Einzelbild herunterladen
 

Abendausgabe

Str. 479 43.Jahrgang Ausgabe B Nr. 237

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: Sw. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Tel.- Adresse: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

Berliner Dolksblatt

10 Pfennig

Montag

11. Oktober 1926

Verlag und Angeigenabteilung: Geschäftszeit bis 5 Uhr Berleger: Borwärts- Verlag GmbH. Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

General Epp bekennt sich zum Mordsystem

Die Feme ausdrücklich zugestanden.- Offiziersfrechheiten vor dem Ausschuß.

München , 11. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Die Montags­fizung des Femeausschusses begann mit der Feststellung des Ein­laufens eines Briefes des im Zuchthaus zu Straubing fizenden Popp, der am 17. September an den Eingabenausschuß des Reichs­tags das Ersuchen stellte, vor dem Femeausschuß in Sachen Schwen­gauer gehört zu werden. Der Brief ist bis zum 6. Oktober vom Vorstand der Strafanstalt Straubing zurückbehalten worden und ist erst heute beim Femeausschuß eingelaufen. Der Vorstand der Straf­anstalt bemerkt dazu in einem beiliegenden Schreiben, daß der Ge­fangene Popp nur Aussagen machen könne, die er von dritter Seite erfahren haben kann. Der Ausschuß beschließt, den Popp zu nächst vor dem Amtsgericht Straubing vernehmen zu lassen, behält sich aber weitere Entscheidungen in dieser Richtung vor.

Der Vorführungsbefehl Stempfle fonnte nicht aus= geführt werden, weil die Kriminalpolizei den Stempfle nicht in seiner Wohnung antraf und er auch sonst nicht aus= findig gemacht werden konnte. Er ist nach Aussage jeiner Schwester in den letzten Nächten nicht nach Hause gekommen. Hierauf wird der General Epp als Zeuge vernommen. Er tritt, mit beiden Händen in den Hosentaschen, vor den Ausschuß.

Borf.: Nehmen Sie die Hände aus den Taschen.

Epp: Ich bin nicht gewöhnt, über Umgangsformen mich be­lehren zu lassen. Ich weiß selbst, wie man sich benimmt. Borf.: Ich bitte nochmals, die Hände aus den Taschen zu nehmen, Sie stehen hier vor einer staatlichen Behörde.

Epp: Das weiß ich.

Borf.: Es ist nicht üblich, daß ein Zeuge, der hier unter Eid auszusagen hat, die Hände in der Tasche behält.

Epp: Das hat mit meinem Eid nichts zu tun, das ist eine Kleiderfrage.

Borj.: Ich brauche mich von Ihnen darüber nicht belehren zu laffen.

Epp: Es scheint aber wirklich notwendig zu fein. Sprechen wir nicht länger über diese nebensächlichen Fragen.

Bors.: Ich sehe die Vernehmung aus. Der Ausschuß wird in geheimer Sigung beraten.( Epp verläßt hierauf den Saal.)

Nach einer halbstündiger Beratung verkündet der Vorsitzende folgenden Beschluß des Ausschusses:

Der Ausschuß mißbilligt einstimmig bei Stimmenthaltung der Abgg. Großmann( Bayr. Bp.) und Scheffer( Dnaf.) die übrigen deutschnationalen und völkischen Abgeordneten erklärten sich an der geheimen Beratung desintereffiert mit aller Schärfe das unge­bührliche Verhalten des Zeugen Epp.

Hierauf sollte der Zeuge Epp zunächst vereidigt werden; er weigert sich aber und muß belehrt werden, fraft welcher gesetzlichen Grundlage die Bereidigung erfolgen muß. Hierauf leistet der Zeuge Epp dann den Eid. Er soll vernommen werden über

die Einstellung der vaterländischen Kreise zu den Mordtaten an Waffenverrätern. Bei dieser Fragestellung beträgt sich der Zeuge weiterhin sehr provozierend, während der Borsitzende ihm außerordentlich Ional entgegentritt.

Abg. Mittelmann( D. Bp.)[ erregt]: In welcher Schule haben Sie, Herr Zeuge, gelernt, sich so flegelhaft zu benehmen? Hier steht ein Vertreter der Deutschen Volks= partei. Es ist geradezu unverschämt, sich so zu benehmen.

Abg. Gräf : Ich möchte auf diese Entgleifung des Abg. Mittel­mann hinweisen.

