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Nr. 490 43. Jahrgang

3. Beilage des Vorwärts

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Sonntag, 17. Oktober 1926

die Arbeit

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Die Sozialdemokratie führt.

Ihre Leistung in der Sozialpolitik. Bon Peter Graßmann, 2. Borsitzender des ADGB.

nis geschichtlicher Zusammenhänge sich nicht über das Maß Es gibt in Deutſchland   immer noch Leute, deren Kennt hinaus erweitert hat, das im früheren Obrigkeitsstaat von oben herunter fonzediert war. Von diesen kann man auch heute noch hören, daß die umfangreiche sozialpolitische Schutz­gesetzgebung, die in den letzten drei Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts und auch in der Folgezeit noch bis zum Kriege von der kaiserlichen Regierung eingeleitet wurde, dem be­sonderen Wohlwollen" für die deutsche Arbeiterschaft ent­sprungen sei. Ihnen fällt der außerordentliche Gegensah nicht auf, der zwischen diesem scheinbaren Entgegenkommen gegen über der Arbeiterschaft und der rücksichtslosen Ber folgung ihrer Organisationen und Funktionäre damals zu verzeichnen war.

Sie wiffen nicht, daß es in Wirklichkeit nicht ein freier Entschluß der Regierung, sondern die lebendige war nung der wachsenden Sozialdemokratischen Partei und der Gewertschaften war, die hier die erste Bresche in die Willkür des Unternehmertums bei der Festsetzung der Arbeitsbedingungen schlug. Während man auf der einen Seite durch das Sozialistengesetz die politische und gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterschaft zu zerschlagen fuchte, erfüllte man auf der anderen wenigstens einen Leil der aufgestellten Forderungen, um so der Bewegung ihre elementarſte Stoßkraft zu nehmen.

Aber man überfah dabei, daß aufbauend auf diesen ersten Erfolgen die politische Partei und die gewerkschaftliche Orga­nisation der Arbeiterschaft weiterfämpfen werde. um den Ausbau der sozialpolitischen Gesetzgebung, um den Schutz der Arbeitskraft vor Ausbeutung, der ja das wichtigste Ziel aller Sozialpolitik ist.

Die Freiheit der Arbeit, die der liberalisierende Staat gebracht hatte, war nur eine scheinbare. Es herrschte noch die ökonomische Unfreiheit, die durch die Abhängigkeit des einzelnen Arbeiters von der Beschäftigung in einem Unter­nehmen gegeben war. Diese Machtstellung des Unternehmers gegenüber dem Arbeiter mußte beschränkt werden.

Jede Fessel, die hier dem Unternehmer durch die Gewerbeordnung, durch Gewerbeaufsicht und Fabritinspektion, durch gesetzliche Bestimmungen über Kinder- und Frauenschuh, durch Arbeits­zeitbestimmungen, durch Schaffung von Sonder­gerichten zur Sicherung der Rechtsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und durch soziale Fürsorge und Berfiche­rung auferlegt wurde, war somit ein Schutzgesetz und geeignet, das nur formale Gleichgewicht zwischen Unternehmer und Lohnarbeiter einer wirklichen Gleichordnung anzunähern.

träge.

Volksstaat und Sozialpolitik.

Bon S. Aufhäuser, Borsitzender des AfA- Bundes. Die große soziale Umwälzung, wie sie im Novem­ber 1918 mit dem Zusammenbruch des taiserlichen Obrigkeits­wäre falsch, die deutsche Arbeiterklasse in irgendeinem Zeit­staates einsetzte, ist nicht ohne soziale Rückschläge geblieben. Es punkt über die tatsächlichen ökonomischen Kräfteverhältnisse hinwegtäuschen zu wollen. Die Sozialdemokratie muß also auch in den Parlamenten ständig gegen den Wider stand einer bürgerlichen Mehrheit anfämp fen, wobei fie die Kommunistische Partei   noch nicht einmal neben sich, sondern meist im Rüden stehen hat. Bei aller nüchternen Erkenntnis dieser Tatsachen ist es indes ebenso notwendig, auch die sozialen Erfolge unseres Ringens feit 1918 zu beachten, d. h. vor allem den neu geschaffenen Rechtsboden zu sehen, auf dem sich heute der Kampf und das Organisationsleben der Gewerkschaften vollziehen kann. Die Verfassung von eWimar, deren Sein oder Nichtsein in engster Wechselwirkung mit der Machtposition der Sozial­demokratie stand und steht, hat zunächst eine erhöhte poli­

