Um die Bedeutung dieses Erfolges voll zu ermessen, muß man bedenken, daß erstlich dadurch mit den Stimmen bürgerlicher Parteien die bürgerliche Mehrheit im Magistrat beseitigt worden ist(auch bei der Wahl eines bürgerlichen Kämmerers stehen 12 gegen 12 Stimmen), daß zweitens das Zentrum nicht gegen einen sozialdemokrati» sehen Schulrat gestimmt hat. daß drittens die Demokraten gegen ihren eigenen Bauratskandidaten und viertens alle Par- tcien gegen ihre eigenen Stadtfchulratskandidaten stimmen mußten. Wenn alles das— was Zweifler noch am Abend der Abstimmung für unmöglich hielten— tatsächlich g e- s ch e h c n ist, wie das Wahlergebnis beweist, so zeigt dies bester als alle Worte, welche Stellung sich die Sozialdemo- kratie durch ihre konsequente und verantwor- tungsbewußte Politik im Rathause errungen hat. Die Volkspartei ist übrigens, wie schon die Abstimmunzs- ziffern zeigen, dem Kompromiß nicht beigetreten, so daß sich das Lügengewebe der„Roten Fahne" vom Popanz einer „Großen Koalition" von selber richtet. Den Kämmerer Posten hat die Fraktion für einen Linksdemokraten und entschiedenen Republikaner freigegeben, nicht zuleßt aus der Erwägung heraus, daß der Leiter der Finanzen in der jetzigen wirtschaftlichen und sozialen Situation für jede Partei eher eine parteipolitische Belastung als eine politische Machtposition darstellt. Die Mittelparteien haben sich, wie das Wahlresultat ausweist, bisher noch nicht über einen gemeinsamen Kandidaten einigen können. So ist es dahin gekommen, daß gestern nur d i e drei Posten besetzt worden sind, die die bürgerliche Magistrats- mehrheit b e s e i t i g e n„ daß nur drei Sozialdemo- traten endgültig gewählt sind. Und dieses Ergebnis ist der„Arbeiterverrat" der „Roten Fahne" und der geschwollenen kommunistischen Erklärung. Um dieses Ergebnis zu verhindern, haben die Sommrniisten Pauken und Hupen und Waldteufel in den Sitzungssaal geschleppt. Um dieses Ergebnis zu verhindern, haben sie abermals das bedauerliche Schauspiel heraufbezwun- gen, daß Schupo in den Parlamentssaal geholt werden mußte, haben sie geschrien, getobt und gevrügclt. Gegen dieses Ergebnis rufen sie heute die„Masten" heraus zur Protest- kundgebungl Aber noch e i n Ergebnis haben die Borgänge bei der Wahl gezeigt, nämlich dieses: daß mit dieser kommunisti- schen Fraktion, deren einsichtige und verständige Mitglieder sich niemals in irgendeiner wichtigen Situation gegen die Schreier und Skandalmacher durchsetzen können, eine gemeinsame Politik im Inter - esse der schaffenden und notleidenden Massen Berlins schlechterdings nicht zu machen ist. Wer es noch nicht gewußt hat, dem sind gestern abend endgültig die Augen geöffnet worden. Denn das. was die Kommunisten gestern abend versucht haben, was ihnen aber erfreulicherweise nicht gelungen ist, die Zer- schlagung der bürgerlichen Mehrheit des Magistrats zu v e r- hindern, die Wahl dreier sozialdemokratischer Magistrats- Mitglieder zu verhindern und ihre Sitze den Bürger- lichen in die Hände zu spielen, das war in der Tat A r b e i t e r v e r r a t in der schlimmsten mög- lichen Form! Oos Kommunistenblatt verschweigt... Die rüden Szenen, die gestern von der kommunistischen Rat- hausfraktion aufgeführt wurden und das Eingreifen der Polizei� notwendig nrachten, werden in der„Roten Fahne" schamhaft verschwiegen. Das Blatt, das sonst jede kommunistische Heldentat ruhmredig zu vergrößern sucht, oerschweigt den kommunistischen Arbeitern mit nicht inißzuoerstehcnder Eindringlichkeit, welcher Art die so- genannte„Obstruktion" war, die ihre Rathausfraktion veranstaltete, verschweigt den Höllenspektakel mit AutoHupen, Paukenbecken, Tuten. Trillerpfeifen und anderen klangvollen Instrumenten, o e r-
