Die in Betracht kommenden Möbel und Gcbrauchsgegsn- stände waren von amtlichen Vertretern des sogenannten yof- marschallamtes ausgesucht resp. angeboten worden. Scheidemann hat nicht ein Stück davon gesehen, bevor die Sachen in seine Wohnung gebracht waren. Die Preise, die im Hinblick auf den Zustand eines Teiles der Kaufobjekte durchaus nicht niedrig waren, wurden von einem v e r- eidigten Sachverständigen, der von der R e- aierung in Kassel berufen wurde, festaesetzt. Alle diese Tatsachen sind Steuer bekannt. Die Konsequenzen, die sich aus dem gleichwohl von ihm erhobenen Vorwurf der Schiebung für seine Moral ergeben, liegen auf der Hand. Nach den Stadtverordnetenwahlen im Mai 1924 zog in den Kasseler Rachaussaal eine aus Deutschnationalen, Volts- parteilern. Völkischen und Zentrum sich zusammensetzende Rechtsmehrheit ein.' Ueber die Art, wie sie den Kampf gegen den Oberbürgermeister führte, braucht nichts weiter gesagt zu werden, als daß Steuer ihr Häuptling war. Es lann angenommen werden, daß angesichts des fanatischen Hasses der Gegner Scheidemanns, der sich in Kassel auch nach dem Blausäureattentat in fortgesetzten Beschimpfungen und Belästigungen aller Art Luft machte, ein gedeihliches Wirken Scheidemanne kaum noch möglich fein würde. Das Abbauverfahren gegen ihn war in Gang gebracht worden. Die Verwirklichung des Abbaubeschlusses erschien selbst seinen Gegnern bald als unmöglich. Scheide- mann, durch die jahrelange Hetze in seiner Gesundheit schwer geschädigt, war, wie seine näheren Freunde wußten, längst bereit, freiwillig vor Ablauf seiner Amtsperiode aus- zuscheiden. Gerade unter Hinweis auf seine Gesundheit und die Verpflichtung gegenüber seiner Familie wurde aus Scheidemann, nicht zuletzt von näheren Freunden, dahin ein- gewirkt, seinen Posten aufzugeben. Wäre der von seinen Gegnern beschlossene Abbau möglich gewesen, so hätte Scheidsmann sich finanziell unten allen Umständen besser gestanden, als wenn er freiwillig in den Ruhestand gegangen wäre. Auf diese Umstände ist gerade von„Abbauern", die unter-Inanspruchnahme von Mittelspersonen Verhandlungen eingeleitet hatten, hingewiesen und ausdrücklich erklärt worden, daß Scheidemann, falls er sich entschließe, sein Amt freiwillig aufzugeben, finanziell nicht schlechter gestellt sein dürfe als im Falle des Abbaues. In unverbindlichen Be- sprechungen von Kommunalpolitikern über Scheidemanns etwaigen Rücktritt, an denen er selbst nicht teilgenommen hat, ist immer wieder darauf hingewiesen worden, daß in dieser Frage nur eine Meinung bestehe. Obwohl Scheide- mann also finanzielle Vorteile hätte leicht erreichen können, find die von gegnerischer Seite eingeleiteten Verhandlungen an Scheidemanns Weigerung, auf eine Einigung sich ein- zulassen, gescheitert. Das war im Herbst 1924. Im Sommer 1925 hatte dann Scheidemann, gezwungen durch die allen seinen Bekannten deutlich erkennbare Verschlechterung seines Gesundheitszustandes, die spezial- und amtsärztlich festgestellt wurde, um seine gesetzliche Pensionierung nach- gesucht und empfängt statt der ihm angebotenen wesent- lich höheren Sätze nur das gesetzliche Ruhegehalt. Hätte er seinen Posten nicht aufgegeben— und nur die Rücksicht auf seine Gesundheit und seine Familie hat ihn dazu bestimmt, zu gehen— so hätte er noch sieben Jahre bleiben können und würde danach für den Rest seines Lebens 80 Proz. seines Gehaltes bezogen haben. Mag Steuer seinen Verleumdungsfeldzug fortsetzen. Ich habe meinem Freunde Scheidemann von der An» strengung einer Klage abgeraten. Würde sich Steuer durch einen Mandatsverzicht um die Erhöhung des moralischen Niveaus des Preußischen Landtages verdient machen, so daß er selbst vor den Richter gezogen werden könnte, so könnte der Gedanke an einen Strafprozeß, der die Gelegenheit gäbe, ihn) kis Gesicht zu sagen, was er ist, noch einen gewissen Reiz haben. Es lohnt sich aber nicht» gegen die Rothardts, die als verantwortliche Redakteure für Steuers Machwerke einzustehen haben würden, mit schwerem Geschütz
vorzugehen. Ein Mann wie Schcidemann hat es nicht nötig, sich gegen Vorwürfe zu verteidigen, die in den Augen jedes ehrlichen Menschen sinnlos sind. An dem Urteil der Leute von Schlage Steuers aber braucht ihm nichts zu liegen.
