Einzelbild herunterladen
 

Potemk!n-?nterpellation. Gegen die bayerische Berfassnngsvcrletzung. Die sozialdemokratische Reichstagssraktion hat wegen des gesetz- widrigen Verbots des Potemkin-Films in Bayern und Württemberg folgende Interpellation im Reichstag einge- bracht: Die beim Reichsministerium des Innern gebildete Ober- Prüfungsstelle für Filme hat nach eingehender Prüfung den Potemtin-Film im ganzen Reiche freigegeben. Entgegen dem er- gangenen Spruche ist die Aufführung des Potemkin-Films von den Landesbehörden in Bayern und Württemberg o e r b o t e n worden. Billigt die Reichsregierung das von den Ländern Boyern und Württemberg gegen das Reichsrecht ergangene Verbot? Was gedenkt die Reichsregierung zu tun, um dem Reichsrecht auch in den genannten Ländern Achtung und Geltung zu ver- schaffen?"_ Kußmann und peltzer. Disziplinarverfahren gegen die Barmat-Höfle- Staatsanwälte. In einer Kleinen Anfrage des Genossen Kuttner an die preußisch« Staatsregierung über das Strafverfahren gegen Kuß- m a n n- K n o l l ist auf eine Reihe schwerer Amtsmißbräuche des früheren Staatsanwaltsrats, jetzigen Landgerichtsrats Peltzer, sowie der Affessoren K u ß m a n n und C a s p a r y verwiesen worden. Peltzer und Caspary hatten an den Aktenschiebungen des Kuhmann durch Aushändigung anitlicher Schriftstück« an Knoll teilgenommen. Kußmann hat Regierungsdirektor We i ß, den Untersuchungsausschuß des Preußischen Landtages , den Oberstaats- anwalt Tetzlaff, den Untersuchungsrichter belogen und sich dessen noch gerühmt. Caspary hat ihm dabei chilfe geleistet. Auf diese Kleine Anfrage erteilt der preußische Iustizminister jetzt folgende Antwort:..Gegen den Gerichtsassessor Caspary schwebt ein Disziplinarverfahren. Der Generalstaatsanwalt beim Kammergericht wird ferner die Einleitung eines Disziplinar- verfahren« gegen den Gerichtsaffeffor K u ß m a n n und den Landgerichtsrat Peltzer alsbald beantragen. Das Verhalten des früheren Oberstaatsanwalts, jetzigen Landgerichtsdirektors Dr. Linde, in den Strafsachen Kutisker, Barmat und H ö f l e ist bereits Gegenstand einer Nachprüfung im Dien st- aufsichtswege gewesen, die sich auch auf die Erfüllung seiner Pflicht zur Beaufsichtigung der Ihm unterstellten Beamten bezogen und zu einer Disziplinarmaßnahme gegen ihn geführt hat." Deutkbnationale ZNißwkrtfftost. Vernichtende Anklage in Mecklenburg . Schwerin . 20. Oktober. (Eigener Drahtbericht.) Im mecklen- burgischen Landtag hielt Finanzminister Genosse A s ch ein« ver- nichtende Abrechnung mit der Finanzpolitik seines Vorgängers, des Herrn von O e r tz e n, der die Stirn besitzt, gegenwärtig im Lande umherzureisen und in Versammlungen gegen dieu n e r t r ö g- liehe Steuerbelastung der Linksregierung" zu Hetzen. Finanzminister Asch konnte im einzelnen darlegen, daß die gegen- wärtige Regierung lediglich die von der s h e r e n Rechts- Mehrheit beschlossenen Gesetze bisher ausgeführt hat. llnge- heures Aufsehen erregte die Mitteiunlg, daß durch die liederliche Wirtschaft des Herrn von Oertzen dem mecklenburgischen Staat ein-Sch a den von etwa acht Millionen Mark entstanden ist. Das Finanzministerium unter Herrn von Oertzen hatte ein» fach vergessen, vom Reiche die garantierte Rücküberw.'isung von 80 Proz. der Einkommensteuern zu fordern. Um