zu ziehen. Bei dem Gesamtfinanzbedarf der Städte hat sich zunächst der Anteil aus Einnahmen aus den Betrieben von 5,50 M. im Jahre 1913 auf 11,40 m. im Jahre 1925 gesteigert, d. h. die Gemeindebetriebe deckten 1913 vom Finanzbedarf 11,7 Pro3. und 1925 bereits 15 Pro z. Innerhalb der steuerlichen Einnahmen hat sich folgende Berschiebung bemerkbar gemacht. Die Einkommensteuer brachte im Jahre 1913 noch 21 30 m. pro Kopf, im Jahre 1925 nur noch 17,70 m. In Prozentfägen der Gesamteinnahmen ist der Rückgang noch viel fatastrophaler. 1913 wurden durch die Eintommensteuer 53,3 Proz. des Steuerbedarfs, 1925 nur noch 28 Proz. gedeckt. Als unvermeidliche Folge beobachten wir ein Steigen der Gewerbesteuereinnahmen von 5 M. auf 14,6 m. bzw. 12,5 Proz. auf 23,2 Proz. Ganz ähnliche Steigerungen haben die fleinen Kommunalsteuern ( Bergnügungssteuer, Getränkesteuer, Hundesteuer usw.) zu verzeichnen, deren Erträgnisse sich nicht nur absolut, sondern verzeichnen, deren Erträgnisse sich nicht nur absolut, sondern auch relativ verdreifacht haben.
Es ergibt sich also eindeutig folgendes Bild: Der Finanzausgleich arbeitete, ebenso wie alle Steuerfenkungsaktionen des Reiches bereits nach der berühmten Theorie von der Berfnappung der Mittel. Da die Gemeinden ein Zuschlagsrecht zur Einkommensteuer nicht haben, waren sie gezwungen, ihre anderen Ventile zu öffnen. Infolgedeffen erleben wir starte Steigerungen der Grund- und Realsteuern wie der kleinen indirekten Steuern in den Gemeinden. Die Berbände der Unternehmer möchten hier einfür allemal einen Riegel vorschieben. Sie verlangen Ausdehnung des Anhörungs- und Einspruchsrechts bei den Gewerbesteuern und behaupten, daß der Gedanke der Selbst per antwortung der Gemeinden sich nur dann auswirken könne, wenn diejenigen, die in den Gemeinden über die Steuern zu beschließen haben, auch unmittelbar von einer Erhöhung dieser Steuern mitbetroffen Das bedeutet so viel wie Verweigerung des Selbstverwaltungsrechts an die Gemeinden. Auf diesen Tenor ist alles abgestimmt, was von der sogenannten Wirtschaft zum Finanzausgleich und zur Forderung eines nicht nur formalen, sondern auch materiellen Gelbstbestimmungsrechts der Gemeinden bisher offiziell oder inoffiziell geäußert wurde. Auf dem Umwege über den Finanzausgleich will man fich für Beseitigung des Hausbefizerprivilegs und des Drei
flaffenwahlrechts rächen.
Demgegenüber tritt es in den Hintergrund, daß die Leitfäße der Spizenverbände auch allerhand erfreuliche und vernünftige Gemeinplätze enthalten. Wer würde es nicht begrüßen, wenn eine weitestgehende Vereinheitlich ung und Offenlegung der Haushaltungspläne, insbesondere der Gemeinden, eingeführt würde? Wer würde es aber nicht noch vielmehr begrüßen, wenn die sogenannten Vertreter der sogenannten Wirtschaft an diesen Haushaltsplänen in den Gemeindevertretungen wirklich mit Sachkunde mitarbeiten würden und uns das Schauspiel ersparen würden, daß kleine Wald- und Wiesendemagogen im engen Kreise fommunaler Ausschußberatungen für sich zwar die Notwendigkeit bestimmter Ausgaben zugeben, auf den Tagungen ihrer Verbände aber fulminante Reden über die Verschwendung der anderen halten.