schweigt, daß ihre„Stadtväter" sogar auf die ihres Amtes waltenden Schupobeamten einichlugen, kurz: verschweigt die eigentlichen Heldentaten ihrer„Arbeitervertreter". Ist in der„Roten Fahne" ein letzter Funken von Scham- g« f ü h l erwacht über die Burschen, denen die kommunistischen Wähler ihr Vertrauen ausdrückten? Keineswegs. Dies plan- mäßige Verschweigen dient nur dazu, um die Notwehraktion des Stadtparlaments desto unverschämter anzupöbeln, den sozialdemokratischen Stadtverordnetenvorsteher zu beschimpfen und selbstverständlich die moskowitischen Radaubrüder als verfolgte Un- schuldsengel hinzustellen. Das Verschweigen wie die Wort« sind gleich verlogen. Ebenso erkennbar verlogen wie die Behauptung des kommunistischen Abendblattes von gestern, der„Vorwärts" habe die IS Millionen Wähler, die beim Volksentscheid mit Ja stimmten, nachträglich als— Idioten bezeichnet. Da von den 15 Millionen der weitaus größere Teil sozialdemokratische Wähler waren, so wird uns unterstellt, unsere eigenen Parteianhänger als Idioten be- zeichnet zu haben. Diese Unterstellung ist so dumm, daß man schon Dauerlescr der Moskauer Abfallprodukte sein muß, um sie zu glauben._
deutschnationaler Sinn und Unsinn. Hergt und Stresemann. In Liegnitz hielt gestern abend Hergt eine Rede, in der er sagte: Die Deutschnationale Volksxartei treibe praktische Politik und dränge sich dazu, praktisch mitarbeiten zu können. Es sei die Tragik des deutschen Volkes, daß acht Jahre nach der schwersten Zeit, alle, die hinter der Partei ständen, an der deutschen Politik nicht mit- helfen könnten. Die Erfüllungspolitit der Vergangenheit mit ihren furchtbaren Folgen lieg« jetzt weit hinter uns. Die andere Tragik des deutschen Volkes sei, daß durch die v e r- fehlte Außenpolitik, die die Politik der Sozialdemokratie ge- wesen sei, auch die Innenpolitik zum Nachteil des deutschen Volkes beeinflußt worden sei. Di« Entwicklung der letzten Monat« gebe, so eigenartig es auch erscheinen mög«, die Hoffnung, daß es doch zu e)nem Verstehen komm«. Locarno habe trennen müssen, ober T h o l r y, das nicht für sich allein betrachtet werden könne, biete Möglichkeiten eines gemeinsamen, von deutschnationalem Sinne durchtränkten Zusammengehens. Zu gleicher Zeit richtete der erkrankte Dr. S t r e s e- mann an seinen Parteifreund Kaiser in Dresden einen Brief, in dem er u. a. ausführte: Es schmerzt mich wn so. mehr, in Dresden nicht sprechen zu können, als ich dadurch auch der Möglichkeit verlustig gehe, all dem Unsinnentgegenzutreten. derjetztüberdieAußen- Politik gesagtwird. Was soll das heißen, wenn v o n e i n« m dcutschnotionalen Abgeordneten davon gesprochen wird, daß„der Glaube an eine internationale Jnterestensolidarität der Völker und der Wirtschaft eine Ausfassung sei, die woniöglich noch Verhängnis- voller sei, als der marxistische Irrtum einer internationalen Jnteresien- solldarität der Arbeiterschaft". Ist denjenigen, die etwas derartiges sagen, nicht bekannt, daß das international« Eisenkartell der deutschen Großindustrie in Frankreich , Belgien und Luxemburg seine Entstehung einem de u t s ch n a t i o na le n führenden Mann« der Wirtschaft, wie Fritz Thyssen , mitverdankt? Weiß man nichts daß das international« Kaliabkommen von Persönlichkeiten abgeschlossen worden ist, die nur rechts st ehenden Kreisen an- gehören? Stresemann erklärt also den„deutschnationalen Sinn", mit dem Hergt die Zlußcnpolitik durchtränken will, für Un- sinn. Dieses harte Urtell trifft auf die Liegnitzer Rede H e r g t s ebenso zu wie auf die Dresdener Rede des Herrn Treoiranus. Hergt sagt, die Erfüllungspolitik liege weit hinter uns. Dabei hat die Erfüllungspolitik doch erst dadurch den richtigen Schwung bekommen, daß die Deutschnationalen zu 50 Proz. für die Annahme des Dawcs-Pakts stimmten.