Späte Erkenntnis. Ter Krieg war nicht mehr zu gewinnen. Um einem dringenden Bedürfnis abzuhelfen, hat der General der Kavallerie a. D. Friedrich von Bernhardt, jener Viel- schreiber im Ofifzicrsrock, der vor 1914 namentlich im Auslande als einer der hauptsächlichsten Exponenten der deutschen Kriegsund Militörpartei galt, die Msmoirenlitcratur um einen dick- leibigen Band„Denkwürdigkeiten aus meinem Leben" bereichert. Bernhardi kann heute schlechtweg als Mann von gestern angesprochen werden, und kaum läge Veranlassung vor, auf das Buch im Näheren einzugehen, wenn nicht dem„Berliner Lokal-Anzeiger" in seiner ausführlichen Besprechung ein merkwürdiges Geständnis entschlüpft wäre. Ueber Bcrnhardis Ansichten im Verlauf des Weltkrieges lesen wir: „Erst verhältnismäßig spät rang sich General von Bernhardi zu der Erkenntnis durch, daß wir den Krieg auch militärisch nicht mehr gewinnen könnten." Auch militärisch konnten wir den Krieg nicht mehr gewinnen? Ja, wie verträgt sich denn das mit den Anschauungen, die der „Lokal-Anzeiger" gemeinhin zu vertreten pflegt? War nicht der Endsieg„zum Greifen nahe", ist er der siegreich durchhaltenden Front nicht durch den Dolchstoß von hinten entrissen worden? Aber nicht doch! Beim Dolchstoß handelt es sich ja nur um die grobschlächtige Feld-, Wald- und Wiesenpropaganda für den Durchschnittsleser der Scherl-Presse und den Versammlungsgebrauch der Provinz. Bei einer ernsten Besprechung aber läßt man das Märchen fallen und gibt zu, daß wir den Krieg auch militärisch nicht mehr gewinnen konnten!"
Die Verteidigung in Landsberg . Politische PlaidoyerS. lZ. S. Dandsberg. 3. November. Der heutige letzte Vsrhandlungstag im Prozeß Schiburr und Genossen brachte die Fortsetzung der Plaidoyers der Verteidigung. Als erster ergriff Justizrat Willi Kahn, der Verteidiger Klapproths, das Wort. Nur in Deutschland sei es möglich, daß Bestrebungen bestünden, die noch übriggebliebene kleine Wehrmacht zu zerschlagen, während ringsum alles in Waffen erstarre. Nur in Deutschland sei es möglich, solche Prozesse aus einem politischen Grunde zu führen. Der Verteidiger erinnerte daran, wie zum ersten Male die Begriffe Mörderzentrale und Mörder- organisation aufgetaucht seien, er verwies auf die Prozesse gegen die Rathenaumörder und gegen die O, C., erinnerte an den Parchimer Mord. Scheußlich seien alle diese Taten gewesen, aber sie seien nicht aus eine geheime Mord- organisation zurückzuführen, deren Existenz überhaupt nur durch die Hetze in den Blättern zustandcgckommen sei. Vor- nehmste Aufgabe des Gerichts müsse es fem, sich auch von diesen äußeren Einflüssen freizumachen. Die Männer der Arbeits- kommandos seien an die Ruhr gegangen, Hayn war der freund Schlageters, die O. C. habe in Pirmasens mit den eparatisten aufgeräumt und das Rathaus verbrannt, den Duisburger Hafen habe man unbrauchbar gemacht. Diese Taten seien von der Reichsregierung unter st ützt worden. Sie betrachteten sich als mobile Truppen und sie waren tatsächlich Soloaten, wie das außerordentliche Gericht in Kottbus auedrücklich festgestellt habe. So, wie jenes Gericht die Feldwebel und Mannschaften frei- gesprochen habe, die beim Küstriner Putsch die Gewehre auf Oberst G u d o v i u s angeschlagen hätten, weil sie a u f Befehl han- dclten, so müsse auch hier die Frag« geprüft werden, ob die Angeklagten sich aus Befehle berufen konnten. Iustizrat Hahn ging dann auf den Angeklagten Erich Klapp- r o t h naher«in. Man habe K l a p p r o t h und B ü s ch i n g als „Vertraute", als„z. b. V." von Schulz bezeichnet. Büsching, ein undisziplinierter Mensch, der aber auch mit der Seele bei der Sache
