Der Abschluß.
F. KI. Blankenburg ( Thür.), 3. Oftober. Die Tagung des Sozialistischen Kulturbundes, über deren Beginn wir berichteten, wurde am Sonntagvormittag mit sehr inftruftiven Referaten der Genossin Marie Juchacz und des Genossen Dr. Knaat aus Hamburg über die Zusammenhänge der Bolts wohlfahrt und Volksgesundheit mit der sozialistischen Kultur fortgesetzt..
Wohlfahrtspflege- Volfsgesundheit.
Genoffin Ju cha cz behandelte besonders die Fragen der Wohl fahrtspflege in weitestem Sinne. Die Sozialdemokratie habe sich zweifellos Verdienste erworben um die Ausgestaltung der Sozial politik, deren Pionier sie war. Aber für das große Gebiet der Dinge, die nicht mit der Sozialpolitik in engstem Zusammenhange stehen, muß diese Pionierarbeit noch geleistet werden. Da ist die Gleichberechtigung der Frau, zwar geschriebenes Gesetz, aber nicht praktische Wirklichkeit. Im Hause auch unserer Arbeiter ist die Frau vielfad) noch das Lasttier. Es gehört auch zur sozialistischen Kultur, daß diese ungleiche Verteilung der Lasten aufhört. In der Ehe sollen beide Teile sich bemühen, sich gegenseitig die Lasten abzunehmen und zu erleichtern, damit auch für die Frau überhaupt erst der Wille zur Kultur erwachen könne. Die Wohlfahrtspflege in ihrer großen beölkerungspolitischen Bedeutung, in ihrer demokratischen Selbstge taltung, bezweckt nicht ,, Wohltätigkeit" an verarmte Schichten zu rteilen, sondern planmäßig das soziale Dasein und damit die soziale Kultur neu zu gestalten.
Dr. K na al- Hamburg behandelte das große Gebiet der fozialen Gesundheitspflege, das bei weitem noch nicht ge= nügend von der Sozialdemokratie beachtet wird. Es gehört dazu die Frage der Geburtenregelung, die Seuchenverhütung, die Berufsberatung und leberwachung der Arbeit in gesundheitlicher Bezie hung, also der Gesundheitsschutz für Erwachsene, die soziale Neuregelung der ärztlichen Versorgung usw. Selbstverständlich, daß hierher auch die wichtige Frage der Wohnungspolitik gehört. Denn fozialistische Kultur ist nicht möglich ohne gesunde Wohnungen und ohne eine gesunde Bevölkerung.
In der Diskussion unterstrich Genosse Dr. J. Marcuse diese In der Diskussion unterstrich Genosse Dr. J. Marcuse diese Darlegungen und erweiterte sie noch in der Richtung der Bekämpfung des Alkoholismus und der Förderung des Arbeitersports. In der weiteren Aussprache wurde besonders die Frage des Kampfes gegen den Alkoholismus besprochen. Genossin Siemsen Jena wies auf die Notwendigkeit hin, durch besondere Schulen Proletarier in den öffentlichen Wohlfahrtsdienst zu bringen. Bisher besteht der unmögliche Zustand, daß fast nur die Töchter des Bürgertums, die keine Ahnung vom Arbeiterleben haben, durch die und in ähnlicher Stellung auf die Proletarierwohnungen losgelassen werden.
Fememord und Bombe.
Das von den ehemaligen faschistischen Mitarbeitern Mussolinis herausgegebene Organ ,, Il Nuovo Paese" wird in seiner nächsten Nummer auch belastende Dokumente enthalten, die auf den
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Mord an den Faschisten Bonservizi
ein neues Licht werfen. Bonservizi war der Pariser Vertreter des Popolo d'Italia" und der Leiter der Pariser Faschistengruppe. Er wurde im Frühjahr 1924 in einem italienischen Restaurant in Paris durch die Revolverschüsse eines angeblichen Anar chisten Bonomini getötet.
