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Nr. 480 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 245

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297.

Dienstag, den 12. Oftober 1926

Der Verzweiflungskampf in England.

Für Erhaltung der Organisation.

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Gegen Verlängerung der Arbeitszeit und Verkürzung der Löhne.

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Vorwärts- Verlag G.m.b. H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3

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Hohenzollernvergleich.

Die Haltung der preußischen Landtagsfraktion. Aus der preußischen Landtagsfraktion wird uns ge­schrieben:

Die gestrige erste Lesung des neuen Vergleichsentwurfs London , Mitte Oftober.( Eigener Bericht.) fategorien und die übrigen 60 Broz. find in zwei eigenen Ber. zwischen Staat und Hohenzollern bestand im wesentlichen in Mit der Ablehnung der letzten Regierungsvorschläge, die ein bänden organisiert, die sich bisher wenigstens allen Auf- In den Händen der Kommunisten wird die ernsteste Sache allerlei eindruckslosem tommunistischen Theater. nationales Appellationsgericht im Bergbau vorsahen, und mehr noch, forderungen von seiten des Bergarbeiterverbandes gegenüber als der Welt zu einer Farce. Sie haben heute die Diskussion mit der Annahme einer radikalen Resolution, in welcher unzugänglich erwiesen haben. Aber selbst wenn es u. a. auch die Zurückziehung der mit den Sicherungsarbeiten in den Drucke der Bergarbeiter gelingen follte, diese Sicherungsarbeiter Behauptungen bereichert: daß alle preußischen Landtags­dem über das Schicksal des Hohenzollernvermögens nur um drei Bergwerfen beschäftigten Arbeiter gefordert wird, ist der Kampf im zur Arbeitsniederlegung zu veranlassen, so stehen nachgerade überall abgeordneten von den Hohenzollern bestochen seien, daß der Bergbau noch einmal in vierundzwanzig Stunden in ein neues genügend Streitbrecher zur Verfügung und es bleibt, als Hurenbod von Charleville nur ein Eunuch wäre und daß Stadium getreten. Die Ablehnung der Regierungsvorschläge be. legtes Mittel, noch immer die Einsetzung der Marine als tech der preußische Innenminister Grzesinsti ein Mißtrauens­deutete die automatische Zurückziehung dieser Vorschläge durch die nische Nothilfe" durch die Regierung möglich. So ist also votum verdiene, weil er zwar am Abschluß des Vertrages Regierung; die Annahme der neuen Resolution durch die Delegierten anzunehmen, daß auch dieser letzte verzweifelte Versuch, die Macht unbeteiligt, aber seinem ganzen Charakter nach dringend ver­fonferenz eine völlige Liquidation der von der Verlage zugunsten der Bergarbeiter zu verändern, verpuffen und letzten dächtig sei, daß er einmal etwas Aehnliches tun könnte. bandsegefutive in den letzten Wochen eingeschlagenen Rompro Endes mißpolitit. Das erste offizielle Bulletin hatte zwar die Deffent­Gegen solche Argumente läßt sich dann freilich mit Vernunft­lichkeit von der beabsichtigten Zurüdziehung der Sicherungsarbeiter gründen schwer operieren. unterrichtet und damit auf eine Berschärfung der Situation hinge­deutet. Aber erst der volle Wortlaut der Entschließung zeigt, daß durch die Delegiertenkonferenz und das ist viel bedeutungsvoller als die eventuelle Abberufung der Sicherungsarbeiter ein glatter Strich unter die Politit des Kompromisses gemacht wurde und die alte Dreiheit der Forderung nach zentralen Lohnver handlungen, nach dem Stand vom 30. April hinsichtlich der Löhne und Arbeitszeit in ihre alten Rechte wiedereingesetzt worden ist.

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Damit ist das Pendel mit einem plöglichen Rud wieder zurüd geschwungen und wir stehen nach beinahe sechs Monaten äußer lich wieder auf genau demselben Fled wie zu Be. ginn des Kampfes.

