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ten. Um die ungefähre Gesamtdauer berechnen zu können, müssen wir für jede Kategorie eine Durchschnittszahl einsetzen, und zwar von einer Woche, drei Wochen, zwei Monaten und sechs Monaten. Die letzte Zahl dürfte erheblich unter der Wirklichkeit zurückbleiben, da Fälle, in denen die Unter suchungshaft sogar länger als ein Jahr gedauert hat, keine Seltenheit sind. Unter Zugrundelegung dieser Durchschnitts­zahlen kommen wir zu dem Ergebnis, daß allein in Preußen in einem einzigen halben Jahre von Personen, die zu Unrecht eines Verbrechens oder eines Vergehens angeschuldigt sind, 250 Jahre Untersuchungshaft schuldlos verbüßt sind. Auf ein ganzes Jahr und auf das Gebiet des gesamten Deutschland  umgerechnet ergibt dies eine Gesamtzahl von etwa 830 Jahren und unter Hinzurechnung der Uebertretungsfälle, in denen die Untersuchungshaft über schuldlose Personen verhängt ist, eine solche von etwa 900 Jahren. Es haben also in Deutsch  land im Jahre 1925 mehr als 5000 Menschen 900 Jahre ihres Lebens in Untersuchungshaft schmachten müssen, ohne daß ihnen überhaupt eine strafbare Handlung zur Last fiel. Eine fürchterliche und für jeden Freund der Gerechtigkeit geradezu unerträgliche Zahl!

Dabei ist im vorstehenden Zahlen das Sündenkonto der Untersuchungshaft noch nicht voll erschöpft. Bei einer erheb­lichen Anzahl von Untersuchungsgefangenen war die erkannte Strafe geringer als die verbüßte Untersuchungshaft. Andere Untersuchungsgefangene sind überhaupt nur zu Geldstrafe verurteilt worden. Auch diese sind in vorstehender Bahl nicht mitgezählt. Bir fönen also ohne Uebertreibung sagen, daß in Deutschland   jährlich 1000 Jahre Unter­suchungshaft unschuldig verbüßt werden. Die Erfenntnis, daß eine gesetzliche Regelung, die derartige Bustände ermöglicht, unhaltbar ist und schleunigst der Aende rung bedarf, ist zum Gemeingut aller vorurteilslosen Renner unserer Strafrechtspflege geworden. Unsere Fraktion hat, wie erwähnt, bereits am 27. Juli 1925 im Reichstag einen Antrag eingebracht, der eine grundlegende Aenderung des neunten Abschnitts des ersten Buches unserer Strafprozeß ordnung, der von der Untersuchungshaft handelt, verlangt. Den wesentlichen Inhalt dieser Gefeßesvorschläge haben sich sowohl der Deutsche Anwaltverein  , wie der Gesetzgebungs­ausschuß des Hamburger Anwaltsvereins in besonderen Gesetzentwürfen zu eigen gemacht.

Bei der gegenwärtigen Handhabung der Untersuchungs

haft ist eine sorgfältige Prüfung der Haftbefehle schon technisch nicht möglich. Ist doch bereits vor Jahren festgestellt, daß 3. B. in Berlin   ein einziger Amtsrichter jähr I ich etwa 5000 5 aftbefehle wegen Berbrechen und Bergehen verfügt hat.

Die Kautelen, die unser gegenwärtiges Gesetz gegen ungerechtfertigte Berhängung von Untersuchungshaft gewährt, find völlig unzureichend. In fast 99 Proz. aller Fälle wird der Haftbefehl mit angeblichem Fluchtverdacht gerecht fertigt. Dieser Fluchtverdacht bedarf nach der gegenwärtigen gesetzlichen Regelung bei den wegen schwerer Straftaten An­geschuldigten, sowie bei Ausländern, Heimatlosen und Land­streichern überhaupt teiner weiteren Begründung. Aber auch in den Fällen, in denen eine Begründung des Fluchtverdachts erfolgt, wird in der Praxis außerordentlich leichtfertig ver­fahren. Ist der Angeschuldigte vermögenslos, so begründet dies den Fluchtverdacht, da er ja durch keinerlei Vermögens­interessen in Deutschland   zurückgehalten werden. Ist er aber in der glücklichen Lage, Bermögen zu besigen, so wird an genommen, daß ihm hierdurch die Möglichkeit, in das Ausland zu entkommen, erleichtert werde. Mit Recht verlangt deshalb unsere Frattion im Einklang mit einem bereits im Jahre 1896 von unseren Genossen Stadthagen   und Frohme im Reichstag gestellten Antrage eine Gesetzesänderung dahin, daß bestimmte Tatsachen vorliegen müssen, welche den Fluchtverdacht begründen.

