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Nr. 432 43.Jahrg. Ausgabe A nr. 221

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Dienstag, den 14. September 1926

Um Polens Wahl.

Deutsch - französische Besprechungen in Genf .

V. Sch. Genf , 13. September. ( Eigener Drahtbericht.) Man muß| wirtschaftlich gleich dringend wünschenswerten Besserung der deutsch­bei den gegenwärtigen privaten Besprechungen zwischen Stresemann polnischen Beziehungen auch die Erfüllung der deutschen und den anderen führenden Staatsmännern zweierlei Dinge unter- Wünsche am Rhein durch Frankreich erleichtert werden würde. scheiden: Die Beratung der reinen Völkerbundsfragen, ins- Die Befreiung des deutschen Westens von fremder Besetzung, die besondere der Frage der bevorstehenden Wahl der nichtständigen balbige Lösung des Saarproblems und der Frage Eupen- Malmedy Ratsmitglieder und die Erörterung der Probleme, die Deutsch sollten für Deutschland das Primäre sein. Die Erreichung eines land ganz besonders berühren, also vor allem der Rhein - späteren Ausgleichs mit Polen ist das Sekundäre und muß einer und Saarfrage und alles dessen, was auf wirtschaftlichem, finan- ferneren Zukunft überlassen bleiben, die sich entsprechend den Fort ziellem und hygienischem Gebiet mehr oder weniger direkt damit schritten der deutsch - französischen Verständigung gestalten wird. Die zusammenhängt. Erörterung

schah

Die Ratsfrage hat bisher im Vordergrund der Besprechun­gen gestanden, da sie innerhalb der nächsten 48 Stunden endgültig geregelt werden muß; sie ist aber feineswegs die für Deutschland wichtigere. Ob sie in einer formellen oder in einer offiziöfen Sigung des Rates besprochen wird, wie das manchmal früher allerdings unter ganz anderen und viel einfacheren Verhältnissen ge­oder ob sie Gegenstand privater Unterhandlungen ist, kann für Deutschland völlig gleichgültig sein. Daß Polen zu den Gewählten gehören wird, steht fest. Und daß es auch für wieder wählbar" erklärt werden wird, ist so gut wie sicher, besonders, nachdem durch das Ausscheiden Brasiliens und Spaniens die Zahl der ernsthaften Bewerber um die Wiederwählbarkeit sehr start zu­rückgegangen ist. Die deutsche Delegation steht nun vor der Frage,

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wie sie sich zu der

Wahl und zu der Wiederwählbarkeit des polnischen Staates stellen soll. Sie fann sich demgegenüber fühl und mißlaunig ver­halten, als gelte es, ein unabwendbares Mißgeschick hinzunehmen, fie kann aber auch durch eine aftive und positive haltung zu der Kandidatur Bolens ihre moralische Stellung im Bölkerbund be­trächtlich stärken. In den führenden Kreisen der deutschen Delegation herrscht die durchaus richtige Auffassung, daß Deutschland an einem etwaigen Durchfall Bolens feinerlei Intereffe habe, da dadurch wesentlich für Frankreich und die anderen Staaten die Berpflichtung erwachsen würde, Polen auf anderem Gebiete schadlos zu halten, und das würde sicherlich nicht zum Vorteil Deutschlands geschehen. Wenn dem aber so ist, warum zieht man nicht daraus die logische Konsequenz und patroniert man nicht oftentativ neben Frankreich , England und Italien die polnische Kandidatur? mie wäre es, wenn Stresemann von sich erklärt: ,, wir sind bereit, zu den fünf Staaten zu gehören, die die Wiederwählbarfeit Bolens beantragen müßten?"

Zu einer solchen Haltung gehört allerdings mut vor allem gegenüber den deutschnationalen Hatatisten, die noch immer in dem Wahnbefangen sind, Polen stehe vor dem Zusammen­bruch und werde davon lediglich durch seine Wahl in den Völker­bundsrat gerettet werden.

Eine solche mutige Haltung Stresemanns würde sich schon des­halb für Deutschland lohnen, weil abgesehen von der politisch und

Der Papst gegen den Faschismus. ,, Die Lage ist gefährlich. Die Regierung ist Gefangene

der faschistischen Miliz."

