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Nr. 520 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 265

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands

Redaktion und Verlag: Berlin   SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292–297.

Donnerstag, den 4. November 1926

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Das Urteil in Landsberg  .

Schulz freigesprochen, Klapproth und Raphael wegen Mordbeihilfe verurteilt.

BS. Landsberg, 3. November. Um 8 Uhr abends wurde| Raphael von vornherein eingeweiht war, er hatte es Im Landsberger   Fememordprozeß Schiburr und Genossen das Urteil gefällt. Es lautete:

Die Angeklagten Schu13. Rohm, Willi Klapproth und Bogel  

werden freigesprochen.

Der Angeklagte Erich Klapprofh wird wegen Beihilfe zum Morde zu 15 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehr­verluft verurteilt, 14 Monate Untersuchungshaft werden ihm an­gerechnet.

Der Angeklagte Raphael wird wegen Beihilfe zum Morde, gefährlicher Körperverlegung in Tateinheit mit nötigung und Meineid zu 8 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverluft verurteilt, 19 Monate Untersuchungshaft werden ihm angerechnet. Der Angeklagte Glafer wird wegen Beihilfe zum Morde zu 3 Jahren 3uchthaus verurteilt, 15 Monate Untersuchungshaft werden ihm angerechnet.

Der Angeklagte Shiburt wird wegen Körperverletzung mit gefährlichem Werkzeug zu 1 Jahr Gefängnis verurteilt, 4 Monate Untersuchungshaft werden ihm angerechnet. Der Angeklagte Beder wird wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung in Tafeinheit mit Nötigung zu 9 Monaten Gefängnis verurteilt, 8 Monate Untersuchungshaft werden ihm angerechnet. Der Ange­flagte Fride wird wegen gefährlicher Körperverlegung zu 8 Mo­naten Gefängnis verurteilt. Der Angeklagte Grah wird wegen gefährlicher Körperverlegung zu 4 Monaten Gefängnis verurteilt. Der Angeklagte Raphael wird von der Anklage der Anstiftung zur Körperverletzung freigesprochen. Die Koften des Verfahrens fallen, foweit Freisprechung erfolgt ist, der Staatstaffe, im übrigen den Angeflag.en zur Caft.

Die Haftbefehle gegen Fride, Willi Klapproth, Vogel und Schulz in dieser Sache werden aufgehoben. Fride, Willi lapproth und Vogel wurden auf freien Fuß gefeht. Gegen Schul3 läuft noch in einer anderen Sache Ueberhaft Eine Strafaussetzung oder Bewährungsfrist hat das Gericht bei feinem der Angeklagten für angemeffen erachtet.

Zur Begründung des Urteils führte Landgerichtsdirektor e B- ling aus:

Es ist ein wüftes Bild, das sich vor dem Schwurgericht auf­gerollt hat. Das Gericht mußte fich zurückversehen in die Zeit des Juni 1923, wo das deutsche Bolt in besonderer mirt­schaftlicher Not und zerrissen war. Das Schwurgericht glaubt aber nicht, daß diese Verhältnisse es allein gewesen sind, die zu den Bor. gängen geführt haben. In   Küstrin jet ein Arbeitstommando errichtet worden, dessen 3wed darin bestand, Waffen zu sammeln und instandzufezen. In zweiter und dritter Linie war das Ar­beitsfommando nach Maßgabe der Dentschrift des Reichswehr­minifteriums in Aussicht genommen, bei einer eventuellen Abwehr eines polnischen Angriffs oder kommunisti, scher Unruhen Hilfe zu leisten.

Das Gericht ist aber der Meinung, daß nicht in diesem Zwed das zu fuchen ift, was zu den unglüdlichen Dingen geführt hat, die Gegenstand dieser Berhandlung gewesen find, sondern daß es Bestrebungen gewefen find, die sich gegen die Regierung gerichtet haben. Wenn auch das Reichsgericht darin recht hat, daß das Unternehmen des Hochverrats noch nicht für den Juni 1923 in Frage tomme, so ist das Gericht doch der Ueberzeugung, daß Bestrebungen in dieser Richtung zu den unglücklichen Be­ziehungen geführt haben, die hier den grausamen Tod eines Menschen herbeigeführt haben.