diesen Aus» fall zu decken, hat die Recht« die Landes steuern ungeheuer in die Höhe geschraubt, ihre Anhänger auf dem Lande allerdings kürch weitgehende Steuerstundungen geschont und getäuscht. Der Eindruck bei den Deutschnationalen war vernichtend, noch vernichtender wird er im Lande sein. Internationale preffeausftellung. Konstituierende Sitzung in Köln . Köln , 20. Oktober. (Mtb.) Heute vormittag fand im Hansa- Saal des Kölner Rathauses in Anwesenheit von Vertretern säint- licher interessierten Organisationen und Verbände die E r ö f f- nungssitzung der Internationalen Presseaus- ftellung Köln 1928(Preffa) statt. In seiner Eröffnungsrede betonte Oberbürgermeister Dr. Adenauer, das große Ziel der Internationalen Preffeausftellung 1928 zu Köln sei, das gedruckte Wort in ollen seinen Beziehungen zum gemeinsamen menschlichen Tun und Geschehen darzustellen. Di« Reichsregierung, sämtliche Reichsministerien und die preußische Staatsregierung sowie alle deutschen Fachverbände hätten ihre tatkräftige Unterstützung bereits zugesagt. Im Auslande begegne der Plan lebhaftester Sympathie, obwohl die offiziellen Ersuchen an das Ausland noch nicht ab- gegangen seien. Hierauf gaben Vertreter der Behörden und der Fachverbände ihre Bereitwilligkeit zur tatkräftigen Mitarbeit zu er- kennen. Für den Verein Deutscher Zeitungsverleger sprach Prof. Wolff-Dresden . für den Reichsverband der Deutschen Preffe gab dessen geschästsführender Vorsitzender Richter der Erwartung Aus- druck, daß die Internationale Preffeauestellung in Köln im Wett- bewerb mit dem Ausland nicht nur die t e ch n i s che und Wirtschaft- liche Bedeutung, sondern in erster Linie die g e i st i g e n und k u l- t u r e l l e n Leistungen der deutschen Presse darstellt. Denn nur so könne die Presse eine-«irkl!che Ausstellung des Presse- wesens werden und nicht nur eine Schau von Maschinen und Tech- niken. Der Generaldirektor der Kölner Meffe, Esch, gab sodann eine Darstellung der Pläne, wie sie bis jetzt vorliegen. Die Kölner Aus- stellung solle auf den breitesten Grundlagen aufgebaut werden und einen Ueberblick llher dasgesamteinternationalePresse- wesen lyben. Es werde angestrebt, den Ausstellungsgegenstand so- wohl in seiner geschichtlichen Entwicklung und wissenschaftlichen Be- gründung wie in seiner gegenwärtigen Gestaltung zu zeigen. Das Zeitschriftenwesen werde in gleicher Weise zur Schau gestellt. Die buchgewerbliche Abteilung werde eine Ausstellung der Buchkunst und der Gebrauchsgraphik bringen. Eine weitere Gruppe werde allgemeine Druckerei- und Vcrlagseinrichtungcn umfassen. In der GruppeVerbandswesen der Preffe" sollten die beruslichen, wirt- schaftlichen und sozialen Leistungen der großen Presse- und Drucker- verbände gezeigt werden. Die Verlagsorganisationen in Oesterreich , Holland und der Schweiz hätten ihr« Beteiligung in Aussicht gestellt. Auch die amerikanischen Preffeunternehmungen hätten großes In- teresse bekundet._ Die Sozialistische Partei Frankreichs hat für den ZI. Oktober die Delegierten des N a t i o n a l r a t s zu einer Sitzung nach Paris zufammenberufen. um vor dem Wiederzusammentritt des Parlaments die politische Marschroute der Partei endgültig fest- zulegen.

Der völkische Irrsinn. Die Stresemann -Attentäter wegen Schwachsinns freigesprochen.