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Bei aller Gegenfäßlichkeit gibt es allerdings in der Dentschrift der Industrieverbände und der des Deutschen Städtetages manche Berührungspunkte. In dem Kampf um den Steuerertrag haben sie beide einen gemeinsamen Segner. Dieser Gegner find die Länder. Das Reich hat sich sowieso im Verlauf der natürlichen Entwicklung zu einer für bie Kommunen mindestens ebenso entscheidenden Instanz entwidelt, wie es früher die Länder waren. Die Länder sind außerdem im deutschen Verwaltungsorganismus der schwächste Punkt. Da es sich um Steuerzahlen handelt, wird die Industrie fogar gegenüber Bayern start sein. Die natürliche Entwicklung wird weiter dahin gehen, daß die Kompetenzen
„ Die alles bestimmende Lebensmacht."
Von Hans Bauer.
Neulich abends, als ich mich auf dem Heimweg befand, fam ich an einem kleinen Auflauf vorüber. Eine Anzahl Leute standen in respektvollem Kreis um drei Heilsarmeesoldaten, deren einer, ein blutjunger Mann, eine begeisterte und schwärmerische Rede hielt. Er sprach von Gott und der Liebe und dem Evangelium Jesu Chrifti, und die Worte strömten ihm so warm vom Mund, daß gar tein Zweifel daran sein konnte, daß hier ein reiner und überzeugter Idealist eine von ihm für gut gehaltene Sache vertrat. Die Leute waren taftvoll genug, die Inbrunst des frommen Jünglings nicht mit Gespött zu übergießen aber feinem einzigen fam es doch auch in den Sinn, über die Straßenpredigt zu diskutieren. Sie wurde als Kuriofum bewertet, als absurde Ausgefallenheit als gedankliche Unmöglichkeit. Als der Jüngling geendet hatte, schritten die Leute weiter. Mit leisem Kopfschütteln. Mit stiller Verwunde rung. Welch ein Kauz, dachten sie.
Es gibt heute faum ein Thema, das so unaktuell, so bar jeglichen Reizes, so unumfämpft ist, wie das religiöse. Sogar die Kirchenaustrittsbewegung ist feine rechte Bewegung" mehr, einfach, meil man für die Religion nicht einmal mehr jenes Minimum von Interesse aufbringt, das die Vorbedingungen der Berneinung ist. Bei der katholischen Konfession liegen die Dinge vielleicht etwas anders, weil sie in weltanschauliche und politische Gesichtspunkte verflochten ist, aber wo weiß man noch recht, was die evangelische Kirche überhaupt mill, auf welchen Grundprinzipien sie sich aufbaut, wozu fie da ist, für wen sie eintritt!
Mit schmunzelndem Behagen liest man da, daß der Hof- und Domprediger Doehring in den vergangenen Wochen auf einer 30. Generalversammlung des Evangelischen Bundes einmal rund und offen heraus erklärt hat, daß wir zwar Kirchen und Klöster, das römische System, das er tüchtig madig gemacht hat, und einiges andere feineswegs benötigen, daß aber das Evangelium als solches dazu berufen sei, zur schlechthin bestimmenden Lebensmacht“ zu werden, daß es zu Katholiken und Juden, Idealisten und Materialisten, Kopf- und Handarbeitern, ins Bolt und in die Bölfer getragen werden müsse, daß es ernst zu nehmen sei, daß es das Plusvorzeichen vor unserem Nationalgefühl abzugeben habe und daß kein Minderer denn der Herr der Geschichte persönlich uns dieses Biel gesteckt hätte".
Es ist ja gewiß anfechtbar, daß das Pelzerbein und der Dienerbizeps zum Ideal einer gar nicht so geringen Menschenschicht gemorden sind, und ein wenig Berinnerlichung tut uns gewiß not, cber bitte schön, Herr Hof- und Domprediger: wenn das vergangene Jahrzehnt etwas Gutes gebracht hat, so die Desillusionierung der dicken Worte. der unbeweisbaren Geschwollenheiten, des zu nichts verpflichtenden Dahergeredes. Wir lästern Gott nicht und loben ihn nicht. Wir sagen bloß, daß wir uns Sie von ihm nichts wiffen. Evangelisch ist fein Kriterium mehr. Das Wort sagt gar nichts.
der Länder zum Teil an das Reich, zum Teil aber auch an die Gemeinden abgegeben werden. Auf dieser Basis wird dann allerdings eine größere finanzielle Beweglichkeit der Gemeinden möglich sein.
