Diese Neuorientierung wird sich nicht ohne schwere Kämvfe durchsetzen. Starke kapitalistische Kräfte haben bisher die Vorlage des Arbeitsschutzgesetzes, das die Arbeitszeit neu regeln soll, verhindert. Das geforderte Notgesetz wird auf die gleichen starken Widerstände stoßen. Sie können nur durch starke gewerkschaftliche und politische Organisationen der Ar- beiterklosse überwunden werden.
völkische Schwätzer. Beleidigungsklage des Genossen Kuttner. Wegen Beleidigung des sozialdemokratischen Landtagsabgeord- rieten Kuttner war gegen den verantwortlichen Redakteur des „Deutschen Vorwärts" Krüger und dessen Mitarbeiter Emil Kloth öffentliche Anklage erhoben worden, die gestern in vielstündiger Verhandlung das Schöffengericht Tempel- h o f beschäftigte. Der beleidigte Abgeordnete K u t t n e r war dem Strafverfahren als Nebenkläger beigetreten. Das antisemitische Wochenblättchcn hatte drei Artikel veröffentlicht„Politische Wegelagerer",„Ein politischer Hanswurst" und„Bonzengehältcr". Es waren in diesen Aufsätzen scharfe Angriffe gegen den Abgeord- neten Kuttner enthalten. Er wurde als Konjunkturpolitiker bezeichnet, der zu Anfang des Krieges in Patriotismus gemacht habe, dann aber als Schriftleiter der„Sozialdemokratischen Feld- post" die Front unterwühlt habe, bis Ihm die Heeresleitung diese Tätigkeit verboten hätte. Weiter wurde Kuttner vorgeworfen, daß er im B a r m a t» A u s s ch u h die Verteidigung der Barmats sich zur Aufgabe gemacht habe. Im Fememordausschuß habe er sich ebenfalls hervorgetan. Das Schöffengericht hielt die beiden Angeklagten der Velei- d i g u n g schuldig. Wie Landgerichtsdirektor Löschte in den Urteils- gründen aussprach, seien die gebrauchten Ausdrücke weit über das Maß des politischen Kampfes hinausgegangen und ließen die Absicht erkennen, den politischen Gegner herabzusetzen. Es seien aber auch unwahre Tatsachen behauptet worden, sowohl über die Vorfälle am Schiffbauerdamm, als auch über die Wirksamkeit Kuttners an der„Sozialdemokratischen Feldpost". Der Schutz des Z 193 wurde versagt. Es wurden wegen öffentlicher Beleidigung Krüger zu 200 Mark und Kloth zu 400 Mark Geld- strafe verurleill. Dem Abg. Kuttner wurde die Befugnis zur Der- öffcntlichung des Urteils zugesprochen.
parlamentaristhe Sitten. Zu den Kommunistenskandalen im Landtag. Verbot von Kundgebungen unter freiem Himmel. Es hat keinen leidenschaftlicheren Verfechter guter parlamenta- rischer Sitten gegeben als Slugust Bebel. In Theorie und Praxis huldigte er stets der Auffassung, daß sich die Vertreter der Arbeiter- klasse im Parlament anständig benehmen müßten, wenn sie sich in Respekt setzen und der Sache der Arbeiter dienen wollten. Die Stellung, die sich die Sozialdemokratie in den Parlamenten und im Volke errungen hat, ist nicht zuletzt auf die Ratschläge jenes großen Lehrmeisters zurückzuführen. Die Kommunisten lieben es mitunter, sich zu Zwecken des Arbeiterfangs als Fortsetzcr alter sozialdemokratischer Traditionen hinzustellen. Sie beschmutzen damit das Andenken unserer großen Vorkämpfer. Was hätte wohl August Bebel gesagt, wenn er die Szenen, die sich in den letzten Tagen im Landtag abgespielt haben, erlebt hätte! All« Augenzeugen jener widerlichen Szenen stimmen in dem Urteil üboreln, daß es sich bei den Krawallen, die die Kommunisten ent- fesselten, auch nicht im entferntesten um Ausbrüche echter Leiden. schaft handelte. Das Ganze war nur ein Theater, um dem eigenen Anhang zu zeigen, wie„tüchtig" man ist. Aber auf welches Publikum hat man dabei spekuliert? Es ist allgemein aufgefallen, daß sich die in den Saal gebrüllten Rufe der Skandalmacher fast ouLfchließlich in der sexuellen Sphäre bewegten, wobei Ausdrück« gebraucht wurden, wie sie gelegentlich in den öffentlichen Pissoirs an der Wand zu lesen sind. Besonders wurden auch weiblich« Abgeordnete mit Insulten überschüttet, die aus einer überhitzten sexuellen Phantasie stammen.