Abg. Kempke: Wenn eine Kritik eines Mitgliedes des Aus: schusses zu erfolgen hat, das in begreiflicher Erregung nach Ansicht einiger Mitglieder vielleicht zu weit gegangen ist, so kann das selbst­verständlich nur in nichtöffentlicher Sizung geschehen.

Es wird dann auf diese Angelegenheit nicht weiter ein­gegangen und zur Vernehmung des Beugen geschritten.

Nunmehr erklärt Epp: Ich bin persönlich beleidigt. Ich frage den Abg. Mittelmann, ob er mir außerhalb des Saales Genugtuung geben und die Sache so bereinigen will, wie es unter gebildeten Männern üblich ist.

Auf Zureden des Vorsitzenden wird endlich zur Bernehmung des Zeugen geschritten. Er erklärt, er könne hier nur Eindrüde und Meinungen befunden, die er gewonnen hat. Aus diesem Grunde habe er Bedenken wegen des Eides vorgebracht. Es werden ihm dann seine protokollierten Aussagen im Prozeß Neunzert in derselben Angelegenheit vorgehalten, in der Epp erflärt hatte, nach seiner Meinung feien die Waffenverräter geschützt worden. Er halte es aber für ein fiffliches Recht, gegenüber den Ver­rätern vorzugehen. Von ihm und von den vaterländischen Sreijen wurde gebilligt, daß Selbsthilfe am Platze sei. Es sei hierbei kein Unterschied zu machen, wenn Waffen an die Entente oder linksradikale Kreise oder an die staatlichen Entwaffnungs­tommissare verraten wären, weil im letzten Fall die Verräter doch nicht wüßten, ob die Waffen dem Vaterlande erhalten blieben.

Epp: Das ist auch heute meine Meinung. Ich kann sie nur wiederholen. Er verbreitete sich dann auf die Frage des Vor­fizenden über den Begriff der Feme und erklärt es dabei für richtig, wenn fie in jener Zeit, wie im Mittelalter, ordnungsgemäß anerkannt gewefen war.

Bors.:. War nach jener Auffassung der Mord an dem Dienst, mädchen Sandmeier erlaubt?

Epp besinnt sich einige Zeit und erklärt dann, daß das auß er­halb des Themas stände.

Die Frage des Borsigenden, ob er den Schweighart fenne, bejahte der Zeuge und erklärte, daß dieser ihm von Hauptmann Röhm als ein unterſtüßungsbedürftiger nationaler Mann empfohlen worden sei, der wegen einer nationalen Angelegenheit verfolgt werde. Wir veranstalteten, so erklärte der Zeuge weiter, cine Sammlung, um dem Schweighart das Forikommen zu er­möglichen. Und ich habe später dem Schweighart noch Hilfe geleistet mit Ausstaffierung von Nahrungsmitteln. Durch meine Bermittlung bei der Gräfin Törring fam er auf das Gut des Herzogs Ludwig. Hierauf beginnt der Abg. Levi mit seiner Fragestellung. Darauf erklärte der Zeuge unter anderem mit Hinweis auf die Tat Adlers gegen Stürgh: Mord ist nicht gleich Mord. In allen natio­nalen Kreisen sezt man das nicht gleich einem gewöhnlichen Mord zur Beraubung oder eine solche Mystifizierung aus patriotischen Be­strebungen.

Nationale Männer haben deswegen auch die Pflicht, fich folcher Leute, die Mörder aus patriotischen Gründen find, anzunehmen. Das ist auch meine heutige Meinung. Bei der weiteren Fragestellung erfaßte der Zeuge, wer sein Frager ist, und erflärte dann, daß er als besonderer politischer Gegner des Herrn Levi diesem teine Antwort mehr geben werde.

Abg. Landsberg zur Geschäftsordnung: 3ch laffe es mir nicht mehr gefallen, daß ein Jeuge im Einverständnis mit einem Teil des Ausschusses und einem Teil des Auditoriums einen Teil der Mit­glieder dieses Ausschusses lächerlich macht. Ich würde zu meinem Bedauern erklären müssen, daß ich an den Beratungen dieses Aus­Cage wäre. schuffes unter diesen Umständen teilzunehmen, nicht weiter in der

lächerlich gemacht worden ist.. Borf.: Ich habe nicht den Eindruck, daß ein Teil des Ausschusses

Abg. Levi: Daraus muß ich den Schluß ziehen, daß es sich bei dieser Beigerung des Zeugen um einen vorbedachten Blan mir eine Falle stellen", so bin ich der Meinung, daß handelt, und wenn der Vorsitzende Werte durchgehen läßt, wie z. B.: ein solches Verhalten den Rechten der Abgeord= neten, die sie in Anspruch zu nehmen haben, nicht gerecht wird. Es mag einer Reihe von Zeugen unangenehm sein, sich von mir Fragen stellen lassen zu müssen. Ich versichere aber, daß auch mir das gar kein Vergnügen macht.

