des ihm erteilten Auftrages das Recht, die Aussage zu erzwingen und das Mittel dazu war die sinngemäße An- wendung der Strafprozeßordnung durch Verhängung einer Geldstrafe. In einer späteren Sitzung wird der Ausschuß zu entscheiden haben, ob er nach der Ausführung seiner Strafe gegen Röhm noch Wert auf dessen Vernehmung legt. Ver- weigert Röhm im gegebenen Falle wieder die Aussage, so hat der Ausschuß das Recht, über ihn eine noch höhere G e l d st r a f e oder Haft bis zu 6 Monaten zu verhängen. Das vorstehende und angeblich vom Reichsjustizministe- rium stammende Gutachten würde in der Praxis jeden Unter- suchungsausschuß lahmlegen und ihn der Lächerlichkeit preis- geben: denn schließlich wäre ein Untersuchungsausschuß, der nicht einmal das Zeugnis erzwingen kann, nichts anderes als ein Spottgebilde für renegate Zeugen. Die R e i ch s v e r- fassung will das Gegenteil und das entspricht auch einem früheren Gutachten des Reichsjustizministeriums über die strittige Frage.
Wer ift's? Wo hat der Tirpitz die Akten her? Ueber die neue Aktenpublitation des früheren Großadmirals Tirpitz haben wir am 7. Oktober ausführlich berichtet. Wir schrieben damals im Anschluß an eine Besprechung des neuen Tirpitzschen Buches auch darüber, woher Tirpitz eigentlich die Akten habe. In diesem Zusammenhang teilten wir mit: „Der Kapitän zur See Wiedemann, der jetzt im Reichs- wehrministerium ist, hat seinerzeit unter dem Borwand, die Akten des Reichswchrministeriums vor dem Zugriff der Sparta- k i st e n zu sichern, sie an sich genommen und in seiner Wohnung untergebracht. Er hat sich dann Tirpitz zur Verfügung g e st e l bt, der das darin enthaltene Material nicht nur rücksichts- los abgeschrieben, sondern die Originalurkunden des AA. mit der Schere zerschnitten und für sich verwendet hat. Später hat dann Wiedemann, als darüber in der Oeffentlichkeit ge- sprachen wurde, Bloßstellung befürchtet, und die Akten daher wieder ins Reichswchrministerium geschafft, wo die zerschnittenen Dokument« wieder zusammengeleimt worden seien. Dar- auf ist dann die Erklärung des Reichswehrministeriums er- folgt, daß die Akten vorhanden seien." Diese Mitteilungen waren kaum iin„Vorwärts" gedruckt, als schon bei unserer Redaktion mit dem Vermerk„Eilt sehr" ein Schreibebrief der Rechtsanwälte Homeyer und Donner einging, in dem uns mitgeteilt wurde, die Notiz sei„im vollen Umfang u n- w a h r und e r f u n d e n". Ihr Auftraggeber, der Herr Kapitän z. S. W i d e n in a n n, sei nicht Beamter des Reichswehrministeriums und habe keine Akten an sich genommen. Daraufhin veröffentlichten wir in Nr. 476, vom 9. Oktober, folgende Notiz: „Der Kapitän z. S. a. D. W i d e n m a n n bittet uns, mit- zuteilen, daß er mit dem Kapitän z. S. Wiedemann nicht identisch i st, von dessen Mitwirkung bei der Tirpitzschen Akten- Veröffentlichungen wir berichtet haben." Diese Notiz hat aber offenbar das Reichswehrmini- st e r i u m beunruhigt. Die Nachrichtenstelle des Ministeriums schreibt uns deshalb folgendes: „Sie brachten in Nr. 473 vom 7. Oktober 1926 die Mitteilung, daß ein Kapitän zur See Wiedemann jetzt im Reichswehr - Ministerium sei. Ihre kurze Notiz in Nr. 476 vom 9. Oktober reicht nicht aus, die Sachlage zu erklären. Ich beehre mich zur Ergänzung mitzuteilen, daß weder ein Herr von Wiedemann, noch ein Herr Widenmann, noch ein Herr mit ähnlichen Namen sich im Reichswehrministerium lMarineleitung) befindet. In der Marin« hat es nur einen Kapitän zur See(jetzt a. D.) Widenmann gegeben, der bereits - Anfang 1917 seinen Abschied genommen hat. Dieser spielt in der Aktenpublikation des AuswärtI gen Amtes eine Rolle und dürfte derjenige sein, den Sie meinen." Jetzt ist die Frage wohl wirklich erlaubt: Wer ist's? Der Herr Kapitän a. D. W i d e n m a n n, den das Reichswehrministerium angibt, scheint doch mit dem Herrn identisch zu sein, der uns durch seine Anwälte mitteilen ließ, er sei es nicht. Wer hat nun von Beiden die Wahrheit gesagt?