Die Gerichtsverhandlung, die sich am Mittwoch vor dem Berliner Schwurgericht unter dem Vorsitz des Landgerichts- direktors Bombe gegen zwei völkische Attentats- beflissene abspielte, hat zwar mit der F r e i s p r e ch u n g der beiden Angeklagten geendet, aber sie ist trotzdem nicht vet- geblich gewesen. Sie hat vielmehr jenes Material in benga- lifche Beleuchtung gefetzt, aus dem dievaterländischen" Mordjünglinge geknetet werden. Beide Burschen, die jetzt als Angeklagte vor Gericht stan­den, sind jahrelang entmündigt gewesen. Der eine von ihnen, Lorenz, ist sozusagen von einem Irren- Haus in das andere gewandert, hat sogar in einer dieser Anstalten einmal einen regelrechten Putsch gegen das Anstaltspersonal veranstaltet und seine und der Mit- Insassen Flucht bewerkstelligt. Jahrelang hat ihm derJagd- schein" des§ 51 zur Seite gestanden, so daß alle seine in Freiheit begangenen Straftaten, Einbrüche usw. nicht straf- rechtlich verfolgt werden konnten. ?luch der andere, K a l t d o r f, der den bekanntn Brief an seinen Parteifreund Götz in München schrieb, in dem das schöne WortStresemann verwese man" in Verbindung mit dem unzweideutigen Satz niederschrieb:Das Schwein muß

Jeder Genosse, jede Genossin wir ßi in dieser"Wosfie Jltit- giieder der Jariei, £eser dem /Vorwürts'

gekillt werden", hat schon allerlei auf seinem Strafkerbholz stehen. Aber auch ihm ist der§ 51 zugute gekommen. Dieser notorisch Geisteskranke konnte in der M ü n ch e n e r Räterepublik eine Rolle spielen. Als er deshalb vor den Münchener Volksrichtern" stand, galt freilich der Un» zurechnungsfähigkeitsparagraph nicht mehr für ihn. Aber als er von der Freiheitsstrafe zurückkehrte, die ihm wegen seines Rätekommunismus" zuteil wurde, da fand er in der Hitler -Truppe diejenige Kameradschaft, in der Leute seines Schlages wohlgelitten sind. Auch Lorenz hat in dieser völkischen Bewegung eine Rolle spielen dürsen, und völkische Gesinnung s- genossen in vorgesetzten Stellungen haben beide in das Siemens-Werk eingeschmuggelt. Dadurch wurden ehr- liche gewerkschaftlich organisierte Arbeiter genötigt, mit den zu allem fähigen völkischen Brüdern unter einem Dache zu arbeiten und sich jeder Gesahr auszusetzen, die dem völki- schen Irrsinn entspringt. Das Werk, das dem Vorsitzenden des VeiivaltDgxrats d«)' Reichsbahn. Herrn v. Siemens, untersteh!, w üs d.a us �di eje. A rt zu einer Versorgungsstelle für nationalsozial'stische Desperados. Als das Gericht, dem Antrage des Staatsanwalts folgend, die beiden Jammergestalten freisprach, hat es auf die geistige Minderwertigkeit der Angeklagten ebenso Rücksicht genommen wie auf ihre Erklärung, daß der ganze Attentatsplan nicht ernst gemeistt sei. In dieser Begründung steckt sicher ein Stück philosophischer Weltbetrachtung. Aber man muß sich doch in Erinnerung rufen, daß der Brief, den Kaltdorf an Götz in München schrieb, ganz dem Geist entspricht, der in der patentnationalen Presse gegen Stresemann spukte und ganz der Tonart, d'e in der O. E., dem Wikingbund und ähnlichen Geheimverbänden gang und gäbe war. Wenn die beiden notorisch Geisteskranken oder doch geisteskrank gewesenen Angeklagton in der völki- schen Bewegung tätig sein konnten, so ist das gewiß kein Ruhmesblatt für diese, aber sie waren dort der Hetz- Propaganda besonders ausgesetzt. Und ihr krankes Hirn machte sie besonders aufnahmefähig für jene Art vonMoral", die in der völkischen Propaganda gepredigt wird und der erst jetzt vor dem Femeausschuß in München der General E p p treudeutschen Ausdruck gab Mag man die beiden Personen

um ihres schwachen Hirns willen bedauern, keinerlei Cntfchul- digung gibt es für diejenigen, die die Mordprapaganda in die Welt gesetzt haben und sich zur Ausführung unreifer Kna - den und Schwachsinniger bedienten. Daß die Kaltdorf und Lorenz so verständnisvolle Richter fanden, ist ein Glück für sie. Man fragt sich aber besorgt, was wohl mit Kommunisten passiert wäre, die sich einen solchenBicrulk" geleistet hätten wie diese völkischen Helden- jünglinge. Und man fragt weiter, zu welchen Dingen die damals betriebene Hetze gegen Stresemann sich wohl noch entfaltet hätte, wenn nicht die Verhaftung und die öffentliche Bekanntgabe des jetzt als irrsinnig gerichtlich attestierten Planes der Entwicklung