ausschusses,

Bezirk Berlin- Brandenburg- Caufih.

Hermann Sch a de, 1918, Hauptbezirkssekretär, Gustav Müller, 1900, M. d. L., Arthur Wölt, 1919, Mitglied der Bezirksleitung Berlin  . Brandenburg  , Provinziallandtagsabgordn., Karl Gehrmann, 1906, M. d. 2., Sekretär für Berlin- Brandenburg.

Bezirk Ruhrgebiet  .

Szymzat, 1918, Buer  , Mitglied der Bezirksleitung, Schwan, M. d. R., Eugen Eppstein  , M. d. R., W. Schüpler, Gelsen firchen, Provinziallandtagsabgrdn., Erich Hägemann, M. d. R., Karl Fre be 1, Leiter der komm. Fraktion Dortmund  , C. Krone Dortmund  , Mitglied des Vorstands des Deutschen Verkehrsbundes. Bezirk Wafferkante.

Peter Umland, 1912, Mitglied der Bezirksleitung, Wilhelm Sarren, 1897, Unterbezirfsleiter, Kreistagsabg., Stadtrat, Hugo Urbahns  , 1918, m. d. R., Mitglied des Zentralfomitees, J. Skjellerup, 1896, M. d. 2.

Außerdem noch:

Wolfgang Bartels, 1917, M. d. L., Otto Rilian, 1902, M. d. L., Hedwig Krüger  , 1908, M. d. 2.

Gegenüber dieser starten Opposition, die an den Kern punkten der kommunistischen   Organisatio. nen steht, ist der Zentrale der Kommunistischen Partei die bequeme Methode des Einzelhinauswurfs nicht mehr möglich. Die Auseinanderseßung wird also beginnen, wenn nicht, falls die Zentrale der Kommunistischen Partei bei ihren bisherigen Methoden bleibt, die Spaltung der Kommu

,, Durch derartige Methoden kann man die Komintern nur ruinieren! Die Bedeutung dieser Vorgänge für die Komintern nistischen Partei die Folge iſt. liegt auf der Hand.

..

Die Hehe, die jetzt gegen Sonowjew usw. entfaltet wird, ver­steht jeder politisch denkende Arbeiter als den Versuch, die Kominfern als revolutionäre Organisation des Weltproletariats zu liquidieren.. Besonders tatastrophal muß sich diese Methode in unserer Partei, der KPD., auswirken. Man darf nicht vergessen, daß der Etti- Brief vor einem Jahre angeblich die Partei normalisieren sollte. Seine Folgen waren eine vollkommene Desorganisation und Atomisierung der KPD  . und eine restlose Restaurierung der Rechten"

" Für die deutsche   Arbeiterschaft ist Sinowjew   der Mann von Halle. Seine Abfägung wird verstanden als nachträgliche Des­avoulerung von Halle."

,, Wir weisen jede Revision des Leninismus auf das entschiedenste zurück. Zurüd zu Lenin  , zum wirklichen, echten, unver fälschten Leninismus!"

Entsetzen der kommunistischen   Zentrale.

Der Schred über das geschlossene Auftreten der kommunistischen  Opposition ist der Zentrale der KPD.   in die Glieder gefahren. Die Rote Fahne  " spricht von einem hoch staplerischen Bund" von Maslow, Ruth Fischer   und Korsch. Sie fälscht den wahren Charakter des Dofuments und sucht ihren Lesern zu verheimlichen, worum es sich handelt: um eine Erflärung von 700 namhaften Kommunisten. Bon Maslaw, Fischer und Korsch ist dabei nicht die Rede:

Im übrigen schimpft die Fahne" hemmungslos:

,, Es handelt sich um ein Schanddokument von der schlimmsten antibolschewistischen Sorte: Was den Inhalt des Schanddofuments anbetrifft, so enthält er mur eine noch frassere Wiederholung der bekannten ezparolen und Lügen des Maslow- Kreises.. Die Erklärung" der Renegaten ist ihrem Inhalt nach eine Sammlung der schlimmsten tautstyanischen Gedankengänge, ihrem praktischen Sinn nach ein Vorstoß zur Partei­spaltung, ihrem taktischen Zweck nach ein Betrugs. manöver, um die parteitreuen Teile der Oppofition für die Parteifeinde zu gewinnen."

Soweit die Erklärung. Sie ist eine Rebellion gegen den Gang der Geschichte, damit aber auch ein Todesurteil gegen die bolfchemistisch- kommunistische Ideologie. Zugleich ist fie eine Rebellion gegen die diftatorische Leitung der Kommu­niftischen Partei und gegen die Methoden der kommunistischen  Dittatur. Diese Rebellion ist von großer Bedeutung, denn handelt.

Die hemungslose But und die Taschenspielerkunststücke der Fahne" lassen erkennen, daß es sich um eine ernste Rebellion