Ein weiterer Grund für die Verhängung der Unter­suchungshaft ist die sogenannte Berbuntlungsgefahr. Auch hier verlangt der Antrag unserer Genossen mit Recht,

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Strejemanns Referat.

daß der Angeschuldigte, um die Untersuchungshaft zu recht-| Rechtsanwalt Bodhahn- Köln den Parteitag. Dann nahm, stür. fertigen, bereits Berdunklungsversuche unternommen haben misch begrüßt, Dr. Stresemann das Wort zu seinem Referat. muß. über die politische Lage. Gegenwärtig schmachtet der Untersuchungsgefangene in der Haft, ohne daß ihm überhaupt die Berdachtsgründe gegen ihn befannigegeben werden, und ohne daß ihm die Möglich- Zwischen dem Parteitag, den wir vor zwei Jahren in Dort­feit einer mündlichen Verhandlung über die Fort- mund abhielten, und dem heutigen Zusammensein der gesamten dauer der Untersuchungshaft eröffnet ist. Es ist deshalb zu Partei liegt eine große Spanne innen- und außenpolitischer Ent­begrüßen und entspricht der Auffassung aller einsichtigen widlung. Noch immer ist dabei die Außenpolitif die vor. Kriminalisten, daß der Antrag unserer Genossen verlangt, daß herrschende. Sie bestimmt unser politisches und soziales und über die Fortdauer des Haftbefehls unter Zuziehung des unser wirtschaftliches Sein in erster Linie. Lassen Sie mich daher Angeschuldigten und eines ihm zu stellenden Berteidigers zu von dieser Entwicklung zuerst sprechen. Die Deutsche Volkspartei  verhandeln ist. Nur so ist der Angeschuldigte in der Lage, hat jahrelang unter der Außenpolitik gelitten. Ich glaube und kann das gegen ihn vorliegende Verdachtsmaterial fennen zu lernen fagen, es gibt nicht die Außenpolitik der Partei, sondern nur eine und zu entfräften. Hat die Untersuchungshaft zwei Monate deutsche Außenpolitik. In diesem Sinne ist sich die große gedauert, so ist nach dem Borschlage unserer Fraktion erneut Mehrheit des deutschen   Volkes über diese Außen­über die Fortdauer der Untersuchungshaft auf Grund münd- politik durchaus einig. Ihre Methode ist umstritten. Ob licher Berhandlung zu entscheiden.

Die Bestimmung unserer Strafprozeßordnung, nach der dem Untersuchungsgefangenen nur solche Beschränkungen auferlegt werden dürfen, welche zur Sicherung des Zweds der Haft oder zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Befängnis erforderlich sind, steht in der Praxis völlig auf dem Papier. Auch hier sieht der Antrag unserer Partei Abhilfe vor, inden er dem Untersuchungsgefangenen eigene Kleidung, Lagerung, Beköftigung, Beleuchtung und Bequemlichkeit, sowie die An­schaffung von Büchern, Beitungen und Schriften und Erleich terung des Briefverkehrs sichert.

Die Unerträglichkeit der gegenwärtigen Regelung der Untersuchungshaft wird noch durch die Unvollkommenheit des Gesetzes über die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft gesteigert. Nur in feltenen Ausnahmefällen wird gegenwärtig den freige fprochenen oder außer Verfolgung gefeßten Untersuchungs­gefangenen eine derartige Entschädigung zugebilligt, und auch bann meist in unzureichender Höhe. Eine Aenderung ist dringend geboten, wobei natürlich nicht verkannt werden darf, daß die Qualen der Untersuchungshaft auch durch die größte Entschädigung nicht gutgemacht werden können.

dazu beiträgt, die Reform der Untersuchungshaft zu beschleu­Wenn die Statistik des preußischen Justizministeriums nigen, so hat sich die Mühe, die auf sie verwendet wurde, reichlich bezahlt gemacht.