einen Riegel vorgeschoben hätte. * Die Beweisaufnahme in der Verhandlung gegen Kalt- dorf und Lorenz, die, wie bereits berichtet wurde, den Staats» anwalt veranlaßte, von der Anklage zurückzutreten, nahm folgenden Verlauf: Der Zeuge G r e u ß l i ch wie auch der Zeuge Funke, auf deren Aussagen die Anklage in der Hauptsache fußte, erklärten nun, daß sie die Attentatspläne des Angeklagten Kaltdorff nicht ernst genommen hätten. Auch der Zeuge Brammer, dem Kalt- dorff über das Flugzeug erzählt hat, und der Zeuge Bonhöft wollen an die Ernsthaftigkeit der Kaltdorfffchen Absichten nicht ge. glaubt haben. Auf die Aussagen der übrigen Zeugen wird verzichtet. Bon Interesse ist noch die Aussage des Münchener Rechts- anwalts Götz, der kommissarisch vernommen wurde. Er ist Schul- kamerad des Angeklagten Kaltdorff. Etwa im Jahr« 1921 traf er ihn in ziemlich heruntergekommenem Zustande auf der Straße in München . K. gab zu verstehen, daß er eine Unterstützung brauchen könnte; er erhielt sie von Götz, der diese Stützungsaktion hinterher noch einige Male wiederholte. Als er aber dann erfuhr, daß Kaltdorff während der Rätezeit ein« Rolle gospiell hatte. entzog er ihm fein« Unterstützung um so mehr, als die Kommunisten selnerzeit eine Belohnung auf seinen Kops gesetzt hatten. Dann erhiell er eines Tages ein Manuskript eingesandt, da» einen vater- landisch gehaltenen Film enthielt. Als Kaltdorffs Brief eintraf, in dem er ihm seine Attentatspläne mitteilteStresemann Ver­wese man",das Schwein muß gekillt werden", da wußte er anfangs nicht, was tun. Er nahm zwar die Angelegenheit nicht ernst, glaubte- ader trotzdem, daß bei der Eigenart der Persönlichkeit Karltdorfss ein Attentat nicht unmöglich fei. Deshalb übergab er dev Brief der Münchener Polizei, die ihm vertrauliche Behandlung der An» gelegenheit versprach. Die psychiatrischen Sachverständigen, Dr. S t L r m e r und Dr. Dyrenfurth, waren über den Geistesgustand der Ange­klagten einig. K a l t d o r f f sei ein schwer belasteter P s y ch o p a t,h, der wegen Geisteskrankheit länger« Zeit in einer Anstalt unter» gebracht war. Schon während seines Hochverratsprozeffes in München seien Zweifel an seiner Geistesverfassung aufgetaucht. Kaltdorff sei ein P h a n t a st und Renommist, ein Schwätzer, der .zu Uebertreibungen neige. Auch Lorenz sei wegen Geisteskrank- heit längere Zeit in Anstalten interniert gewesen und habe erst im Jahre 1920 als geheilt seine Freiheit zurückerhalten. Wenn er auch im Augenblick als geheilt zu betrachten sei, so müsse man ihn doch als geistesschwach bezeichnen. Er sei sehr leicht beeinflußbar und als Kokainist ein äußerst willensschwacher Mensch. Beide An- geklagten leiden im Augenblick nicht an einer Geisteskrankheit und seien für ihre Handlungen verantwortlich. Der Staatsanwalt er­klärte auf Grund der Beweisaufnahme, daß er die Anklage fallen lassen müsse. Es bestehe zwar der Verdacht, daß die Absichten Kaltdorffs ernst gewesen seien: nachdem aber alle Zeugen erklärt haben, daß sie sein« Aufforderungen und seine Pläne nicht ernst genommen hätten, sei der erforderliche j u r i st i s ch e Tat- bestand nicht mehr gegeben. Das Gericht sprach die Angeklagken nach längerer Beratung frei. In der Begründung des Urteils hieß es unter anderem, daß die Beweisaufnahme nicht eroeben hätte, daß die Gespräche, die der Angeklagte Kaltdorfs geführt hat. sich anders, als er geschildert ab- gespielt hätten. Eine Verabredung sei aber in solch einem Falle nicht gegeben. Um so mehr als nach der Aussage des Zeugen Greußlich Lorenz ihm gesagt habe,ich verstehe den Kaltdorff nicht" und auf sein« Warnung gemeint habe,du hast recht". Es fei des- halb unmöglich gewesen sestzustellen. daß eine Verabredung statt- gefunden habe. Andererfeits konnte auch nicht festgestellt werden, daß seitens des Angeklagten Kaltdorfs eine Aufforderung dritter Personen zu einem Verbrechen stattgesunden habe. Niemand von den Zeugen hat an die E r n st l i ch t e i t der Absichten des Ange- klagten geglaubt. So mußte der Angeklagte trotz erheblich eD Perdachtsmoment« freigesprochen werden. Des- gleichen auch Lorenz, der nicht verpfkichtet gewesen sein konnte, über Kaltdorffs Pläne, an deren Ernstlichkeit er selbst nicht geglaubt habe, den Behörden Mitteilung zu machen.