Erwerbslosenfragen im Ausschuß.
nach§ 30. Bei jedem Arbeitsgericht wird nach der zu§ 31 be schloffenen Fassung eine Geschäftsstelle errichtet Der Wunsch der Deutschen Bollspartei, diese Stelle als Gerichtsschreiberei zu be nennen, fand feine Mehrheit.
Wochenhilfe und Unterstützung. Das Schicksal der hängigkeit von den Landgerichten verlangten. Die fozialdemokrati
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Jugendlichen.
Der Unterausschuß des Sozialpolitischen Ausschusses des Reichstags beendete am Dienstag die Generaldebatte über die Neuregelung der Erwerbslosenfürsorge. Neben den grundsäßlichen Fragen, Erhöhung der Unterstüßung, Berlängerung grundfäßlichen Fragen, Erhöhung der Unterstützung, Verlängerung der Unterffügungsdauer, Bedürftigkeitsprinzip, wurden von verschiedenen Parteien auch noch Anträge bezüglich der Regelung oon Einzelheiten gestellt. Die Vertreter der Sozialdemokra tie beantragten eine Aenderung des§ 7 der Erwerbslosenfürsorgeverordnung in der Form, daß die Leistungen der Wochen hilfe nicht mehr angerechnet werden dürfen; sie beantrag ten ferner, die jugendlichen Erwerbslosen in die Erwerbslosenunterstützung einzubeziehen. Der Vertreter der demokratischen Partei beantragte, die Unterstützungsdauer für alle Erwerbslofen bis zum 31. März 1927 zu verlängern. Bis dahin müſſe fein. Der Vertreter der Reichsregierung legte an der Hand eines Arbeitslosen- Versicherungsgesetz verabschiedet umfangreichen Zahlenmaterials die Wirkungen der Einführung von sein. Der Vertreter der Reichsregierung legte an der Hand eines Lohnklassen dar. Der Ausschuß beschloß, in der nächsten Sizung am Donnerstag nachmittag in die Spezialberatung einzutreten.
das
Das Arbeitsgerichtsgeseh. Aenderungen der Regierungsvorlage im Ausschuß. Der Sozialpolitische Ausschuß des Reichstags beschloß am Dienstag bei ber Beratung des Arbeitsgerichtsgefeges au§ 21, das 25. Lebensjahr als Voraussetzung für das Beifizeramt zu bestimmen. Im folgenden§ 22, der die Besonderheiten für die Arbeitgeberbeifitzer enthält, fand ein sozialdemo= fratischer Antrag Annahme, wonach den Arbeitgebern für die Berufung zum Beisiger gleichstehen Mitglieder und Angestellte der Arbeitgeberverbände, die durch Satzung oder Vollmacht zur Vertretung berechtigt find. Entgegen der Regierungsvorlage werben folche Arbeitnehmer( z. B. Werkmeister), die in einer Betriebsabteilung Einstellungen vornehmen fönnen, nicht als Arbeit gebervertreter angesehen. Auf Antrag der Sozialdemokratie ist in $ 23, der die Besonderheiten für die Arbeitnehmerbeifizer regelt, den Erwerbslosen das Berufungsrecht zum Beisiger gesichert worden. Den Arbeitern stehen nach dem angenommenen fozialdemokratischen Antrag für die Berufung zum Beisitzer Mitglieder und Angestellte der Gewerkschaften gleich, die durch Satzung oder Vollmacht zur Bertretung berechtigt find. Das gleiche gilt für die Spitzengewerkschaften und für die Verbände der Angestellten.
Nach dem weiter verabschiedeten§ 24 tann die Ueber. nahme des Beifiteramtes abgelehnt werden, nach Vollenbung bes 65. Lebensjahres, bei Behinderung durch Krankheit, starte ehrenamtliche Inanspruchnahme ufw. Für die Entschädigung und den Ersatz der Fahrtkosten(§ 25) begründete Genosse 2 ufhäuser einen Antrag, der abweichend von der Regierungsvorlage für das ganze Reich eine obligatorische einheitliche Regelung porsieht. Die Amtsenthebung der Beisitzer kann durch Entscheidung einer Rammer erfolgen, die aus dem Bräsidenten des Landgerichts und je zwei Beisigern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht. Der zu diesem§ 26 gestellte fozialdemokratische Antrag, bei diefer wichtigen Entscheidung statt des Präsidenten des ordentlichen Landgerichts den Vorfißenden des Landesarbeitsgerichts als zuständig zu erklären, wurde von den fämtlichen bürgerlichen Parteien abgelehnt.§ 27 regelt bie Ordnungsstrafen für die Beisiger.
