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Nr. 486 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 248

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Freitag, den 15. Oktober 1926

Bedeutsame Rede Vanderveldes.

Ueber Frieden, Kriegsschuld und Entwaffnung.

Brüssel , 14. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Anläßlich eines| Bresse ebenfalls schwer gesündigt hat, indem sie glauben machen Festessens des Vereins ausländischer Journalisten in Brüssel hielt wollte, daß alle Deutschen unterschiedslos nur an Revanche Bandervelde eine wichtige Rede über die internationalen Be - denken. ziehungen. In beredten Worten legte er den Pressevertretern ans Herz, was sie für das Wohl und Wehe internationaler Verständi gung und für den Völkerfrieden tun könnten. Vandervelde führte ungefähr aus: Auf meinem Wege als Friedenspilger, als Sozialist und als Teilnehmer der internationalen Konferenzen

in Frankfurt , Hamburg , bis Locarno und Genf ,

bin ich folgerichtig geblieben und habe. nichts von meinen Ueber zeugungen und Hoffnungen geopfert. Selbst in Belgien , dessen

Lebensinteresse doch so klar den Frieden erheischt, gehen die An­sichten über die internationale Lage weit auseinander.

Die einen wollen einen Siegfrieden, einen Eroberungs­frieden, gestützt auf Waffen und unabänderlichen Status quo, ge

gründet auf Berträgen, die man für immer heilig proflamiert. Die anderen wollen Frieden ohne Sieg, von allen Teilen freiwillig afzeptiert, gegründet auf Gerechtig­keit und auf Berträgen. Was die einen als ungerechte Kapitulation

verschreien, erscheint den anderen als

notwendige Konzession im Friedensintereffe

und als glückliche Selbstüberwindung. Man hüte sich vor allem vor einer einseitig nationalen Auffassung. hören wir auch die andere Seite, z. B. die Kriegsschuldfrage. Gewiß, was Belgien anbetrifft, dürfen wir mit Recht behaupten: Diese Frage existiert nicht. Sie ist bereits durch Bethmanns Be tenntnis im Reichstag längst erledigt.

Aber was die anderen Länder betrifft: Darf man heute noch nach allen amtlichen und nichtamtlichen Veröffentlichungen die absolute ausschließliche Kriegsschuld Deutschlands als unberühr­bares Dogma betrachten, worüber man nicht einmal dis­fufieren darf?

Entwaffnung und interalliierte Militär tontrolle sind ein anderes, brennendes Problem, wobei die

Die Koalitionsbesprechungen in Preußen.

Zum 3. November vertagt. Die interfraftionelle Besprechung der preußischen Regierungs­parteien hatte das erwartete Ergebnis. Der preußische Minister­präsident Braun wird am 3. November, dem Wunsch der ießigen Regierungsparteien entsprechend, mit den Frattionsführern der Deutschen Bolkspartei über die Umbildung der preußischen Regie­rung verhandeln und dann das Ergebnis dieser Besprechungen den Regierungsparteien mitteilen.

Einberufung des Reichstages.

Zum 3. November.

Der Reichstag ist endgültig für Mittwoch, den 3. Ro­Dember, einberufen worden. Auf der Tagesordnung dieser ersten Plenarsizung nach der Sommerpause stehen zunächst nur fleine Borlagen. Der Präsident hat sich aber vorbehalten, weitere Punkte auf die Tagesordnung zu setzen.