Hat die Erfüllungspolitik„furchtbare Folgen"— in Wirklichkeit war sie das einzige Mittel, um die furchtbaren Folgen der deutschnationalen Kriegspolitik zu mildern—, dann sind diese Folgen erst von Hergt selbst herbeigeführt worden in den Ber- Handlungen, die er seinerzeit mit C u r t i u s über die An- nähme des Dawes-Pakts führte. Locarno lehnt Hergt ab, Thoiry akzeptiert er! Weiß der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses nicht, daß die Loslösung Thoirys von Locarno ein vollkommener Un- sinn ist? Die Deutschnationalen wollen mit nationalistischen Phrasen, die für die Massen bestimmt sind, eine inter - nationale Geschäftspolitik treiben. Wo materielle Interesten in Frage kommen— siehe Eisen und Kali!—, sind sie sofort für internationale Verständigung. Aber wo es gilt, die Massen zu betören, da schimpfen sie Frankreich den „Erbfeind". Das ist eine Politik der Beute und des Volksbetrugs, die das ganze öffentliche Leben vergiftet. Wehe Deutschland, wenn seine äußere und innere Politik von diesem„S i n n" durch- tränkt würde!
Schweigen über Tirpitz. Die Rechtspresse sagt kein Wort— das Reichswehr - Ministerium dementiert nicht. Auf unsere Fessstellung, daß Tirpitz amtliche Akten widerrechtlich benutzt und dann wieder in das Marinearchiv habe zurückschaffen lassen, herrscht verlegenes Schweigen auf der Rechten. Wie auf Vcr- abredung wird totgeschwiegen, daß Tirpitz oder seine Helfershelfer amtliches Eigentum benutzt, zerschnitten wieder zusammengeleimt und so rechtzeitig in das Marinearchiv zurückgebracht haben, daß dieses die Reichsregierung über den wahren Tatbestand m die Irre führen konnte. Nun schreibt uns Herr Widemnann, dessen Namen wir beiläufig erwähnten, durch«in Rechtsanwaltsbureau folgende Berichtigung: „Es sst unwahr, daß ich Akten aus dem Amtsbereich der Marineverwaltung oder einer sonstigen Behörde unter irgend einem Vorwande an mitgenommen habe. Ich habe deshalb auch dem Großadmiral von Tirpitz Akten nicht zur Verfügung gestellt." Demgegenüber stellen wir von neuem fest, daß es uns auf die Person dessen, der Tirpitz die Akten verschafft hat. nicht, sondern nur daraus ankommt, daß Tirpitz Akten des Marmearchios benutzt, sie wieder zurückgesändt hat und das Marinearchiv, mit oder ohne Em- oerständnis des Reichswehrministers, diese für Tirpitz ungünstige Um- stände verschwiegen hat. Allen an der Hauptsache vorbeigehenden Dementis gegenüber stellen wir fest: Auf unser« erst« Mitteilung über den wahren Sachverhalt haben Tirpitz und das Reichswehrminsstermm ebenso wie über unsere gestrig« geschwiegen. T i r p i tz hat mit keinem Wort bestritten. daß die Ding« sich so verhalten, das Reichswehrmini st erium hat sie ebenfalls mit keinem Wort bestritten. Auf Tirpitz bleibt der Vorwurf hasten, widerrechllich Akten benutzt und gebraucht zu haben, auf dem Reichswehrministerium oder dem Marinearchiv bleibt der Vorwurf, die Reichsregierung irregeführt zu haben.