Auch die Raufszenen, die man aufführte, machten durchaus den Eindruck einer kalten Mache. Daß sie das wirklich waren, beweist der Umstand, daß sich das Temperament, sofort wieder besänftigte, als Polizei im Saale erschien. Auf sie hat man nicht mit Schub- laden geworfen wie auf den greisen Schriftführer, unseren Genossen Brecour, der nur um Haaresbreite einer schweren Verletzung entging. Mit sachlichen Meinungsverschiedenheiten über die Zweckmäßig- keit oder Notwendigkeit des faulen Hohenzollernvergleichs hat dieses Kaschemmentreiben nicht das allermindeste zu tun. Hier wirst sich vielmehr ein ganz anderes Problem auf: Gibt es wirtlich Arbeiter in Deutschland , die es als Zeichen radikaler oder revolutionärer Gesinnung betrachten, wenn man sich wie ein Lude beträgt? Wir möchten diese Frage auf das allerentschiedenste verneinen. Die Kommunisten werden durch solche Manöver ihren eigenen Zu- sammenbruch nur beschleunigen. Und darum bedauern wir, daß die für heute angesagte Lustgartenversammlung der Kommunisten polizeilich verboten worden ist. Vielleicht hat man befürchtet, daß sich die Rauf- s z e n e n aus dem Landtag auf der Straße fortsetzen würden, aber diese Befürchtung ist unbegründet. Die kommunistischen A b g e- ordneten benehmen sich ja nur dann gewalttätig, wenn keine Polizei da ist und wenn ihnen nichts anderes droht als höchstens der Diätenverlust von ein paar Tagen. Die Masse der Arbeiter aber hätte ganz gewiß durch ihr Fernbleiben bewiesen, daß sie nichts zu tun haben will mit sogenannten„Arbeitervertretern", die das Parlament mit der Kaschemme verwechseln.
Kronzeugen üer Kpd. Briefe an das Moskau -Blatt. Den Kommunisten ist großes Heil widerfahren. Außer dein Herrn Kratz, der aus einer Partei austrat, der er gar nicht ongs» hörte, hat sich auch noch ein anderer gefunden, der durch die kom- munistische Press« seinen Auetritt aus der Sozialdemokratie an> kündigt: Herr Bruno Sobczyk, aus der Fidicinstr. 42. Es tut uns leid um jeden, der aus momentaner Verärgerung seine politische Organisationszugehörigkeit ausgibt. Aber Herr Sobczyk hat diesen Milderungsgrund nicht einmal für sich. Er hat vielmehr seit 1923 keine Beiträge mehr an die Partei ge- zahlt, hat seine Anrechte dadurch also längst verloren. Ueber sein« sonstige Tätigkeit wollen wir vorläufig nicht reden. Aber wenn die Kommunisten keine anderen Kronzeugen bringen können, mögen sie lieber schweigen.