Der Zall Richard Schulz. Schulz leugnet— die kommunistische Landtagssraktion mißbilligt. Richard Schulz, diese besondere Zierde der kommunistischen Landtagssraktion, hat unserem Genossen Osterroth Behauptungen zu. geschleudert, die seiner schmutzigen Phantasie entsprungen und gegen die Ehre Osterroths und seiner Gattin gerichtet waren. Osterroths Söhn« haben ihn dafür mit einer. Hundepeitsche gezüchtigt. Nun erläßt dieser Schulz in der„Roten Fahne" folgende Er- klärung: Entgegen der Behauptung, ich hätte gegen die Frau des Ab- geordneten Osterroth ehrenrührige Aeutzerungen getan, stelle ich fest, daß ich keine derartigen Aeutzerungen getan habe und daß ich sie, wenn sie gefallen sein sollten, ebenso miß- billigen würde wie meine Fraktion sie verurteilt. Diesem wahrheitswidrigen Ableugunungsversuch folgt eine E r- klärung der kommunistischen Landtagssraktion, die zum Schluß auf die übliche Schimpferei auf die Sozialdemokratie hinausläuft, in ihrem ersten Absatz aber besagt: Wir erklären hierzu, daß wir, wenn Zurufe der geschilderten Art gefallen sein sollten, diese schärfst ens mißbilli- gen. Unser Kampf ist ein politischer und wird von uns mit polittschen Mitteln und Argumenten geführt. Dazu ist zu bemerken, daß die Art der Zurufe, mit denen kom- munistische Abgeordnete die Sozialdemokraten überschütteten, gar nicht geschildert worden ist und nicht geschildert werden kann. Man muß sich mit Andeutungen begnügen und mit der Feststellung, daß be- sonders die weiblichen Mitglieder unserer Fraktion ein wahres Martyrium durchzumachen hatten. Aber der Schulz will es nicht gewesen sein, und die Fraktion hat nichts gehört. Immerhin, sie will den politischen Kampf nicht noch einmal in die Sphäre der Schweinerei hinabsinken lasien. Hoffentlich hält sie dieses Ver- sprechen!_
Der Streit um üie Klöster. Schwerin siegt gegen Strelitz. Der S t a a t s g e r i ch t s h o f für das Deutsche Reich ver- handelte am Sonnabend unter dem Vorsitz des Reichsgerichtspräsi- denten Dr. S i m on s die Feststellungsklogen des Landes Mecklen- bürg- Strelitz wider das Land Mecklenburg- Schwerin über die Lerfllgungsberechtigung hinsichtlich des Vermögens der ehemaligen Landesklöster und früheren Stände. Es han- delt sich um etwa 56 Güter im Vorkriegswerte von 2!� Millionen Mark, die nach der Revolution auf Mecklenburg-Schwerin übergegangen sind. Mecklenburg-S t r e l i tz stützt sich bei seinen Ansprüchen auf die Gesetzgebung der früheren Großherzöge und der Stände, wonach das Land Strelitz das Nutzungs- und Verwaltungsrecht der Klöster und ihrer Güter seit Jahrhunderten habe. Mecklenburg-S ch w e r i n hingegen hatte unter Brandenstein zunächst den Einwand erhoben, Mecklcnburg-Strelitz sei gar kein selbständiges Land, denn es hätte nach früheren Erbfolgeverträgen längst in Mecklenburg-Schwerin ausgegagngen sein müssen. Nachdem der Staatsgerichtshof in einer Borentscheidung zu- nächst dem Land« Strelitz bescheinigt hatte, daß es wirklich ein „Land" im Sinne der Reichsverfassung sei, hat er jetzt den An- s p r u ch dieses Landes an die früheren gemeinsamen.Klöster" und ihre Güter abgewiesen. In der Begründung dieses Rechts- spruches heißt es: Die Revolution habe das Ständewessn und mit ihm auch die früheren Verträge beseitigt. Die historischen Abmachungen des früheren Staates Mecklenburg-Strelitz seien nicht mehr maßgebend. Das Nutzungs- und Verwal- tungsrecht an den Klostergütern, das früher die Mecklenburg-Strelitz - schen Stände hatten, sei damit aus den Freistaat Mecklenburg- Schwerin übergegangen.