Für die Arbeitslosen

und ihren ausreichenden Schutz tritt die Sozialdemokratie mit aller Kraft ein. Ihrer parlamentarischen Aktion ist es zu danken, daß gegen den Widerstand des Reichsarbeitsministeriums die Unterstützungsfäße 3 weimal erhöht wurden. Sie sind nach wie vor unzureichend. Die fozialdemokratische Reichstags­fraktion hat deshalb gemeinsam mit den freien Gewerkschaften den Kampf um eine wesentliche Erhöhung der Unterstützungsfähe eingeleitet. Stärkt die Partei zur

erfolgreichen Durchführung dieses Kampies!

tische Bedeutung. Die demokratische Verfassung hat das frühere Monopol der Besigenden an politischen Rechten gebrochen. Diese politische Demokratie ist zwar noch feine volle soziale Demokratie, aber sie beseitigt Hemmun­gen, die im alten Deutschland   einer Entfaltung der organi­satorischen Kräfte unserer Arbeiterklasse im Wege stand. Die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiter konnte unter dem Schutz dieser Verfassung seit 1918 eine gewaltige Verbreite: rung und Vertiefung erfahren. Bei den Angestellten und Beamten waren die neuen politischen Grundrechte und die gesicherte Bewegungsfreiheit der Berufsverbände geradezu eine Vorauslegung, um den Gewerkschafts­gedanken überhaupt verwirklichen zu können und jene große Gewerkschaftsorganisation von Kopfarbeitern zu schaffen, wie sie außer Deutschland   und Desterreich kein Land aufzu­weisen hat.

Angestellten durch brochen. Der ältere Angestellte wird als besonders schuhbedürftig anerkannt und erhält deshalb mehr Recht an gefeßlichem Kündigungsschutz gungsfristen sind in Erfüllung des Artikels 157 für Arbeit­als sein Vertragskontrahent, der Unternehmer. Die Kündi geber und Arbeitnehmer nicht gleich, sondern bewußt un=

gleich.

politit nachweisen, daß durch die Verfassung des neuen Volks­Es ließe sich auch auf den übrigen Gebieten der Sozial­staates ein neuer Ausgangspunkt für die Gesetz­gebung geschaffen worden ist. Auch in der brennenden Frage der Erwerbslosenfürsorge ist bei allen Mängeln der heutigen Regelung die grundsägliche Aende­rung gegenüber der Vorkriegszeit zu beachten, in der es eine staatliche Fürsorge überhaupt nicht ga b. Es war hier eine ununterbrochene Aktion der sozial­demokratischen Fraktion, die in diesen Wochen bei Reichstags= beginn wieder aufgenommen wird, die Säße der Fürsorge zu erhöhen, die Bezugsdauer zu verlängern und den Personen­freis auf alle Arbeiter und Angestellten auszudehnen. Es ist neben dem Erreichten ein Erfolg der 131 Sozialdemokraten im Reichstag, jene starte Abbauaktion der Erwerbslosenfür­forge a bgewehrt zu haben, die vom Unternehmertum ver­anlaßt, auch bereits im Arbeitsministerium seweit Boden ge= faßt hatte, daß im Juni 1926 die Verschlechterung der Unter­stügungssäge eintreten sollte.

Wenn die Verfassung von einem maßgeblichen Ein­fluß der Versicherten spricht und heute als erster Ansatz dieser Neugestaltung in der Knappschaft die Arbeiter und An­gestellten drei Fünftel der Size, die Unternehmer nur noch). zwei Fünftel inne haben, so zeigen sich auch hier Entwicklungs­tendenzen, die dem objektiv urteilenden Beobachter zeigen, daß die Sozialpolitik heute eben doch neue Wege geht.

Die Sozialdemokratie hat in all diesen Fragen nicht bei der Schaffung einer neuen Verfassung haltgemacht, sondern fie mar bemüht, diesen neuen Boltsstaat entsprechend den erfüllen. Das Gewicht, das die deutsche Sozialdemokratic Verheißungen von Weimar   mit sozialem Inhalt zu bei der weiteren sozialen Gestaltung des jungen republika­nischen Deutschlands   in die Wagschale zu werfen hat, be­Landes. Vereinigen wir diese und die übrigen werftätigen stimmen die Arbeiter, die Angestellten und Beamten unseres Kreise des deutschen   Volkes restlos in der Sozialdemokratie, so ist neben dem demokratischen auch das soziale Deutschland   geschaffen.