Das Zustandekommen diefer radikalen Resolution ist nicht ohne Interesse: ursprünglich ein Beschluß des Distrikts der Bergarbeiter von Südwales , ist diese Entschließung der Ronferenz über. raschend vorgelegt und trotz dem Widerstand des Prä fidenten des Verbandes, Herbert Smith, mit einer überwältigenden Mehrheit von der Konferenz angenommen worden. Konservative Blätter weisen darauf hin, daß die Resolution eine auffallende Aehnlichkeit mit der von der tommunistischen Minder heitsbewegung für den Kohlenkampf aufgestellten Grund. linien befigt. Dies ist unleugbar der Fall und es ist ebenso unbe­ftreitbar, daß der Kongreß mit dieser Resolution tattisch über rumpelt morden ist. Daß sie zur Annahme gelangen fonnte, bedeutet jedoch tein bewußtes Befenntnis zur Bolitit der Minderheitsbewegung, sondern ist der

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am Widerstand der organisierten Staatsgewalt scheitern wird, genau so, wie die Verkehrssperre des Generalftreifs. Und es ist zu befürchten, daß auch hier wie im Generalstreik die Arbeiter selbst den größten Schaden davontragen werden. Der Kampf ist damit in ein Stadium getreten, das zu den ernstesten Episoden gehört, welche die Geschichte der Arbeiterbe­wegung fennt; denn die Alternative heißt nunmehr eindeutig: Er füllung der gesamten ursprünglichen Forderungen der Berg­arbeiter oder derjenigen der Unternehmer. Da das erstere, der Dolle Sieg der Arbeiter aller menschlichen Voraussicht nach in diesem Stadium unmöglich geworden ist, so bleibt als das Resultat eines beispiellos heroischen Kampfes-nur das andere, eine Aussicht, die im tiefften und letzten Sinne des Wortes tragisch zu nennen ift.

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Zersplitterungsversuche der Unternehmer.

London , 11. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Es bestätigt fich nunmehr, daß der Distrikt Leicestershire auf Grund einer Berabredung zwischen den Unternehmern und den Gewerkschaften des Diftritts die Arbeit wieder aufgenommen hat. Obwohl diefer Schrift zahlenmäßig nicht ins Gewicht fällt, da be­reits der größere Teil der Arbeiter dieses Distrikts zur Arbeit zurüdgekehrt war, tommt ihm insofern gewiffe Bedeutung zu, als es sich um den ersten Distrikt handelt, der sich offiziell von der Politik des Bergarbeiterverbandes los gesagt hat.

In den übrigen Distritten ist eine vermehrte Uffivität der Unter­Ausdruck einer grenzenlosen Berbifferung nehmer bemerkbar, die Arbeiter zur Rückkehr zu bewegen. Aus allen Distrikten sind bei der Zentrale des Bergarbeiterverbandes m unter denjenigen Bergarbeitern, welche weiter Widerstand leisten. Condon Nachrichten des Inhalts eingetroffen, daß die Unter­Den Delegierten find offenbar nach der Annahme dieser Resolution nehmer den zur Arbeit zurückkehrenden Bergarbeitern Sonder­Bedenten aufgestiegen und so hat der Kongreß in seiner Schluß zulagen bis zu 5 Schilling pro Schicht anbieten, um sie zur fizung die Durchführung der Resolution suspen Rückkehr zur Arbeit zu veranlaffen. Der zahlenmäßige Erfolg diefer diert und die Entscheidung den Distrikten zur Abstimmung über Kampagne war bisher jedoch unbedeutend. Es gelang den Unter­wiesen. Ein ernstlicher Zweifel über das Ergebnis dieser Abnehmern allerdings, zwei neue Zechen in Lancashire , wenn auch nur stimmung ist jedoch nicht möglich. Die Stimmung der im Kampf mit geringer Arbeiterzahl, in Betrieb zu nehmen. Gebliebenen ist in den letzten Wochen zusehends gereizter ge­worden und die grenzenlose Enttäuschung über das völlige Ber­fagen der Regierung hat ein Uebriges getan, um die Stimmung zu verschärfen.