ver sranzSsisch-kürkische„Lolus"- Streit wird auf entsprechende Vereinbarung schiedsgerichtlich entschieden werden.
Die baüischen(Dbstbrennereien. Befichtigungsreisc deS Reichstagsausschusses. Aus Baden wird dem„Sozialdemokratischen Presiedienst" geschrieben: Der Ausschutz für die Regelung des Branntwein- Monopolgesetzes unternahm in der vergangenen Woche unter Teil- nähme von Vertretern des Reichsfinanzministeriums, des Reichs- Monopolamtes, der Badischen Landwirtschaftskammer und des Landesfinanzamtes ein« Besichtigungsfahrt durch das b a d i s ch e Ob st brennereigebiet. Zweck der Fahrt war, an Ort und Stelle die Lage der etwa 36666 kleinen badischen Obstbrennereien kennenzulernen, deren Existenz durch die in dem Entwurf des neuen Branntweinmonopolgesetzes enthaltenen Bestimmungen aufs schwerst« bedroht ist. Die Reise ging von Baden-Baden aus und erstreckte sich über drei Tage, wobei nahezu 26 Orte und mehrere Dutzend Obstbrennereien besichtigt wurden. Den Vertretern des Reichstagsausschusses wie auch der Regierung sollte vor allem ge- zeigt werden, daß die im Gesetzentwurf vorgesehene Errichtung sogenannter Gemeinschaftsbrennereien für dieses Brennereigebiet eine Unmöglichkeit ist, ebenso die geplante Herabsetzung des Brennkontingents von drei aus einen Hektoliter. Die Reiseteilnehmer wohntn auch einer im Brennereigebiete veranstalteten öffentlichen Versammlung bei, in der die Klein- brenner persönlich ihre Wünsche und Beschwerden vorbrachten. Von sozialdemokratischer Seite setzte sich der Abg. S ch ö p f l i n und der frühere Abgeordnete von Straßburg , Genosie B ö h l e, für die Sache der Kleinbrenner ein.
Das Rrbeitslofenverstcherungsgesetz. Vom Reichswirtschaftsrat an den Rcichsrat. Wolfss Bureau meldet: Nachdem die Beratungen über den Ge- setzentwurf über Arbeitslosenversicherung im Vorläu- figen Reichswirtschaftsrat zum Abschluß gekommen sind, wird sich nunmehr der R e i ch s r a t mit dem Entwurf beschäftigen, die zu- ständigen Ausschüsse des Reichsrates werden am 22. Oktober mit den Beratungen beginnen._
Sürgerblock in Danzig . Tie Deutschnationalen müssen mittun. Danzig , 16. Oktober. (Eigener Drahtbericht.) An Stelle des vor 14 Tagen gestürzten parlamentarischen Senats der Mittelparteien und der Sozialdemokratie tritt schon in den nächsten Tagen eine Bürgerblockregierung. Die Deutschnationalen, die anfäng- lich den ihnen unbequemen, vom Völkerbund geforderten Abbau des Beamtenapparates und der Gehaltssätze aus dem Wege gehen wollten, haben sich auf Drängen der Wirtschaftsherrscher doch zur Regierungsbildung entschließen müssen. Der von ihnen zunächst propagierte„unpolitische" Senat fand bei den übrigen bür- gerlichen Parteien nur bedingte Unterstützung. Jetzt wird der parla- mcntarische Senat— es besteht neben ihm ein auf Dauer gewählter achtköpfigcr Beamtensenat— rein parteipolitisch zusammengesetzt werden. Dabei dürften die um die Handelskammer gruppierten reaktionären Wirtschastsführer einen starken Einfluß haben. Der neue Senat wird von sämtlichen bürgerlichen Parteien (Deutschnationale, Zentrum, Liberale, Beamte) mit Ausnahme der Hausbesitzer-(alias Volkspartei) gruppe und der zersplitterten Völki- schen gebildet werden. Er versügt nur über 62 Stimmen bei 126 Ab- geordneten, dürft« aber vielsach die Unterstützung der bürgerlichen Außenseiter erhalten. Ueber das Programm der neuen Regierung steht bisher soviel fest, daß sie die Sanierung mit Hilfe eines Er mächtigungsgesetzes auf dem Verordnungswege durchführen will. Die neue Regierung, die Mitte der kommenden Woche gewählt werden soll, scheint vor allem eine Einschränkung der Er- werbslosenfürsorge zu beabsichtigen. Sollte dem neuen Senat tatsächlich ein Abbau der sozialen Fürsorge gelingen, so tragen die K o m m u n i st e n hierfür die Hauptschuld, da s i e dem Bürger- block durch Sturz des alten Senats den Weg geebnet haben.