Das Gericht ist der Auffaffung, daß, wenn das Arbeitskommando Rüstrin legale 3wede verfolgt hätte, es nicht zu solchen Vorfällen gekommen wäre. Gerade das Bestreben, biese Dinge vor der Regierung geheimzuhalten, haben zu den schauerlichen Borgängen geführt. Das Gericht ist der Ueberzeugung, daß die An­getlagten, so sehr fie auch glauben möchten, daß fie als Soldaten anzusehen seien, sich der Rechtswidrigteit dieser Handlungs­weise bewußt gewesen sind, gerade als Soldaten! Himmelweit ver. schieden war das Zun im Arbeitstommando Rüstrin und im Fort  Gorgast von dem Berhalten der   Reichswehr.

Die Begründung wendet sich dann zunächst den Körperper legungen an Gröschte zu. Zur Antlage des Mordes führte der Vorsitzende aus: Es liege ein Mord vor. Büsching hat den unglücklichen Gröschte vorfäßlich und mit Ueberlegung gemordet. An dem Borsaß ist nicht zu zweifeln, die Ueberlegung geht aus den Borbereitungen zu der Tat hervor. Er hat Gröschte zwei Schüsse und einen Stich versetzt. Es fragt fic ,, ob auch Erich Klapp: roth der mittäterschaft schuldig ist. Seine Aeußerung auf die Frage Büschings Scheß doch, spricht wohl dafür. Aber das Gericht hat berücksichtigt, daß Büsching als ein gewalt­tätiger, roher Mensch bekannt war, und daß infolgedeffen die Willens. richtung von Klapproth die war, Büsching machen zu lassen und ihm nur zu helfen. Das Gericht hat ihn wegen Beihilfe zum Morde zu der zulässigen och ft ftra fe verurteilt.

Der Angeklagte Raphael ift des Meineibes schuldig, ferner ber Beihilfe zum Morb. Das Gericht war der Meinung, daß

als Offizier getan, in einer Stellung, in der er die Tat hätte verhindern müssen. Er hat nach der Ueberzeugung des Gerichts besonders ehrlos gehandelt. Deswegen war bei ihm ebenso wie bei Erich   Klapproth eine Ehrenstrafe angebracht. Glaser ist der Beihilfe zum Morde schuldig, doch ist das Gericht bei ihm nicht über die Mindeststrafe hinausgegangen, und es sind ihm auch nicht die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt worden, weil das Gericht anerkennt, daß er in einem Gewissens tampfe geftanden habe.

Billy Klapproth und   Bogel hat das Gericht frei gesprochen Es erscheint zwar möglich, daß sie in die Tat ein­geweiht waren, das Gericht hält es aber nicht für erwiefen, baß sie unmittelbar mitgewirkt haben. Infolgedessen kommt bei Vogel auch ein Meineid nicht in Frage.

