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Abendausgabe

Nr. 489 43. Jahrgang Ausgabe B Nr. 242

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10 Pfennig

Sonnabend

16. Oktober 1926

Vorwärts=

Berliner Dolksblatt

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 8 bis 5 Uhr Berleger: Borwärts- Beriag Gmb5. Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhof 292-237

Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Fürstenlakaien als Führer der KPD ."

Aus der Zeit der Regierung Zeigner- Böttcher.

Die obige Ueberschrift stammt nicht von uns. Wir ent­nehmen sie aus einer Nummer der Kommunistischen Arbeiterzeitung", die ein klassisches Beispiel dafür bietet, wie die jetzige kommunistische Führung von ihrer Opposition genau mit den gleichen Beschimpfungen bedacht murde, die die kommunistischen Führer gegenwärtig gegen die Sozialdemokraten schleudern. Es hat sich nämlich heraus­gestellt, daß das einzige Mal, wo die Kommu­nisten in den letzten Jahren in einem deutschen Land mit regierten, fie ihre 3 ustimmung zu einem Ver­gleich mit einem vormals regierenden Haus erteilten. Das geschah in Sachsen im Herbst 1923 unter der Regierung Beigner Liebmann Böttcher Hedert Brandler, und zwar auf dem Höhepunkt der Inflation und mitten während der Reichswehraktion in Mittel­ deutschland

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Am 23. Oktober 1923 wurde im Namen der Gesamt­regierung, deren zuständiger Finanzminister der Kommunist Paul Böttcher war, durch den Minister­präsidenten 3eigner der Gesezentwurf über die Ausein­andersehung mit dem vormaligen sächsischen Königshaus ein­gebracht und beraten. Wir geben nachstehend eine kurze Inhaltsangabe dieses Vergleichs:

Der König verzichtet auf alle Rechte an dem Staatsgut ein­schließlich des Domänengutes. Der Freistaat Sachsen überläßt da für dem Familienverein Haus Wettin - albertinische Linie die Moritzburger Domänengrundstücke, darunter Schloß Morizburg mit Ausstattung, und einige Forstreviere als Eigentum. Weiter erhält der Familienverein eine Barabfindung im Betrage von 14 millionen Mart samt Zinsen von 5 Bro3. ab 1. Juni 1920. Dem vormaligen König wird auf Lebenszeit die Aus­übung der Jagdrechte in fünf Revieren eingeräumt.

In seiner Begründung der Vorlage ersucht der Minister­präsident 3eigner um deren schnelle Berab= schiedung, damit endlich Klarheit geschaffen werde. Nach dem stenographischen Protokoll der 62. Sigung vom 23. Oftober 1923 führte er im Namen der sozialdemo­tratisch- kommunistischen Regierung aus:

Ohne eine gewisse Großzügigfeit von beiden Seiten sind Auseinandersetzungen wie die vorliegende überhaupt nicht zum Abschluß zu bringen.. Von einer wesentlichen| Benachteiligung des einen oder des anderen Vertragteiles wird man faum sprechen können. Die Regierung darf sich der Erwartung hin geben, daß auch der Landtag bei der näheren Durchprüfung des Entwurfes fich davon überzeugen wird, daß der Entwurf aus dem Geist heraus entstanden ist, zu dem friedlichen Ausgleich mit dem

Tortur gegen Redakteure. Das Zeugniszwangsverfahren in Löbau . Wir haben dieser Tage von dem Versuch berichtet, den die Staatsanwaltschaft in Bautzen gegen den Redakteur unse­res Parteiblattes in Löbau , Genossen Efferoth , unter­nahm, ihn zur Verlegung des Berufsgeheim­nisses zu zwingen. Tatsächlich hat auf seinen Antrag das Amtsgericht Löbau das Zeugniszwangsverfahren gegen Efferoth angeordnet. Efferoth soll den Berfasser eines Artikels nennen, der sich kritisch mit gewissen Handlungen der Baußener Staatsanwaltschaft beschäftigte.

vormaligen Königshause zu gelangen, deffen Mitglieder, daß wollen wir dankbar anerkennen, in langer Ahnenreihe dem Lande hohe Kulturwerte vermittelt haben. Die Regierung bittet deshalb den Landtag, dem Entwurf seine Zustimmung zu geben und ihn mög. lichst schnell zu verabschieden.

Von den drei kommunistischen Regie rungsmitgliedern ergriff fein einziger in der Debatte das Wort, sie solidarisierten sich demnach sowohl mit der Vorlage selbst, wie auch mit ihrer Begründung.