Deutsch -polnisihes Nechtsabkommen. Regelung der Nachlahfrage. Am 27. Oktober wurden im Auswärtigen Amt ein deussch- polnisches Nachlaßabkommen und ein deutsch -polnisches Ueberleitungsabkommen über Personenstandregister unter- zeichnet. Mit der Unterzeichnung dieser beiden Abkommen können, wie die zuständige Stelle erklärt, die Arbeiten der Rechtskom- Mission der deutsch -polnischen Wirtschaftsdelegaticn nach über drei Jahre dauernden Verhandlungen in der Hauptsache als abgeschlossen gelten: die der Kommission sonst überwiesenen Materien sind bereits durch ein« Reihe anderer Abkommen geregelt, die schon in Kraft getreten sind.
Die künsilerische Formgebung öes Reiches In der WandclhalledesReichstags sind die Entwürfe und Abbildungen ausgestellt, die das Arbeitsgebiet des Reichs. k u n st w a r t s illustrieren. Hier tritt man nun einmal mit ganzem Bewußtsein in die furchtbare Ueberlcbensgröße der Wallotschcn Kulissen aus Sand- stein, und erschrickt. Weniger vor dem eiskalten Pomp und der Leere dieser ohne alle Befugnis für repräsentativ erklärten Architck- tur, deren bare Imitation man ja reichlich auch sonst deutsche Lande verpeste» sehen kann, als vor dem Gedanken, daß in diesen Räumen die Politik eines Sechzigmillionenvolkes beglaubigt wird. In diesen Hallen nun, Denkmal gefrorenen Dunkels, steht der Rcichskunstwart und erläutert die Dokumente seiner sechsjährigen Arbeit, die da in einem halben Dutzend Kojen weitjchichtia und geschmackvoll ausgebaut sind. Man kann sich keine größeren Gegen» sötze denken, als diese neuartig hübschen Entwürfe von Flaggen, Reichsadlern, Stempeln, Briefmarken, Medaillen, Wappen, Schil- dern und Drucksachen, slantien von Photographien der paar Reichs- feiern und einigen Vorschlägen für das Reichsehrenmal— und die bimmelhohen Steinsäulen und Architrave, die mit einem grenzen- losen Hochmut aus den kleinwinzigen Einbruch in ihre traditionelle Unfehlbarkeit hinunterglotzen. S i e sind die Vergangenheit, Gegen. wart und Zukunft: was kann ihnen dieser Versuch einer neuen Form anhaben! Die Herren, die hier zu kommandieren haben: was sogen sie zu den schönen Worten und Briefmarken des Reichs- kunstwarts? Sie lachen darüber. Armer ReichskunstwartI In den Ozean schiffte mit tausend Masten der Jüngling, anno 1320. Was bringt er nun, nach sechs Jahren— nicht etwa aus eigener Initiative, sondern auf aller. höchsten Wunsch des hohen Hauses selber, vor das so schön genannte Forum der breitesten Ocsfentlichkeit? Seine Schuld ist's wahrhaftig nicht, wenn die Ausbeute so mager ausgefallen ist und er selber, der Freund und Protektor der ausrechten Künsllerjugend, immer wieder den ironischen Unterton schmerzlicher Entsagung muß durchklingen lassen. Nein, Redslob trifft keine Schuld. Er hat sich überall um Auf- nähme neuen Geistes und wahrer Kunst in den muffigen Bezirken des heiligen Bureaukratius bemüht. Aber er war nur ein Ein- zelnet und ein Künstlermensch dazu, der der glatten„Realpolitik" und den verstockten Bonzen durchaus nicht gewachsen ist. Der Aktendcckel-Pappmachö-Mensch unserer glorreichen Bureau- kratie hat auch diesen frischen Geist um olle Wirkung gebracht. Reden Sie nur, allverehrter Herr Reichskunstwart, lassen Sie sich vom Reichsiimenminister„den Vorteil zielbewußter Arbeit Inner- halb der aktiven Kunstbetätigung des Reichs" bescheinigen. Sie wissen es besser als wir. was hinter solchen Mlnisterialausdrücken steht. Und was nach abermals sechs Jahren sisyphushafter An- strengungen aus Ihrem Bureau hervorgegangen sein wird. Sie wollen es gar nicht wissen? Leider, leider ahnen wir Unter- götter es um so sicherer. Und wir wollen es Ihnen nicht oorent- halten: Nichts. Dr. Paul F. Schmidt.
