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Nr. 45643. Jaheg. Ausgabe A Nr. 233

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Dienstag, den 28. September 1926

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Das bayerische Mördernest.

Der Bericht des Abgeordneten Dr. Levi im Femeausschuß.

Der Femeausschuß des Reichstages trat gestern zusammen. Bor Eintritt in die Tagesordnung werden Mitteilungen verlesen, u. a. ein Gutachten des Reichs justizministeriums über die Zuständigkeit der Untersuchungsausschüsse, ferner eine Kor­respondenz mit dem bayerischen Staatsministerium des Aeußern über die Bernehmung öffentlicher Beamten durch den Ausschuß. Dann beschäftigte sich der Ausschuß mit einem Schreiben des Innenministers. Darin ist mitgeteilt, daß die bayerische Regierung bei der Reichsregierung wegen der

Angriffe des Abg. Levi auf die bayerische   Juffiz vorstellig geworden ist. Die Reichsregierung wünscht vor Be antwortung die Stellungnahme des Ausschusses fennen zu lernen. Der Vorsitzende vertritt die Auffassung, daß Veröffent. lichungen aus den Atten erst nach abgeschlossener Beweisaufnahme erfolgen dürfen.

Abg. Levi wünscht die Stellungnahme bis nach Abschluß der Berichterstattung zurückzustellen. Man müsse sich auf Grund der Berichterstattung erst ein Bild machen, ob die Behauptungen wahr sind, die sich auf die Staatsanwälte beziehen. Dieser

daß d

Bertagungsanfrag wird mit großer Mehrheit angenommen. Nach kurzer Beratung einigte sich dann der Ausschuß darauf, Zeugenvernehmungen in München  durchzuführen seien. Beginn der Ausschußfizungen am 5. Oktober nachmittags 2 Uhr im ehemaligen Verkehrsministerium in München  . Der Ausschuß trat nun in die Behandlung der Femefälle, die mit den bayerischen Einwohnerwehren zusammenhängen, ein.

Berichterstatter Dr. Paul Levi

führte folgendes aus: Zunächst muß festgestellt werden, daß die bayerischen Einwohnerwehren sich aus der Organisation Esche  = rich und aus der Organisation Ranzler entwickelt haben, die bereits 1919 gegründet wurden. Wir haben es hier vor allem mit der Landesleitung der Einwohnerwehren zu tun. Landes. hauptmann war Herr Escherich, stellvertretender Landeshauptmann Herr Kanzler. Die Landesleitung war in zehn Abteilungen geglte­dert. Die Wirtschaftsabteilung hatte u. a. die Aufgabe, Waffen für die Einwohnerwehren zu befchaffen, Waffen zu verräumen, wenn Berrat eines Lagers zu befürchten war. Am 6. Oftober 1920 wurde im Forstenrieder   Bark

das Dienstmädchen Maria Sandmeyer erdroffelt

an einer Fichte hängend aufgefunden. Die polizeilichen Festster­lungen haben ergeben, daß die Sandmeyer bereits im Auto er­droffelt wurde, und daß man dann die Leiche zu dem Baum hin­geschleift hat. Am 7. Oktober meldete sich der Kaufmann 3 eller, Leiter der 12. Abteilung der Einwohnerwehr, bei der Münchener  Bolizei und sagte aus: Am 23. September 1920 sei zu ihm ein Behr ann feines Bezirks in sein Bureau mit einer Frauensperson gekommen und habe erklärt, er habe auf der Straße das Waffen ablieferungsplafat gelesen. Darauf fei er von der Frauensperson gefragt worden, woman Waffen angeben müffe. Das Mäd­chen erflärte in meinem Bureau, es sei im Schloß Holzen bei dem Grafen Treuberg in Dienst, und dort befänden sich Kanonen und Gewehre. Als ihren Namen gab sie an: Sandmann aus Odels. hausen. Wenigstens hörte ich es fo.