tzilfe füe Nieöersthlesien. Im Ostausschuß des Reichstags fand am Mittwoch folgender Antrag einstimmig Annahme:Die Provinz Nieder- f ch l« s i e n ist als gefährdetes Ostgebiet anzuerkennen. Sie bedarf besonderer Fürsorge und materieller Unterstützung angesichts der Ver- luft« von Gebiet und Hinterland sowie der Zerreißung wirtschaftlicher Zuf amenhänge." Ferner wurde«in Antrag angenommen, der eine Einwirkung auf die Reichsbahn in dem Sinn« fordert, daß die Nebenbahnen im östlichen Grenzgebiet schleunigst ausgebaut und der neuen Grenzführung angepaßt werden. Bei Stimmenthaltung der Sozialdemokraten wurde«ine Erhöhung der Mittel für dasSofort-Programm" für den Osten um 12 bis IS Millionen gefordert._ die Sranntweinabftimmung in Norwegen . Die Mehrheit gcgett das Verbot. In Norwegen fand am Sonntag eine Volksabstimmung über die Aufrechterhaltung des Branntweinverbote» statt. Während 1919 für das Verbot 489 000 Stimmen abgegeben wurden und nur 302 000 Stimmen dagegen, also die erhebliche Mehrheit von 184 000 Stimmen für die Ei n f ü h r u n g eines Branntweinverbotes war, wurde dies- mal die Aufrechterhaltung des Verbots mit 210 500 gegen 402 800 Stimmen abgelehnt. Mit dieser Abstimmung ist das Verbot nicht aufgehoben. Das Ergebnis wird erst dem Parlament vorgelegt, das endgültig über die Ausrechterhaltung des Verbotes und über die Maß- nahmen zu beschließen hat, die an seine Stelle treten sollen. Wenn auch die jetzige Mehrheit g e g e n das verbot viel geringer ist, als 1919 die Mehrheit für das Verbot war, s« hat sich dennoch ein' Umschwung vollzogen. Hierfür sind viele Ursachen oerantwort- lich. Einmal die Herabsetzung des Wahlalters von 22 auf 23 Jahre, die naturgemäß die Verbotsgegner begünstigte. Dann waren die Verbotsgegner 1919 nicht organisiert, während sich die an der Vrannt- weinproduktion und dem Vertrieb interessierten Kreise seitdem zu- sammengefunden hatten. Dann war auch das Verbot nicht leicht

durchzusetzen gewesen. Die Grenzen Norwegens sind ungeheuer lang- gestreckt» namentlich die 2800 Kilometer lange sikhr vielgestaltige Küstenlinie ist schwer zu überwachen. So war der Kampf gegen den Schmuggel ausländischen Branntweins, wenn auch nicht unwirksam, so doch verhältnismäßig kostspielig. So ist das Abstimmungsergebnis dieses Jahres absolut kein Ausdruck dafür, daß nun jede Alkoholgesetzgebung fortzufallen habe. Wenn Männer wie Nansen und A m u n d s e n, sowie die Witwe des Dichters Djörnstjerne Björnfon in einem Aufruf für die Auf- Hebung des Verbotes eintraten, so geschah das mit dem ausdrücklichen Hinweis daraus, daß ein bloßes Verbot nicht der einzig richtige Weg zur Bekämpfung des Trinkertums sei und die Abnahme der Stimmenzahl der Verbotsanhänger ist nur so zu verstehen, daß auch vielx Abstinen-zler für seine Aufhebung eingetreten sind. Sicher sind das die Kreise, zu denen viele Männer in der Sozialdemokratischen Partei gehören, die schon wiederholt darauf hin- gewiesen haben, wie sehr Abstinenz und Mäßigkeit in den Jahren vor dem Verbot infolg« der Agitation der Arbeiterparteien und der ge- mäßigten Abstinenzler zugenommen hatten, und die wünschen, daß der Staat die Millionen, die er während des Verbots für den Kampf gegen Schmuggel und Geheimbrennerei ausgab, zur Hebung der Volksbildung und Unterstützung der Aufklärungsarbeit über die Schäden des Alkohols zur Verfügung stellt. Eine andere Strömung weift darauf hin, daß Schweden mit seiner Rationierung des Alkohols und Dänemark mit seinen hohen Alkoholsteuern be- weisbar die Quantität des im Lande getrunkenen Alkohols sehr ein- geschränkt habe, ohne die Schäden und Belästigungen eines Verbots. Fügt man noch hinzu, daß die Abstimmung das' Gemeinde- bestimmungsrecht nicht berührte, so kann man nur noch einmal betonen, daß das norwegische Volk sich nicht für den Alkohol ausgesprochen hat. Es hat einen ungeeigneten Weg der Alkoholbekämpfung abgelehnt. Sache des Parlamentes wird es fein, den besseren zu finden. Man wird wahrscheinlich das Verbot nur Schritt für Schritt abbauen und eine staatliche Kontrolle über Produktion und Verkauf des hochprozentigen Alkohols bei- behalten.