Gewiß, amtliche Berichte laffen feinen Zweifel, daß Deutsch­ lands Entwaffnung noch unvollendet ist und daß von deutscher mili­tärischer Seite alles getan wird, um einer Eniwaffnung zu entgehen. Solange dies der Fall ist, wird eine Annäherung natürlich über­haupt erschwert. Auch kann man die Reichswehr faum als republi­fanische Garde betrachten. Aber es gibt auch ein anderes frieg. Da muß gefagt werden: wenn Deutschland wirklich entwaffnet Deutschland , das den Frieden will und feinen Revanche. werden soll, dann müssen auch die anderen Länder entwaffnen. Darum begrüße ich die Bemühungen von Benesch, Paul Bon maffnungsfonferenz. cour, de Broudère in Gens auf Einberufung einer Ent

=

Bunkte intereffierten auch Belgien . Die französische Regierung Ueber Thoiry sagte Vandervelde , die meisten dort berührten wolle diese Fragen im Einvernehmen mit den anderen Alliierten prüfen und diese Brüfung habe tatsächlich schon begonnen. Ueber den Dawes Blan sei in Thoiry nicht gesprochen worden, aber es tönne feinem entgehen, daß der Tag nahe ist, an dem die Regierungen die Frage der Reparation, und der interalli ierten Schulden im Geiste der Frankfurter Sozia liftenkonferenz überprüfen müßten. Wenn diese Prüfung stattfindet, werde Belgien die Frage der während der deutschen Be fegung in Belgien zwangsweise eingeführten Bapiermart auf werfen, was die Reichsregierung schon unter Erzberger als ge­rechtfertigt anerkannt hat.

Bandervelde schloß: Ich werde den Kampf für meine Ideen auf internationalem Gebiete fortsetzen: für eine Befriedung der Geister, für das Selbstbestimmungsrecht der Völker, für eine nicht aufgezwungene und einseitige, sondern freiwillige und gegenseitige Entwaffnung, für die Schaffung der wirtschaftlichen Grundlage der Bereinigten Staaten Europas , auf der der Frieden aufgebaut werden wird.

fich um zwei voneinander unabhängige Berträge handeln. Um dieser Schwierigkeit aus dem Wege zu gehen, haben sich beide Delegationen damit einverstanden erklärt, daß gemeinsame Besprechungen der deutschen und polnischen Borsigenden beider Kommissionen stattfinden. Auf diese Weise soll der ganze Vertrag in allen seinen Teilen gleichzeitig erwogen werden, um ein gegenseitiges Entgegenkommen zu erreichen, welches den Abschluß des Vertrages nicht nur ermöglichen, sondern auch be schleunigen dürfte. Der Vorsitzende der Kommission für die wirtschaftlichen Bestimmungen des Vertrages, Geheimrat Ernst, fehrt Ende dieser Woche nach Berlin zurüd und es ist zu erwarten, daß Anfang der nächsten Woche die beiderseitigen Kommissionsvor. fizenden beraten werden und in der für Donnerstag nächster Woche festgesetzten Sigung der Einreise und Niederlassungskommission das von polnischer Seite zu gewährende Entgegenkommen bestimmte Formen annimmt.

Die neue Prager Regierung. Inhaltlose Programmerklärung. Prag , 14. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Am Donnerstag Die deutsch - polnischen Dauerverhandlungen Barlament vor. Die vom Ministerpräsidenten Svebla abgegebene stellte sich die neue tschechisch- deutsche Roalitionsregierung dem Bolen gegen politische Forderungen Deutschlands . Regierungserklärung ist äußerst dürftig und verschwommen. Warschau , 14. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Außenminister Sie nimmt zu den aktuellen Problemen überhaupt nicht Stellung Zalewsti erklärte den Pressevertretern zu den deutsch - polnischen und enttäuscht besonders alle die, die von der Regierungserklärung Handelsvertragsverhandlungen, daß Bolen diesen Erörterungen mit irgendwelche tonfrete Aeußerungen zur nationalen Frage er gutem Willen begegne. Er sei überzeugt, daß auch die Gegenwartet haben. Die deutschen Regierungsparteien und Minister feite diesen guten Willen befize. Bolen könne dagegen nie die von Deutschland erhobenen Forderungen politischer Natur berücksichtigen und es sei zu hoffen, daß Deutschland durch diese Forderungen nicht den Gang der Berhandlungen zu gefährden beabsichtige.

Der Stand der Verhandlungen.