Bei dem Angeklagten Schulz hat das Gericht die Anstiftung zum Morde verneint. Das Gericht ist zwar der Ueberzeugung, daß das, was Beder und Schrent gesagt haben, nicht ganz aus der Luft ge griffen und daß etwas Wahres darin ist. Es sind Aeußerungen von Schulz gefallen, aber was er im einzelnen gesagt hat, war nicht festzustellen. Wenn auch Büsching und Klapproth dem Oberleutnant Schulz treu ergeben und anhänglich waren, so tonnte bas Bericht doch nicht feststellen, wie es das eben muß um ein Todesurteil verantworten au fönnen, daß von Schulz auf diese beiden oder auf Büsching allein eingewirkt wurde, die Tat an Gröichle zu begehen. Bohl besteht die Möglichkeit, daß irgendeine falsch verstandene Aeußerung des Angeklagten Schulz den Büsching verführt hat, die Tat zu begehen, oder fie aus sich selbst heraus zu vollbringen, in dem Glauben, daß fie später die Buftimmung von Schulz finden wird. Eine moralische Schuld legt aber das Gericht dem Angeklagten Schulz auf, weil er den beiden und auch den anderen zuviel Vertrauen geschenft hat. Das Gericht hat allen Angeklagten nach Möglichkeit die Unter­fuchungshaft angerechnet. Es hat sorgfältig überlegt, in wieweit Ehrenstrafen zu verhängen wären. Selbst wenn man glaubte, daß Bröschte gefährlich werden fonnte, so hätte doch ein Mann von Ehre nicht ohne gründlichste Prüfung des Verdachtes einen anderen Menschen ums Leben bringen dürfen.

Aus dem Verhalten des Borsigenden im Lands berger Schwurgerichtsprozeß war in den letzten Tagen schon ganz eindeutig zu entnehmen, daß wenigstens er persönlich mit feinem Urteil über den Fall Schulz fchon ziemlich zum Abschluß gekommen war. Aus einzelnen Aeuße­rungen mußte man schließen, daß er den Beweis für die Mitschuld des Oberleutnants Schulz an dem zur Verhandlung stehenden Einzelmorde nicht als geführt ansah. Bei der

starken Stellung, die der Borsigende innerhalb eines Gerichts einnimmt, fann daher, troß des staatsanwaltlichen Antrags auf Todesstrafe, die Freisprechung des Hauptbeschuldigten nicht mehr überraschen. Was wir vor einigen Tagen an­deuteten, ist eingetreten. Es ist den vereinigten Bemühungen der Angeklagten und ihrer Berteidiger geglückt, die Haupt­schuld auf die flüchtigen Fememörder Büsching und Fahlbusch abzuwälzen, so daß die der Anstiftung und der Mittäterschaft am Morde Angeklagten entweder freige­fprochen oder doch nur als mittäter verurteilt wur den. Auf diese Art wurde es auch ermöglicht, den Feldwebel Klapproth nicht wegen Mordes, sondern nur wegen Bei­hilfe zu verurteilen, so daß die beantragte Todesstrafe nicht ausgesprochen werden konnte.

Die Einzelstrafen jedoch, die in   Landsberg verhängt wur den, spielen angesichts deffen, was die Verhandlung enthüllte, nur eine untergeordnete Rolle.   Biel wichtiger war die Tate fache, daß hier vor aller Deffentlichkeit endlich hineingeleuchtet werden konnte in den Gefahreherd, der sich unter Billigung der Cuno Regierung und des Reichs wehrministeriums aufgetan hatte. Ein Herd von Gefahren für den Bestand und die ruhige Entwicklung der Republif, ein Netz von Nestern schwärzester Galgenvögel, wie man sich in den schlimmsten Phantasien es faum hat vorstellen können. Seit dem Kapp- Butsch wußte man zwar, daß es ein System von Zeitfreiwilligen gab, die nicht immer attip nach außen in die Erscheinung traben, die aber plöglich als organisierte und wohlbewaffnete Truppe er schienen, wenn sie glaubten, für ihre reaktionären Zwecke sei ihre Zeit gekommen.

Das Zeitfreiwilligensystem ist freilich der Form nach auf­gehoben worden, an seine Stelle aber traten die Arbeits­trupps", wie man die neue Organisation beschönigend nannte. Das Reichswehrministerium legt immer noch Wert darauf, diese Bezeichnung beizubehalten und den Begriff Schwarze  Reichswehr abzulehnen. Aber selbst der Reichswehrminister Dr. Geßler hat am letzten Sonntag in einem Zeitungs­auffag zugestehen müssen, daß das offiziell verbotene System der Beitfreiwilligen" sich noch im Jahre 1923 längere Zeit erhalten hatte und daß die Auffüllung einzelner Reichswehrformationen mit Beitfreiwilligen sogar unter feiner ausdrücklichen Billigung erfolgt sei.