Damit ist in einem Augenblid, wo der Hunger an die Tür ungezählter Arbeiterwohnungen klopft, wo sich die Berichte über Todesfälle aus Unterernährung

In den Bergarbeiterfamilien in erschreckendem Maße mehren, ein völliger Stillstand eingetreten: die Regierung ist als Vermittler mit der Zurückziehung ihrer Vorschläge vom Schauplatz abgetreten und die Haltung ihrer engeren Anhänger ist derart im rechtskonser vativen Sinne verschärft, daß ein neuerliches Eingreifen bis auf weiteres nahezu zur Unmöglichkeit geworden ist. Die Unternehmer sind nach wie vor entschlossen, nicht eher Frieden zu schließen, als bis alle

ihre Forderungen nach Zerschlagung des Verbandes, Berlänge. gerung der Arbeitszeit und Berkürzung der Löhne erfüllt find. Die Bergarbeiter find, nachdem ihre Kompromiß. bereitschaft tein Echo gefunden hatte, auf ihren alten Standpunkt der Unnachgiebigkeit zurüdgeworfen worden. Damit sind aber alle jenseits der fämpfenden Barteien stehenden Rreise, welche die in England als Kräftefaftor feineswegs zu unterschähende öffent­liche Meinung bilden, neuerlich vor den Kopf gestoßen und es herrscht, wie jeder Blick in die bürgerliche Preffe zeigt, die Gefahr, baß die Bergarbeiter im tritischsten Augenblick des Kampfes neuerlich

moralisch isoliert

find. Die öffentliche Meiming fcheidet damit als ein, auf einen für Die Bergarbeiter ehrenvollen Frieden hindrängender Faktor aus. Das ist um so bedauerlicher, als diejenige Forderung der Berg arbeiter, die für diese Entfremdung hauptsächlich verantwortlich ist, Die Forderung nach Zurückziehung der mit Sicherungsarbeiten be Schäftigten Arbeiter, prattisch auf einen Schlag ins Wassers hinauslaufen dürfte. Der Bergarbeiterverband umfaßt lediglich 40 Broz ber mit Sicherungsarbeiten beschäftigten Arbeiter.

Amerika und die Eisenbahnobligationen.

Widerspruchsvolle Pariser Meldungen. Paris , 11. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Ueber die Auf­nahme, die der angekündigte französische Schritt in der Angelegen beit ber mobilisierung der deutschen Eisenbahn. obligationen bei den zuständigen Washingtoner Stellen gefunden hat, liegen hier außerordentlich widerspruchsvolle Berichte vor. Nach der einen Version soll das amerikanische Staatsdepartement sich dahin geäußert haben, daß Amerika jede Initiative zu fördern bereit sei, die auf dem Wege einer deutsch­französischen Berständigung zur Konsolidierung der politischen Ber­hältnisse in Europa beizutragen imftande sei. Eine andere Dar stellung besagt dagegen, daß der Gedante der Mobilisierung der Obligationen auf den amerikanischen Märkten nach wie vor auf febr tühle Aufnahme stößt. Einzelne Blätter wollen end lich wiffen, daß die Regierung ihre endgültige Abstimmung von der porherigen Ratifitation des Washingtoner Abkommens ab. hängig machen werde.

Die Attentatsmanie. Schon wieder ein Anschlag auf die Eisenbahn.

Glabbed, 11. Oktober. ( WTB.) Heute in den Mittags ffunden wurden mehrere junge Burschen auf der Bahnlinie Oberhausen - Hamm beobachtet, die sich zunächst vergeblich bemühten, mehrere auf einem Nebengleise stehende Eisenbahn­waggons zum Abrollen zu bringen. Als ihnen dies nicht gelang, schleppten fie von dort einen schweren Eifenteil auf den Hauptbahnförper und legten ihn quer über das Gleis. Einige in der Nähe befindliche Arbeiter, die den Vorfall bemerkten, eilfen herzu, worauf die Burschen flüchteten. Mehrere der Täter find erfaunt.

