dleastag 21. September 7 H2H
Unterhaltung unö ÄVissen
Seilage des vorwärts
Klaviersonate. Von Albert Leilich. Die Luft flimmerte von Bläue und es war so still: alles schimmerte, blitzte, sprühte. Blätter, Zweige, Stämme, olles glitzerte von Feuchtigkeit: jeder kleine Tropfen zersplitterte und zerstäubte in tausend feinen Perlen. Der Frühling des Jahres 1818 drängte sich mit Ungestüm auch an die Mauern und Wälle der Stadt an der Donau , um mit denen hinter den düsteren Toren, die ein harter Winter in die engbrüstigen Häuser zwischen schmalen Gasien gezwungen hatte, ein frohes Wiedersehen zu seiern und sie dorthin zu locken, wo seine Herrlich- keiten und Freuden sich am meisten und beglückendsten offenbarten: in den Wiener Wald. Tag sür Tag warb er mit tausend Wundern zu froher Fahrt und Wanderung. Bei diesem Werben und Locken guckte der holde Wunderknabe eines Maienmorgens auch in die Stube eines Hauses hoch über der Bastei , in der einer sasi und seine nervigen Finger in die Elsenbeintosten eines Pianofortes grub und mit den Füßen den Takt dazu trommelle. Brausend stürmte eine Melodie auf wie Gold, gehämmert von einer Titanensaust aus Erz und Stein, und zerschellte wie Meeres- wogen an selsichtem Userrand, an den Stubenwänden. Sein Ohr vernahm zwar die Klangwunder nicht, die dem Instrument«nt- stiegen, aber alle seine Fibern waren mit ihm oerwoben und ein jeder Herzschlag fühlte sie. Beethoven war es, der Große, der Reiche, der Arme. Jetzt flogen seine Fäuste über die Tasten, von der letzten bis zur ersten, von der ersten bis zur letzten, ein Furioso dröhnt« aus, zerbeulte an der Zimmerdecke, dann jähe Stille. Langsam löste sich der Dann von der Seele des Tongewaltigen und allmählich fand er sich aus der Himmelsnähe in die Erdenwirklichkeit zurück. Er wischte sich den Schweiß aus der zerfurchten Stirne und stand auf, trat an das offene Fenster— und sah dem Frühling mitten ins Gesicht. Wohin Beethoven seine Blicke wenden mochte, hinunter in den Stadtgraben oder hinüber in das breite Wiesenband, das die Borstädte vom alten Wien schied, noch den Gärten oder wieder nach den Hügelwellen, die im HiMergrund dieses Stück Welt liebevoll umschlangen, von überoll kam und sah ihm der Frühling entgegen und weckte auch in ihm die Sehnsucht wach, sich ihm hinzugeben, wo er am schönsten war und am freudigsten seine Gaben oerteilte. Und da erinnerte er sich, daß er schon vor Wochen, als von den Kuppen und Höhen noch die Winterwinde brausten, nach dem alten Babenberger Städtchen Mödling gefahren war, sich dort für die kommenden Monate um ein Quartier umgesehen, daß er«in solches im Hasnerhaus wirklich gefunden, gemietet, und mit dem Eigentümer vereinbort habe, die Küche und die beiden Zimmerchen zu beziehen, wenn die Maienzeit ihren blühenden Segen über diesen Erdenfleck schütte. Daran erinnerte sich Beethoven , als er beim Fenster stand und dem Frühling in das Gesicht schaute, und darüber kam eine freudige Hell« in seine vom Schicksal zerwühlte und oertrotzte Seele. Er oerließ die Wohnung, um den Fuhrmann anzunehmen, der ihm so bald al» möglich sein Mobiliar und den notwendigsten Hausrat nach Mölding schaffen sollte. Am nächsten Sonnabend schwankte das Gefährt die Straße dahin, die noch Mödling lief, um Beethovens Habseligkeiten in sein diesjähriges Sommerquartier zu bringen. Während der magere Gaul vor dem Wagen mühsam den Wiener Berg hinantrottete, ging hinter dem Wagen der große Meister der Töne, watet« im mehligen Straßenstaub, stolperte über Radsurchen und gab acht, daß sich die Stricke nicht lösten, die um Kisten und Kasten gezogen waren, und etwa dieses und jenes Stück in den Straßengraben kollerte. Einige- male forderte ihn der Fuhrknecht auf. aufzusitzen, aber Beethoven hatte für diese Einladung nur ein Schütteln seines wild zerrauften Hauptes oder«in Knurren, daß besagen sollte: Fahr Er zu und scher Er sich nicht um mich. Und er fuhr auch zu. manchmal schneller, manchmal langsamer, wie