Bekämpfung öer Svphilis. Im Auftroo der Deutschen Gesellschaft zur B«- kämpfung der Geschlechtskrankheiten hielt Prof. Erich Hoffmann , der als Mitarbeiter von Schaudinn zu den Entdeckern des Syphilis«rr«g«rs gehört,«inen Vortrag„W i« kann die Menschheit von der Geißel der Syphilis befreit werden? Cr bracht« in der Einleitung sehr anfechtbare Statistiken aus Belgien , England und Frankreich , ohne mit einem Wort Zahlen aus Deutschland zu erwähnen. Seine Mitteilungen sind obne jede Iahresangabe. So sterben in Belgien jährlich 15 000, in England 60 000 und in Frankreich 1-10 000 Menschen. Im letzteren Lande sollen pro Jahr 130 000 Menschen neu angesteckt werden. In Paris soll jeder zehnte Einwohner syphilitisch sein und-10 Proz. der Kranken- Hausinsassen an Lues leiden. In Belgien seien 22 Proz. der Be- völkerung syphilitssch. Wie gesagt, hat er kein« Zahl über Deutschland gegeben. Cr zeigt« dann einige Lichtbilder über das Vorkommen von Syphilis als Berufskrankheit bei Hebammen und Aerzten und stellt« einen Fall vor, wob«i sich«In Assistent eines Pathologischen Institutes nach vier Tagen an«Iner syphilitischen Leiche infiziert hat. Er betont« dann die hervorragenden Verdienste, die deussch« Forsch«? bei der Bekämpfung der Syphilis sich erworben hätten. Er nannte di« Namen Wassermann, Ehrlich und Schaudinn, dann noch M« i n e ck e und Sachs-Georgi, di« eine der Wassermannschen ähnliche Blutreaktion gesunden haben. Er ging dann auf di« Behandlung der Syphilis ein und zeigte sich als«in groß«? Anhänger des Salvarsan. Er bezeichnete das Saloarsan als dos HeilmiU«! der Syphilis, das bei einer gleichzeitigen Benutzung von Wismuth sicher« 5)eilergebnisse erzielen würde. Er führ« in seiner Klinik in kurzen Abständen drei kombinierte stark« Kuren aus. Dann ging«r auf di« Behandlung der Paralyse ein und teilt« mit, daß Wagner von Iouregg in Wien als erster di« Behandlung der Paralyse mit Malaria eingefiihrt habe. Zum Schluß gab er einige Möglichkeiten an, die zu einer Ein- dämmung der Syphilis führen könnten. Als bestes Schutz- mittel gegen«in« Syphllis-Infektion bezeichnet« er die Treu« und dann den Gebrauch von Schutzmitteln. Er macht« dann noch folgend« Vor- schlüge zur praktischen Bekämpfung. Erstens ein« gesetzliche Regelung, wie sie im Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vorge- sehen sei und womit man in Dänemark und Schweden schon gute Er- folge erzielt habe. Zweitens«in« systematische Untersuchung aller Gebärenden in Gebäranstolten und der Schwangeren in der Schwangerenfürsorge. So habe er im Jahr« 1903 bei Untersuchungen in der Hebammen-Lehranstalt in Halle 20 Proz. der Gebärenden syphilitisch befunden. In Bonn seien es 1910 10 Proz. gewesen und diese Zahl sei nach dem Kriege aus 7 Proz. gefallen. Aus seinen Ausführungen mußt« man entnehmen, ohne daß er es aussprach, daß er gegen di« Einleitung des künstlichen Abortus sei und glaubt, durch seine starken Kuren zu vermeiden, daß das Kind syphilitisch erkrankt geboren würde. Zum Schluß leistet««r sich noch, wie es be! gewissen Universitäts - Professoren leider unvermeidlich zu sein scheint, einige politisch« Ent- glcisungen, wenn er die Okkupation des Rhcinlandes als die
„Franzosenkrankheit " bezeichnet und glaubt, daß dies« wie auch die Syphilis durch deutsch « Arbeit bekämpft werden könne. Gerade bei einem Mitglied der Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrank- heiten, die als«in« der wenigen Gesellschaften auch heute schon wieder die Beziehungen zu den Gesellschaften gleicher Tendenz in den alliierten Ländern ausgenommen hat, wird man durch«in« solch« Betonung sehr unangenehm berührt. E>r. med. Norb«rtMarx.