Die im§ 28 bestimmten Beifizerausschüffe werden nach der erfolgten Annahme des fozialdemokratischen Antrages gemählt, während die Regierungsvorlage die Berufung durch den Borsigenden gewollt hat. Der weiter angenommene Antrag der Sozialdemokraten gibt den Beifikerausschüssen das Recht, bei allen Fragen der Bildung von Rammern mitzuwirken. Der Ausschuß ist banach auch zu hören vor der Aufstellung der Listen über die Heranziehung der Beifizer zu den Sizungen. Die Geschäftsverteilung und bie Rammerbefeßung wurde im wesentlichen nach der Regierungsvorlage zu§ 29 befchloffen, ebenso die Heranziehung der Beisiger
Es ist eine Belanglosigkeit. Man spricht nicht mehr darüber. Als Luther seine 95 Thesen an die Schloßkirche zu Wittenberg schlug, schuf er Weltgeschichte. Das lag an den Zeitumständen. Wenn heute jemand irgendwelche 95 noch so neuartige andere Thesen an der Kaiser- Wilhelm- Gedächtniskirche zu Berlin befestigte, so schüfe er 5 Beilen Text für die Lokalchronik des nächsten Tages. Das liegt auch an den Zeitumständen. Bibelausdeutungen sind eine Geheimwissenschaft geworden. Außer ins Fachblatt gehören sie nirgendwohin. Früher gab es Religionsfriege, heute gibt es nicht einmal mehr religiöse Kaffeehausdebatten. Der Protestantismus ist ein Problem akademischen Charakters geworden, und eigentlich wird man immer nur dann an ihn erinnert, wenn jemand, der beruflich mit ihm zu tun hat, uns nachweist, daß er eine bestimmende Lebensmacht sei.
Filmhelden.
Von Christoph Blücher.
Wohin man guckt, wohin man spudt: Gin nationales Filmprcduft! Erst war's der Alte Frize Mit preußischem Geblige.
Doch trat man Frißen gar zu breit Auf allen Lichtspielbühnen. Mal Schluß mit der Vergangenheit! Jetzt flaubt man aus der heut'gen Zeit Die Heldentumsrosinen.
Nun dreht man emfig Stück um Stüd: Barademarsch mit Liebesglück, Die deutsche Seelenmischung, Als Nationalerfrischung.
Da rollt durch Großstadt und Provinz Alt- Heidelberg, die feine! Franzosenstücke! Deutscher Prinz! Jm Arme eines holden Kind's! Ein Säbelschwur am Rheine ! Marinefilm: In Treue start! Das braust durch jedes Rückenmart. Matrofen, Admirale,
Ein Herz und eine Seele! Blaujungenfang beim Abendbrot Bei schlichten Haferflocken!
Und alles treu bis in den Tod! Stolz meht die Flagge schwarzweißrot Um deutsche Frauenlocken.
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Ein füßer Kitsch! Doch: Trau, schau, wem? Der süße Kitsch hat schen System!
Man greift schon zu den Kaisern Und edlen Fürstenhäusern.
Schon tommt die Siebzger Truppenschau.
Es öffnet sich die Schleuse
Mit hehrem Marschmusikradau. Die Leute wissen ganz genau:
Mit Kitsch, da fängt man Mäuse!