Dichter unö Diplomat. Bedenken gegen Elaudels Entsendung nach Berlin . Kürzlich sind In der französischen Presie Andeutungen über ein bevorstehendes Revirement in der französischen Diplomatie ge- macht worden, wobei als Nachfolger des gegenwärtigen Botschaster« d e Margerie auf den Berliner Posten der bisherige Botschafter in Tokio PaulClaudel genannt wurde. Gegen diese Ernennung ist deutscherseits mit Recht geltend gemacht worden, daß Claudel , der auch ein bekannter Schriftsteller ist, erst vor kurzem Deutschland in unglaublicher Weise beschimpft hat. Dieses Verhalten Claudels ist umso erstaunlicher, als er selbst in seiner diplomatischen Karriere De u t s ch l a n d vor dem Kriege In seiner Eigenschaft als Generalkonsul in Hamburg kennen gelernt hat. Als Schriftsteller ist er hier zu einer Zeit bereits gefeiert worden, als er in Frankreich wegen seiner verschwommenen mystischen Art fast allgemein abgelehnt wurde. Im lsiariser„Oeuvre" vom 12. Oktober wird der Fall Claudel in einer humoristischen Glosse besprochen. Da heißt es u. a.: „Man liebt Paul Claudel . Oder man liebt ihn nicht. Um ihn zu lieben, gilt es vielleicht, ihn zu verstehen. Zu unserer Schande gestehen wir, daß die meisten Schönheiten seiner Werke uns völlig entgehen. Paul Claudel ist vielleicht, wahrscheinlich sogar ein Diplomat ersten Ranges. Die erste Pflicht«ine» Diplomaten ist, seine Gedanken so sehr wie möglich zu verwickeln. Auf diese Art vermögen jene, die dann diese Gedanken entwirren sollen, sie so zu deuten, wie es ihnen gerade paßt.
Ausnahmsweise hat Claudel einmal in gemein- verständlicher Sprache reden wollen. Und da schrieb er, daß die Deutschen „Satanshorden" wären und daß Goethe «in„feierlicher Esel" gewesen sei. Wir wundern uns nicht, daß die Reichsregierung zu ver- stehen gibt, daß sie als Vertreter Frankreichs in Berlin einen Bot- schafter vorziehen würde, der nicht über einen der besten deutschen Dichter so unzweideutige Werturteile abgegeben hat. In Wahrheit Ist für einen Schriftsteller ein Nebenberuf immer schädlich. C o u r t e l i n e hat auf seinem Beamtenhocker ver- zichtet, als er seine Satire über das Beamtenleben verfaßte, und Pierrefeu mußte die Demobilmachung abwarten, bevor er uns auseinandersetzen konnte, wie es im Großen Hauptquartier zuging. Paul Claudel hat wirklich Pech: Das erstemal in seinem Leben, wo er einen klaren Satz geschrieben hat, droht das seine diplo- matische Karriere zu stören. Das wird ihm nie wieder passieren. Wehe uns bei seinem nächsten Buch!"
$ät Einigung üer italienischen Sozialisien. Bor dem maximalistischen Parteitag. Auf dem 21. Kongreß der italienischen sozialistischen Partei (Maximalisten), der sich in diesem Monat in Rom versammeln wird, wird die Kommission für die Einigung der sozialistischen Kräfte in Italien den Vertretern der Sektionen die Annahme der folgen- den Tagesordnung vorschlagen, worin die gegenwärtige politische Lage der Nation in bezug auf dieses Ziel betrachtet wird. „Der Kongreß stellt fest: a) Die steigende Sichbehauptung der Diktatur der faschistischen Partei durch eine Gesetzgebung, die die letzten öffentlichen Freiheiten vernichtet und die letzten Einrichtungen des Regimes der Volksvertretung durch Konzentration aller Macht und damit aller Verantwortlichkeit in der Regierung unter- drückt hat; b) das völlige Aufgehen aller bürgerlichen Gruppen, die über wirtschaftliche Selbständigkeit verfügen, im Faschismus; c) die Identifizierung der Monarchie mit dem Faschis- mus; 6) die fortschreitende Verelendung und Entrechtung aller Klassen der Arbeiterbevölkerung: e) die Verschlimmerung der Lage in den Fabriken, auf dem Lande und in den Verwaltungen der durch keine Kontrolle be- schränkten kapital! st ischenDiktatur; t) die Erschütterung der auf eine mittlere demokratisch- liberale Lösung gesetzten Illusionen im Rahmen der Ver- fassungsgesetze und der gegenwärtigen politischen und sozialen Einrichtungen." Eine derartige