Ich verständigte jofort die Landesleitung der Einwohnerwehr, damit die Waffen geborgen werden fonnten.

Erst im Jahre 1924 tam der Münchener   Polizei eine Aeuße­rung des Rechtsrats Weinbrecht aus Nürnberg   zur Kenntnis, daß 1921 bei dem Nürnberger Fest der Reichsflagge" man sich auch über den Fall Sandmeyer unterhalten habe. Dabei sei die Aeuße rung gefallen:

" Das Saumenfch hat auch noch ins Auto geschifff." Weinbrecht ist inzwischen an einem Schlaganfall gestorben, so daß diese Spur nicht weiter verfolgt werden konnte.

Ueber die Teilnehmer an der Autofahrt fonnte festgestellt wer den: Der Student Mar Uebeleisen gibt zu, daß er der Lenker des Autos war. Am Ringhotel waren bei der Abfahrt Leutnant Schweikart und Berchthold, die mit in die Türken­straße 54 gefahren feien, zur Wohnung des Studenten Alois Schneider. Dort feien sie ausgestiegen, und Alois Schneider eingestiegen. Alois Schneider sagt aus, das Uebeleisen die Fahrt mitgemacht habe. Er verschweigt aber Berchthold und Schweifart. Auch Oberleutnant Braun verschweigt den Namen

Schweifart.

Leutnant Berchthold erklärte,

hang. Von der Fahrt wisse er nur vom Erzählen. Er fei im Ringhotel anwesend gewesen, als das Auto anfuhr. Am 5. Otto­ber, nachmittags 1 Uhr, sei das Auto vom Chauffeur angefahren worden. Uebeleisen und Schneider übernahmen den Wagen und fuhren nach der Türkenstraße 54. Ich und Schneider saßen im Auto.

Vor der Wohnung des Schneiders erklärten die beiden, nach Traunstein   zu fahren. Abends 9 Uhr war das Auto wieder in der Türkenstraße. Dort war eine Herrengesellschaft. Am 20. Oftober wurde Berchthold nochmals vernommen. Dabei gab er zu, daß er vom 15. bis 19. Oktober 1920 einen Herrn in seiner Wohnung beherbergt habe. Als seinen Namen gibt er Erich Wagner aus Nürnberg   an Den Leutnant Schweifart fenne er nicht. Auch sein Nome sei ihm nicht erinnerlich.

habe

Dagegen hat der Mietgeber des Berchthold ausgesagt, Berchthold öfter von Schweikart gesprochen,

Schweifart habe wohl auch Berchthold wiederholt besucht.

Alois Schneider gibt Uebeleisen als Mitfahrer an, ebenso den Studenten Schuster, nicht aber Berchthold und

er stehe mit der Leitung der Einwohnerwehr in feinerlei Zusammen Schweifart. Am 18. November 1924 hatte Alois Schneider bet

Poincaré   redet vom Frieden...

Ohne ihn unmöglich zu machen!

Paris  , 27. September.  ( Eigener Drahtbericht.) Man wird| versucht, dem Gegner von gestern gegenüber eine Politik der wohl auch in Deutschland   nicht erwartet haben, daß die jüngste Entwicklung der deutsch  - französischen Beziehungen Boincaré von einen Saulus zu einem Paulus, den Mann des Vertrages von Bersailles und des Ruhreinbruchs zu einem überzeugten Apostel der Völkerversöhnung und verständigung verwandelt habe. Was man von ihm erwarten fonnte, war lediglich, daß er durch seine Reden die von Briand   und Stresemann   in Thoiry eingeleitete