Sozialdemokratie und Beamte.

Von A. Freymuth  , Senatspräsident am Kammergericht i. R. Bon anderen Parteien wird vielfach versucht, die Beamten dadurch vom Beitritt zur Sozialdemokratischen Partei abzuschrecken, daß den Beamten vorerzählt wird, die Sozialdemokratische Partei  sei eine grundsätzliche Gegnerin des Berufsbeamtentums. demokratische Partei Deutschlands   hat auf dem Berliner   Parteitag dort ausdrücklich ausgesprochen, daß auch im Volksstaat die beruflich vorgebildeten Beamten nicht entbehrt werden können und daß die Sozialdemokratie für die im Artikel 129 der Reichs­benen Rechte der Beamten, die Anstellung auf Lebenszeit verfassung gewährleistete Unverleglichkeit der wohlerwor­und den Anspruch der Beamten auf Ruhegehalt und auf Hinterbliebenenunterstützung eintritt.

Eine solche Behauptung ist durchaus unrichtig. Die Sozial­von 1924 ein besonderes Beamtenprogramm beschlossen und

In den Jahrzehnten opfervoller Arbeit vor dem Kriege Bionierarbeit, wenn der Kollektivismus in der Ber­Es ist der Erfolg jahrzehntelanger sozialdemokratischer wurden so die tatsächlichen und psychologischen Voraus- fassung und darüber hinaus in der neueren sozialen Gesetz fegungen geschaffen, um dem Kollektivgedanken zum Siege zu verhelfen, d. h. den einzelnen Arbeiter, der allein gebung volle Anerkennung findet. Wenn zum Beispiel im ſtets in unbedingter Abhängigkeit vom Unternehmer sich neuen Arbeitsgerichtsgefeßentwurf die Gewerkschaften generell stets in unbedingter Abhängigkeit vom Unternehmer sich als parteifähig erklärt werden, alle Kollektivftreitigkeiten vor befindet, in seinen Arbeitsbedingungen zu sichern durch diese Sozialgerichte gebracht werden, so bahnt sich hier eine Gesamtvereinbarungen zwischen den Organisationen der Unternehmer und der Lohnarbeiter, durch die Tarifver wird damit bestätigt, daß die Dienstvertragsstreitigkeiten der grundlegende neue Rechtsauffassung an. Es Ebenso sind die wichtigsten sozialpolitischen einzelnen Rechtsuchenden keine Einzelfälle sind, sondern daß Schußgefeße, die nach dem Kriege erlaffen wurden, stellten handelt, das zur follettiven Bertretung durch die es sich um das Massenschicksal der Arbeiter und Ange­Resultat des vorausgegangenen Kampfes der politischen und Massenorganisation nötigt. Die Organisation der Arbeiter gewerkschaftlichen Arbeiterorganisationen. Die De mobil- und Angestellten ist im neuen Bolfsstaat ein entscheidender machungsverordnungen, die von den aus den Rechtsfattor geworden. Je früher die neuen Arbeits­Reihen der Sozialdemokratie hervorgegangenen Boltsbeauf gerichte in Kraft treten und je mehr die beteiligten Arbeiter tragten nach dem Kriege erlaffen wurden, waren die Bor selbst dort den Kollektivgedanken in der Rechtsprechung ent­Borgerichte Gerade diese Borte, im Täufer   der modernen Sozialpolitit. wickeln helfen, um so deutlicher wird diese bedeutsame Um= bildung des Sozialrechts in die Erscheinung treten.

erkannt. Als eine weitere Forderung der Sozialdemokratie ist Damit ist mit vollster Deutlichkeit das Berufsbeamtentum an= die Schaffung eines einheitlichen zeitgemäßen Be= amtenrechts im Rahmen des allgemeinen deutschen   Arbeits­rechts" in dem Programm festgelegt. Rahmen des allgemeinen deutschen   Arbeitsrechts" werden vielfach von gegnerischer Seite dazu ausgespielt, um den Beamten vorzureden, die Sozialdemokratie wolle die Beamten aus ihrer gesicherten Be­amtenstellung herausbringen und ins Arbeiterverhältnis

Dies ist durchaus unrichtig. Die Sozialdemokratie will den derselben Sicherung der Stellung führen, in der Beamten ihre Rechte lassen und die Arbeiterschaft allmählich zu jetzt schon die Beamten sind.