Anläßlich der Erörterung über die Schaffung von Landes. arbeitsgerichten entspann sich nochmals eine grundsätzliche Debatte zu§ 32, in der die Genossen Aufhäuser und Rosen feld die Selbständigkeit der Landesarbeitsgerichte und ihre Unabschen Anträge wurden abgelehnt. Die Kommunisten hatten gefordert, daß überhaupt feine Bandesarbeitsgerichte und fein Reichsarbeits. gericht geschaffen werden, sondern die Arbeitsgerichte in einer Instanz gleichzeitig gegenseitig Berufungsinstanz bilden sollen. Da die Vereinigung von Gericht und Berufungsgericht in einer Instanz eine Unmöglichkeit darstellt, so würde dieser Antrag, falls die Kommu nisten eine Mehrheit gehabt hätten, die arbeitsgerichtliche Berufung zur Revisionsinstanz einfach beseitigt haben. Die Folge wäre gewesen, Daß die ordentlichen Landgerichte und das Reichsgericht eingeschaltet worden wären. Dieser eigene Antrag der Kommunisten zeigte wieder einmal ihr völliges Bersagen auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes.
Los von Loe!
Die rheinischen Bauern gegen deutschnationale Politik im Zentrum.
Köln , 26. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Die politischen Gegenfäße in der rheinischen Bauernschaft werden von Tag zu Tag schärfer. Auf der einen Seite stehen die von dem Vorsitzenden des Rheinischen Bauernvereins, Freiherrn von Loe, geführten Anhänger der Rechtsparteien, während die Gegenseite Don bäuerlichen Zentrumsabgeordneten, die im neuen Staat verantwortungsbewußt mitarbeiten wollen, geführt wird. Wiederholt ist es in letzter Zeit zu starken Auseinanderfegungen der beiden Richtungen gekommen, über die allerdings bie bürgerliche Presse bisher immer sehr zurückhaltend berichtet hat. Der sich heute noch offen als Monarchist bezeichnende Freiherr von Loe ist noch immer eingeschriebenes Mitglied der Zentrumspartei , trotzdem er seiner ganzen politischen Haltung nach zur äußer ften Rechten gehört. Da Loe außerdem zu den größten rheinischen Großgrundbesitzern zählt, die Mitglieder seiner Organisation jedoch meist Klein- und Mittelbauern sind und sie in ihrer Mehrheit den politischen Kurs der Zentrumspartei bedingungslos unterstüßen, ist die Ursache der Gegenfäge innerhalb der rheinischen Bauernschaft ohne weiteres erklärlich.
Die Zentrumspartei hat lange gewartet, bevor sie in die unerquicklichen Auseinandersetzungen, die letzten Endes den Kampf um die Macht im Rheinischen Bauernverein darstellen, eintrat. Jetzt endlich, nachdem die rheinischen Kleinbauern sich bereits eine neue Organisation geschaffen haben, die auf dem Boden der demokratischen Republik steht, scheint man im Zentrum einzusehen, daß die Dinge so nicht weiter gehen können. Man beginnt überall Bauernvereinsverfammmlungen einzube rufen, in denen Zentrumsabgeordnete referieren und die Politik ihrer Partei rechtfertigen. In einer dieser Versammlungen, die dieser Tage in der Koblenzer Gegend stattfand, tam es zwischen den beiden streitenden Gruppen zu lebhaften Auseinandersetzungen, die damit endeten, daß die Anhänger Loes unter Tumult den Saal verließen.
Für die Zentrumspartei wird nunmehr die Frage atut, ob sie sich endlich dazu entschließen will, gegen diejenigen, die öffentlich gegen die Politik der Partei in Versammlungen und Konferenzen Sturm laufen, vorzugehen oder ob sie auch weiterhin zusehen will, wie von Großagrartern in ihren Reihen deutschnationale Politieis getrieben wird.
Geständnisse der Miß Gibson. Faschistenblättern zufolge soll Miß Gibson ausgefagt haben, daß sie den Revolver für das Attentat auf Muffolini von einem ehemaligen der faschistischen Regierung angehörenden Minister erhalten habe. Man glaubt, daß hiermit nur der Oppositionsführer Colonna di Cesa gemeint sein könnte. Dann soll Miß Gibson dieses Geständnis zurüdgenommen aber angegeben haben, mit französischen Faschistenfeinden in Fühlung gestanden zu haben.