Politik des Ausgleichs nicht unmöglich machen werde. Das war denn auch tatsächlich der Fall. Poin­ caré   hat sowohl in seiner Sonntagsrede auf dem Kongreß der französischen   Kriegsverletzten wie in seinen Ausführungen, mit denen er am Montag die Seffion des Generalrates seines Departe­ments in Bar- le- Duc   eröffnet hat, mancherlei gesagt, was in Deutschland   sicherlich als wenig freundlich empfunden werden und was vor allem den deutschen   Nationalisten willkommene Ge­legenheit geben wird, neue Argumente gegen die Politit von Thoirn vorzubringen. Das Entscheidende aber ist, daß er nicht nur nichts gesagt hat, was die Fortsetzung der einleitenden Aussprache zu er­schweren geeignet wäre, sondern daß er sich zu dem Gedanken einer Politik der Annäherung und gegenseitigen Berständigung befannt hat. Daß er auf den jüngsten Versuch Stresemanns, die Kriegs. fchuldfrage aufzurollen, in sehr unversöhnlichem Tone antwortet, wird um so weniger Wunder nehmen dürfen, als Poincaré selbst an dieser Frage direkt interessiert ist insofern, als eine Lossprechung Deutschlands   von dem ihm gemachten Vorwurf, den Krieg provoziert zu haben, die Verurteilung seiner eigenen Borfriegspolitik bilden muß.

Die

am Montag gehaltene Rede Poincarés hatte vor= wiegend inner politischen Charakter. Poincaré   setzte sich darin zunächst eingehend mit den Gegnern seiner Finanzpolifit aus­einander, um erst am Schluß auf die außenpolitischen Probleme zu sprechen zu kommen. Ueber die Politik gegenüber Deutsch  land führte er aus:

Am 7. Oftober meldete sich die Jungfer Maria Schneidt von Nordhausen  , die beim Konsul Kämmerich in München   in Dienst mar. Sie sagte aus, daß die Sandmener am 1. Oktober 1920 eben falls bei Rämmerichs in Dienite trat. Dann schilderte sie, was wir bereits im Vorwärts" ausführlich berichtet haben, wie am Abend des 5. Oktober um 9% Uhr ein fremder Mann fam, der mit der Sandmeyer sich eine Viertelstunde lana unterhielt, und daß dann die Sandmeyer an diesem Abend nach 10 Uhr gesehen worden fet, Reine Nation sei entschiedener dem Frieden zugewandt wie sie aus ihrer Wohnung weggegangen sei. Daraufhin wurde in Odelshausen nachgeforscht. Das Ergebnis als Frankreich  , dessen Regierung alles Menschenmögliche getan habe, war, daß am 5. Oftober eine Mannsperson in Odelshausen nach den letzten Krieg zu verhindern. Keine Nation sei durch den Krieg einem Fräulein Sandmann gefragt habe, die in Schloß Holzen in 10 schwer mitgenommen worden wie Frankreich  , dessen Dienst sei. Der Mann stellte sich als ein Herr Mederer aus Augs. reichste Provinzen zum Schlachtfeld der mobilisierten Völker ge­burg vor und gab an, die Sandmann sei ihm vom Grafen Treu worden seien. Seit dem Abschluß des Friedensvertrages sei Frank­berg empfohlen worden. Als ihm gesagt worden war, daß es zwar reichs ausschließliches Bemühen darauf gerichtet gewesen, dessen teine Sandmann, aber eine Sandmener im Ort gebe, meinre Bestimmungen getreulich zu achten und über deren er, fie fönne auch so heißen, der Graf schreibe eine so entfegliche Innehaltung durch die anderen zu machen. Frankreich  , das wie Biote. teine andere Nation mit Eifer und Enthusiasmus zu dem Friedens­Am 13. Oftober ging bei der Polizei folgende Meldung ein: werk des Bölkerbundes beigetragen habe, verlange nichts als die Am 5. Oftober, mittags 1% Uhr, fuhr ein Auto 2a 1894 beim Ringhotel in München  ( Sik der Landesleitung der Einwohner und die regelmäßige Bezahlung der versprochenen Reparationen. dauernde Erhaltung feiner wiederhergestellten Territoriums mehr) vor. Auf Beranlassung des Oberleutnants Braun wurde das Auto nach einem Seitenausgang in die Blumenstraße dirigiert, Es habe sich niemals geweigert, ganz gegen fonftige Gepflogenheit. In das Auto stiegen zwei Per fonen ein. Der Chauffeur überließ dem Oberleutnant Braun den Magen. Am 6. Oftober morgens fand der Chauffeur den Wagen in fürchterlichem Zuffand. Er war vollständig durchnäßt und mit Urin beschmutzt.