Es besteht nun ein dienstlicher Bericht des der italienischen Botschaft in Paris zugeteilten Polizeikommissars Sabbadini, aus dem hervorgeht, daß
Bonomini durch faschistische Agenten,
die sich ihm gegenüber als Kommunisten ausgegeben hatten, zu dieser Tat angestiftet wurde. Die Faschisten verfolgten damit einen doppelten Zweck: sie wollten sich einerseits des ihnen lästig gewordenen Bonservizi entledigen und brauchten andererseits einen Vorwand, um in Italien Vergeltungsmaßnahmen gegen die Opposition zu ergreifen. So wurde Bonomini zu ihrem blinden Werkzeug. In Rom wußte man in der Umgebung Mussolinis von Anfang an gànz genau, wie die Dinge in Wirklichkeit lagen, da man darüber durch den offiziellen Bericht des Polizeikommiffars da man darüber durch den offiziellen Bericht des Polizeikommissars Sabbadini unterrichtet war. Doch befahl Mussolini , daß man darüber strengst es Stillschweigen wahre, damit die faschistische Politik den Mord für ihre eigenen Zwecke ausschlachten könne. Denn dieses Verbrechen bildete ja einen wertvollen Vorwand zur Rechtfertigung von späteren faschistischen Morden. Und so fam es auch, daß man in Chieti beim Prozeß gegen die Mörder Matteottis dem Hauptangeklagten Dumini das Argument fuggerierte, er habe Matteotti für den Schuldigen an der Ermordung des Bonservizi gehalten!
Weitere Enthüllungen des„ Nuovo Paese" beziehen sich auf eine Beit, in der der Faschismus noch nicht regierte, sondern lediglich eine kleine Schar bildete, die sich um den Chefredakteur des Po
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bus rear
polo d'Italia", nämlich Mussolini , gruppierte. Danrais im Jahr 1919 betrachtete es Mussolini als seine Hauptaufgabe, den Sozialisten zu schaden, eine Panik zu erzeugen und im Trüben zu fischen. Zu diesem Zweck kam er auf den ungeheurerlichen Gedanken,
eine Bombe dem Erzbischof von Mailand , Kardinal Ferrari , zu senden.
Er beauftragte einen Kollegen aus seiner Redaktion, Artur Rossato, damit, die Adresse des Kardinals Ferrari auf ein bereits versiegeltes Paket zu schreiben. Rossato wurde zunächst stuhig, doch gab ihm Mussolini beruhigende Erklärungen. Musso lini trocknete sorgfältig mit einem ganz neuen Löschblatt die Anschrift.
Die Bombe traf beim Erzbischof ein, explodierte jedoch
nicht. Der arme Teufel, der das Paket überbracht hatte, ohne zu
wissen, was es enthielt und von wem es stammte, wurde verhaftet.
Rosato las die Geschichte in den Zeitungen. Er machte Mussolini die schwersten Borwürfe, der als einzige Antwort ihm das öschblatt zeigte, auf dem deutlich die Handschrift Rossatos mit der Adresse des Erzbischofs zu erkennen war. Rossato bekam es mit der Angst zu tun und schwieg zunächst. Später jedoch, gelegentlich einer journalistischen Untersuchung gegen Mussolini , teilte er den ganzen Tatbestand dem Ehrenrat des Presse
Einst und jetzt...
Mailand , 4. Oktober. ( EP.) Die Jahrhundertfeier des Heiligen Franz von Assisi hat in Gegenwart des päpstlichen Ge
fandten und des italienischen Unterrichtsministers Fedele am Sonntag ihren Höhepunkt erreicht. Dem mit einem Sonderzug der italienischen Regierung reisenden Legaten Kardinal Merri del Bal wurde bei seiner Ankunft in Assisi von einem Kommando Infanterie die militärischen Ehren erwiesen und zum Gruß die päpstliche Hymne gespielt.
