Einzelbild herunterladen
 

Unterhaltung unö AVissen

Hurra, sagte der Heneralöirektor.

Der pelz unö öas Zlugblatt. Von Hermann Kesser . Di« 7iachfolg«nt« S�n« ist der Z!-«lle.Straßenmailir' von Hermann stesser entnommen, die soeben im R ll t t« n u. Loening-Berlag zu ffranlfurt a. M. erscheint. Di« Novelle schildert da« Berlin der Inflationszeit. An einem Tag. der wie eine Dämpfung auf die Millionenstadt sällt, gelingt es mir endlich, den Kopf Fritz Straßenmanns ins Auge zu falfen. Ueber Nacht sind die Autokutscher in den Streik getreten. Als ich am frühen Morgen um die Ecke biege, sichte ich dreißig Schritt vor mir meinen Nachbar. Er trägt einen Pelzmantel mit Opossum- tragen. Laufend jagt er dahin, in fallenden kleinen Schritten, wie sie schwere Menschen nehmen, die ein großes Gewicht zu schleppen haben. Der Opossumkragen ist heruntergeschlagen. Offen und rot glüht der gewattige Hals zwischen den eckigen Polsterfchuttern. Im Takt des dröhnenden Laufes schwankt ein runder und blonder Schädel. Alle sehen dem auffallenden Läufer nach. Er läuft wie zur Rettung aus Lebensgefahr und dreht treibend und nutzlos, wie um sich in Schwung zu bringen, mit der Rechten einen eigelben Spazierstock. Aussichtslos und unvernünftig, sich ihm in den Weg zu stellenl Dennoch unternimmt dies ein schäbig gekleideter junger Mensch, der an der Straßenecke rote Flugblätter austeilt. Er verläßt seinen Standort, geht quer über den Fahrweg, winkt dem Mann aufhallend mit feinem flatternden Zettel zu und drückt ihm das Flugblatt in die Hand. Ich kenne den Inhalt. Man hat mir das Blättchen schon in der Strahlenburger Straße vor die Türe gelegt. Es ist ein Aufruf der streikenden Autokutscher, kümmerlich über Nacht gedruckt. Es ist eine Herausforderung und für den Mann Im Pelz, der sich an diesem Tage um sein Auto bestohlen sieht, bestimmt ein Hieb vor die Stirne, auf den er unbedingt mit einer Unfreundlichkeit antworten muß. Ich sehe genau, was in seinem Gesicht vorgeht. Sein gefülltes barlloses Antlitz zieht sich schweigend und sparsam zusammen. Er ist kaum erbittert, nur gestört und aufgehallen. Er lehnt das Flugblatt sofort ab. er verachtet derartiges Ge- schwätz und fühll sich gar nicht bemüßigt, seinen festen blonden Kopf anzustrengen, weil er sich den Sachverhalt gar nicht erst klarzumachen braucht. Er trägt ihn automatisch bei sich und kann auf jede Erörte- rung verzichten. Ueber die Sache ist kein Wort zu verlieren. Was da auf ihn zukommen will, überdies in so wenig vertrauenerweckendem Format: fea ist nicht wert, daß man den Mund auftut. Leute, die von Burschen ohne.Mantel an beschäftigte Männer Flugblätter austeilen lassen, Leute, die nur einen Wortschwall von Reden von sich geben, kann er nicht ernst nehmen. Sie kommen aus dem Nichts, sie sind ein Nichts, sie fliegen immer wieder ins Nichts zurück. Und überdies weiß er aus Erfahrung, daß sie untaugliche Ge- schäftsleut« sind und immer nur Mißerfolge haben. Kaum hat er die ersten Zeilen gelesen, ballt er das Blättchen mit »der Faust zusammen und wirft es dem jungen Menschen stumm vor die Füße. Di« Ablehnung fährt zunächst in sein« Faust.--------- Er handelt ganz überlegen und bewußt, ist nicht ergriffen, gibt keinen Tropfen Blut aus; und es ist sogar«in« gewiss« Würde in seinem Tun. Dann aber fährt noch sein« lautlose Verachtung in den Stock. Lautlos auch will sich der dürftig« Mensch durch einen Sprung nach rückwärts weiteren Zurechtweisungen entziehen. Er springt aber nicht well genug. Der Mann im Pelz erreicht ihn mit dem Stock und schlägt ihm die übrigen Flugblätter aus der Hand, so daß sie weithin die beschneit« Straße bedecken. Es käme vielleicht zu verkehrter Gewaltanwendung, gegen den Flugblattoerteiler, wenn nicht in diesem Augenblick eine leere Pferdedroschk« die Straß« kreuzen würde. Der Pelzmantel läßt von den: jungen Menschen ab, stürzt sich auf die Droschke und bringt sie durch einen Griff nach der Wagentür« mit den Armen zum Stehen. Er ist wie ein riesenhafter energischer Hebel. Mit einem Handwink zeigt er dem Kutscher ds« Richtung an. Dann fällt er in den Wagen. Ein heftiger Peitschenschlag, das Pferd fetzt sich in Galopp. Der Pelzmantel fährt seinen Zeitungen und seinem Arbeitstag entgegen. Der Zettelausträger aber, durch den einfachen Sprung in die Pferde- drofchke widerlegt, sammelt im Gefühl, daß er an einen falschen Gegenstand seiner Sendung geraten ist, die verstreuten Blätter vom Boden auf. Frierend und klein wird er an seiner Ecke zurückgelassen. Er reibt sich einen Finger, den der Pelzmantel mit dem Stock getroffen hat. Manche nehmen das Flugblatt und werfen es gleich wieder fort. Die meisten gehen gleichmütig vorbei. Zeitungsvcrkäuser, die zu Fuß ihre Handkarren in die Außen- quartiere geschoben haben, dringen aus der Hauptstraße vor und machen ein glänzendes Geschäft. Schon gegen Mittag sehe ich wieder Automobile fahren. Nach- mittags wird der Streik abgebrochen. Abends ist der Pelzmantel gerechtfertigt, der Flugblattmensch vergessen. Rasend stürzen sich die Straßen der kommenden Nacht entgegen, erweisen sich als ein unbeirrbares Stromnetz von Geschäft und Bernunft, fließen neu belebt hin zwischen Iustizpalästen und Kirchen, sausen triumphierend die Kaufläden entlang, wo unter Glas bunt« Ware spielend und heiter ausgelegt ist, biegen in schönen Schleifen um bewaffnete Denk- mäler von berittenen Fürsten und toben lüstern in die Nacht der Farbenlitöre, Zigaretten und Frauen hinein.