loyal mit Deutschland  

über alle Fragen, die eines der beiden Länder intereffieren fönnten, zu verhandeln. So berechtigt auch seine Beschwerden in der Bergangenheit gewesen sein mögen, so habe es doch niemals(?)

Ranküne und des Hasses zu verfolgen. Heute wie gestern sei Frankreich   zu jedem Versuch einer An­näherung bereit unter der Bedingung, daß diefer mit den Verträgen und Bündnissen im Einklang steht und daß er die Verantwortung der kaiserlichen Regie­rung am Kriegsausbruch außer Zweifel laffe und daß seine Auf­richtigkeit durch schlüssige und im voraus zu erbringende Beweise der moralischen und materiellen Entwaffnung Deutschlands  gerechtfertigt werde. Frankreich   schulde es sich selbst und seinem Ansehen, schulde es vor allem dem durch einen vierjährigen Krieg zerrütteten Europa   und allen Völkern der Welt, daß es alles in seinen Kräften Stehende tue, um der Menschheit eine bessere 3utun ft zu sichern. Frankreich   werde sich dieser Ver­pflichtungen nicht entziehen, aber man werde andererseits sich nicht wundern dürfen, wenn es angesichts der Ungewißheit der Zukunft weder seine vertraglichen Rechte opfern noch seine Wachsamteit einschränken wolle.

Schon nach der Sonntagsansprache Poincarés schrieb der Pariser Quotidien": nun aber Schluß!" Diesem Ruf fönnen wir uns nur anschließen. Insbesondere möchten wir Dr. Stresemann   und die übrigen Mitglieder der Reichs­regierung ermahnen, auf keine der beiden Reden des franzö= fischen Ministerpräsidenten zu antworten. Es ist durch die Gambrinus- Improvisation Stresemanns schon genug Schaden angerichtet worden und eine Fortsetzung dieses Rededuells fönnte unheilvoll werden. Es ließe sich zwar manches auf die Reden Poincarés erwidern, aber wozu? Mit sechsundsechzig Jahren lassen sich die Menschen nicht mehr ändern. Poincaré  hat in seinem öffentlichen Leben noch nie ein wirklich warmes Wort gesprochen, er ist ein Mensch, der eisige Kühle erzeugt. Er hat zwar im eigenen Lande viele Bewunderer, aber keinen einzigen Freund. Niemals ist seine herzlosigkeit fo grausam geschildert worden, wie in dem vor einigen Monaten erschienenen Schlüsselroman" Bella", der den jetzigen Presse­chef des französischen Auswärtigen Amtes, Girandur, zum Verfasser hat. Um dem deutschen   Leser einen Begriff von der Wefensart Poincarés zu geben, fei nur gesagt: er weist starke Aehnlichkeiten mit dem Grafen We starp auf, er ist womöglich noch unsympathischer, wenn auch entschieden intelligenter.

Unter diesen Umständen kann man es als einen Erfolg und ein Glück betrachten, daß Poincaré   in seinen zwei Reden nichts taputt gemacht hat. Die Richtlinien dieser worden: sie stehen auch an sich nicht im Widerspruch mit den zweiten Rede find bekanntlich im Rabinett einmütig gebilligt Besprechungen von Thoiry. Dagegen tragen die Form und der Ton der Rede den persönlichen Stempel Poincarés Zum Glück werden wir es bei den Verhandlungen nicht mit Poin­ caré  , sondern mit Briand   zu tun haben, den eine ganze Welt des Temperaments von seinem Ministerpräsidenten trennt.