ſtaatlichen Schulen ausgebildet und dann als Wohlfahrtspflegerinnen Die Maßnahmen für jugendliche Erwerbslose Rabinett Poincaré bildet. Sie hat an die Regierung die
Reich, Staat, Gemeinde.
Nach den allgemeinen Abhandlungen über„ Sozialismus und Kultur" folgten drei Vorträge, die mehr Einzelheiten der Mittel und Wege der sozialistischen Kulturarbeit betrafen. Zunächst sprach Genosse Meerfeld Köln über die Aufgaben von Reich, Staat und Gemeinde. Er betonte den gemeinschaftsbildenden Charakter des Staats, wie er sich seit dem Mittelalter unter schweren Erschütterungen langsam herausgebildet hat. Der Gemeinschaftsgedanke führt uns dazu, das Einheitsreich zu fordern, weil die bunte Länderkarte des heutigen Deutschlands den Bildungs- und Kulturbestrebungen durchaus nicht förderlich ist. Was das Reich unter heutigen Umständen tun fann, wird sich fast immer in Rahmengejezzen erschöpfen und die Ausführung partikularistischen Strömungen der Länder überlassen. Die Länder freilich können heute auf dem Kulturgebiete vieles tun, z. B. hinsichtlich des Schulwesens, der Förderung der Volkshochschulen und der Boltstheaterpflege. Den Gemeinden in ihrer Bielgestaltigkeit bleibt ein großes Maß von Aufgaben, die fulturellen Bestrebungen zu unterstützen und zu fördern. Aber alles das hängt ab von dem Maß der Macht und der Einflußnahme, die die sozialistischen Massen im Reich, Staat und Gemeinden anzuwenden in der Lage sind. Wir müssen den öffentlichen Gewalten die Erkennt nis einhämmern, daß der heutige Arbeitstypus für ein schwer um sein Dasein ringendes Volt nicht mehr genügt, daß auch sie im ureigensten Interesse mitarbeiten müssen an der Beseitigung der Spannung zwischen unseren lebenswichtigen Aufgaben und dem Kulturstand der breiten Schichten des Volkes.
Die Aufgaben der Organisationen. Genoffe Heinrich Schulz sprach über die Aufgaben der Organisationen für die sozialistische Kulturarbeit. Er wies vor allem darauf hin, daß bisher für die allgemeine Volksbildung im Etat des Reiches erstaunlich geringe Mittel vorhanden sind. Die bestehenden Boltsbildungsorganisationen haben einen Zusammenschluß zur gemeinsamen Förderung gemeinsamer Interessen bisher nicht gefunden. Zusammenschluß sei aber notwendig, auch innerhalb der sozialistischen Weltanschauungskreise. Es tomme für unsere Organisationen auch darauf an, daß sie in den neutralen oder ,, überbündischen" Organisationen mitarbeiten, um unseren Einfluß in sozialistischer Richtung geltend zu machen. Der Möglichkeiten dieser Art gibt es viele. Es sei nur erinnert an die Notgemeinschaft deutscher Wissenschafter, an die Mitarbeit Hilferdings im Kaiser- Wilhelm- Institut , wo es seiner Anregung zu danken ist, daß das Institut für Konjunkturforschung errichtet wurde. Eine Organisation zu schaffen, die die Verwendung der von uns geforderten öffentlichen Erziehungsbeihilfen überwacht oder selbst verwaltet, scheint auch eine Aufgabe zu sein, der wir unsere Aufmertfamkeit zuteil werden lassen müssen. Zusammenarbeit ist Notwendigkeit, und in dieser Zusammenarbeit den sozialistischen . Gedanken zu jeder Zeit wirkungsvoll zu vertreten, ist eine dankenswerte und erfolgversprechende Aufgabe.