Dieser Vorgang ist den Leitern der damaligen KPD. - 3entrale sowie auch der Mostauer Grefutive durchaus bekannt gewesen, denn er ist, wie ein Flugblatt der Raz- Gruppe festgestellt hat, auf dem V. Weltfongreß der III. Internationale am 23. Juni 1924 zur Sprache ge zur Ruth Fischer - Maslow- Gruppe gehörte, scharfe Abrech­nung mit der Radek- Brandler- Richtung und griff die Tätig feit der sächsischen KPD. - Minister scharf an. Er führte dabei u. a. aus:

bracht worden. Dort hielt Thälmann , der damals noch

Wir haben ferner gesehen, daß die Regierung schon nach wenigen Tagen 14 Millionen Mart als Abfindungs­fumme für den König von Sachsen bewilligte.

Auch Bucharin erwähnte in seiner Anklagerede gegen die Brandler- Zentrale die Zustimmung der sächsischen Kom­munisten zur Fürstenabfindung.

Heute ist die im Jahre 1924 abgefägte Sedert Brandler 3entrale wieder oben auf und der Brandler- 3entrale Finanzminister des Vergleiches mit dem Hause Wettin, Paul Böttcher , ist wieder wohlbestallter Sekretär des Sächsischen Landesvorstandes der KPD .

Heran an die Massen!

Zu unserer Werbewoche.

Die Sozialdemokratische Partei ist heute in ihre Werbe­woche eingetreten. Das heißt: Was zu tun eigentlich alle Tage die Aufgabe jedes Genossen und jeder Genoffin ist, das foll in den nächsten Tagen mit besonderem Eifer und mit der gesammelten Kraft der Organisation durchgeführt werden. Es gilt, denen ein Licht aufzustecken, die bis heute noch nicht die ungeheure weitgeschichtliche Bedeutung der sozia= die ihr feindlich, mißtrauisch oder gleichgültig gegenüberstehen. listischen Arbeiterbewegung begriffen haben und Das ist aber leider heute noch immer die große Mehr­heit des deutschen Volkes. Obwohl das deutsche Volk fast ausschließlich aus hart arbeitenden Menschen besteht, die zum größten Teil zur Kategorie der Lohn- und Gehaltsempfänger gehören, hat die sozialistische Arbeiterbewegung bisher nur eine Minderheit dieses Volles ergriffen. gewinnen, als ob die Welt schon der sozialistischen Arbeiter­Hört man die Kommunisten, so möchte es den Anschein bewegung gehörte und als ginge der Streit nur noch darum, munisten. Aber diese Borstellung ist gefährlich falsch, sie lenkt wer sie beherrschen solle: die Sozialdemokraten oder die Rom­von den Aufgaben ab, die noch vor uns liegen.

Die Sozialdemokraten sind nach allen Kämpfen der letzten Jahre dreimal so start wie die Kommunisten, so daß schon aus diesem Gesichtspunkt die Hoffnung der Kommu nisten, sie in der Führung der Arbeiterbewegung ablösen zu fönnen, ziemlich aussichtslos erscheint. Aber die bürger­lichen Barteien sind zusammen immer noch fast doppelt fo start wie die Sozialdemokraten und die Kommunisten zusammen. Wir stehen also vor der Tatsache, daß die Krast der Arbeiterbewegung durch den dauernden erbitterten Kampf einer Minderheit gegen die Mehrheit geschwächt ist, während doch jene Minderheit und jene Mehrheit zusammen wieder nur eine Minderheit darstellen. Die Mehrheit des Boltes ist an dem Streit gor nicht beteiligt, sie steht ihm gleichgültig gegenüber.

Wir erwähnen die Angelegenheit nicht, um hier die Hal­fieren und einen Bergleich zwischen dem sächsischen Ver- liche bürgerliche Parteien für den faulen Bergleich mit tung der Regierung Zeigner- Böttcher nachträglich zu friti- Im Preußischen Abgeordretenhaus haben gestern sämt­trag mit dem Hause Wettin und dem preußischen den Hohenzollern gestimmt. Alle bürgerlichen Parteien stehen Immerhin scheint es, als ob die sächsische Königsfamilie unter tums, und sie finden mit ihrer Haltung noch immer die Bertrag mit dem Hause Hohenzollern zu ziehen. auf dem Boden des kapitalistischen Privateigen= Bustimmung der damals regierenden Kommunisten be- Bustimmung von fast zwei Drittein des deutschen Bolles. Die deutend günstiger davon gekommen wäre, als neuer- Kommunisten aber denfen nicht daran, die bürgerlichen dings die Hohenzollern . Aber nicht darauf kommt es an. Ent- Parteien anzugreifen. Sie richten ihre Angriffe nur gegen scheidend ist es im Augenblic, festzustellen, welche boden die Sozialdemokraten, die sich der Stimme enthalten lose Heuchelei darin liegt, daß dieselben tommu haben, und zwar deshalb enthalten haben, weil ihr Nein an niftischen Führer, die als Regierungspartei jenem Bergleich der Sache nichts gebessert, sondern nur die Sprengung mit den Wettinern zugestimmt haben, sich heute wie die der preußischen Regierung und die Beseitigung des Wilden gebärden, weil die sozialdemokratische Landtags sozialdemokratischen Einflusses in ihr zur Folge gehabt hätte. fraftion in einer offenfundigen 3wangslage fich gegenüber dem Hohenzollernvergleich der Stimme enthält.