Nach dem, was man in   Landsberg erfahren hat, begreift man deshalb, warum von den amtlichen Stellen der Begriff

Sichert den Achtstundentag!

Erklärung der Sozialdemokratischen Reichstagsfraktion.

beitsgelegenheit geschaffen wird.

Die fozialdemokratische Reichstagsfratlichkeit gefteigerten Ueberarbeit Einhalt geboten und vermehrte Ar tion beschloß in ihrer ersten Sigung nach dem Zusammen tritt des Reichstags am 3. November folgende Erklärung zur gefeßlichen Sicherung des Achtstundentages:

Die freien, christlichen und Hirsch- Dunderschen Arbeiter- und Angestelltengewerkschaften   Deutschlands verlangen gemeinsam von den gefeßgebenden Körperschaften den sofortigen Erlaß eines Notgesetzes zur Sicherung des achtstündigen höchst. arbeitstages. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion ist in voller Uebereinstimmung mit ihrer ganzen bisherigen Haltung bereit, dieses einmütige Verlangen der organisierten Arbeiter und Angestellten aller Richtungen mit allem Nachdruck zu vertreten. Gie hält die baldige Verwirklichung durch die Einbringung eines Initiativgeseges für unbedingt erforderlich.

Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat wiederholt die gefeßliche Wiedereinführung des Achtstundentages in Verbindung mit der Ratifizierung des Washingtoner Abkommens gefordert. Die Reichsregierung hat infolgedessen die baldige Vorlage eines Gesezentwurfes zur Neuregelung der Arbeitszeit mehrfach zu­gesagt. Dieses Versprechen ist bis jetzt nicht erfüllt worden. Die Wiedereinführung des Achtstundentages duldet aber keinen weiteren Aufschub und darf auch nicht bis zur Verabschiedung des Arbeitsschußgefeßes verzögert werden.

Alle Versuche, die Folgen der Wirtschaftskrise, insbesondere die Massenarbeitslosigkeit, durch Ausbau der Erwerbslosen für forge zu lindern, werden in ihrer Wirkung beeinträchtigt, wenn nicht endlich durch eine gefeßliche Begrenzung der bis zur Unerträg

Diese Bekämpfung der Ueberstunden durch gefeßliche Beschrän­fung der Arbeitszeit bedeutet teinesfalls, wie die Erklärung der Unternehmerverbände vom 2. November behauptet, einen, Eingriff in die Produktionsgrundlage der   deutschen Wirtschaft" oder Ber­minderung der Produktionsleistung und Preissteigerung". Troß Rationalisierung, Steigerung der Arbeitsleistung und der Produktion, Berbilligung der Produktionsfosten und einer teilweise zwölf­stündigen Arbeitszeit ist feine nennenswerte Preissenkung einge­treten. Die Preisdiktatur der Kartelle und Mo­nopole- hat in Verbindung mit einer hochschuh­öllnerischen Handelspolitie bewirkt, daß die Rationalisierung lediglich eine Steigerung der Gewinnquoten der Unternehmungen brachte. In­folgedeffen haben die hohen Preise die Kauftraft weiter vermindert, den Inlandsabsatz weiter geschwächt und so die Massenarbeitslosig­feit erhalten.

Die Rationalisierung darf aber nicht zur Bereicherung der Unternehmer, sondern muß zur Gesundung der   deutschen Wirtschaft führen. Die wichtigste Boraussetzung dafür ist ein verstärkter sozialer Arbeitsschutz, insbesondere die gesehliche Sicherung des Achtstundentages."

Bei der Beratung der vorstehenden Erklärung stellte die Fraktion nochmals fest, daß die grundsägliche Anerkennung des Achtstundentages auch für die Beamtenschaft er strebt werden muß.