Interessentenkreise zu informieren. Wie aus den Abstimmungen auf der Warschauer Konferenz zu ersehen war, stehen die deutschen Autorenverbänd« auf dem Standpunkt einer Verlängerung der deutschen Schutzfrist auf 56 Jahre, entsprechend z. B. dem fran zösischen und dem neuen polnischen Gesetz, während der Börsen- verein Deutscher Buchhändler bis jetzt diese Verlängerung ablehnt. Es bleibt abzuwarten, ob es der Regierung gelingen wird, für ihre Stellungnahme auf dem Kongreß in Rom auf dem Wege eines Kompromisses zwischen diesen verschiedenartigen Anschauungen eine einheitliche Linie zu finden. Ein gesetzgeberisches Vorgehen dürfte erst nach dem Kongreß in Frage kommen, da etwaige Abänderungs- befchlüsse gegenüber den jetzigen Bestimmungen der Berner Kon- vention sich als neue völkerrechtliche Verträge darstellen würden, die in den einzelnen Teilnehmerstaaten der Ratifikation durch Gesetz unterliegen. Sine Rekonstruktion der Renaissancebühne. Di« Bühnenform der Renaissance, bei der es sich ausschließlich um provisorssch aufge- schlagen« Saalbühnen handelte, gewinnt heute durch die Wander- und Laienspiel « erneute Bedeutung, da hier ähnliche Bedingungen wie bei dem Theaterspiel der Renaissance vorliegen. Daher ist die Rekonstruktion einer solchen Bühne nicht nur historisch interessant. Wie uns aus Magdeburg berichtet wird, hat der Leiter des Münch«- ner Theatermuseums, Dr. Rapp, eine genau« Wiederherstellung der sogenannten Serlio-Bllhne vorgenommen, die nach den Beschreibun- gen des Bologneser Architekten Sebastian Serlio über sein berülpntes Theater in Vicenz aufgebaut ist. Die künstlerisch und wissenschaftlich hervorragend durchgearbeiteten Modell« vermitteln ein klares Bild von der Bühne und vom Zuschauerraum: sie wurden für die Deutsche Theaterausstellung Magdeburg 1927 geschaffen und werden dort zum ersten Mal« der Oeffentlichkeit gezeigt werden. Der lebende Pelzkragen. Di« neuest« Modetorheit In London ist der lebende Pelzkragen. Das beliebtest« Tier für diesen Zweck sind die langschwänzigen Lemuren aus Madagaskar . Sie legen sich um den Hals der Trägerin und können dort stundenlang schlafend liegen bleiben: als Schutz gegen Wind und Kälte dient dann nicht nur das Fell, sondern auch die lebendig« Körperwärm« des Tieres. Die Tierhändler oerlangen für«in Exemplar zurzeit etwa 96 Mark, wenn sich die Mode ausdehnt, wird aber der Preis wohl steigen. Mannheim , Tagungsort des Deutschen Werkbundes . Vorstand und Ausschuß des Deutschen Werkbundes haben beschlossen, die Ta- gung im kommenden Jahre in Mannheim abzuhalten, um von dorr anschleißend die Stuttgarter Ausstellung„Wohnungen der Neuzeit" besichtigen zu können. Es wurde weiter beschlossen, das Thema „Probleme des Handwerks" in den Mittelpunkt der Beratungen zu stellen._> 3n der Humboldt-Hochschule stuicht Max Nentwich am Dienstag 8 Uhr, Gcorgenstr. 80/31, über leine Reise nachden Glücklichen Inseln. Die Schmelz aui der v rutschen Thealeraosslelluag 1917. Der Verband Schmelzer Bühmn Hai beschlossen, dasj die Schweizer Tbeaier sich lollekilv an der Deutschen TbeatcrauSNellung in Magdeburg beteiligen. Sie wollen ein möglichst geschlossenes Bild schweizerischen BühncnlebenS geben. Ehodowiecki in Danzig . Au??lnlab der Lvtzjährigen GebuitStagSIeier de« Danziger Künstlers Daniel Cbodowiccki. der am IS. Oklobcr 172« in Danzig geboren wurde, ist an seinem Geburtshause eine Gedenktafel angebracht worden.