ruhige Erklärung abgegeben, die ihren Standpunkt zur Die Sozialdemokratische Landtagsfraktion hat eine Frage des neuen Hohenzollernvergleichs präzisiert. Wir sind nicht in der Lage, für diesen Bergleich zu stimmen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand und find in unserem Feldzug für die Fürstenenteignung jedem, der sie hören wollte, erschöpfend dargelegt worden. Wir betrachten die Frage des Fürstenvermögens vor allem als politische Frage. Den geborenen Feinden der Re­ publik Dugende von Millionen in die Hand zu geben, scheint uns mit der Sicherheit des republikanischen Staates under­einbar. Aber auch wirtschaftlich fönnen wir es nicht verantworten, angesichts eineinhalb Millionen Er­werbsloser und eineinhalb millionen Kurz­arbeiter, angesichts einer riesigen Wohnungsnot und der hunderttausende schlecht versorgter Kriegsbe= schädigter einem halben Dutzend Familien zahlreiche Schlösser und ein Riesenvermögen auszuhändigen. Der Inhalt des neuen Vergleichs wird von uns in keiner Weise gebilligt, und was immer er für den Staat rettet, er gibt für unser Urteil den Hohenzollern zu viel, viel zu viel.

Aber über dieser grundsäßlichen Anschauung dürfen wir nicht die gegenwärtige tattische Lage vergessen. Der Boltsentscheid auf Fürstenenteignung ist eben ein­mal gescheitert. Er ist in höchst ehrenvoller Weise ge­scheitert, und wir wissen, daß in den 14% Millionen Stimmen, die für die Enteignung der ehemals regierenden Häuser ge­stimmt haben, die wahre Mehrheit des Volkes fted t. Aber alle diese Betrachtungen helfen nicht darüber hinweg, daß verfassungsmäßig die Fürstenenteignung nicht durchgesetzt worden ist, und die praktische Möglichkeit, noch einmal einen Volfsentscheid über Fürstenenteignung herbei­zuführen und beim zweiten Bersuch die fehlenden 5% Mil­lionen Stimmen aufzubringen, besteht für keinen vernünftigen Menschen.

Ein Reichsgesetz über die Fürstenvermögen ist bis­her nicht zustande gekommen. Die letzte Vorlage der Reichsregierung, auf die fich die drei Mittelparteien des Reichstages geeinigt hatten, ist angesichts der Unmöglichkeit, die Zweidrittelmehrheit dafür zu finden, von der Reichs= regierung zurückgezogen worden. Gegenwärtig liegt über diese Frage dem Reichstag weder eine Regierungsvorlage nach der Antrag einer Partei vor. Eine wirklich begründete Hoffnung, daß im Reichstag etwas zustandekommen könnte, was uns mehr befriedigt als der vorliegende Bergleichsent­wurf, ist nicht vorhanden. Können doch im gegenwärtigen Reichstag, von allen anderen Schwierigkeiten abgesehen, Kommunisten, Deutschnationale und Völkische jederzeit das Bustandekommen einer Zweidrittelmehrheit verhindern.

Nun läuft Ende des Jahres das Sperr­gesez ab, das den ehemaligen Fürsten verwehrt, ihre An­fprüche auf gerichtlichem Wege durchzusehen. Nicht unmög­lich, daß dieses Sperrgesetz noch einmal um ein Viertel- oder ein Halbjahr, unseretwegen um ein ganzes Jahr verlängert worden wäre. Solange fein pofitiver Anhalt dafür besteht, daß in dieser Frist eine Regelung zustande kommt, die uns einigermaßen befriedigt, wäre damit gar nichts gewonnen.

Wie die politische Lage heute ist, muß als gewiß erwartet werden, daß eines Tages das Sperrgefeß abläuft, ohne daß die Frage der Fürstenvermögen in einem die Arbeiterschaft befriedigenden Sinne geregelt ist. Ja, es besteht noch eine größere Gefahr: der Reichstag fann ohne verfassungsändernde Mehrheit mit den Stimmen der bürgerlichen Parteien allein beschließen, die ganze Frage der Fürstenvermögen einem Schiedsgericht zu unterbreiten, das auf Grund des geltenden Rechts Staatseigentum und Fürsteneigentum zu sondern hätte. Das aber wäre für den preußischen Staat ebenso ge= fährlich, ja verhängnisvoll wie die Entscheidung durch preu­Bische Richter.

Unter dem vielen Unsinn, den die Kommunisten heute im Landtag geredet haben, war ein sehr zutreffender Satz: Dieser Bergleich stellt die Flucht des preu­