Auch hierauf sträubt sich der Zeuge immer noch, Antwort zu geben, mit dem Hinweis, daß er hier nicht vor einem ordentlichen Gericht, sondern vor politischen Parteien stehe. Schließ­lich aber bequemt er sich doch auf die Frage Levis, was ihn be­wogen habe, einen wegen Mordverdachtes Berfolgten zu unterstützen und ihm eine Stelle zu verschaffen, zu antworten: Ich weiß die Details nicht mehr, wie Schweighart mir empfehlen worden ist.

Sodann folgte die Vernehmung des Hauptmanns Röhm, der als Teilnehmer des Hitler Butsches bekannt ist. Auch

Gemeindewahlen in Belgien .

Nur geringe Verschiebungen.

Brüffel, 11. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Die am gestrigen Sonntag in ganz Belgien vorgenommenen Gemeindewahlen sind ohne Zwischenfall verlaufen. Ueberall herrschte reges Leben, da a h1z wang für Männer und Frauen besteht. In einem Wahl­lokal Brüssels sah man auch die Königin ihre Stimme abgeben. Das Endresultat dürfte erst am Donnerstag feststehen, da Proporz und Listenverbindung die Zählung start komplizieren. Die Wahl agitation der Sozialisten war ungemein lebhaft, in der Sozialistischen Partei herrscht Optimismus. Die Sozialisten kämpften in etwa 2000 Gemeinden, die Kommunisten dagegen nur in 60 Gemeinden. Die bis Mitternacht bekanntgewordenen Wahlergebnisse weisen wesentliche Verschiebungen der Kräfte nicht auf. Die Sozialiiten behaupten im allgemeinen ihre Stellung. In einigen Städten haben sie, wie vorauszusehen war, unbedeutende Berluste an die Kommunisten, namentlich in einigen Groß- Brüsseler Gemein­den, Lüttich und Gent . Aber im ganzen genommen sind die tom munistischen Anstrengungen durchaus fehlgeschla. gen. In dem großen Kohlengebiet des Borinage erhalten die Kommunisten fein einziges Mandat. während die So= zialisten 50 neue gewinnen. Das gleiche gilt für das große Industriegebiet La Louvière , wo die Sozialisten in etwa 100 Gemeinden die Mehrheit erhalten werden. Ein starter sozialistischer Erfolg ist im Gebiet von Verviers zu ver­zeichnen. In Malmedy eroberten die Sozialisten die Mehrheit. Dagegen verlieren sie in Antwerpen zwei bis drei Size zugunsten der Liberalen. Im allgemeinen haben die Liberalen, die bei den Wahlen 1921 eine fatastrophale Niederlage erlitten hatten, jetzt eine fleine Erholung zu verzeichnen, im wesentlichen auf Kosten der Katholiken. Soweit bis jetzt zu übersehen ist, dürfte vom Ausfall der Gemeindewahlen eine starke Rückwirkung auf die Staatspolitik nicht zu erwarten sein.

dieser Zeuge weigert sich zunächst, einen Eid zu leisten und benimmt sich überhaupt gegen den Ausschuß äußerst provozierend. Der Vorsitzende stellt das unter großer Erregung fest, flärt aber schließlich den Zeugen auf, daß auf Grund des Artikels 38 der Reichsverfassung und demzufolge auf Grund der Strafprozeßord­nung der Eid zu leisten ist. Dem kommt dann der Zeuge nach. Er soll darüber aussagen, welche Umstände ihn veranlaßt haben, den Schweighard an den General Epp zu empfehlen. Er erklärt: Der Schweighart sei ihm als Flüchtling, der lange Zeit im Gefäng­nis gesessen habe und dem es schlecht gehe, empfohlen worden. Es jei ihm bekannt gewesen, daß sich Schweighart bei vaterländischen Be­tätigungen hervorgetan habe. Er meinte damit Waffenschiebungen. Er habe den Schweighart vorher nicht gekannt, habe sich aber später mit ihm freundschaftlich gestellt. Da der Zeuge sich wiederholt un­gebührlich über den gegenwärtigen Staat ausspricht, unterbricht ihn der Vorsitzende mehrmals und erteilt ihm schließlich cinen Ordnungsruf.