Die Pflichten der Einzelnen. Im Anschluß hieran sprach Genosse Crispien über die Pflichten der einzelnen in der Gemeinschaft. In der sozialistischen Kulturbewegung muß ein jeder durchdrungen von der Aufgabe sein, die der Bewegung gestellt. Alle Organisationen der Arbeiter sind nicht nur ein Mittel zur Verbesserung der Lebens. lage der Arbeitermassen, sondern auch gleichzeitig ein Machtmittel im Staate. Auch der Sozialistische Kulturbund ist ein solches Macht mittel, wenn wir auch nie vergessen dürfen, daß man in jeder Zeit sich über den Umfang der jeweiligen Macht der Arbeiterklasse Rechenschaft ablegen muß. Es ist falsch zu sagen, daß man früher nur agitierte und jetzt praktisch arbeiten müsse. Auch früher wurde praktisch neben der Agitation gearbeitet und zwar in großem Maße. Bor allem müſſen wir darauf achten, daß die Funktionäre möglichst sozialistisch durchgebildet werden, daß in den Diskussionen innerhalb der Partei diejenige Zurückhaltung zu üben ist, die gerade für sozialistische Körperschaften verständlich sein sollte. Es ist auch zu warnen vor einer gefährlichen Kulturschwärmerei", wie sie sich leider vielfach breit macht, wobei die sozialen Gebundenheiten des Werdens oft vergessen werden. Der einzelne von uns muß fich als ein Stück der Organisation betrachten und suchen, immer die Kraft der Organisation zu stärken und die Anziehungskraft der Organisation zu stärken, das heißt dafür zu wirken, daß Außen. stehende nicht abgestoßen werden durch die Heftigkeiten der Disfuffionen, wie sie sich heute gerade im kommunistischen Wahn, leider aber vielfach auch bei uns noch zeigt.
An die drei Referate schloß sich eine eingehende Aussprache, in der die angeschnittenen Probleme vielfach abgewandelt wurden. Nach einem furzen Schlußwort des Vorsitzenden, wurde die bedeutungsvolle Tagung am Sonntag nachmittag geschlossen.
Benesch auf Urlaub. Der tschechische Außenminister hat einen mehrwöchigen Urlaub angetreten; wahrscheinlich wird ihn der Gefandte in Berlin , Prof. Rrofta, vertreten.
Günstige Ergebnisse.
Die Not der jugendlichen Erwerbslosen steht noch immer im Vordergrunde des Interesses. Der preußische Minister für Volkswohlfahrt hat in seinem bekannten Runderlaß vom 23. April 1926 Wege zur Abhilfe gewiesen und Mittel für die Ein richtung von Kursen und sonstigen, der beruflichen Fortbildung und Allgemeinbildung dienenden Veranstaltungen bereitgestellt. Wie der Amtliche Preußische Pressedienst" von zustän diger Stelle erfährt, sind die Ergebnisse dieser Maßregeln allgemein als sehr günstig anzusprechen. In vielen, auch fleineren, Gemeinden Preußens sind neue Einrichtungen zur Fortbildung jugendlicher Erwerbsloser geschaffen worden, und es hat sich gezeigt, daß die jungen Menschen meist mit Lust und Liebe an die Arbeit herangehen.
Die Werkturse der männlichen Jugend haben verschiedentlich die Vermittlung in dauernde Arbeit erleichtert, die Mädchen, die an Haushaltungsfurfen feilnahmen, werden ihre Kenntnisse als Frauen und Mütter verwerten fönnen. Die Maßnahmen werden zweifellos im Winter eine weitere Verstärkung erfahren und dazu beitragen, der Jugend über den schweren Winter der Arbeitslosigkeit ohne Schaden an Leib und Seele hinwegzuhelfen.
Poincaré und das Schuldenabkommen.
Starke Widerstände. - Krise in Sicht?