Paris , 13. September. ( Eigener Drahtbericht.) Der, Corriere degli Italiani" teilt mit, daß die vom Papste persönlich angeordnete Aufhebung des internationalen fatholischen Turnfestes, das in diefem Menat im Vatikan stattfinden sollte und zu dem die Teilnahme von 7000 katholischen jungen Männern aus allen europäischen Ländern feststand, die Katholiken sehr erregt hat. Der Gefretär des franzö­fischen Bundes fatholischer Jugendorganisationen, Thibaudeau, ist ermächtigt worden, über diese Angelegenheit folgende Er­flärungen abzugeben:

,, Als die Entscheidung des Papstes", fügt Thibaudeau hinzu, ,, der italienischen Regierung bekannt wurde, hat diese aus Furcht vor dem ungünstigen Eindruck auf das Ausland alles mögliche getan, damit das Turnfest doch noch stattfinden tönne. Die Bor­stellungen beim Batilan enthielten die Bersicherung, die Re­gierung gewährleiste die Aufrechterhaltung der Ordnung.

der spezifisch deutsch - franzöfifchen Fragen,

die am Sonnabend zwischen Stresemann und Briand bzw. Bandervelde begonnen hat, soll in den nächsten Tagen fort­gesetzt werden, wobei Chamberlain und Grandi, als Ver­treter von Signatarmächten des Rheinpattes von Locarno , auf dem Laufenden gehalten werden. Selbstverständlich sind diese Besprechun­gen, die für Deutschland unendlich wichtiger sind als die Frage, ob Polen einen wiederwählbaren Siz und Persien oder Siam überhaupt einen Sitz im Rate erhalten sollen. Sogar die Kom. missionsberatungen, so nüßlich fie im einzelnen sein mögen, find im Vergleich zu der Kardinalfrage der deutsch - französischen Be­ziehungen, wie sie durch die mutige Rede Briands aufgeworfen worden ist, recht nebensächlich.

Aber die Wichtigkeit des Problems steht zurzeit im umgekehrten Verhältnis zu seiner Fähigkeit, öffentlich erörtert zu werden. Für den verantwortungsbewußten Genfer Presseberichterstatter er­wächst daher die Aufgabe, darüber einstweilen möglichst wenig zu schreiben, selbst auf die Gefahr hin, für weniger unterrichtet" als andere gehalten zu werden. Schon jetzt ist durch gewisse Indis: fretionen oder vielmehr Kombinationen, die gerade das Werk ,, na­tionaler" Telegraphenagenturen waren, ernsthafter Schaden an­gerichtet worden.

Neuwahl Donnerstag.

Genf , 13. September. ( Schweizerische Depeschenagentur .) Die Neuwahlen für die nichtständigen Ratssige werden voraus. fichtlich Donnerstag stattfinden. Die Lage ist heute unge­fähr folgende:

Südamerika wird drei Sitze erhalten, und zwar die Staaten Chile , Kolumbien und Uruguay .

Fünf Size wird Europa erhalten, und zwar Holland den erledigten Siz Schwedens , Rumänien den der Tschecho­flowakei. Außerdem werden Belgien und Polen einen Siz erhalten. Ueber den fünften Sitz steht die Entscheidung noch nicht fest. Ein weiterer Sig ist für China vorgesehen.

mächtig ihnen gegenüber. Shre Häupter sind der. attige Tyrannen, daß es nicht gut tut, ihnen

widerstehen zu wollen."

Der Papst feßt sich mit äußerster Energie dafür ein, daß die fatholischen Vereinigungen feinerlei politischen Charakter befißen. Aber seit dem Beginn ihrer Herrschaft haben die faschistischen Führer versucht, sie zu ihren Refrutendepots zu machen und zu absorbieren, indem sie sie zwangen, in ihre Reihen einzutreten. Die Katholiken haben sich dem widersetzt. Aber die Zufammenstöße haben sich ohne Unterbrechung wiederholt. Der Papst will, so schließt Thibaudeau feine Erklärung, daß die ganze Welt erfährt, daß die katholischen Vereinigungen nichts mit dem Faschismus zu tun haben.