Das Werbejahr. Don Lucian. Der Volksausspruch pflegt zu sagen, daß eine Frau in die Wochen kommt, wenn das Jahr ihrer Schwangerschaft vor dem letzten Viertel beendet ist. So geht es der Sozialdemokratie: sie kommt in die Werbewoche, nachdem da» Jahr ihrer Trächtigteit, welche vielmehr die Niederträchtigkeit ihrer Gegner war. wieder einmal sich rundet. Es war ein gesegnetes Jahr, ein Jahr voll Bosheit und Schlechtigkeit von rechts, angepfropft mit Unter» drückung und Haß, mit jeder Art von Ungerechtigkeit und Hohn auf das Gebot der Nächstenliebe. Um einen der fettesten Bissen jener reaktionären Teufelsküche zu nennen, die uns fruchtbare Säfte zugeführt hat, so sei vor allem des Magdeburger Haasbratens gedacht, der unsere Parteikalorien wesentlich erhöht hat. Diese Jagd auf einen Unschuldigen, wobei man sich eines Mörders als Treibers bediente, während die Hundemeute der Rechtspresse mit wütendem Gekläff hinterdrein hetzte, diese Hasenjagd gegen Reichsbanner und die Sozialdemokratie, soll unserer Erinnerung vor allem eingeprägt sein. Aber nicht bloß der Magdeburger Hasenpfeffer war ein leckeres Mahl, sondern die verschiedensten Gaue Deutschlands bemühten sich, das Ihrige beizutragen, um das wachsende Kindlein zu nähren. Mecklenburg und Pommern , Thüringen und vor allem Bayern dienten uns mit unredlichem Bemühen. Wir gedenken mit Rührung der Kußhände, die uns alle Arten von Kußmänner zuwarfen, während der Seeckt, Marke Kaiserkrone trocken, in» bessere Jenseits davonfloß. Die bayerische Volteseele kochte ledigsich für uns, und was sie uns zubereitete, war zwar derb, aber nahrhaft. Schaum- geschlagener Monarchistenauflauf würzte oftmals die Mahlzeit. Wahrlich, das Jahr warb für uns In einem ganz besonderen Maße. Der Uebermut unserer Gegner überschlug sich derart, daß ihre Bocksprünge auch den Kurzsichtigsten belehren mußten. Der an die Grenze des Verbrechens getriebene Hochmut der Justiz, die Frechheit der republikfeindlichen Beamten haben ihre Blößen derart enthüllt, daß nunmehr auch dem Sanftesten die Galle überläuft. Bis hierher und nicht weiter! Unvergeßlich sind uns auch die Dienst« unserer Brüder von der äußersten Linken. Es wird behauptet, um einen Menschen völlig kennen zu lernen, muß man ihn in der Betrunkenheit sehen. Ihr Phrasenrausch, von den Aerzten Moskauer Dilirium genannt, hat uns tiefe Einblicke in ihre Seele gestattet. Aus einem Urgrund von hemmungsloser Roheit wuchs Bosheit und ohnmächtiger Haß, bis zu jenem letzten Stadium des Delirantentums, der sich, wie in der sog/wannten Korsakowschen Psychose, zu Tobsuchtsanfällen steigert. So möge denn das Werbejahr in die Werbewoche übergehen und unser diesjähriges Knäblein zu einem Riesenkerl gedeihen, der sich seiner Haut tapfer wehrt und nach rechts und links kräftige Schläge austeilt, dabei aber gesunden Sinn und ein fröhliches, menschenfreundliches H«rz für alle, die guten Willens sind, entwickett.