Paris , 4. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Die Abendblätter bringen eine vermutlich aus englischer Quelle stammende Information, welche besagt, daß bei dem letzten, vor wenigen Tagen erfolgten Besuch des amerikanischen Schatzsekretärs Mellon in Paris zwischen diesem und Poincaré eine Vereinbarung getroffen worden sei, wonach die Diskussion über die
Ratifikation des Washingtoner Abkommens
bis nach den amerikanischen Senatswahlen zurückgestellt werden solle. In hiesigen unterrichteten Kreisen stößt die Richtigkeit dieser Darstellung auf starte 3 weifel. Es spricht dagegen vor allem die Tatsache, daß Poincaré erst vor wenigen Tagen in seiner Unterredung mit dem Abgeordneten Dariac auf die rasche Verabschiedung des Ratifikationsgefeßes gedrängt hat. Poincaré scheint sich dabei nicht nur von der Rücksicht auf das von ihm unternommene Werk der Stabilisierung, sondern mehr noch im Hinblick auf die deutsch französischen Verhandlungen leiten zu lassen. Obwohl er bisher nichts unternommen hat, was auch nur als der Versuch zur Sabotage der von Briand in Thoiry eingeleiteten Politik der deutsch - französischen Annäherung angesehen werden könnte, so scheint Poincaré doch unter allen Umständen verhindern zu wollen, daß Frankreich für die finanzielle Unterstügung, die es zur Sanierung seiner zerrütteten Finanzen und seiner Währung bedarf, Deutschland in Anspruch nimmt.
Gegenüber der Möglichkeit, daß Deutschland die finanzielle Notlage Frankreichs ausbeuten könne, soll er, nach der Versicherung gut informierter Kreise, die Unterwerfung unter die amerikanische Forderung als das kleinere Uebel ansehen. Allerdings dürfte Poincaré dabei auf sehr starke
innerpolitische Widerstände
stoßen. Sein ursprünglicher Plan, die Borbehalte hinsichtlich der Garantie- und Transferklausel; die von den Amerikanern abgelehnt worden sind, in dem Ratifikationsgesetz selbst festzulegen, ist jenseits des Ozeans auf fchärffte 3urüdweisung gestoßen. Eine vorbehalt lose Ratifitation dürfte sowohl im Parlament wie innerhalb des Kabinetts selbst auf die schärfste Ablehnung stoßen, nachdem die meisten Parteien und an ihrer Epige mehrere Mitglieder der jetzigen Regierung sich auf das entschiedenste fest gelegt haben. Es ist unter diesen Umständen keineswegs ausgeschloffen, daß es über die Schuldenfrage früher oder später zum Ausbruch einer neuen Regierungskrise tommen wird, von deren Möglichkeit in parlamentarischen Kreisen hier übrigens bereits seit Tagen gesprochen wird.
Die Opposition gegen die Sparsamkeitsreformen.
Aufforderung gerichtet, ihr einen ziffernmäßig belegten Bericht über die finanziellen Rückwirkungen der von dieser auf dem Verordnungswege eingeleiteten Reform der Verwaltung und der Justiz zu unterbreiten. Man zieht daraus den Schluß, daß Poincarés Dekrete innerhalb der Kommission mit einer sehr scharfen Opposition zu rechnen haben werden.
Die spanische Abstimmungskomödie.
Wie die Behörden die Ja- Stimmen verdoppelten.