Situation erfordert von der Italienischen sozia- listischen Partei: 1. Jede Anstrengung zu machen, um im eigenen Schöße die Vereinigung der Sozialt st en herbeizuführen und in- der Aktion die Spaltungen zu bewältigen mit chren nachteiligen Folgen, die sie in den Arbeitermassen hervorgerufen haben: 2. den Massen und den wirtschaftlich ausgebeuteten und poli- tisch unterdrückten Klassen das Losungswort der Repu- b l i k und der Arbeiterregieruno zu geben, wofür die Agitation im Lande verstärkt werden muß: 3. auf politischem und gewerkschaftlichem Boden alle Bünd- nisse zu verwirklichen, die geignet erscheinen, den Kampf zu be- leben und die Front zu den verwandten Bewegungen hin zu ver- breitern, die mit dieser Forderung de» Kampfes im Einklang stehen. Der Kongreß ersucht den Parteivorstand, auf der Grundlage des Berichts der Kommission für die sozialistische Einigung«in detaillierte» Programm über die unmittelbaren Ziele der soziall- stischen Partei zu entwerfen und die Initiative zu ergreifen, um auf dem Boden dieses Programms die Vereinigung oller Sozialisten in der italienischen Partei als Kampfesvorhut und politische Mittlerin der Arbeitermassen zu verwirklichen." In dem Bericht wird in einem Schlußwort« bemerkt, die Forderung nach der sozialistischen Einigung sei in der Kommission selbst durch die Erfahrung dieser letzten Jahre, durch die Erfahrung auch des Aventins(die Gesamtheit der Oppositionsparteien, die das Parlament verlassen haben, Red. d.„Vorwärts") entstanden, die er- wiesm habe, daß ohne ein« starke Einigkeit des fozialisti- schen Proletariat» es unmöglich sei, zu kämpfen.
�rbetterkonzert X Gefell sthastskonzert. Musikumschau von Kurt Singer . TW« wichtige Tatsache ist zu buchen: nach jahrelanger Vor- arbeit ist es dem Arbeiterkulturkartell gelungen, für seine Mitglieder eine Serie von Orchesteraufführungen zu organisieren, die nach Programm und Idee zu dem Wertvollsten gehören dürften, was die Berliner Saison zu verschenken hat. Bisher haben diese Konzerte, denen Albert Horlitz seine organisatorische Kräfte lieh, nur nebenbei, abseits vom Strom des musikalischen Geschehens Auf- merksamkett erregt. Jetzt aber sehen wir die Arbeiterschaft abend» im Saal der Philharmonie versammelt und fühlen, wa» alle dies« Hörer fühlen: den Dürchbruch des ArbeiterwMens durch das bür- gerltche Schema des Konzertdaseins. Die draußen standen, sitzen nun endlich am gedeckten Tisch. Da» ist ein« Leistung, vor der man au» kulturellen Gründen in Berlin und in Deutschland nicht vor- übergehen wird. Was in Wien seit vielen Jahren an Arbeiter- konzerten geleistet wird, kann nun ein variiertes Spiegelbild in Berlin finden. An der Spitze der Aufführungen steht«in Musiker, der durch seinen künsllerischen Charakter, durch Talent und innere Hinneigung fest mit dem Zukunftsproblem der deutschen Arbeiter- schaft verwachsen ist. I a s ch a H o r e n st« i n hat in kleineren Ausgaben mit seinem Schubert-Chor bewiesen, welche Fähigkeiten in ihm schlummern. Sie können jetzt zum Größten geweckt werden. Die Opernwoche verbot es, dem ganzen Konzertabend beizuwohnen. In den wenigen Minuten, dt« wir der Ausführung der Mahlerschen 1. Sinfonie betwohnen konnten, zeigte Horenstetn, daß er ein im Geiste Mahlers groß gewordener Musiker ist, der durchaus das Format hat, die Plastik diese» herrlichen Jugendwerks herauszu- arbeiten, und dem das Philharmonisch« Orchester Gefolgschaft leistete, wie nur einem Berufenen. An der Spitze des Programms stand das Lied der Wolgafchiffer in der Bearbeitung Strawlnskys für Blasorchester. Das ist allerdings eine Riete. Die schöne Melodie dieses sentimentalen Stückes war vergröbert und in ihren Linien zerrissen. Schnabel , der große Freund aller Bolksbühnen- und Arbeiterbewegungen, spielte mit herzhafter Technik und oorbild- lichem männlichen Ausdruck das Ls-Dur-Konzert von Beethoven ; auch hier erwies sich Horenstein als ein persönlicher, klug nachfühlen- der