Der Parteitag der Volkspartei. Stresemann über die Verständigungspolitik. Gegen die Etappenpolitiker. Köln  , 2. Oftober.( Eigener Drahtberichi.) Heute vormittag um 10 Uhr wurde im großen Saale des Gürzenich der Parteitag der Deutschen Boltspartei eröffnet. Außenminister Dr. Strese mann als Parteivorsitzender begrüßte in furzen Worten die Er­schienenen, besonders Geheimrat Kahl, der einstimmig von den Delegierten zum Leiter des Parteitages gewählt wurde. Kahl nahm dann in furzen Worten Stellung zu der Befreiung der ersten Bone, zum Eintritt Deutschlands   in den Bölkerbund, den er begrüßte, weil Deutschland   nun vor der ganzen Welt offiziell seine berechtigten Forderungen vertreten fönne. Dann begrüßte Kahl den Außen­minister Stresemann   unter stürmischem Beifall der Delegierten als den Führer des deutschen   Boltes. Seit drei Jahren stehe Strese­mann in heftigem Stampf um eine vernunftgemäße Außenpolitit. Sein Weg sei schwer und mühevoll gewesen. Er habe nun fest­zustellen, daß dieser Weg der einzig richtige und einzig erfolgreiche gewesen sei.

Geheimrat Ka hI begrüßte dann die fremden Gäfte des Partei­tages mit den Worten: Deutschland  , Deutschland   über alles, die er nicht in dem entstellten Sinne aufgefaßt wissen wolle, sondern ledig­lich als einen Ausdruck der Treue zu den abgetrennten Landesteilen und den Deutschen   in Uebersee  . Kahl gedachte des 79. Geburts­tages Hindenburgs, an den man eine Depesche absenden will.

Als Vorsitzender des Wahlkreisverbandes Köln- Aachen begrüßte

über laffen Sie uns gleichzeitig die Frage vorlegen, welche Erfolge kann man dann von einer solchen Außenpolitik heute er­warten. Niemand kann irgendwie Himmelstürmendes tatsächlich erstreben und erreichen wollen. Was wir als Erfolg ansehen müssen, fann in der Lage, in der wir uns bis zur Stunde befinden, mur Befreiung von brüdendsten Fesseln sein, die auf uns lasten. Aber auf diesem Gebiete ist es vorwärts gegangen. Wie lange haben wir versucht, in den ersten Jahren nach dem Niederbruch überhaupt nur dahin zu kommen, einmal den deutschen Standpunkt vor einer Konferenz vertreten zu können, anstatt nur ultimative Drohungen und Befehle von der anderen Seite ent­gegenzunehmen. Wie wenig lange ist es her, daß, als die Konferenz­idee fich durchsetzte, der Mahnruf ertönte: Ihr dürft als Gleich­berechtigte mit den anderen verhandeln. Erst langsam ist das Terrain beffer geworden. Und glauben Sie mir, der Kampf im Schühen­graben wird nicht gestärkt durch das große Wort der Etappe. ( Lebhafte Zustimmung.)

land, daß er zwischen der Diskrepanz der deutschen   Geschichte des Es war die Tragit jedes Außenministers des neuen Deutsch­deutschen Boltes und der deutschen   Machtlosigkeit der Gegenwart stand. Dazu kommt, daß es auch in der Nachkriegszeit nicht ohne Dr. Stresemann dann Achtung für diejenigen Staatsmänner, die neue Erschütterung und neue Berlufte abging. Ausdrücklich verlangte nach dem Zusammenbruch der Ruhraktion die Verantwortung über­

nommen und damit eine neue Zeit eingeleitet hatten. Alle Außen. minister europäischer Staaten liegen heute mit den Ewig- Gestrigen im Kampf und derjenige, der sich das Blickfeld freigehalten, weiß, daß er heute mit neuen Mitteln und ohne Jllusionen arbeiten muß. Auf dem Wege von Locarno   nach Genf   und Thoiry sei die Souverä nität Deutschlands   über das gesamte Rheinland   wieder errungen worden. Stresemann verbreitete sich dann über die Genfer   Tagung. Eine Torheit wäre es, das große übernationale Forum in Genf   zu verkennen. Die internationalen Beziehungen bedürften neuer Formen. Diese kann ihnen nur der Völkerbund geben.