Die Handelsvertragsverhandlungen zwischen Deutschland und Bolen haben am Montag dieser Woche begonnen, und zwar in der Rommiffion für Einreise und Niederlassung. Die polnische Delegation erklärte, wie wir erfahren, den deutschen Forderungen entgegenkommen zu fönnen, wenn ihr Gelegenheit gegeben werde, die Stellung der deutschen Delegation den polnischen Forderungen gegenüber fennenzulernen. Die Polen haben nämlich eine Forde rungen im Zusammenhange mit den deutschen Einreise- und Nieder­taffungswünschen. Die polnischen Forderungen umfaffen das wirt Ichaftliche Gebiet und da dieser Gegenstand einer anderen Kom mission zugewiesen ist, so ist eine Verständigung über das gegenseitige Entgegenkommen sehr schwer. Durch die Teilung in zwei Rom­miffionen nehmen die Berhandlungen einen Berlauf, als würde es

wurden nicht mit einem Wort ausdrücklich erwähnt.

Der Labourkongreß fordert Abrüstung.

England soll genaue Vorschläge machen. London , 14. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Die Ronferenz der Arbeiterpartei in Margate beschäftigte sich an ihrem vierten Tag zunächst mit der Außenpolitit, wobei sie sich in allen ent­scheidenden Fragen wie in den vorangegangenen Tagen hinter die Politik der Exekutive stellte. Eine Entschließung, in der die Annul­lierung des Dawesplanes gefordert wird, wurde ab gelehnt. Annahme fand dagegen eine von der Eretutive vor­gelegte Resolution, in der Deutschlands Aufnahme in den Völker­bund begrüßt und die britische Regierung aufgefordert wird, der Vorbereitenden Entwaffnungsfommission genaue Vorschläge für eine englische Entwaffnung zu unterbreiten, um andere Regierungen dadurch zu ähnlichen Vorschlägen zu veranlassen und die Abhaltung einer Weltabrüstungskonferenz zu ermöglichen. Gleichzeitig fordert die Konferenz, daß die Teilnahme Ruß lands an einer brüftungskonferenz herbeigeführt werde.

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Die Republik und ihre Beamten.

Versäumte Gelegenheiten.

Von Willy Steintopf.

In einer seiner letzten Reden hat der Reichskanzler Dr. Marr den deutschen Beamten in aller Offenheit erklärt, welche Stellung zur Republik er von ihnen verlangt. Seine Worte wurden mit stürmischer Zustimmung aufgenom­men. Sie war besonders start, als Dr. Marg die glückliche Wendung gebrauchte, daß gerade die höheren Be­amten in der Achtung und Ehrerbietung vor der Weimarer Verfassung auch höhere Pflich­ten hätten. Hiermit hat der Reichstanzler eine der schmerz­lichsten Stellen der Republik berührt. Denn daß gegen diese Beamten dauernd verstoßen wird, ist öffentlichtes Geheimnis. höheren Pflichten bewußt und mit Absicht von den höheren Die Republik frankt an ihrer höheren Beamtenschaft. Aus­nahmen bestätigen, wie überall, auch hier nur die Regel.

In der bürgerlichen republikanischen Presse ist in der legten Zeit unendlich viel darüber geschrieben worden. Her­angenehmsten Fälle erörtert. Doch sie haben es vermieden, vorragende Parlamentarier haben die peinlichsten und un­an den Kern des Problems heranzugehen und auszu= Sprechen, wie das Uebel anzupacken und zu beseitigen ist. Mit dem Aufzeigen und Kritisieren noch so unerhörter Fälle er­reicht man gar nichts. Die Situation ist genau die gleiche, die Karl Marg in seinen Aufsätzen aus den Jahren 1851/52 Revolution und Konterrevolution in Deutschland " fennzeich nete. Die Demokratie regiert oben. Sie kann sich aber nicht durchsetzen, weil die hohe Bureaukratie es nicht duldet. Ge­, in verschiedenen Ländern ist es nicht mehr ganz fo schlimm. Severing und andere haben sehr viel getan. Reich liegt es aber um so trostloser.