Begleiter, und dies trotz einiger Unachtsamkeiten, die im«rsten Satz zutage traten. Nachdrücklich sei gerade unseren Lesern dieser Zyklus von Konzerten an» Herz gelegt. Ein andere« Publikum, da» typisch gesellschaftsmäßige, bei Furtwängler . Diese Menschen wollen gestreichelt sein durch Musik, sie verschließen sich einem Neuen sowohl der Darstellung. wie de» Schöpferischen im Werk konsequent. Furtwängler weiß dies« Stimmung der Menschen auszunutzen. Die Freischützouvertüre war auf so vollendeten Effekt gestellt, daß die leisen Streicher schon pnhörbar wurden, und daß da» ganz« romantisch« Stück in einer
Stretta von furioser Kraft zu enden schien. Im einzelnen schön, ja bewundernswert schien un» die gesamt« Linie des Stückes stark verschoben. Da» Lied der Freud « von Archur Honegger(Chant de joie) dirigiert« er mit großem Temperament und unter Ausnutzung aller orchestralen Möglichkeiten, die in dem liedsörmigen Gebilde gegeben sind. Harmonisch interessant, polyphon, glänzend geführt, reicht da» Werk an Empfindung nicht über ein mittleres Niveau hinaus. Gerade die lärmendsten Partien und der Schluß, der sich so großartig aufschwingt, scheinen innerlich leer zu sein. Eine bär- beißige Freude, die Backen sehr voll genommen, aber weder edel noch überspringend. Jacques Thibaud spielte das Lalokonzert mit dem süßen Ton, den ein so melodietrunkenes Stück verträgt und mit einer brillanten Technik. Diese Bogentechnik der rechten Hand ist Alexander Petschnikoff verloren gegangen, be- sonders der geworfene Strich ist ohne Körper, ohne Ausdruck. Im übrigen aber zeigte er, daß er tonlich in der Kantilene noch immer seinen Meister stellt, und daß musikalisch ein« Bach-Sonate bei ihm In guten Händen ist. Von den Pianisten verdienen zwei besonders genannt zu werden: Claudio Arrau und Erwin Bodky . Beide verraten bereits durch die Aufstellung ihrer Programme, daß ihnen das Virtuofentum nicht Selbstzweck geworden ist. Arrau ist auf der Höhe seiner technischen Leistungsfähigkeit. Nach Weber. Rameau und Strawinsky spielt er die großen Etüden nach Paganini von Franz Liszt , Bravourstücke, die nur selten einem Pianisten so glanzvoll gelingen, wie es sich der Meister gedacht hat. Arraus Spiel ist von einer inneren Bewegtheit und Treffsicherheit, dabei von einer Buntheit der Modulation, die kaum zu übertveffen ist. Er spart mit seiner Kraft, um sie in wirklichen Höhepunkten groß- artig freizugeben. Erwin Bodky stuft sein Programm rückwärts von Bach über Beethoven zu Weber, um in einigen Gelegenheitsarbeiten Bruckners, Janaceks, Snietanas zu enden. So fesselt er Musiker und unterhaltungshungriges Publikum zugleich. Er ist einer der vor- nehmsten Pianisten, die wir jetzt haben, auf dem Weg, Derinner- lichung Und Virtuofentum zu einer letzten Synthese zu bringen. Trotz der Ungunst eines Flügels holt er in dem Präludium und der Fuge Ls-Dur von Bach Stimmungen, Färbungen, Stationen der Linienführung heraus, so daß am Ende ein Wert von orgel- hafter Stufung vor uns steht. Die Kraft seines Anschlags wird nirgends überbetont, und auch aus Figurenwert klingt die stärkst« Cr- fülltheit eines großen Musikers. Lilli Dreyfus setzt ihren ge- sunden musikalischen Geschmack bei italienischen Volksliedern ein, überwindet bei Schubert schnell eine Herbheit der Stimme(Fahrt zum Hades) und offenbart zuletzt den ganzen Reiz ihres warm- blütigen, fchöntimbrierten Alts in den Liedern„Der Jüngling an der Quelle" und„An den Mond ". Ein kurzer Besuch im Meifterfaal läßt die Entdeckung machen, daß auch die Gitarre zu den konzertmäßigen Instrumenten unter den Fingern eines berufenen Spielers werden kann. Fräulein Walker ist unter den Gitarristen«in« Meisterin, und trotz ihrer
Jugend darf sie zu den Führerinnen ihres Instruments gerechnet werden. Wer ein italienisches, volksliedartiges Gebilde mit solcher klanglichen Schönheit und solcher Fingersicherheit zum Kunstgenuß gestakken kann, hat eine Zukunft vor sich.