Zum Schund- und Schmuhgeseh äußert sich Heinrich Mann folgendermaßen:„Dos beabsichtigte Gesetz ist der überhaupt frechste und roheste oller dagewesenen Versuche, in das Leben des Geistes einzugreisen. Fachmenschen, Durchschnittsgestallen mit Halbbildung und Viertelsdenkoermögen werden instand gesetzt, jedes beliebige Buch heimlich und ohne Möglichkeit eines Einspruches aus der Oeffentlichkeit oerschwinden zu lassen. Das hat das Kaiserreich sich nie erträumt. Dafür mußte vor allem die Inflation kommen, die Masse der Intellektuellen mußte arm und dumm gemacht werden. Jetzt vergreist man sich unmittelbar an der Literatur, die keine natürlichen Verteidiger mehr hat. Sittlich« Vorwände täuschen niemand. Es handelt sich im Gegenteil um tief unsittliche Inter - essen, die„untragbar" finden, daß noch frei gegen sie sollte geschrieben werden dürfen. Schändlicher Mißbrauch des Namen« der Jugend, wenn doch nichts anderes bevorsteht, als eine den herrschenden Interessen verpflichtete Jndex-Kongregation und die Abwürgung von Denk- und Dichtwerten im Keller!"— Dr. Franz D ü l b e r g: „Der Kampf gegen den Schund— bewußt übertreibende ensstellende Darstellung von Lebensoorgängen— und gegen den Schmutz— anreizende Vorführung von Liebesgeschehnisscn, die zum Mißbrauch eigener und fremder Sexualorgane verleiten könnte— oermag meines Erachtens mit hinreichender Kraft von den Erziehung?- oroancn, Elternhaus, Schule, Kirche, Partei, ärztliche Beratung-- stelle, Dolksbildungsanstalt, Presse, betrieben zu werden. Obrig- keitliche Organe besitzen nicht die nötige Anpassungsfähigkeit, um Mißgriffe zu vermeiden. Unter„Schund" kann jede temperament- volle Romantik, unter„Schmutz" jedes ethisch wertvolle erotische Bekenntnis, jeder Versuch zur Reform unserer Serualisten angc- prangert und in seiner Verbreitung beengt, schließlich also unter- drückt werden. Das kostbare Gut des Deutschtums ist Vielgestallig- kett und Freiheit der Lebensformen. Die Gesunden unter uns dürfen nicht Sklaven der Kranken werden, die durch irgendeine Nackt- darstellung zu Untaten verleitet werden können."— Prof. Dr. Franz Oppenheimer :„So sehr ich die Verwirrung dieser Zeit be- klage, so scharf ich ihre Auswüchse erkenne: als ein viel größeres Unglück würde es mir noch erscheinen, dem Philister die Freiheit des geistigen Schaffens auszuliefern."
.'keeie Sogollstssche Hochschule. Am 30.. abend» 7 Uör, spr'cht Pros. SJruno ft u« f c, Köln , im Rahmen der„Freien Lostali uschen vachschule' über„üuiopa und die Stlimii tichaft*. Karlen zum Preise von M. 0,50 sind in der Buchhandlung I. H. B. Tietz, Lindcnslr. 3 und r.n der SIbendkasse erhältlich. Zm Kalscr-Friedrich llluseum bält Dr. B. Daun, Dezernent für Kunst im Polizeipräsidium, am 31.. vorm. 10 Uör, Vortrag über die N e i sl e r. werte der altniederlävdischeu Malerei. Einzelkarten üu Museum erhältlich.