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Nr. 496 43. Jahrg.. Ausgabe A nr. 253

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Donnerstag, den 21. Oktober 1926

Für Niederlegung der Handelsschranken

[ Entschließung der Internationalen Handelskammer.

Paris , 20. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Der Berwal­fungsrat der Internationalen Handelskammer hat auf Antrag des Präsidenten der deutschen Abteilung, Geheimrat von Mendelssohn , eine Resolution angenommen, in der das am Dienstag veröffent­lichte Manifest der internationalen Wirtschafts­führer zugunsten der Aufhebung der Zollbarriere vorbehalt­los gebilligt wird.

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Am Mittwoch trat in Paris der Verwaltungsrat der Internationalen Handelskammer zu einer Sitzung zu sammen, in der der Vorsitzende, Sir Allan Anderson, in einer großen Rede auf die Wirtschaftslage der einzelnen Länder einging. Seine Rede flang aus in der Forderung nach einer Stabilisie rung der noch schwankenden Währungen und nach Be­feitigung der Wirtschaftsschranten in den europäischen Ländern. Ueber die Beschlüsse der Kammer, die in vielen Buniten eine Ergänzung des Freihandelsmanifestes der internationalen Un­ternehmer darstellen, wurde ein Rommuniqué ausgegeben, in

dem u. a. erklärt wird:

Beschlüsse von sehr großer Bedeutung für das Kapital, die Arbeit und die öffentlichen Interessen sind einstimmig von dem Ausschuß für die Beseitigung der Handelsschranken und dem Ber­waltungsrat der Internationalen Handelstammer gefaßt worden. Diese Beschlüsse sind in einem Bericht zusammengefaßt, der von Sir Arthur Balfour der Internationalen Wirt­fchaftstonferenz unterbreitet werden wird. Die Beschlüsse legen die Heilmittel dar, deren Anwendung in den Augen der Ge­schäftswelt für notwendig gehalten wird, wenn man einen wirt schaftlichen Umsturz vermeiden will. Was

die Behandlung der Ausländer

betrifft und die für sie ungünstigen Geseze und Gebräuche mehrerer Länder, so fordert der Ausschuß für die Beseitigung der Handelsschranten unter Außerachtlaffung der Frage der Aus manderung und Einwanderung, die von den Regierungen allein ge­regelt werden muß, daß die Rechte der Ausländer garantiert werden burch einheitliche Gesetze in allen Ländern auf Grund inter­nationaler Abkommen. Es wird weiter gefordert, daß die obligato­rische Visierung der Pässe abgeschafft wird, da sie die Reisen von Industriellen und Kaufleuten behindert und den Touristenverkehr beschränkt. Die Ausländer müssen überall die gleichen Rechte haben wie die Bürger der betreffenden Nation, vollkommene Bewegungsfreiheit, Wohn- und Niederlassungsrecht.

Was die

Behinderungen des Eisenbahn -, Schiffs- und Luftverkehrs anlangt, so fordert man für die Eisenbahn die Standardisie rung des rollenden Materials, die allgemeine Annahme des 24 Stunden Tages, Vereinfachung und Vereinheitlichung des Reglements und der Formalitäten für den Schiffsverkehr, daß sämt­liche Länder, und zwar sofort, das Abkommen des Völkerbundes betreffend die Freiheit der Häfen ratifizieren. Der Ausschuß lenkt im besonderen die Aufmerksamkeit auf die Beschränfun gen, unter denen der Flußverkehr auf der Donau zu leiden hat. Er fordert, daß der Verkehr von sämtlichen Bindungen und Formalitäten, die feine Entwicklung beeinträchtigen fönnten, befreit wird. Für das Finanzproblem ist eine Reihe von Lösungen vorgeschlagen worden, insbesondere für die Frage der Breise und Kredite. Zur Behandlung der Ein- und Ausfuhr, zu den Zöllen und den Handelsformalitäten fordert der Ausschuß die

endlich unter den Auspizien des Völkerbundes die Schaffung eines Ständigen Ausschusses für Zoll und Handels. angelegenheiten.

Der Eindruck in London .