Die deutsche Sozialpolitik ist damit in ein neues Stadium eingetreten. In ihr hat die sozialdemo Die Sozialdemokratie bewegte sich auf derselben Linie, fratische Arbeiterschaft die Führung und den maßgebenden wenn sie als berufener Ausleger der Verfassung die Ausüberführen. Einfluß gewonnen. Gewaltig sind freilich noch die Wider- schaltung der gelben Wertvereine aus der stände, die vom Unternehmertum und den von ihm beein Selbstverwaltung in der Sozialversicherung mit Erfolg ver­flußten Kreisen ausgehen. In Kürze wird im Parlament der fochten hat. Im neuen Knappschaftsgesetz konnte zum ersten Kampf um die Arbeitszeit, um die Unterstüßung der mal das Vorschlagsrecht der Versicherten zu den Selbstver­Erwerbslofen, und ihre Wiedereingruppie waltungskörperschaften der Knappschaft auf die gewerkschaft­rung in den Produktionsprozeß, um die Siche- lichen Berufsverbände begrenzt werden. Die wirtschaftsfried rung der Arbeitnehmerrechte im Arbeitsvertrag entlichen Auchgewerkschaften sind im Gefeß nicht mehr als Ar­brennen. beitnehmervertretung anerkannt.

Die gewaltigen Erfolge, die die Sozialdemokratie in der Bergangenheit auf allen diesen Gebieten errungen hat, geben ihr die Kraft und den Glauben an eine glückliche Fortent midlung. Sie geben ihr gleichzeitig die Ueberzeugung, daß nur durch die unermüdliche Tagesarbeit, Einreihung der Massen in die Gewerkschaften und die Partei, wirfliche und dauerhafte sozialpolitische Fortschritte erreicht werden können.

Ueber 100 000 Ausgesteuerte

beziehen feine Erwerbslosenunterstüßung mehr, weil die Regierung fich weigert, die Unterffügungsdauer zu verlängern.

Die fozialdemokratische Reichstagsfraktion hat eine Attion eingeleitet, damit die Ausgesteuerten wieder einbezogen werden in die Erwerbslosenfürsorge!

Es wäre auch eine Unterlassung, die grundlegend ge­änderte Beziehung der neuen Verfassung zur Sozial­politik gegenüber der alten kaiserlichen Sozialpolitik ver­fennen zu wollen. Der Grundsatz des Artikels 157 der republi­tanischen Verfassung, wonach die Arbeitskraft unter dem besonderen Schuße des Reiches zu stehen hat, foll zwar kein Vorrecht der Arbeiter und Angestellten bringen. Aber dieser Artikel will einen verstärften Schuh der Gesetzgebung gegenüber dem kapitalistischen   Unternehmertum und gegenüber seiner ökonomischen Vormachtstellung. Auch dieser Berfassungsgrundfah ist inzwischen nach einem monate langen entschiedenen Kampf der sozialdemokratischen Reichs­tagsfraktion zum erstenmal in die soziale Gesetz gebung übertragen worden. In dem neuen Rün­bigungsschutzgesetz für die älteren Angestellten ist die for male Vertragsgleichheit zwischen Unternehmer und

der Deffentlichkeit geäußert und dabei stets betont, daß die Sozial­In diesem Sinne habe ich mich bei verschiedenen Vorträgen in demokratische Partei ebenso wie ich persönlich auf dem Standpunkt des Berufsbeamtentums mit Anstellung auf Lebenszeit, Ruhegehalt, Hinterbliebenenversorgung usw. steht. anderslautenden Ausstreuungen in der Presse ist es notwendig, dieses mit aller Entschiedenheit öffentlich festzustellen.

Gegenüber

Versorgung der Arbeitsinvaliden.

Der notwendige Wiederaufbau.

Die größte Tragik im Leben ist die Aussicht, bei Eintritt dauern. der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Alter dem größten versicherung gab, waren diese Armen ausschließlich auf Elend ausgeliefert zu werden. Ehe es eine Sozial. Armen unterstügung, deren Bezug ihnen die politischen Rechte nahm, oder auf den Bettel angewiesen. Burden sie beim Betteln erwischt, dann trat die Fürsorge" in der Weise ein, daß man sie ins Gefängnis, Arbeits- oder Armenhaus steckte und also auch der Freiheit beraubte.