Der Kollege. Bon Erich G r i s a r. Ganz unvermittett stand er gestern morgen vor mir. Er sprach mich an. Irgendein Wunsch lag in seinem Gebaren. Ohne ihn anzu- hören, wollte ich vorübergehen. Da hörte ich. daß er Kollegs sei. So, sagte ich, Sie sind Schriftsteller? Ich war gefangen und bat ihn mitzukommen. Geld hatte ich leins, daß ich ihm hätte geben können. Aber eine Hofe, die besser war, als der Lumpen, den er auf dem Leibe trug, würde ich ihm geben können. Nun, ich hatte auch einen Schluck guten Kaffee und etwas zu essen für ihn. Auch einige Zigaretten konnte ich ihm geben, als ich sah, daß er sich einen irgendwo aufgelefenen Stummel in den Mund steckte. Und wie er die Hose anzog, sah ich, haß er kein Hemd auf dem mageren Körper trug. Ich rief meine Frau und wir fanden auch ein Hemd für ihn. Wa» er mir dann aus seinem Leben erzählte, war nicht so intereisaiu. wie ich wohl erhofft hatte. Er hatte vor irgendweltter Zeit in Berlin und Leipzig studiert und versuchte später, sich ein« Existenz als freier Schriftsteller zu gründen. Das scheint ihm wohl picht gelungen zu sein. Wieder und wieder versuchte er sein Unglück

.Aljo," sagte der Generaldirettor zum Syndikus,»nun setzen Sie sich mal hin und ermitteln Sie mir alle die Gründe, die klar beweisen, dah die deutsche Wirtschaft am Achtstuuden- tag zum Deiwel gehtl"

Er ermittelte unerhört. Sein Kopf rauchte.

der Syndikus,garvichts ist mir eingefallen.".Hurra," reiche« nicht einmal aus, einen plausiblen Einfall gegen

zu entschuldigen mit den Worten:Ich bin ja nicht der erste, der verhungert." Also hält er sich für ein Genie, dachte ich bei mir; denn nur die genialen Naturen unter den Dichtern müssen hungern. Für die anderen wächst ja wohl, wenn sie sich nicht rechtzeitig in einen bürgerlichen Beruf retteten, immer noch etwas Brot in den Zeitungen und Zeitschriften, Magazinen und Rcklamebureaus der großen Unternehmen. Doch an das Genie zu glauben, fiel mir nicht so leicht. Ich bat ihn, mir etwas aus seiner Feder zu zeigen. Er suchte den Abzug eines Gedichtes aus seinem Packen hervor. Das war nicht schlecht, aber es konnte ja auch von jemand anders sein. Doch dann zeigte er mir einige Briefe, die ihm bestätigten, daß eine Reihe namhafter Blätter Arbeiten von ihm genommen und honoriert hatten. Aber wie kommen Sie denn zu diesen Bestätigungen?" fragte ich ihn.Diese sind doch sonst nicht üblich." Ich muß doch, wenn die Polizei mich anhält, nachweisen können, wovon ich lebe," gab er zurück. Ich sah, wie er verlegen wurde, und fühlte, wie schwer es ihm wurde, mich Zeuge seiner ganzen Erniedri- gung werden zu lasten, die sich in diesen Ausweisen dokumentierte. Denn niemand kümmert sich um den, der in den Wohnkasernen der großen Städte sein Elend verbirgt. Aber wer die Stadt verläßt, wer der Landstraße sich gibt, muß jedem, der ihn fragt, Rede stehen. Muß sich vor jedem, der sich das Recht anmaßt, ihn auszufragen, erniedrigen. Ich schämte mich in diesem Augenblick vor ihm. Dann packte er ein Manuskript aus.Roman der Landstraße" las ich. Er aber blühte auf. Das soll meine Lebensarbeit werden. Das soll mir empor- helfen. Und es soll die Zustände in den Herbergen und Asylen bessern. Es soll ein Dokument sein wie Gorkis Nachtasyl." Das Manuskript verdirbt Ihnen ja. Da, es ist schon ganz unleserlich." Das muß vom Regen kommen," sagte er hilflos. Sie müsten versuchen, Stücke daraus unterzubringen." Wenn das Ganze fertig ist. Nicht eher. Aber ich werde wohl vorher sterben. Es geht zu Ende." sagte er dann.Man�kommt ja so herunter auf der Landstrahe." Ihm schössen blanke Tränen in die Augen. Als er dann alles, was ich ihm vorsetzen konnte, verzehrt hatte und sein bescheidenes Bündel in einen neuen, festen Bogen, den ich ihm gab, zu packen versuchte, floß er über von Dankbarkeit. Bor Aufregung konnte er keinen Knoten schlagen. Für mich war es eine unerträgliche Szene. Ich band das Bündel für ihn zu. Um ihn abzulenken, fragte ich nach diesem und jenem. Und während er mir von einer Begegnung mit Hermann Löns , die er irgendwo in einem Heidedorf gehabt, erzählte, während er von Goethe sprach und von Grabbe und Kleist klug zu reden wußte, dreht- sich vor meinem Geiste die Szene um und ich fühlte mich schlecht, bodenlos schlecht, daß ich diesen Menschen in diese Situation gebracht, daß ich ihm