London , 20. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Das internationale Wirtschaftsmanifest ist hier mit bemerkenswerter Kühle aufgenommen worden, wenn auch die traditionell freihändlerisch- liberalen Blätter einige freundliche Worte geäußert haben. Es ist charakteristisch, daß die Londoner Börse im Gegensatz zur deutschen Börse auf das Mani­fest überhaupt nicht reagiert hat. Der ,, Daily Herald", der vom Manifeft ausgehend, am Dienstag in einem Leitartikel auf die Ge­fahren hingewiesen hatte, die die neuen internationalen Tendenzen des Kapitalismus für die Arbeiter als Produzenten und Konsumenten mit fich bringen, hat eine Reihe führender Politiker der Arbeiterpartei über ihre Meinung zum Manifeft befragt. Philipp Snowden hat in seiner Antwort die ablehnende Einstellung, die das Zentralblatt der Arbeiterpartei, der ,, Daily Herald", eingenommen hat, kritisiert und festgestellt, eine solche Ablehnung sei vom Standpunkt des So­zialismus aus falsch.

Neue Entwaffnungsschwierigkeiten. Folgen des Prinzengastspiels in der Neichswehr. Paris , 20. Oktober. ( WIB.) Mittwoch vormittag hat die Botschaftertonferenz eine Sigung abgehalten über die die Agentur Havas berichtet: Es sei eine Anzahl von Berichten betreffend die Entwaffnung Deutschlands zur Kenntnis genommen worden. Die Berichte behandelten verschiedene Punite, in denen die Kontrollfommiffion weiterhin der Ansicht sei, daß sie von der deutschen . insbesondere um die Organisation des Oberkommandos, hinsichtlich Regierung noch nicht befriedigt worden sei. Es handelt sich dessen die von seinem Nachfolger angenommenen Direktiven tatsächlich einige Beruhigung gebracht hätten.

Die illegalen Rekrutierungen, die zur Demiffion des Generaliffimus geführt hätten, beschäftigten gleichfalls die Konferenz. Es handele sich noch um die Herstellung und die Ausfuhr von

kriegsmaterial, die Organisation der Polizei, die Ver­äußerung gewisser militärischer Gebäude, die Befestigung von önigsberg, die sogenannten Sportverbände, die in

Wirklichkeit militärische Ziele verfolgten.

geteilt habe, daß sie in allen diesen Punkten befriedigt wor­Erst wenn die Kontrollfommission der Botschaftertonferenz mit­den sei, werde die Botschafterkonferenz den Völkerbund ersuchen fönnen, die Aufgaben der Militärkontrolle in Deutschland zu über­nehmen, wie dies in Locarno ins Auge gefaßt worden sei.

Regierung Seipel gewählt. Kampfanfage der österreichischen Sozialdemokratie.

Wien , 20. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Die bürgerliche Mehrheit des Nationalrates wählte mit 91 christlichnationalen und großdeutschen gegen 65 sozialdemokratische Stimmen am Mittwoch die neue Regierung Seipe L Die Berteilung der Ministerposten zwischen den beiden Regierungsparteien ist die gleiche wie bisher; nur wurde zum Borsitzenden der bisherige zweite Präsident des Nationalrates, Dr. Dinghofer, gewählt, der zugleich das Justiz ministerium übernommen hat. Der bisherige großdeutsche Justiz minister Dr. Waber wird am Mittwoch an Stelle Dinghofers Freiheit des Handels mit Rohstoffen. zum zweiten Präsidenten des Nationalrates gewählt werden. Bon den weiteren Ministern sind erwähnenswert der Man soll fünftig frei Rohstoffe kaufen können, ohne eine besondere Abgabe zu zahlen. Dagegen müßten die Rohstoff einführenden Län- chriftlichsoziale Dr. Kienböck als Finanzminister und der Ab­der meist begünstigung und vernünftige Zölle für die Waren geordnete Sch mig, der zum Unterrichtsminister gewählt wurde. derjenigen Länder gewähren, die Rohstoffe ausführen, ebenso für die Schmitz war im früheren Kabinett Seipel Minister für soziale Ber­waltung, wo er sich als fanatischer Arbeiterscind be Waren, die aus diesen Rohstoffen hergestellt werden. Die Kund- waltung, wo er sich als fanatischer Arbeiterscind be­tätigt hatte. gebung betont weiter den Ernst der Lage, die geschaffen wird durch die Zahl und Höhe der 3ollgrenzen, die so viele Länder um­

geben, und die die ernſteſte Beeinträchtigung des internationalen

Handels bilden.