Mussolini maßregelt die Polizei. Politische Verhaftungen.

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Gewerkschaften und Staat.

Zur gewerkschaftlichen Werbewoche. Bon Peter Graßmann.

nicht allzu schwer fallen, der überzeugt sein kann, daß diese Pflichten gegenüber dem Staat zu erfüllen, wird dem Pflichten nach Maßgabe der Kräfte gleich verteilt sind, und daß auch die den Pflichten entsprechenden Rechte nur denen zeitweilig vorenthalten werden, die die Gesetze verlegen, feinesfalls aber ganzen Schichten oder Klassen. Geht man von der staatsbürgerlichen Gleichheit aus, so haben die in den Gewerkschaften organisierten Arbeitnehmer im alten Obrig keitsstaat herzlich wenig Ursache gehabt, diesem Staats­wesen Achtung und Sympathie entgegenzubringen. Auf Schritt und Tritt stießen sie auf Borrechte deranderen; wie sollte auf solchem Boden das Gefühl der Zuneigung und der Aufopferung für solchen Staat entstehen oder gar gedeihen?

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Die aus der Umwälzung im November 1918 erwachsene demokratische Republik brachte zwar nicht die Erfüllung der auf Errichtung eines wirklichen Volks­sta a ts abzielenden Hoffnungen dazu fehlen vor allem die wirtschaftlichen Voraussetzungen, aber sie stellt eine Staatsform dar, die alle Möglichkeiten einer Entwidlung zu diesem Boltsstaat gewährleistet und fie reißt zum mindesten politisch die Schranken der Vorrechte nieder, die den Aufstieg der sogenannten unteren Klaffen in früherer Zeit so außerordentlich gehemmt haben. ,, Alle Gewalt geht vom Bolte aus" sagt die Weimarer Ber fassung. An die Stelle des Gottesgnadentums, der nur ihm verantwortlichen Minister und der von diesen wieder abhängigen Verwaltungsorgane, an die Stelle der Klassen­parlamente und der geborenen Gesetzgeber" ist als Quelle der Macht das Bolt getreten. Sache des Boltes also ist es, von dieser Macht den geeigneten Gebrauch zu machen.

Die Gewerkschaften, als die berufenen Vertreter der Arbeiter aller Kategorien, sind hieran besonders interessiert. Ihrem Wesen wie ihrer Tendenz nach ist für sie die De mo= fratie die gegebene Form für die Bewältigung öffentlicher Aufgaben, die Republit an Stelle der Monarchie die stärkste Bürgschaft für inneren und äußeren Frieden, für die freie Bahn der Kräfte bei Auseinandersetzungen wirtschaftlicher Art. Sie sind daher Gegner der Gewalt, gleichgültig, ob sie von einem einzelnen oder einer Klasse ausgeht, weil sie wissen, daß Gewaltanwendung immer nur von furzer Dauer ist und regelmäßig gegen den Anwendenden ausschlägt.

Nicht nur mit Worten, sondern tausendfältig mit der Tat, mit dem Einsatz von Leben und Eristenz haben die deutschen Gewerkschaften bewiesen, daß sie zu diesem Staat stehen, ihn fich von niemand entreißen lassen, in und an ihm weiterbauen wollen. Das Verbundensein mit diesem Staat, die Erkenntnis der ihnen obliegenden geschichtlichen Mission, im Verein mit ihrem wachsenden Berantwortlichkeitsgefühl haben die Gemert­schaften bewogen, auch das Mitbestimmungsrecht in der Führung der Wirtschaft zu fordern. Die Zu­tände in der deutscheen wie in der Weltwirtschaft, die Er­fahrungen während der Inflationsjahre, die offenkundige Unzulänglichkeit der Wirtschaftsführer, eine baldige Aende rung der verfahrenen Verhältnisse herbeizuführen, der man­wendigkeiten für die allgemeine Wohlfahrt zurücktreten zu gelnde Wille, selbstsüchtige Interessenvertretung hinter Not­lassen; das steigende Elend der Erwerbslosen und Kurzarbeiter, wie die drückenden Verpflichtungen Deutschlands aus dem Bersailler Vertrag usw. erhärten zur Evidenz die Berechtigung und Zweckmäßigkeit dieser gewerkschaftlichen Forderung.