vertraute Tatsache, deren Geheimhaltung durch ihre Natur gebolen ift, zumal eine berechtigte Berkehrssitte die Redakteure als verpflichtet ansieht, das Geheimnis des Namens zu wahren.( Bgl. Enisch. d

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G. Hamburg vom 30. September 1908 Rechtspr. Bd. 17 S. 329; Stein- Jonas Anm. III, 3 und Nr. 21 34§ 383 30., .29; Danach mußte der Strafbeschluß aufgehoben werden."

Diese Entscheidung ist vom Landgericht Rottbus am 29. Mai dieses Jahres gefällt( Aktenzeichen 2 T 309/26). Auch der fächsische Juſtizminister, der bekanntlich der Volkspartei angehört, sollte sich diese klare Entscheidung zu Gemüte führen. Erlkärung des Vereins Arbeiterpresse".

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Wiedergabe folgender Erklärung: Der Vorstand des Vereins Arbeiterpresse" ersucht uns um

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Die Kommunisten behaupten, daß der Einfluß der sozia­ listischen Arbeiterbewegung auf den Staat deshalb nicht start genug sei, weil die Sozialdemokratie nicht radikal" genug wäre. Die Statistik spricht aber eine ganz andere Sprache. an dem angeblichen Radikalismus der Kommunisten Gefallen Sie sagt uns, daß noch nicht ein Zehntel des deutschen Volkes findet und daß noch fast zwei Drittel darunter Millionen Arbeiter, Angestellte, Beamte, Kleinbauern mit den bürger­lichen Parteien gehen, die doch entschieden viel weniger ,, radikal" sind als die Sozialdemokratie.

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Wie gewinnt man diese großen arbeitenden Massen, die noch gänzlich abseits stehen, für die sozialistische Gedanken­melt? Das ist eine Frage, die die Kommunisten gar nicht interessiert, während für uns alles auf sie ankommt. Die Kommunisten führen ja nur eine parasitäre Eristenz,

sie denken an nichts anderes als daran, Arbeiter, die sowieso jagen. Die Sozialdemokratie müht sich indessen, den sozia­schon sozialistisch gesinnt sind, der Sozialdemokratie abzu­listischen Gedanken in die Boltskreise zu tragen, die zwar nicht nach ihrer Klassenlage, aber nach ihrer Gesinnung bürgerlich find. Zugleich aber muß fie sich gegen jene wen­den, die vom Rüden her die sozialistische Arbeiterbewegung mit Zerstörung bedrohen.