In Locarno   und Genf   ist für uns die Grundlage geschaffen worden, die eine Bereinigung der zwischen Deutschland   und seinen ehemaligen Kriegsgegnern schwebenden Probleme ermöglicht. Des­halb tomme ich zu dem viel erörterten Thema einer deutsch  - fran­zöfifchen Berständigung. Ich glaube, daß die Tatsache nicht zu be ftreiten ist, daß die deutsch  - französische Verständigung der Kern. punkt jeder europäischen   Verständigung und Be­friedung ist und bleibt. Diese Frage ist teine theoretische, sondern fie ist das Sternproblem zukünftiger Entwicklung, ohne daß heute jemand zu sagen vermag, ob in dieser Entwicklung die Völker dem Wunsch und dem Willen ihrer Staatsmänner folgen. Ich glaube an den ehrlichen Verständigungswillen des Herrn französischen  Außenminiffers."

Zum Bürgermeister von Budapest   wurde in der Stichwahl der Horthyaner Sipocz gewählt. Er erhielt 166 Stimmen, während auf Stephan Barczy, den Kandidaten der Demokraten und Sozialdemokraten, 135 Stimmen entfielen. Ein großer Teil der Stadtvertreter" sind von der Regierung ernannt!

Ein tschechisches Geelendrama. Inneres vor unseren Augen. Ein rührendes Bild weiblicher Hingabe nicht nur seine Weltmeisterschaft, fondern auch ſeine neue ſchöne

Das wußten wir gleich im Beginn des gestrigen Abends im Deutschen   Theater: im Drama Peripherie" spricht ein Meister des Wortes. Der Tscheche Frantiset Langer ist ein Dichter. Da tritt, wenn der letzte Gongschlag derflungen ist, ein Herr vor den Vorhang und erzählt, wie es aussieht draußen am Rande des großen Häusermeeres, an der Peripherie der Stadt. Wie es da trostles ist und ohne Wärme. Er erzählt uns gar nichts Neues. Aber wie er zu uns spricht, das nimmt uns gefangen. Er malt mit der Sprache, die Worte bauen in uns Eindrücke auf. Tote Dinge werden lebendig. Wir sehen die Borstadt in ihrer Berlassent heit und Debe. Und dann geht der Vorhang hoch und wir blicken in das Innere der falten Mietfaserne und in das Innere der armen Wesen, die da hausen. Sie haben auch ihre große Sehnsucht, z. B. der Franzi, der aus dem Gefängnis kommt und gleich am ersten Abend in seiner armseligen Wohnung die große Liebe findet, die Anschi, eine müde Dirne. Aber ihn liebt sie mit der Hingabe ihrer ganzen Seele. Ja, Glück muß man eben haben. Und wenn der Franzi einen Frack hätte und weiße Wäsche und Lackschuhe, die Welt würde er sich erobern. Eines Abends, wie er in die Stube tritt, fizt ein Kavalier auf dem Schoß seiner Anschi. In der Wut schlägt er ihn tot. Und er hat weiter Glück. Es kommt nicht heraus, daß ihn einer umgebracht hat. Ja, er erbt sogar die Sachen des Toten. Nun hat er den Frad. Aber der Gedanke, getötet zu haben, läßt ihn nicht los. Er muß es sich von der Seele reben. Vielleicht aus Prahlerei. Wie schlau er alles angestellt hat und wie das Glück ihn begünstigt oder aus Gewissensnot. Wer fann es wissen? Die Kameraden glauben ihm nicht, nicht einmal die Polizei, der er ein Geständnis ablegt. Es ist ohne Belang bet dieser Gegenständlichkeit und Kraft der Darstellung, die der Dichter aufbringt, daß er jetzt sein Problem von Schuld und Sühne überspitzt und nach Pirandellos Manier skurrile Gedankengänge übertüftelt. Franzi hat es sich in den Kopf gesetzt, abgeurteilt zu werden. Ketten muß er tragen. Er fahndet nach Gerechtigkeit. Weil ihm feiner den ersten Mord glaubt, begeht er einen zweiten. Seiner Anschi, bie einzige, die feine Seelen­not versteht, legt er seine Hände um ihren Hals.