miltelte fieberhaft.

Nachdem er acht Stunden lang ermittelt halle, erschien der Generaldirektor. ,No, find Sie fertig?"Nein," sagte :e der Generaldirektor,dann schreiben Sie doch: acht Stunden Achtstundentag zujammenzubringen l"

! zumutete, Wäsche, die ich getragen, weiterzutragen und aus meiner Hand ein Stück Brot zu nehmen, mit dem ich mich loszukaufen versuchte von einem gleichen Schicksal. Und während mir plötzlich der Gedanke kam, daß ich vom Können dieses Menschen, der sich in Danteswonen vor mir erniedrigte, nicht so überzeugt sein würde, wenn er zufällig Glück gehabt hätte, daß ich ihn vielleicht hassen würde, sähe ich an den Wänden seiner Stube all die Bücher aufgebaut, die jetzt sein Begehren weckten, während mir das Papier fehlte, ein Buch zu Ichreiben, wußte ich, daß ich wirklich ein schlechter Mensch bin. Aber wie müßte ich mich erst nennen, wenn ich ihn von der Schwelle gewiesen hätte, wenn ich gesagt hätte: Sieh hin, diese Dach- kammer bewohne ich mit Frau und Kind und seit einer Woche kam kein Geld in dieses Haus. Der Anzug, den ich trage, ist nicht bezahlt und ich weiß nicht, was wir morgen essen werden? Und ich hätte mit all diesen Worten keine Lüge sprechen müssen. Und er, der mir sein Leid klagt, war er nicht heute morgen, zu einer Stund«, da ich noch�nicht Zeit fand, etwas zu essen, schon betrunken von Schnaps? Soll ich darum nun glauben, daß er ein schlechter Mensch ist? Oder was soll ich glauben? Aber ich glaube, daß er nicht schlechter ist als ich und daß diese Gesellschaft schlecht ist, i» der solch häßliche Gedanken gedacht werden müssen von Menschen, deren Beruf es ist, schöne und gute Gedanken zu denken

Eine Rundsunkgemeinde von 430 Millionen Hörern. Die eng- lisch« Rundsunkgeselljchaft hat mit Unterstützung des Kolonialamts einen neuen Plan ausgearbeitet, der bezweckt, bildende und unter- haltende Rundsunkprogramme durch die über die Welt verstreuten Sendcstationen einer Hörerschaft von insgesamt 400 Millionen zu vermitteln. Nach den Berechnungen des Majors Murray der Rund- funkgesellschaft würde der Ausbau des Systems einen Kostenauf- wand von 600 000 Pfund Sterling erfordern. Diese wumme soll dadurch aufgebracht werden, daß man in allen zum Empire gehören- den Ländern das Rundfunkabonnement einführt. Der mächtige Sender zu Doventry in England ist zur Ausgangsstation auser- sehen, die die Rundsunkprogramme über eine Entfernung von 2440 Meilen nach Moneton in Neu-Braunschweig , der ersten Ver- mittlungsstation, übertragen soll. Weitere kanadische Stationen werden dann die Programme über Kanada übertragen, und von Bancouver aus werden diese nach Australien und von dort nach Colombo , Ceylon und Kapstadt in Südafrika weitergegeben werden. Di« Station in Colombo soll dann als Sendestation für Bombay , Indien und Malta dienen. Der ganze Plan sieht die Errichtung von acht Kraftstationen und acht besonderen Empfangsstationen, serner sechs Zwischen- und örtliche Rundfunkstellen In den verschiedenen Ländern vor,