war, sei Klavproihs Freund gewesen. Den Besch!, de« man einem gab, habe auch der andere mttausgesllhrt. Die i�rage, ob Ktapproth als Mittäter zu betrachten sei, müsse zu der Unter- suchung führen, ob er im Augenblick der Tat mit Ucberlegung gehandelt habe, ob er auch als Gehilfe gewußt habe, daß der Täter mit Ueberlegung handele. Dabei fei die ollgemeine Erregung in Küftrin zu berücksichtigen. Habe die Derraterpsychose nicht auf die Entschließungen oller Beteiligten an dieser Tat eingewirkt? Nach Ansicht der Verteidigung habe sich Klapproth nur der Beihilfe zum Totschlag schuldig gemacht. Der Indizienbeweis des Oberstaatsanwalts, so schloß Iustizrat Hahn, reiche nicht aus, um ein Todesurteil gegen Erich Klapproth zu stellen. Auf keinen Fall dürften den Angeklagten die bürge«. lichen Cbrenrechte aberkannt werden, denn was sie auch getan hätten, und wenn es das Schlimmste war. sie hätten es für das valerland gclau.(Bravorufe im Zuschauerraum.)
Der rasenöe Zascbismus. Zerstörung des sozialistischen „Lavoro " in Genua . Mailand . 3. November. (EP.) Im Zentrum Genuas kam es Montag abend zu blutigen Zwischenfällen, über die der„Corriere della Sera " folgende Einzelhetten meldet: Die Demonstranten waren unter Umgehung der starken Militärwache in die Druckerei und die Redaktion des sozialistischen Blattes„Lavoro " ein- gedrungen und hatten alles verwüstet. Zwölf Setzmaschinen wurden zerstört und die wichtigsten Teile der Rotationsmoschinen mitgenommen. Die Wohnung eines Hausinfassen wurde verwüstet und die Möbel und das Papierlager mit Benzin übergössen und angezündet. Die Feuerwehr fand beim Erscheinen eine große Feuersbrunst vor, konnte aber erst nach Erscheinen von Militär an die Löscharbeiten gehen, die die Demonstranten bis dahin ver- hinderten. Die Demonstranten begaben sich darauf noch der Wohnung des früheren sozialistischen Abgeordneten R o s s i. Carabinieri, Milttär und Zolllruppen schrillen energisch ein und begannen nach Warnungen zu schießen. Eine halbe Stunde wurde auf beiden Seiten geschossen und das Feuer erst ein- gestellt, als der Faschistenführer von Genua erschien. Die Truppen lösten die Ansammlungen auf und drängten sie aus dem Stadt- zentrum ab. Ein Faschist und ein Carabinieri wurden getötet, etwa 29 verwundet.— Erst jetzt werden diese Borsälle bekannt, die sich am Montag abend während der Protestkundgebung gegen das Attentat im Zentrum von Genua ereigneten. « .Lavoro" sst die einzige Tageszeitung, die auf dem Boden der Sozialistischen Einheitspartei steht. Sie wird vom sozialistischen Genossen Canepa gelettet. Sie hat eine Auflag« von 129999— mehr als alle anderen Genueser Blätter zusammengenommen. Ihre Auflage hat sich in den letzten Jahren immer mehr vergrößert im Gegensatz zu der faschistischen bürgerlichen Presse.