Eine Ausstellung des Reichskunstwarts. Eine Ausstellung ,, Die fünstlerische Formgebung des Reiches"( Arbeitsgebiet des Reichsfunstwarts). wird am Freitag, den 29. Ottober, mittags 12 Uhr, vom Reichsminister des Innern im Reichstagsgebäude vor geladenen Teilnehmern eröffnet werden. Sie zeigt in ihrem Grundstock Beispiele der während der letzten Jahre unternommenen Neugestaltung auf dem Gebiete der amtlichen Graphit und aller damit in 3usammenhang stehenden Fragen. Sie enthält also die Hoheitszeichen, Fahnen, Münzen, Medaillen, Urfunden, Drucksachen, Siegel, Stempel und Marken des Reiches und außerdem Beispiele der Auswirkung der hier vorgenommenen reformatorischen Tätigkeit aus Kunst und Handwerk. Eine besondere Abteilung wird den staatlichen Feiern, eine weitere dem Reichsehrenmal gewidmet fein. Die Ausstellung ist gegen Lösung der Besucherkarte für den Reichstag vom Freitag nachmittag an öffentlich zugänglich.
Der höchfte Wolfenkratzer. Der gigantischste Wolfenfraßer der Welt wird in furzem in der Stadt Detroit im nordamerikanischen Staate Michigan errichtet werden. Der Book Tower", wie das fabelhafte Bauwert von seinem Erbauer getauft worden ist, wird etwa 300 Meter hoch sein und 85 Stockwerfe haben, vier davon unter der Erde. Das Gebäude foll Garagen für tausend Automobile enthalten, und diese Automobile sollen so aufgestellt werden, daß ihre Besitzer fie in dem neuen Turm von Babel mit derselben Beichtigkeit werden finden können wie etwa ihren Spazierstock oder thren Hut. Der New Yorker Berichterstatter des Observer" ver sichert, daß der riesige Wolkenkrazer im Jahre 1928 fig und fertig jein wird.
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Schüleraufführungen im Großen Schauspielhaus. Gemeinſame Bes strebungen des Magistrats Berlin , des Verbandes Berliner Bühnenleiter und der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehörigen wollen der Berliner Schuljugend Klaffiter und moderne Autoren in fünstlerischen Aufführungen vermitteln. Als erstes Wert ift Bilbelm Tell" gewählt, das am 28. Dftober nachmittags im Großen Schauspielhaus in Szene gebt. Die Inszenierung bat Leopold Jeiner übernommen. An weiteren Werken find Florian Geher, Rabale und Liebe, Die Weber, Minna von Barnhelm, Wallenstein , Lum-. pazivagabundus vorgesehen.
Konzert der„ Habima ". Die Gesellschaft der Freunde jüdischer Musik" und der Musikverlag, Suwal" veranstalten ein Konzert am 31., nachmittags 4 Uhr, im me i fteriaal, Röthener Str. 38, unter Mitwirkung prominenter Mitglieder des Mostauer Künstlerischen Theaters Habima".
Frant Wedefinds bisher nie gespieltes fünfattiges bistorisches Schauspiel Bismard" gelangt am 30. im Deutschen Nationaltheater in Weimar zur Uraufführung.
Der Künstlerdant veranstaltet vom 1.- 15. November eine Ausstellung der Aquarelle des Dichters Hermann effe aus dem Tessin in der Amelangschen Buchhandlung, Charlottenburg , Kantstr. 164. Die Aquarelle Hermann Hesses werden zum ersten Male in Deutschland gezeigt.
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Gegen die Schund- und Schmuhgesehvorlage. Der Bund entschiedener Schulreformer" und die Deutsche Liga für Menschenrechte, E. B." stalten am 3. November, 8 Uhr abends, im ehemaligen Herrenhaus unter obigem Thema eine Versammlung. Als Referenten find vorgesehen: Walter Hammer , Arthur Holitscher , Prof. Oestreich, Carl von Dffießty. Für Unkostenbeitrag werden 60 Pf. erhoben.
Selbitverwaltung in den Moskauer Schulen. In den Moskauer Schulen sollen die Schüler und Schülerinnen zu einer gewissen Selbstverwaltung ihrer Schulen erzogen und organisiert werden. Den Lehrern find bereits die entsprechenden Borschriften zur Einrichtung solcher Berwaltungszellen zugegangen.