Der Papst hingegen blieb bei seinem Entschluß, da er der Auf- Polizeidirektor in Rom ihrer Posten enthoben worden.( Hebung der Kaufkraft, damit Besserung des inneren Marktes,

faffung war, die Regierung vermöge nicht das Ge ringste gegen die faschistischen Milizen, deren Ge­fangene fie se i." Thibaudeau bat darauf den Papst, zu­mindestens zu gestatten, daß die jugendlichen französischen Turner fich als einfache Pilger nach Rom begeben dürften. Die Gituation ist zu gefährlich!" hat der Papst entschlossen er

widert.

Rom , 13. September. ( WTB.) Blättermeldungen zufolge find der Generaldirektor der italienischen Polizei und der Eine Reihe von Anhängern der extremen Parteien, dar­unter auch der Anarchistenführer Malatesta, ist ver haftet worden.

Bie nunmehr von der Agenzia Stefani" bestätigt wird, hat der Urheber des Attentats auf Mussolini bei seiner Berhaftung falsche Personalien angegeben. Er heißt in Wirklichkeit Gino Lucetti und ist im Jahre 1900 in Avenza geboren. Lucetti soll, wie weiter verlautet, bereits vor acht Tagen nach Rom ge­tommen sein, um das Attentat vorzubereiten.

Aber der Papst, so fährt Thibaudeau fort, hat erklärt, er werde diesen 3wischenfall dazu benutzen, über den Rüden der in Italien waltenden 3enfur hin weg der Welt die Wahrheit bekannt zu geben. Die Sie schreien nach dem Henker. italienische Bresse muß schweigen: die Freiheit ist ihr genommen, das Rom , 13. September. ( EP.) Die römischen faschistischen Ab­Ausland ist falsch unterrichtet und weiß nicht, was in Italien vor- geordneten haben sich in der Kammer versammelt und wegen geht, wo die Milizen ihre tyrannische Gewalt aus- des Attentats auf Mussolini beschlossen, von der Regierung die so üben. Die Regierung, die ihnen alles verdantt fortige Aufnahme der Todesstrafe in das Straf nb bie bout three Tätigtett egitert, ist ohngefehbuch zu fordern.

,, Es kann heute nicht mehr gegen die Arbeiterschaft regiert werden!" sagte der Reichskanzler Wirth ,, es fann nicht ohne die Arbeiterschaft regiert werden!" führte der Generaldirektor Dr. Silverberg auf der Dresdener Tagung des Reichsverbandes der deutschen Industrie aus. Diese Erkenntnis bestätigt die Richtigkeit des Vorstehenden, obschon sie zunächst nur nach der politischen Seite hin gemeint ist. Weder eine ruhige Aufwärtsentwicklung im Innern Außen, d. h. Handelspolitik mit den anderen Völkern läßt Schaffung vermehrter Arbeitsgelegenheit), wie eine gesunde jeder Versuch scheitern, der etwa ohne oder gar gegen sich rein politisch machen". In beiden Fällen muß die Arbeiter unternommen wird, der ihre Kenntnisse, thre Erfahrungen und erst recht ihren guten Willen außer Man wird sich also mit der Arbeiterschaft verständigen, sich ihrer Mitwirkung versichern müssen, wenn man den Worten Volksgemeinschaft", Schicksalsgemeinschaft" Leben und Inhalt geben, wenn man Bolt und Staat besseren Tagen entgegenführen will. Praktischer Mitarbeit haben sich die Geewrfschaften nie entzogen. Frei von ver stiegenen Jllufionen, war in den Jahrzehnten ihres Bestehens die Arbeit der Gewerkschaften immer Gegenwarts­arbeit, die trotzdem die Zukunft nie aus dem Auge verlor.

Betracht läßt.

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