Im

Das wäre unmöglich, wenn die hohe Bureaukratie im Sinne der Bejahung der Republit arbeiten und auf die Förderung der Intereffen der Republik bedacht wäre. Jedoch findet man statt dessen überall die Tendenz: wie ist die überlieferte Tradition zu sichern und etwaigen Angriffen Dorzubeugen? Das ist das Leitmotiv der höheren Beamten­schaft der Republik .

Gegen diese Dinge nüßen feine Worte und Ermahnungen. Sie sind schon zu oft ungehört verhallt. Ja, als der Reichs­minister des Innern Dr. Külz im Frühjahr d. J. in seiner Etatsrebe von den Beamten die Bejahung der Republik for­Zeter und Mordio. Die Beamten sollten sich einem Joch derte, schrie das Organ der höheren Post beamten beugen, und wo denn die Garantien der Verfassung blieben! Und die deutschnationale Beamtenschaft Berlins ", zumeist höhere Beamte, verbat sich jede Gesinnungsschnüffelei. Die Antworten auf die letzte Reichskanzlerrede dürften nicht anders

ausfallen.

So muß man sich entschließen, andere Wege zu gehen, rung herbeizuführen. Zunächst muß die Personalpolitik des menn man überhaupt den ernsten Willen hat, eine Aende­Reichs von Grund auf geändert werden. Es nüßt nur wenig, sterium verschwinden. Das Hauptgewicht liegt in diesem Fall wenn einmal ein paar reaktionäre Leute aus einem Mini­nicht so sehr in den Ministerien, als gerade in den Außen­verwaltungen.

Es wird leider noch nicht genügend erkannt, was der höhere Vorgesetzte, der höhere Beamte überhaupt und auch der mittlere Beamte als Borsteher einer Reichsbehörde draußen im Lande zu bedeuten hat. Diese Beamten sind in den Städten und auf dem Land die Vertreter der Reichsbehörden, wird sehr scharf beobachtet. Treten sie, wie es eigentlich ſelbſt­die Repräsentanten der Republik . Ihre Stellung zur Republik verständlich sein sollte, dienstlich und außerdienstlich jederzeit für die Republik ein, wird die Wirkung auf die Bevölkerung nicht ausbleiben. Beispiele beweisen es. Lassen sie aus gesell­frhaftlichen oder anderen Rücksichten aber erkennen, daß auch fie der Meinung sind, es sei eigentlich unanständig, Republi­faner zu sein, und sie seien es nur gezwungenermaßen und soweit es ihre Stellung unumgänglich verlangt, dann aller­dings leisten sie dem republikanischen Gedanken einen Bären­dienst. Leider trifft dieses in der weit überwiegenden Zahl der Fälle noch zu.

Der Einfluß auf die nachgeordneten Beamten ist natürlich noch viel größer. Der Borgefehte ist tonangebend. Wer sich nicht fügt, muß leiden. Legion sind die Beispiele, in denen der Borgesetzte den unbequemen und politisch anders denkenden Untergebenen durch Nadelstiche mürbe und gefügig gemacht oder ihn beseitigt hat. In neunundneunzig von hundert Fällen läßt sich dabei gar nichts beweisen und folglich auch dagegen nichts tun. Jeder, der in diesen Dingen steht, wird es bestätigen fönnen. Daß das Bekenntnis zur Republik bei diesen Beamten geradezu ausgerottet wird, braucht kaum erwähnt zu werden. Der Rückhalt, den die Beamten in den großen Städten bei den breiten Massen der republikanischen Bevölkerung haben, ist in den mittleren und fleinen Städten und auf dem Lande nicht vorhanden. Sie sind jeder reaktio­nären Einwirtung preisgegeben und wirken schließlich auch so auf die Bevölkerung.