Ein charmanter �lbenü der Nuancen. Die Kammerspiele vermittelten uns gestern die Bekannt. schaft mit dem liebenswürdigen französischen Humoristen T r i st a n B e r n a r d. Sein Lustsvrel„Der gefällige T h i e r r y" be- sitzt eine sehr simple Hanolung. Thierry ist Lebemann und Lebens- stllnstler. Er erobert sich im Nu das Vertrauen seiner Mitmenschen, der Männer und der Frauen. Er läßt sich nicht lange bitten, für seinen Thiebaut Fürsprecher bei seinen Liebesaffären zu spielen. Aber er ist nicht nur gefällig, er gefällt auch den Frauen, die er Thiebaut gewinnen soll? Dem Freund räumt er zwar zunächst die Hindernisse aus dem Weg, aber dessen Freundin wirft sich ihm an den Hals. Thierry fühlt sich sehr unglücklich über einen so schnöden Vertrauensbruch. Zum Glück hat aber Thiebau am nächsten Vor- mittag sein Herz an einer anderen Flamme entzündet und bittet den gefülligen Thierry, die Werbeniission bei der neuen Liebe zu er- füllen. Hi«r geht es dem armen Thierry genau wie das erstemal. Bei der dritten Liebschaft sind wir gespannt, wie der Dichter nun den Knoten endlich lösen wird. Tristan Bernard beschert uns die netteste Ueberraschung, indem er ihn gar nicht löst. Auch die dritte Fürsprache endet wie die ersten beiden. Der Kreis des ewigen Don Juan Ist geschlossen. Die Handlung ist dreimal die gleiche, aber die Behandlung allemal oerschieden. Tristan Bernard plaudert so amüsant und so voller Charme, die Menschen und Situationen sind mit so vielerlei Nuancen gezeichnet, daß man sich mit Vergnügen noch drei weitere Akte lang vom Dichter unterhalten lassen möchte. Der Regisseur Eugen Robert hatte den Abend fein abgestimmt. Einen besseren Darsteller für die Titelrolle als Curt Götz hätte er nicht finden können. Dem nuancenreichen Lustspiel gewinnt dieser elegante Schauspieler noch seinerseits charmant« Schattierungen ab. Ein„Ach" aus seinem Munde, ein unvermitteltes Kopfschütteln ent- zündet fröhliche Heiterkeit. Seine liebenswürdig« Komik entspringt diskretesten Mitteln. Auch die gewandt« Kate Haack und der prachtvoll frische Hans Brausewetter können den Erfolg des Abends auf ihre Gutseite buchen. Nur Grete R e i n w a l d— Max Reinhardt macht den an sich dankenswerten Versuch, Filmsterne der Bühne zu erobern— berettete leider allen eine Enttäuschung. _ Dgr.
„Die Soldaten" von Lenz. Im Schlll«rtheat«r wurde schönes Theater für das alte Stück gemacht, das trotz seiner Ver- gangenheit noch mit zahlreichen Spitzen bespickt ist. Die Regie vo»> Jürgen Fe h l i n g war rätselhaft, aber auch prunkhast. Das Trauer. spiel ist nicht minder rätselhaft. Alle Rätsel können um Mitternacht nicht gelöst werden. Deshalb Vertagung bis auf Montag. Rur Luci« Mannheim werde schnell noch sonntäglich gelobt. Da» Schillertheater war am Schlüsse durch das Stück gelangweilt, durch die Regie enthusiastisch aufgeregt. M. H. Die Regierung und die Frage de» Aulorenrechl». Nachdem die internationale Autorenkonferenz in Warschau vor kurzem beschlossen hat, für eine einheitliche Regelung der Autorenrechte und ins- besondere für eine Schutzfrist von 56 Jahren einzutreten, beginnen jetzt in den an der Berner Konvention beteiligten Ländern die Vorarbeiten für den auf dos nächste Jahr angesetzten Kongreß in Rom . Wie wir aus dem Reichsjustizministerium erfahren, hat die deutsche Regierung noch keinerlei Stellung genommen, sondern ist noch damit beschäftigt, sich über die Wünsche aller beteiligten