es eben ihm und dem Gaul behogte, und kümmerte sich nicht um den sonderbaren Menschen, der zwei Stunden hinter und neben dem Wagen lies, bald stolperte, bald stille stand und sich den Schweiß aus dem erhitzten Gesicht wischte. Als er in Reudorf anhielt, um in seiner Schenke einzukehren. und sich und dem Pferde eine Ruhepause gönnen wollt«, da hatte er den tauben Musikanten verloren. Wohin er geraten, ob er am Wege erschöpft liegen geblieben, ob er quer über Felder und Wiesen den Weg zu seiner Sommerbehausung kürzte, er wußte es nicht. Wie groß aber war des Fuhrmanns Aerger, al» er vor dem Hafner- hause ankam und seinen Auftraggeber nirgends entdecken konnte. Er goß etliche Gläser über sein Bedürfnis hinter die Bind« und kam dann auf den Einfall, Möbel und Hausrat kurzerhand vom Wagen abzuladen, kunterbunt auf die Straße zu stellen und davon- zufahren, ohne sich weiter um das Schicksal der von seinem Besitzer so sorgsam gehüteten Güter zu kümmern. Und als eine Weile nachher der einzige Hüter der Sicherheit dieses kleinen Städtchens, der Grundwächter, beim Hafnerhause oorüberkam, erkannte er, daß er hier seines Amtes walten müsse und er scheuchte die liebe Mödlinger Jugend davon, die sich der Kisten und Kasten bereits bemächtigt hotte und mit ihnen allerhand Allotria trieb.— Dieweil sich solches vor dem Hasnerhaus zutrug, stand Beethoven im Gefelse der Klausen , hoch über dem Städtlein. Mit verzückten Blicken und einer Seele, von der sich aller Trotz und alle Daseinslast gelöst hatten, sog er sich an dem Wunderbilde fest, das sich von allen Seiten an ihn drängte, und alle seine Gedanken liefen weit weg von oller Irdischkeit und oerklärten sich zu dem Hymnus:„Allmächtiger im Walde! Ich bin selig, glücklich im Walde! Jeder Baum spricht durch dich! O Gott, welche Herrlichkeit in solcher Waldgegend! In den Höhen ist Ruhe! Ruhe, dir zu dienen!" Weit streckte er die Arme von sich, als müßte er das Stückchen Welt, das er sah, umfassen und an seine Brust drücken, dann sank er auf einen Felsen und starrte vor sich hin. Was durch sein Innere» ging und wie lange er in das Antlitz Gottes geschaut, wer wußte das? Schotten spannen sich vom Tal zum Gefelse empor und Schleier wollten um Baum und Strauch, als er sich jäh aus der Gottesnähe riß und in die Nüchternheit des Alltags zurückfand.— Um dieselbe Zeit war es, daß an der Glocke de» Mödlinger Pfarrhauses so heftig gerüttelt wurde, daß das Quartett, das in des Pfarrer» Stube für den nächsten Sonntagsgottesdienst die letzt« Probe hielt, zusammenschrak. Räch einer Weil« trat die Haushält erin.eip
und rief dem Chirurgen Amadeus Balthasar Johandl, der die Flöte spielle, zu, daß..» Das sagte sie ihm ganz leise ins Ohr. Der ließ über das Gehörte sein Spiel fallen, daß es unter des Pfarrers Spinett kollerte und lief schnurstracks davon, gerade, daß er noch die Worte hinter sich werfen konnte:„Ein Bub ift'sl*, � Ein Bub ist's I... Gott sei Dank!" Und fort war er, das Pfarrgäßchen hinab, den Körnermarkt hinunter, daß ihm die Rockschöße um die Lenden nur so flatterten. Da blieb er mit einem jähen Ruck stehen. Beim Hosnerhaus stand ein Mcnschenknäuel beisammen. Einer mit gerauftem Haar war mit dem Grundwächter in einen argen Konflikt geraten, weil dieser seinen Worten, daß die Möbel und der Hausrat, die da auf der Straße standen, sein Eigentum seien und er Beethoven wäre, keinen Glauben schenken wollte. Ganz nahe waren die Beiden an- einander geraten und wer weiß, welches Ende der Streit genommen hätte, wenn sich der Herr Chirurgus nicht ins Mittel gelegt und bestätigt hätte, daß dies wirklich der Herr von Beethoven sei, den er Anno Bierzehn seine Schlachtensinfonie im Redoutensaal zu Wien dirigieren gesehen. Er, der Grundwächter, möge sich trotten, sonst könne ihm passieren, daß er in den Kotter gesteckt werde und nicht
Der Uebergangene. M
Holling:.Merkwürdig, alle schreiben sie.Tode»nrkell gegen Schröder"— und dabei ist es doch mein Todesnrteil..