tvahlerfolg auch m Schottland . Im ganzen 1SÄ Sitze von der Labourpartei erobert. Loudon, 2. November. (Eigener Drahtbericht.) Auch die schottischen Gemeindewahlen, die am Dienstag stattfanden. waren für die Arbeiterpartei siegreich. Sie gewann allein in Schottland 28 Sitze, davon S in Glasgow und 8 in Edinbourgh. Nach den letzten Zählungen aus England und Wales werden vier wettere gewonnene Sitze gemeldet, so daß die Arbetterpartei im ganzen Land« einschließlich Scholllands 192 neue Gemeinde- ratssitz« gewonnen hat.
öeileiü zu Robert Dißmanns Tod. Vom deutschösterreichischen Parteitag. Die Sozialdemokratische Reichstagsfraktion erhiett vom deutschösterreichischen Parteitag folgendes Beileids- telegramm: Wir beklagen mit Euch den schweren Verlust, den Ihr durch das plötzliche Hinscheiden Dißmanns erlitten habt und sprechen unser herzlichstes Beileid aus. Parteitag. Seitz. Muchitsch.
Esperanto als zweite Sprache. Von A. S p r o e ck. Die vielen Sprachen, die von den Völkern der Welt gesprochen werden, sind natürlich ein Hindernis für die Verständigung unter- einander. Was nützt es, wenn ich sage:„Alle Menschen sind Brüder": und wenn dann ein Menschenbruder aus Frankreich oder Rußland uns gegenübersteht, dann müssen wir feststellen, daß wir nicht in der Lage sind, uns mit unserem Bruder zu unterhalten. Er oersteht uns nicht, und wir verstehen ihn nicht. Wir können dieses Hindernis überwinden, indem wir sagen: Wir wollen die Sprache unserer Brüder lernen. Aber, aber— unsere Brüder sprechen so viele verschiedene Sprachen. Und wir können doch nicht alle Sprachen lernen, wir müssen uns also auf ein« gemeinsame Sprache einigen. Diese gemeinsame Sprache muß so sein, daß kein einzelnes Volk bevorzugt wird, sie muß leicht zu erlernen sein, so leicht, daß besonder» jeder Arbeiter Imstande ist. sie zu erlernen. Da irgendeine nationale Sprache diese Vorzüge nicht hat, müssen wir eine neutrale Sprache wählen. Und es ist nicht notwendig, hier lange zu zögern, allein Esperanto von allen Sprachprojekten hat seine Lebenstüchttgkeit bewiesen. Ejperanto ist gebildet aus den wichtigsten Kultursprachen: man hat gewisserniaßen das Brauchbarste aus allen europäischen Sprachen gezogen, ein„HocheuropSijch" geschaffen. Heute, wo die Grenzen, die die Völker trennen, immer mehr zusammenrücken, wo man mittels Radio durch die Drehung eines Knopfes in Verbindung mit England tritt, durch ein« andere Drehung mit Frankreich , wo einem alle Sprachen der Welt ins Ohr tönen, da wird die Notwendigkeit einer gemeinsamen Sprache so recht offenbar. Es ist nicht möglich. diese neueste Errungenschaft der Technik voll auszunutzen, wenn nicht eine gemeinsame Sprache als Radiosprach« gewählt wird. Viele Nadiogesellschoften haben sich schon für Esperanto ausgesprochen. Wenn wir die Programme z. B. der deutschen Sender durchsehen. so finden wir, daß sie alle regelmäßig Esperanto-Kurse oder Esperanto-Vorträge senden. Der Völkerbund har sich bereits mehr- fach für Esperanto ausgesprochen. Die Internationale der Tran-port- arbcijer in Amsterdam empfiehlt seinen angeschlossenen Organt- sationen die Korrespondenz in Esperanto. Der zweite internationale Iugendkongreß, der im Juni d. I. in Amsterdam stattfand, beschäftigte sich auch mit einem Antrag, Esperanto für die internationalen Beziehungen einzuführen. Dieser Antrag fand insoweit Annahme, daß den angeschlossenen Organi- sationen der Gebrauch des Esperanto freigestellt wurde. Das Internationale Arbeitsamt hat sich neuerdings auch mit der Frage der internationalen Sprache befaßt und die Einführung des Esperanto gewünscht. Selbstverständlich ist uns nicht geholfen mit bloßen Empfehlungen. Notwendig ist, daß der Gedanke in die Tat umgesetzt
wird, daß wirklich das Proletariat sich der kleinen Mühe unterzieht und sich dem Studium des Esperanto widmet. Wir müssen danach streben, daß Esperanto gelehrt wird. Aber wir können nicht warten auf die Einführung des Esperanto von oben herab, wir müssen selbst alles tun. um schon jetzt die Vorzüge einer gemeinsamen Sprache auszunutzen. Der Arbeiter-Esperanto-Bund für das deutsch « Sprachgebiet hat in vielen Städten Ortsgruppen, die Esperaiüo- Unterricht erteilen. Und die internationale Organisation„Lennacicco .Asocia Tutmonda* ist ins Leben gerufen für die praktische An- Wendung des Esperanto.