tlebesbeziehungen und ihre Störungen. Als Gast der Orts- grupp« Berlin des Vereins für Individual- Psychologie sprach im Schubertsaal Dr. Adler-Wien über„LiebesbezieHungsn und ihre Störungen". Dr. Mler ging in seinem Vortrage davon aus, daß der Mensch zwar für seine Beschäftigung und seinen Beruf im Leben heutzutage meist außerordentlich gründlich vorgebildet wird, daß man aber noch so gut wie nichts tut, um ihn für die Liebesbeziehung zu einem anderen Menschen und zu der sich daraus ergebenden Eh« vorzubereiten. Di« Ehe kann sich nur dann harmonisch gestalten, wenn nicht von vorn- herein falsche Voraussetzungen dies« Gemeinsamkeit stören. Der Egoist, sei er es direkt durch Erziehung oder Anlage, oder aber indirekt dadurch, daß er durch Uebevbetonung seiner Schwäche im anderen Teil ein« Stütze sucht, taugt nicht zur Ehe. Hier sieht Dr. Adler mit Recht das verlogene Kulturziel der männlichen Ueberlegenheit als wesentlichen Schadenfaktor. Denn entweder wird der Mann dadurch veranlaßt, diese Ueberlegenheit auch in der Ehe unbedingt besitzen zu wollen, oder aber die scheinbare oder wirtliche Ueberlegenheit einer Frau, die schon im Kmdesalter etwa eine lvenig ältere Schwester sein kann, erweckt in ihm das Gefühl der Minderwertigkeit und macht Ihn zum haltlosen Menschen. Trotzdem wird aber im«rsten Falle oft dl« Frau der egoistische Teil sein, weil sie im Streben nach dem Ideal- bild eines Heldenhaften Mannes den Mann zwingt, etwas zu sein, was er in Wirklichkeit nicht ist. Auf jeden Fall wird die so auf«ine Lüg« aufgebaut« Gemeinsamkeit leiden und schließlich wird es zu schweren Störungen kommen. Dr. Adler streifte dann noch die Frage de» Rechtes und der Pflicht zur Mutterschaft. Hier vertrat er den Standpunkt, daß die Frau ganz allein zu entscheiden habe, ob sie Mutter werden wolle oder nicht. Der Redner wies darauf hin, daß, sobald die uneheliche Mutter der ehelichen gesellschaftlich gleich. berechtigt sei. viele der scheinbar brennendsten Tagesfragen auf diesem Gebiete sich von selbst erledigen würden.— Die zahlreich erschienenen Hörer, die sicher nicht alle bedingungslos« Anhänger der Freud- Adlerschen Lehren waren, die aber das Thema angelockt hatte, folgten dem Bortrag« mit lebhaftem Interesse, das sich auch noch in zahl- reichen Fragen bekundet«, die Dr. Adler im Anschluß daran gestellt wurden. Sz.
Ver Oesterretchisch.Veutsche Volksbuvb veranstaltet am IS.. S vhr abend«. einen O esterretchtschen Komponist en-Ab«nd im Krotrian- S teinweg-Saal. Es kommen solgende Komponisten zur Aussührung! Rudolf Polsterer, Otto Siegl , Karl Weigel, Karl Winkler. Mitwirkende sind:.�rau Agnes lleyhccker. Frl. Hennh Wolff. Hau« Bork. Olto Siegl. Otto Frickhoescr und da« Nürnberger Streichquartelt. EinirittZIarten durch die Geschäftsstelle de» Volksbundes. Ein neue» deutsche» Theater In Polen . Die Deutsche Kolonie in Lodz hat nach langen Bemühungen von den polnischen Behörden die Genehmi- gung zur Errichtung eine» deutschen Theater» erhalten. Die Erössnung de» Theater » soll»och vor Ablauf dies»» Jahre» erfolge«.