der f)erf Beethoven , wie er diesem gedroht hat. Wenn er sich einen Gulden verdienen wolle, sollte er lieber mithelfen, das Mobiliar ins Haus zu schassen. Als diese kernige Rede über die Lippen des Herrn Chirurgen kam, schnitt der Grundwächter eine andere Miene auf, und ehe noch eine Stunde um war, waren die Küche und die beiden Zimmer im Hasnerhause eingerichtet, der Grundwächter hatte seinen Gulden und Johandl hastete nach Hause, um sein erstes Kind auf den Arm zu nehmen. Wie Beethoven die erste Nacht im Hafnerhause zugebracht, wußte niemand zu sagen, aber am nächsten Morgen, als die Winzer auf dem Wege zu ihrer Arbeit in den Rieden waren, sahen sie einen, den sie noch nie in ihrem Städtchen angetroffen und der so aufgeregt tat, als hätte er weiß Gott was auf dem Gewissen. Ist das ein Narren- tattel, meinte der alte Buchgraber und wich ihm aus, als er ihm vorbei kam. Der junge Nicderoll aber, der schon in der Welt draußen gewesen war, stellte sich ihm quer in den Weg und fragt« ihn, ob er krank sei und einen Arzt brauche. Wo der Chirurgus Johandl wohne? Dort und dort. Die Glocke am Hause de« Chirurgen Johandl schrillte aus und Johandl, der sich eben in seinem Garten erging und noch ganz freude- voll über die Ankunft seines ersten Kindleins war, eilte zur Pforte, um sie zu öffnen. „Herr Beethoven! Diese Ehre!" rief er aus. Der taube Musikant, der gestern ganz vergessen hatte, Johandl sür den erwiesenen Dienst zu danken, reichte ihm die Hand, sagte nichts, sondern hielt ihm ein Zettelchen vor die Augen, auf dem geschrieben stand: Dank! Sagen, ob ich dem Herrn mit etwa» eine Freude machen kann. Da besann sich der Herr Chirurgus Johandl nicht lange, sondern schrieb unter Beethovens Worte: Meinem ersten Kindt ein Taufpat sein. Als Beethoven diese Worte gelesen, legt« er seine Hand in die des Chirurgen und nickte zu dessen Bitte kräftig sein Einverständnis. Und dann stürmte er wieder davon. So ist Beethoven beim ersten Kindt des Mödlinger Chirurgen Johandl Taufpate gewesen. Als er es den Zeremonien gemäß in der Kirche über das Taus- becken hielt und der Psarrherr das Becherlein Wasser über de» Kind- leins Köpfchen schüttete, da bräunte in de» tauben Meisters Seele etwas auf, das ihm eine heiß« Träne in das Auge drängte. Wußte niemand von den Umstehenden, was der glitzernd« Tropfen an seinem Augenlid zu bedeuten hatte, wo» er mit den Worten sagen wollt«, die über seine Lippen bebten, als er das Kindt wieder der Hebamme in die Arme gab: Und ich ollein... alles vorüber... und nach mir keiner. Al» der Taufschmau» im Doktorhause vorbei war, da ging Beethoven , ehe er wieder in seine Einsamkeit zurückkehrte, zum Spinett und seine Finger glitten über die Tasten und eine Melodie rauschte auf, die alle in ihren Bann zog, daß sie den Atem anhielten und die Blicke nicht wegzuwenden vermochten von dem Meister, dessen Seele solche Akkorde entstiegen. Dann riß er sich jäh von dem Instrument und citte aus dem Hause. Es waren die ersten Eingebungen zu seiner großen Klaviersonate in B-Dur, Op. 10S, die in jenem Sommer achtzehnhundertachtzehn im Hasnerhause in Mödling entstand, «*■' v. ♦•."tf.''*.-»"'" vV? T