Abg. Landsberg: Hat der Schweighart Ihnen jemals erzählt, daß er an der Ermordung der Sandmeier oder anderer Mordtaten beteiligt war? Röhm: Nein.

Bet der Fragestellung durch den Abg. Levi weigert fich der 3euge, Antwort zu geben. Er sei nicht bereit, sich mit diesem Herrn zu unterhalten. Dabei verlangte er einen Aus­schußbeschluß darüber, ob er antworten müsse. Der Vorfizende ver­sucht, ihm hierbei Bernunft beizubringen. Er erklärt, daß die Frage­ftellung jedes Mitgliedes des Ausschusses ein gefeßliches Recht sei und daß darüber, im ganzen Ausschuß keine Meinungsverschieden­heit herrsche. Der 3euge hält aber seine Meinung aufrecht, so daß der Ausschuß sich zur Beratung zurückzieht. Nach einhalb­stündiger Beratung verkündet der Borjizende folgenden Beschluß:

Nachdem der Zeuge Röhm auf die Frage des Abg. Levi er­flärte, daß er auf Fragen dieses Ausschußmitgliedes grundsätzlich nicht antworte, wird er in eine Ordnungsficafe von 300 Mart, im Nichfeinbringungsfalle für je 30 Mart 1 Tag haft genommen.

Damit war die Bernehmung dieses Zeugen am heutigen Tage abgeschlossen. Es folgte sodann noch die Vernehmung einiger Reichswehroffiziere.

Hindenburg hat nichts gewußt. Nochmals der Kronprinzensohn und die Reichswehr .

Amtlich wird mitgeteilt: 3u der Meldung einer Berliner Korrespondenz, der Herr Reichspräsident habe um die Teil­nahme des Prinzen Wilhelm von Hohenzollern an Reichswehr­übungen gewußt und habe jie vorher gebilligt, teilt das Bureau des Reichspräsidenten mit, daß diese Meldung falsch ist. Der Herr Reichspräsident hat erst durch die Presse von der Teilnahme des Prinzen an Reichswehrübungen Kenntnis erhalten. Die Be­hauptung, daß derartige Gerüchte von höchsten Stellen im Reich und in Preußen weitergegeben" worden seien, entbehrt ebenfalls jeder Grundlage.

Rein innerdeutsche Angelegenheit". Amtlich wird mitgeteilt:

Entgegen der insbesondere in Meldungen der Auslandspresse häufig vertretenen Auffassung, als ob das Ausscheiden des General­obersten v. Seedt auf Forderungen ausländischer Regierungen auf dem Gebiet der Militärkontrolle zurückzuführen sei, wird amt­licherseits erneut festgestellt, daß diese Gerüchte jeglicher Grundlage entbehren.

Die Verabschiedung des Generalobersten v. Seedt ist eine rein innerdeutsche Angelegenheit, die mit der Außenpolitik nichts zu tun hat.

Die Behauptung, daß Seects Rücktritt auf das Drängen der Militärfontrollkommission zurückzuführen sei, ist zu erst in der Hugenbergschen Nachtausgabe" aufgestellt worden, und zwar zu einer Zeit, in der das Ausland von der ganzen Angelegenheit überhaupt noch nichts wußte. Ueber­haupt ist es insbesondere die deutsch nationale und nicht die Auslandspresse, die diese Behauptung tagelang wiederholt hat.

"

Wie die Montagspost" erfährt, ist diese amtliche Er­flärung auf die Forderung des Vorwärts" zurück­zuführen, daß die amtlichen Stellen endlich und unzweideutig von der Täglichen Rundschau" abrücken."

Reichskanzlerrede in Essen .

Für Gemeinschaft aller staatsbejahenden Parteien. Effen. 11. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Im Rahmen einer ftaatspolitischen Vortragsreihe der Reichszentrale für Heimatsdienst ergriff am Sonntag abend auch Reichstanzler Dr. Marg das Wort zu längeren Ausführungen. Er bekannte sich zur Bolts­gemeinschaft aller staatsbejahenden Parteien:

Wenn auch eine Regierung der Volksgemeinschaft, in der alle staatsbejahenden Parteien zu gemeinsamer vaterländischer Arbeit sich die Hände reichen, vielleicht noch in weiter Ferne liegt- an der Arbeit im Sinne dieser Boltsgemeinschaft soll und wird es, so­lange ich an ber verantwortlichen Stelle stehe, nicht fehlen. Mit