Wedelnd mit Jazzband. Wie Karl Heinz M a r t i n das modern« Mysterimn„Franziska" inszeniert, so hat sich de� Dichter Frank Wedekind sein von Erotik befessenes„Faust"-Drama sicher nicht vor- gestellt. Womtt aber nicht gesagt ist, daß er gegen Vergewaltigung seines heiligen Wollens getobt hätte. Einen Bühnenstil, der den verschlungenen Wegen im Irrgarten seiner elementorischen Kunst zu folgen vermag, hat er nie erlebt und selbst nur erahnt. Was den Wienern im„Deutschen Volkstheater", was uns im vorigen Jahre im „Theater in der Königgrätzer Straße" und was uns gestern im „Theater am Nollendorfplatz" der Regisseur Karl Heinz Vtartin als„Franziska" vorgesetzt hat, atmet die Atmosphäre des Rummelplatzes, den Lärm und die Spannung der Zirkusarena. Und der Rhythmus des Wedekindschen Lobensgefühls kommt vielleicht in nichts treffender zum Ausdruck als in den rasenden Klängen der Jazzmusik. Es ist daher erstaunlich, daß der Beifall der Zuschauer- schar in der gestrigen Aufführung matt ertönte und jedenfalls dem unerhörten Aufwand der Regie nicht entsprach. Wir sehen die Szenerie aus dem Vorjahr«, den wackligen Gerüstbau mit einer Ober- und einer Unterbühne, einer lustigen Wendeltreppe links und einer breiten schludrigen Freitrepp« rechts, wir sehen freigiebig ausgezogene Revuegirls und gespenstisch markierte Darsteller und bedenkenlos bingesetzte tot« Puppen. Wir Höven vertraute Volkswessen, mit hinreißender Frechheit(von W. R. Heymann) in Jazzmusik umkomponiert, wir werden von einem Taumel des Schauens gepackt. Wedekinds schroffe Uebergänge von ernster Tragik zum parodierenden Bierulk werdsn durch Martins Rhyihmuss« überbrückt, daß die schreienden Gegensätze rnts nicht mehr zum Bewußtsein kommen. Also eine dem Wedekindschen Geist tongeniale Revue. Und doch wenig Zustimmung. Vielleicht sind wir von Tairoff und den anderen Regietunststücken bereits übersättigt. Die Darftellerschast rekrutierte sich teilweise aus denen, die schon aus dem vorigen Jahr bekannt sind. Tilla D u r t e u x' Franziska ist schon damals als ein« virtuos« Leistung gerühmt worden. Veit Kunz fand einen in seiner Grotesk« unvergleichlichen Darsteller in Heinz Salfner , der auch in hochtragischen Szenen dem Parkett ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Der Journalist Walter von V a r n d a l entzückt« wieder durch«in« unwahrscheinliche Beweglichtelt. Dgr. Die internationale kirebskonscrenz. In Lake Mohonk, im Staate New Bork, hat kürzlich eine aus der ganzen Well beschickte Krebs- konferenz getagt. Deutschland war durch de» Direktor des Berliner Krebsforfchungsinstitutes, Ferdinand Blumcnthal, und durch