Bundeskanzler Dr. Seipel hat bereits in der Mittwochfizung Die Brogrammerklärung der neuen Regierung abgegeben. Abgesehen von einigen Bosheiten gegen die Sozialdemokraten, war Genoffe Seit in einer längeren Rede die Stellung zur neuen Re­gierung dargelegt und erklärt, daß das Dreigestirn Seipel- Rienböd. Schmitz von der Arbeiterschaft als Provotation aufgefaßt

Ein besonderer Unterausschuß hat sich mit der Frage der in- fie ziemlich farblos. Für die sozialdemokratische Fraktion hat dustriellen internationalen Abmachungen be= schäftigt; er erklärt sich mit diesen internationalen Abmachungen ein­verstanden und empfiehlt auf diesem Wege fortzufahren, da derartige

Abkommen in der Tat der Industrie dienen, indem sie die Kon= kurrenz beseitigen, der Arbeiterschaft regelmäßige Beschäf tigung sichern und weiterhin auch den Interessen der Ver­

braucher gerecht werden, da durch sie die Preise herabgelegt werden.

Der Bericht fügt hinzu, daß die Ausdehnung derartiger inter­nationaler Abmachungen die Mittel liefern werde, die 3011­grenzen zu überschreiten und den Weg für

weitergehende Wirtschaftsabkommen

unter den Nationen frei zu machen. Die Internationale Handels. fammer wird über sämtliche industrielle Abmachungen ihrer Mit­glieder eine genaue und vollständige Untersuchung anstellen. Der Ausschuß für die Beseitigung der Handelsbeschränkungen fordert

werden müsse.

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Mussolini und Averescu .

Italiens imperialistische Politik am Balkan . Von Hermann Wendel .

Als Mussolini und Averescu am 16. September in Rom den Freundschaftsvertrag zwischen ihren Staaten unterzeichneten, mögen fie fich besonders beziehungs­voll die nicht ganz saubere Rechte gedrückt haben; denn wirklich waren hier einmal zwei Spießgefellen einander wert. Italien und Rumänien sind heute die beiden Länder, in denen Recht und Gesetzlichkeit am meisten zu den Hunden geflohen ist und der Knüppel eines schamlosen Willkürregiments triumphiert, und General Averescu, der ein Möchtegern- Mussolini ist, verfehite denn nicht, dem Faschismus eine Verbeugung zu machen, indem er die gute Berwaltung eines Landes rühmte, in dem die Bürger diszipliniert seien!

Aber trotz der aufdringlichen Sehnsucht der Rumänen, als echte Nachkommen der alten Römer zu gelten, befriedigte der Bertrag mit dem eitlen Nachäffer des antiken Römertums die öffentliche Meinung des Landes feineswegs. Die ganze Bo­litit Bufarcfts seit 1918 ging darauf aus, den territorialen Be­stand des gewaltig angewachsenen Reiches zu sichern. Daher der Beitritt zur Kleinen Entente , daher der Schuß- und Truz­vertrag mit Bolen, daher auch der vor wenigen Monden ab­geschlossene Batt mit Frankreich . Bor allem ist Rumäniens außenpolitisches Weh und Ach aus einem Bunfte zu furieren, der Sicherung Besarabiens heißt. Obwohl diese 1918 angegliederte Provinz überwiegend von Rumänen und nur zum geringen Teil von Russen bewohnt ist, hat die Sowjetregierung ihren Anspruch auf das 1878 vom 3arismus geschluckte Land feinen Augenblic preisgeben Die Grenzen aller Nachbarstaaten hat sie anerkannt, nur die Rumäniens mächte zu Garanten der neuen Besitzverteilung zu machen. nicht, und in Bufarest gab man sich schwere Mühe, die Groß­Pariser Vertrag vom 28. Oftober 1920 ratifiziert, der Beß­Aber nur widerwillig hat England 1922, Frankreich 1924 den ebenfalls Unterzeichner des Bertrages, bisher geflissentlich von arabien zu Rumänien schlägt, und Italien hat sich, obwohl seiner Ratifizierung gedrückt.