Wir halten diesen neuesten Versuch, einen Kollegen zum Bruch des Redaktionsgeheimnisses zu zwingen, für im höchsten Grade unmoralisch und dem Sinne des Ge­In jüngster Zeit ist von einzelnen Staatsanwälten und Richtern seges widersprechend. Für Aerzte, Geistliche und Rechts­wiederum der Versuch unternommen worden, das Zeugnis anwälte ist die Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses wangsverfahren gegen Redakteure der Tagespresse anzu­gesetzlich festgelegt. Das ist für die Breffe immer noch nicht wenden. So wurde neuerdings gegen das Mitglied der Redaktion Presse der Volkszeitung" in Löbau , Hugo Efferoth , auf Betreiben geschehen. Trotzdem hat sich in der Praxis die Ueberzeugung der Staatsanwaltschaft Bautzen vom Amtsgericht Löbau das Zeug- Fürstenfrage wie immer denken, fie fann gut oder schlecht ge­Man mag über die Taktik der Sozialdemokratie in der allgemein durchgefeht, daß die Presse ihre öffentlichen Ver­pflichtungen nur erfüllen kann, wenn ihre Vertreter auch zu niszwangsverfahren eingeleitet. Efferoth hatte sich aus grund- wesen sein, sicher ist doch, daß das unbefriedigende Ergebnis chweigen verstehen. Das ist gemeinsame leber läblichen beruflichen Erwägungen geweigert, Aus- nicht auf irgendeine Taktik" zurückzuführen ist, sondern ein­funft über den Verfasser eines die Staatsanwaltschaft Bauzen friti- fach auf die Grundtatsache, daß alle bürgerlichen Parteien zeugung der Zeitungen aller Parteien und Gruppen! Selbst die Justiz hat sich im Laufe der Jahre seine Aussage zu belasten. In einer Verhandlung in Braun sind und daß noch immer eine sehr große Bolksmehrheit hinter fiierenden Artikels zu geben und Mitarbeiter seiner Zeitung durch um die Erhaltung des Privateigentums besorgt zu der Ansicht befehrt. Und die einzelnen Vorstöße, von benen gelegentlich berichtet werden mußte, sind nur Rüdfälle weig forderte der Staatsanwalt, den Redakteur des Braun- den bürgerlichen Barteien steht. Dieser Bolksmehrheit ist es in vergangene Zeiten. Gerade deshalb aber müssen sie um schweiger Bolksfreunds", Regener, zu fragen, wer einen be recht gleichgültig, wie die Sozialdemokraten gestern im Land­so schärfer zurückgewiesen werden. stimmten Artikel geschrieben habe. Als Regener erwiderte, daß er tag geftimmt haben. Sie sieht in uns Sozialdemokraten anwalt: Wenn der Zeuge das nicht tut, bitte ich, das 3 eugnis geoisie" sind immer noch höchft gefährliche Umstürzler", ohne Not den Verfasser nicht nennen werde, erflärte der Staats- die wir im Jargon der Kommuniſter Agenten der Bour­zwangsverfahren gegen ihn in Anwendung zu bringen." benen man nicht die Hand reichen darf. Das Gericht erklärte durch Beschluß, der Zeuge dürfe die Aussage Der Beschwerdeführer macht geltend, daß er nicht nach den nicht verweigern. Regener entging der Anwendung des Zeugnis­Grunde der Zeugnisverweigerung gefragt sei. Es mag dahingest Itzmangsverfahrens nur dadurch, daß er auf Wunsch seines Re­bleiben, weil sich der Grund ohne weiteres aus der gegebenen Sach daftionsfollegen Thielemann diesen als Verfasser des Artikels lage, insbesondere der Stellung des Zeugen als Redakteur der Mär. tischen Volksstimme" ergibt.

Das sächsische Gericht in Löbau sollte besonders auf merksam lesen, was vor furzem erst ein benachbartes preußisches Gericht in ähnlichem Falle entschied:

Die Verweigerung des Zeugnisses erscheint auch aus§ 383 Nr. 5 PO. berechtigt.

Die Tagespreffe würde ihre Aufgabe nicht erfüllen können, wenn die Redakteure durch den Zeugniszwang genötigt wären, ihre Ge­währsmänner namhaft zu machen. Die eigene Verantwortung der Leiter des Blattes muß diese Kundgabe ersehen. Auch der Name des Gewährsmannes ist eine den Redakteuren traft ihres Gewerbes an­

nannte.

Wir müssen in diesem Bestreben von Staatsanwälten und Richfern einen Angriff auf die Berufsehre der Redakteure erblicken, die durch die Tradifion und innere Natur der Presse verpflichtet find, über gewiffe ihnen anvertraute, Dinge Schweigen zu bewahren. Wir erwarten deshalb auch von den gesetzgebenden Körperschaften, daß sie endlich die Redakteure den Aerzten, Geistlichen und Rechtsanwälten gleichstellen, denen die Wahrung des Berufs­geheimnisses gesetzlich vorgeschrieben ist."

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Mit fommunistischen Schimpf- und Skandalmethoden wird In diese Massen gilt es einzubringen! Aufklärung möglich, und diese ruhige, sachliche Aufklärung man sie nie gewinnen. Das ist nur durch ruhige, sachliche fann nur durch die sozialdemokratische Parteiorganisation und die sozialdemokratische Parteipresse geleistet werden. Es ist immerhin schon mehr als ein Biertel des deutschen Boltes, das bei den Wahlen seinen Willen befundet, fich von der Sozialdemokratie regieren zu lassen- es ist aber noch nicht ein Zehntel, das diefe Aufgabe der Komunistischen Partei überweisen möchte. Eine Verdoppe­lung der sozialdemokratischen Stimmen würde eine sichere Mehrheit der Sozialdemokratie ergeben. Gelänge es aber