Dr. Robert Pierich, den Direktor des Hamburger Forfchungs» institutes für Krebs und Tuberkulose, dort vertreten. Der Bericht der amerikanischen Gesellschaft für Krebskontrolle besagt, daß sehr verschiedene wissenschaftliche Ansichten über den Krebs auf der Tagung geäußert worden sind Die Versammlung war aber durch. aus einer Meinung, wo es sich um die großen Richtlinien für die Bekämpfung der Krankheit handelt. Zwei Entschließungen wurden gefaßt. Es soll eine internationale Bereinigung gegründet werden, die ähnliche Konferenzen veranstaltet und in mindestens drei Sprachen ein Verzeichnis aller auf Erde erscheinenden Verösfeitt- lichungen über Krebs nebst Referaten herausgibt. Eine zweite Ent. lchließung legt in fünfzehn Punkten die Ansichten der Versammlung fest, fowett dos bei der jetzigen Sachlage möglich ist. Der Krebs wird darin nicht für infekttös und nicht für vererbbar erklärt. Für wesenllich bezeichnet die Konferenz die Aufklärung des Publikums und die forgsällige Ausbildung der Aerzte und Zahnärzte im Hinblick auf die bösarttgen Erkrankungen. „Der heilige See." Immer wieder erfreut man sich an dem ousgepräglen rhythmischen Gefühl und der Tanzlust der Neger, immer wieder gerät man in den Bann ihrer starken Vitalität. Der neue Film der Urania, der Variationen über bereit» bekannte Themen bietet, führt— als eine Expedition des französischen For- scher» Chaumel— von Brazzaville am Kongo im Innern- Afrikas an den für heilig gehaltenen T f ch a d f e e. Wir haben das alles bereits gefehen: die Lastenträger, die Negerpiad«, die Sultans- empfange, die Tänze. Neu waren uns die Siywimmhölzer, deren man sich zum Durchqueren von Flüssen bedient. Der Wels, ein guter alter Bekannter aus Deutschland , ist der Hauptsijch dieser Seen. Groteske Lippenhölzer, die die Lippen der Frauen verunfkallen, sind in diesen Gegenden heimisch. Ein Abstecher macht uns mit den früher äußerst kriegerischen Fuldes bekannt. Der Notionallanz ihrer Frauen zeigt die ganze Anmut der Raffe: die Reiterspiele in Rüstun- gen erinnern an unsere mtttelalterlichen Tourniere. Episoden vom Hechtfang und Bilder vom Meere beleben das Beiprogramm._ d. Ucagfifibreug»er.Dorothea Angermann» im Zosefsiädtrr Theater. tSeihart Hauptmann hat sich mit Max Reinhardt versländiat, dah die Ur« nusiührung leine« Schauspiel«.Doioldea Slnpermann' in Dien am Loief- städtcr Tbeater staüsindrt. In Berlin wird„Dorothea Angermann- w der Regie»an Max Reinhardt erst nach„Neidhardt von Gnetsenau- ausgeführt. Zm ventfche» Süntllei»Theater beginnt am Donnerstag, den 4. Na». Fritzi Massarn ihr Gastspiel al«„Königin- in der gleichnamigen Operette von OSIar Strautz. Tristan Leraard hält am Freitag um 4Y, Uhr nachmittag« In der Komödie einen Borlrag in franzinichcr Sprache:„T.e eoraiau» an thaAtre et dana U) folklore-'. Dem Vortrag, dem nur geladene Säfte beiwohnen werden, folgt ein Empfang. ver Berliner Uthmann-Ehor veranstallct am Sonntag, den 7. November, nachmittag« 5 Uhr, in den Prachtiölen am Märchrnbiunnen am striedr ch», bat», ein Konzert betitelt.Kampfkunst-. Mufilalllcke Leitung: Edormeister Siegstied Günther. Mitwirtende- Schubert-Ouartelt(DtlcichquarletI). Zu der Revue ,Cf lebe die Republik -, die als eine der ersten Premlere» nach beendigtem Umbau im Renatllance-Thealer herauslammt, wmd» Rudolf Nelson für die Musik gewonnen.