Als sich darum Averescu nach Rom begab, verhieß er, daß er die Anerkennung Italiens für das rumänische Beß­arabien mitbringen werde, aber an Ort und Stelle widerfuhr sind sich der schwarze Bolschewismus in Italien und der rote ihm bittere Enttäuschung. In ihren Gewaltmethoden Faschismus in Rußland zu wesensähnlich, als daß die römi­fchen Machthaber ohne Not den Zorn des Leningrader Ty­ranen herausfordern möchten. So fam in den italienisch­rumänischen Vertrag nicht nur teine Silbe über Beßarabien dern in einem offiziellen Schreiben an Averescu betonte im besonderen und über Grenzsicherung im allgemeinen, fon Mussolini auch ausdrücklich, daß er aus mündlich mitge= tellten Gründen das Abkommen Besarabien unerwähnt lajje, und daß der Bariser Bertrag von 1920 erst dann zu ratifizie­ren sei, wenn die allgemeinen Intereffen Italiens dadurch biß in den jauren Apfel und trollte sich mit dem fadenscheini-, nicht geschädigt würden. Der rumänische Ministerpräsident gen Trost heim, daß in Rom wenigstens die Existenz bes Bariser Vertrags anerkannt und feine Ratifizierung irgend­wann einmal in Aussicht gestellt worden sei.

Rumänien wenig Bindendes und Handgreifliches enthält und Da demnach das Uebereinkommen zwischen Italien und zudem zwischen zwei Schnapphähnen geschlossen wurde, fönnte Polen gehen: es im Ernstfall wie in Heines Gedicht von den beiden edlen

Und da feiner wollte leiden, Daß der andere für ihn zahle, Zahlte feiner von den beiden.

Aber erst wenn er zwischen den Zeilen gelesen wird, ent­

hüllt der Vertrag sein eigentliches Wesen. Die rumänische Oppositionspreise sieht in ihm nur einen Schlüffel, mit dem

fich der italienische Kapitalismus einen neuen süd­ofteuropäischen Markt aufschließen will, um gute Geschäfte zu machen. In der Tat stauen sich nach lleberwindung der gröbsten Nachkriegswirkungen auf der Apenninenhalbinsel die Produktivkräfte. Zu Ende des vergangerien Jahrhunderts noch auf die Einfuhr von Textilien angewiesen, ist Italien heute ein großer Exporteur von Baumwollwaren, der 1925 nicht weniger als 737 000 Doppelzentner auf den Weltmarkt warf. Ebenso entfällt ein Sechstel der gesamten Weltprobuftion an Kunstjeide auf das Land, wo die Ritronen blüh'n"; seine elektrische Krafterzeugung hat sich seit 1914 mehr als verdrei­facht und gewaltigen Aufschwung verzeichnet auch die Auto­recht in der Rolle eines Schrittmachers dieses Kapitalismus und betrachtet im Südosten Italien als den legitimen Erben der Habsburger Monarchie, die auch bis zum bitteren Ende nach der wirtschaftlichen Unterjochung und folonialen Aus­queischung der Balfanhalbinsel strebte. Wenn Rumänien in den letzten Jahren drauf und dran war, sich dem ökonomischen Einfluß Italiens zu entwinden, so ist nach der im Sommer gewährten Anleihe von zweihundert Millionen Lire dieser Bertrag das zweite Mittel, das Land Averescus unter die

Vierte Werbebeilage des ,, Vorwärts": mobilindustrie. Der Faschismus sieht sein tieferes Daseins­

Die Frau und der Sozialismus

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Marie Juchacz : Kultur und Volkswohlfahrt. Anna Geyer : Frauenarbeit Frauenrechte. Hedwig Wachenheim : Die Krise der Familie. Hedwig Schwarz: Vernunft in der Hauswirtschaft. Bebel über das Frauenrecht.