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Im Verlauf des Abends wurde man unsicher. Ist es das dichterische Wort, das uns pact, oder ist es die Inszenierung Mar Reinhardts, die diese starken, bleibenden Eindrücke vermittelt. Im Deutschen   Theater spielt wieder einmal ein Ensemble. Auch Neben­rollen sind mit ersten Schauspielern befeßt. Mit Homolta, mit Hörbiger, mit Gülstorff( einem prachtvollen verfommenen Idealisten), mit Rühne, mit Ballburg, der Anni Mewes   und den mit eindringlicher Plastik sprechenden Betrachter" des Wladimir Gotoloff. Den Franzi gibt Hermann Thimig   mit der Besessen­heit eines reinen Toren. Er ist die Berkörperung einer gehegten Seele, tie alles gezwungen und plötzlich erscheinen läßt. Seine

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Sprache, sein Gefühl, sein Lachen und seine Angst. Er öffnet sein zeichnete Franziska Kinz  , die noch nie eine solche Tiefe des Ge­fühls aufgebracht hat. Ernst Degener.

Hebräisches Theater Habima  .

Das Hebräische Theater von Mostau, das jetzt im Theater am Nollendorf plag" gaftiert, gilt als russische Staats­institution. Es wurde ihm, bevor es zu uns fam, nachgerühmt, daß es die Selbstverleugnung und Verwandlungsfähigkeit des Schau­spielers unendlich verfeinert und so ein erschütterndes Bild von dem merkwürdigen Aberglaubensdasein der russischen Judenheit zustande gebracht hätte.

Was wir jetzt sehen, ist wirklich die vollendete Erziehung. Die Natur wird geknickt, unterbrochen. Selbst der fleinste Statist ist äußerlich prachtvoll gedrillt. Das Ensemble wird als Heiligtumn gehalten. Die Truppe duldet feine außerordentliche Persönlichkeit. Aber die Schauspieler, die so erzogen wurden, wirken heute wie geölte Menschenmaschinen auf der Bühne. Der Regisseur hat seinen ganzen Traum und seine tiefste Grübelei in Theaterwirklichkeit ver­wendelt. Dabei war dieser Regisseur gleichmäßig begabt mit der Kraft des Auges und mit der Kraft des Ohres. Wenn er Akustisches, das die Seele verraten soll, aus den einzelnen Künstler herausholen möchte, dann wird ihm allerdings der Erfolg versagt. Diese fabel räselnden und plärrenden Schriftgelehrten sind nur zu ertragen, haft tanzenden russisch- jüdischen Schauspieler, diese herrlich im Cher menn sie als Gesamtheit wirfen. Eine wirklich hervorragende, große fchauspielerische Individualität fehlt diesem Theater absolut. Die Künstler werden technisch gebändigt. Es herrscht die hohe Mechanit der Bewegungen und der Stimme.

Diese Erscheinung ist sehr merkwürdig an dieser hebräischen Theatertruppe. Sie arbeitet mit allen Mitteln auf den groben und primitiven Instinkt des Zuschauers hin. Sie befriedigt diesen Trieb ungeheuer geschickt, vielleicht sogar genial. Aber der Regisseur hat all seinen Künstlern die Seele gestohlen. Vielleicht gelang es ihm so leicht, weil keiner von den Leuten eine rechte Seele hatte. Auch diese russischen Juden verkünden, wie alle Theaterleute im heutigen Rußland  , daß sie nur Theater machen wollen. Sie richten das Drama zugrunde, damit ihr Theater, das ein Gemisch von Kolpor tage, 3irfus und Varieté ist, zur Blüte gelangt. So ist dieses Theater im Grunde gemeingefährlich). Es ist dürftig trog feiner Raffiniertheit. Darum, daß einem Judenmädchen der böse Geist ( Dŋbut") ausgetriben wird, handelt es sich in dem Stücke. Diese Teufelsaustreibung, die vorgenommen wird nach einem glänzend aufgeführten jüdischen Hochzeitstrubel, erfüllt alles Kino- und Rolportageverlangen des Theatervoltes. Es ist ein Sput für den Augenblick, der Männer zu Kindern und würdige Frauen zu aber­gläubischen Tanten macht.

Max Hochdorf  .