Das Ereignis. Bon Else Feldmann , Wien . Nie noch hat sich mir menschliche Gedankenlosigkeit eindring- licher als Herzlosigkeit offenbart, als gestern an einem strahlenden Spätsommertag. Der liebe Bürger hat die Eigenschaft einer besonders großen Schaulust: es ist einerlei, ob es sich um einen handelt, der ins Walser gefallen ist, oder ob einem Kind der Lustballon weggeflogen ist, der Bürger bleibt gern stehen und gafft stundenlang mit aufgerissenem Mund: dazu haben die Guten immer Zeit. Man läßt Geschäft sein, Liebende vergessen ihr Rendezvous: sogar die kleinen Schulkinder verspäten darüber die Schul« und gasten, wenn es etwas gibt. Gestern gab es etwas. In einer belebten Straß« stand vor einem niedrigen, alten Eckhaus, das in ein kleines Seitcngöhchcn mündet, ein Wagen der Rettungsgcsellschaft. Es war sonst eine hübsche, für die Menschen, die� dort wohnten, ziemlich wohlwollende Gegend— es war ein Stückchen Parkanlage dort, und wenn es auch nur ein winziges Stück war, so sahen sie doch mit ihren Augen ein wenig Wiese, die jetzt ganz weiß von Blumen war und süß duftete in all den Straßen- staub hinein. Und etwas weiter bogen sich Bäume und Sträuchcr aus einem Parkgitter— es war durchaus nicht die übelste Gegend— und jetzt lag alles im klarsten Mittagssonnenschein. Mit einem Male wurde es bunt von Menschen rings uni den Wagen herum— und jeder fragte neugierig: Was ist's? Was ist's? Und er bekam meist eine witzige oder lügenhafte Auskunst. Bei diesem Anlaß zeigte sich auch der verbreitete Hang zum Phantasieren und Großsprechen, eine ganz aufsollend gut entwickelte ollgemeine Mcnschentümlichkeit. Und aus den Fenstern des Hauses, die alle offen standen, reckten sich neugierige Köpfe hinunter nach dem Wagen und dem Menschenauflauf. Dieselbe„gemütliche" Un- tättgkeit im Gewimmel auf der Straße wie in den Fenstern oben— und doch mußte ja im Hause etwas geschehen sein— bei irgendeinem Nachbar... Nur zwei Fenster waren fest verschlossen, dort zeigte sich niemand, wie lebhaft es auch zugehen mochte: dort blieb es tot und stille: es waren keine blanken Fenster, sie waren mit einer Staub- schickst bedeckt und hatten grüne Stoffvorhänge. Es war ein altes Haus mit abgebröckeltem Mauerwerk— mit viel Armut und Elend, mit vielen Streitigkeiten, Unfrieden, Tränen, Schmerz und trogischen Begebenheiten wie überall, wo viele Menschen eng beisammen wohnen müssen, sich einander am liebsten beißen möchten vor Haß und Widerwillen. Als erste kam die Hausbesorgerin heraus, ein ungesund schwam- miges dickes Weib in schlampiger Kleidung, sah sich triumphiereird um, nach den vielen, die vor„ihrem Hause" standen— aller Blicke hingen an ihr: Was ist's? Was ist's?— Sie aber kehrte sich stolz um, nachdem sie sich vor der Menge gezeigt hatte, und ging wieder zurück ins Haus— vorher(ehrte sie noch: Tor zu! und jemand schloß sogleich das Tor. Nun war die Neugierde aller ausgesperrt. Bis jetzt hatten sie durchs offene Tor hineingelugt, und zwei halbwüchsige Burschen hatten jeden Augenblick die Leute gefoppt, indem sie laut und lachend riefen: Sie kommen! Und sie erzählten, wie es war, als der „Peter" bei einer Rauferei erstochen wurde: sie waren dabei. Und kaum waren sie damit fertig, erzählten sie einen anderen Schreckens- fall mit aller Ausführlichkeit: alle Umstehenden hörten ernsthaft zu: sie hatten sich mitten auf der Straße ein Neines, grausiges Per- gnügunasunternehmen eingerichtet— ein Kino im kleinen, und die beiden Jünglinge im Lehrlingsalter hatten Zeit über Zeit. Junge Mädchen» Freundinnen kommen Arm in Arm, bleiben stehen und sie flüstern und lächeln miteinander und ihre Blicke gehen nach allen Seiten: und wo immer im Frühling junge Mädchen in hellen dünnen Kleidern stehen, sieht man aus