Die strenge spanische Bensur hatte alle näheren Mitteilungen über den Verlauf der sogenannten Volksbewegung für oder gegen die Diktatur an das Ausland verhindert. Erst jetzt werden bezeichnende Einzelheiten bekannt. Der Manchester Guardian" veröffentlicht folgende Darstellung eines nach England zurückgekehrten Reisenden:
" Der Bezirt, über den ich berichte, ist der Vorort einer Provinzhauptstadt, den die Bauern aus den umliegenden Dörfern zu passieren haben, wenn sie ihre. Erzeugnisse zum Markt bringen. Am 10. September( die Abstimmung fand am 11., 12. und 13. September statt) unternahm ein Vertreter des Alcalden ( Bürgermeisters) einen Feldzug durch den Bezirk. Er ging von Tür zu Tür und setzte die Haushaltungsvorstände in einer Sprache, deren amtliche Strenge den Mangel an fastilianischer Reinheit erfezte, in Kenntnis, daß alle Personen über 15 Jahre im Schulhaus ein Dokument unterzeichnen müßten, um ihre Genugtuung darüber auszudrücken, daß die jüngst aufgetretenen Schwierigkeiten ohne Waffengewalt und Blutergießen überwunden worden seien. Am Samstag jubelte di Schuljugend, denn die Schule fiel bis zum Diens tag aus. Die Väter hingegen gingen angstvoll und zitternd ins Schulhaus. Für Leute von durchschnittlicher Bildung ist eine Namensunterschrift kein Beinbruch; hier aber handelte es sich nicht um Leute von durchschnittlicher oder überhaupt irgend welcher Bildung, denn man fann ohne Uebertreibung sagen, daß 75 Pro3. all derer, die unterzeichneten, nichts als ihren Ramen zu schreiben vermögen Der Präsident" im gewöhnlichen Leben der Dorfarzt gab zuerst seine Unterschrift, dann folgten die Lehrerin und der Post halter. Das erweckte einiges Ver trauen, und so gaben denn auch Tulano, Mengano und Sutano und alle anderen ihr Autogramm, vielfach auch ihre Frauen. Gegen
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10 Uhr hatten alle Ortseinwohner ihre Namen auf die Liste gesetzt. Doch jetzt wurde die Sache erst interessant. Die Milchhändlerinnen begannen, mit ihren Eimern am Abstimmungslotal vorüberzufommen.„ Holla!" ruft der Doktor.„ Kannst du deinen Namen schreiben?"" Ja, Herr Doktor!"" Dann komm' und unterzeichne!"
Aber ich habe ja schon in der Stadt beim Zollhaus unterzeichnet!" ,, Das macht nichts- dort ist A. und hier ist B., und du wohnst ja näher bei B. Komm' herein und schreib'!" So erhöhte sich die Zahl der Unterschriften den ganzen Tag über ununterbrochen. Kleine Kinder, Bettler, WalzAbstimmungslokal hineingelotst und mußte unterschreiben. brüder und Kaufleute, furz alles, was in Sicht fam, wurde ins Ich fragte jeden einzelnen, ob er wisse, was er unterzeichne. Außer einem Chauffeur und einer Bäuerin gaben alle zu, es nicht zu wissen. Die Bäuerin aber erflärte mit Tränen im Auge, es geschehe, damit ihr Sohn aus Marokko glücklich heimkom me."
Die Regierung hatte als Abstimmungsergebnis verkündet, daß sechs Millionen für die Diftatur ihre Namen in die Listen geschrieben hätten, das war ein Drittel etwa der Stimmberechtigten. Wie groß
muß die Abneigung gegen die Diftatur sein, wenn bei solchen Methoden nicht mehr als ein Drittel der Stimmen herausspringt!
Schweres Grubenunglück.
New York , 4. Oktober. ( WIB.) In der Nähe von Rodwood( Tenneffee) hat sich in einer Kohlengrube der RoaneGesellschaft eine Explosion ereignet. Eine größere Anzahl von Bergleuten ist durch die Explosion verschüttet worden. In der Grube waren zur Zeit des Unglücs 65 Bergleute beschäftigt. Cine fofort eingefehle Rettungsmannschaft hat wegen gifliger Gaje bisher zur Unglücksstelle noch nicht vordringen können.
Paris , 4. Ottober.( Eigener Drahtbericht.) Die Finanz- Selbstmord des Rektors der Universität Jena
Jena , 4. Oftober.( WIB.) Gegen abend erichoß sich in seinem Laboratorium der Rektor der Universität Jena, Professor der Chemie Dr. Gutbier, aus bisher unbekannter
tommiffion der Kammer ist am Montag zusammengetreten, um ihre Vorberatung des Budgets zu beginnen. Sie hat zunächst ihr Arbeitsprogramm festgelegt und eine Entschließung angenommen, die eine unzweideutige Demonstration gegen das Urfache.