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Erftaufführungen der Woche. Sonnt. Staatstheater: Die beste Polizei". Dienst. Tribune: Die Bildente". Leffing- Th.: Mensch und lebermensch". Freit. Stammerspiele: Der Sonnab. Strolloper: Die Liebe zu den drei Orangen". fliegende ut". Theater i. d. Kommandantenstr.: Egmont". Rustspielhaus: Herzogin von Elba  ".

Neue Najen. Dempsen hat bei seiner Begegnung mit Tunnen Nafe eingebüßt, die ihm schon beim Trainieren ziemlich beschädigt worden war. Dieser letztere Verlust wird aber rascher zu reparieren sein als der erstere, denn eine neue Nase ist heute recht leicht zu beschaffen; die moderne Gesichtsplastik leistet darin Erstaunliches. Wenn das Riechorgan infolge irgendeines Unglücksfalles oder einer Beschädigung ganz fehlt, jo werden neue Nasen von Fleisch und Blut in jeder beliebigen Ferm rasch hergestellt, und wenn nur die Form der Nase geändert werden soll, so ist auch dazu der Chirurge imstande. Solche Operationen find durchaus nicht so neuen Datums, wie man wohl annehmen möchte. Im sechzehnten Jahrhundert war ein Chirurgieprofesser der Universität Bologna  , Tagliocozzi, wegen feiner Nasenüberpflanzungen berühmt, die nach ihm- den Namen der Lalicotischen Operation" erhielten. Diese Operation bestand in der Ueberpflanzung eines Stüdes Fleisch und Haut vom Arm an die Stelle der fehlenden Nase. Das abgelöste Fleischstück, das noch am Arm hing, wurde auf die Ränder der Deffnung aufgenäht, die ven der fehlenden Nase gebildet wurde, und der Arm wurde dann an den Kopf gebunden, so daß er unbeweglich war. Wenn das Fleisch­stück in seiner neuen Lage festgewachsen war, wurde es behutsam vom Arm abgetrennt und in die richtige Form gebracht. Noch viel geschickter ist aber eine Methode der Nasenplaftit, die von den 3ndern feit uralten Zeiten geübt wird. Bei dieser Operation wird ein dreieckiges Stück Fleisch und Haut, dessen Basis sich unter Diese Spize erhält den Zusammenhang mit dem Gewebe, aus dem dem Haar befindet, aus der Stirn herausgenommen. Die Haut wird dann heruntergezogen, bis die Spitze die Nasenwurzel erreicht. das Stück herausgeschnitten ist und sichert seine Lebenskraft. Durch die Basis des Fleischstückes werden die Nüstern der neuen Nase gebildet, und sie erhalten durch Gummiröhren, die hineingesteckt werden, ihre neue Form. Die Narbe ist außerordentlich klein und faum sichtbar. Wenn die Nase nicht ganz zerstört ist, sondern nur mißgestaltet oder eingesunken ist, dann fann ihr eine schönere Form durch Einspritzung von Parafin verliehen werden.

wirtschaftsministerium beabsichtigt eine Stiftung mit dem Siz in Ein Reichsinstitut für die Textilwirtschaft. Das Reichs. Berlin   ins Leben zu rufen, die der Förderung der deutschen   Tertil wirtschaft dienen soll. Die Arbeiten der Stiftung sollen hauptsächlich den Problemen der Wirtschaftlichkeit in der Produktion, der fach­lichen Ausbildung des Nachwuchses und der technisch- wissenschaft lichen Forschung dienen. Für den Vorstand sind zunächst in Aus­sicht genommen ministerium und je drei Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeit­Geheimrat Hagemann vom Reichswirtschafts­nehmer. Zum Verwaltungsrat sollen außerdem noch Vertreter der Bekleidungsindustrie und des Groß- und Einzelhandels zugezogen werden. Die wirtschaftliche Grundlage der Stiftung bilden die Kapitalien, die von der inzwischen aufgelöften Reichsstelle für Terill. wirtschaft, einer Organisation für die Außenhandelsfontrolle, hinter lassen worden sind; es handelt sich dabei um mehrere Millionen Mart.

Urania  - Beranstaltungen. Täglich: Die Sygiene ber he". Täglich bis Donnerstag einschl.: Die Schweig". Mittwoch( 5): Ber. jüngung". Sonnabend( 9): Die Geschichte des Films".