sie und sonst nichts: Was ist gc- schchen? Immer wieder der Ruf. Manche haben vergessen, warum sie hier stehen. Eine Gruppe großer Gymnasiasten mit griechischen und latei- nsschen Büchern unterm Arm spricht vom nächsten Fußballmatch... Die Ansammlung wird größer und größer. Es ist ein ganzer Erlustigungsort geworden. Man geht auf und ab. Mädchen fahren mit Kinderwogen vorbei. Unbekannte bleiben zu längeren Gesprächen stehen und alle warten gespannt aus das Ereignis: Wenn die Rettungsgesellschafts- ärzte herunterkommen. Endlich in einem Knäuel ein aufgeregtes Geschrei: er ist tot: ich Hab' ihn gesehen, beim Mund ist die Kugel herein, beim Kops heraus, das Gehirn mit. Wie alt, fragt man. Bierundzwanzig Jahre. Hatte er Eltern? Nein, nur eine Tante, die alte Frau, er war der Neffe, wurde überflüssigerweise hinzugefügt. Die Schuljugend unterhielt sich glänzend, die Buben standen Kopf vor Bergnügen. Die Schulmädchen hatten kleine Zweige Flieder für die Botanikstunde in Händen: daran rochen sie und riefen einander zu: Er ist tot. Und sie rückten nah zusammen und sahen auf das geschlossene Haustor. Einer kam aus dem Haustor und machte laut die Mitteilung, daß nichts mehr zu machen sei: aber sie, die alte Frau, um sie wären die Aerzte nunmehr bemüht— wenn sie sie nur nicht gleich mit- nähmen mit ihrem Starrkrampf. Einer fing sofort zu lügen an— natürlich, er kannte ihn, sie hätten zusammen studiert. Man konnte es ihm ansehen, wie er log und nur sprach, um aus Sekunden die Aufmerksamkeit aus sich zu lenken. Es wurden Stimmen laut: Warum hat er's getan?— Nicht ganz gescheit im Kopf— Und die meisten stimmten bei. Ein kühner Jugendlicher sagte errötend und hielt sich die Hand vor den Mund, als fürchte er eins darauf zu bekommen: Unglückliche Lieb«. Gelächter und Lächeln. Das Tor wird aufgerissen, die Leute von der Rettungsgesell- schast kommen allein heraus, steigen in den Wagen— der Arzt setzt sich zurecht, die anderen nehmen Platz, sprechen lebhaft, einer lacht auf, der Wagen fährt davon. Aber die Menge bleibt noch. Unverdrossen und geduldig wartet sie bis zum Schluß des Schauspiels: der städttsche Totenwagen wird gleich da sein. Jemand sagt: Es war ein Student der Medizin. Seine Tante war arm und alt und krank. Er schrieb auf einen Zettel: Ich bin diesem Kamps nicht gewachsen. Ein Mann schaut sich wie irrsinnig um und sagt zur Frau an seiner Seite: Ist es möglich, mitten unter Menschen muß einer zugrunde gehen, mitten unter un» allen muß sich einer das Gehirn heraus- schießen? Und er blickt um sich und sieht auf lauter lachende Menschen, die den Totenwagen erwarten.
wandernde Pflanzen. Durch die Heereszüge im Dreißigjährigen Krieg « wurde der giftige Stechapfel bei uns«ingeführt, während im Derlauf der im 17. Jahrhundert stattfindenden Türkenkriege der Samen der Kalmuspslanze nach Europa gelangte. In ähnlicher Weise wurde ferner durch die Kriegszüg« Napoleons «in russisches Steppentraut, der sogenannt«„Wanzensame"(Cornpermum mar- schallii) nach Deutschland gebracht: die bis dahin ganz unbekannt« Pflanze tauchte damals eines Tages in Danzlg auf, worauf sie in einiger Zeit allerdings wieder verschwand, um sich in Schwetzingen in Baden anzusiedeln, wo sie seither in den ausgedehnten Spargel- feldern massenhaft austritt. Auch das Knopfkraut(Qalinsoxiaea par- viflora), das mittlerweile ebenfalls zu einem lästigen Unkraut ge- worden ist» kam einst mit dem napoleonischen Heer« nach Deutschland .