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Abendausgabe

Nr. 533 43. Jahrgang Ausgabe B Nr. 264

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Vorwärts

Berliner   Volksblaff

10 Pfennig

Donnerstag

11. November 1926

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 8% bis 5 Uhr Berleger: Vorwärts- Berlag Gmbh. Berlin   S. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297

Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

Rückgang der Erwerbslosenziffer.

Im Oktober um 6,1 Prozent.

Zensur auf Hintertreppen.

Das Schund- und Schmutzgesek".

"

Bon Robert Breuer  .

Der Rüdgang in der Zahl der Hauptunterffügungsempfänger ruhigen Aufwärtsentwidlung vorspiegelte. Wir sind Eine Zensur findet nicht statt, doch fönnen für Lichtspiele Artikel 118 der Reichsverfassung, Absatz 2 bestimmt: in der Erwerbslosenfürsorge hat auch in der zweiten noch lange nicht so weit, daß alle Geschäftchen hinter den Kulissen durch Gesez abweichende Bestimmungen getroffen werden. Oktoberhälfte angehalten. In der Zeit vom 15. Oktober bis 1. No- abgemacht und die Dinge se geschoben werden können, wie es sich Auch sind zur Bekämpfung der Schund- und Schmuhliteratur vember ist die Zahl der männlichen Hauptunterstützungsempfänger das Parteibonzentum, das allmählich jede Fühlung mit sowie zum Schutze der Jugend bei öffentlichen Schulaus­von 1035 000 auf 1069 000 zurückgegangen, die der weiblichen von der Deffentlichkeit verloren hat, und offenbar auch, außer in Wahlstellungen und Darbietungen gesetzliche Maßnahmen zulässig." 254 000 auf 240 000, die Gesamtzahl von 1339 000 auf gängen, feinen Wert mehr darauf legt, feinen Absolutismus hinten 1 309 000. Der Gesamtrückgang beträgt also rund 30 000 oder herum stabilisiert und einfach negiert, herum ftabilisiert und einfach negiert, was außerhalb der 2,3 Pro 3. zur republikanischen Regierung patentierten Cliquen an Machtfaktoren existiert. Auch das Märchen hat jetzt ein Ende gefunden, daß die Deutschnationalen seit Wochen um ihren Eintritt in die Regierung betteln. Sie haben vielmehr ihre Ansprüche angemeldet und werden diese Ansprüche, fomme, was da wolle, aufrechterhalten.

Die Zahl der Zuschlagsempfänger( unterstützungs­berechtigte Familienangehörige Bollerwerbslofer) hat sich im gleichen Zeitraum von 1360 000 auf 1353 000 vermindert.

Während des ganzen Monats Oktober ist die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger um rund 85 000, d. h. um 6,1 Pro3.

zurüdgegangen.

Besprechungen über die Erwerbslosenhilfe.

Entscheidung der Fraktionen vorbehalten. Der Zentrumsabgeordnete Effer, der Vorsitzende des Sozialpolitischen Ausschusses, hatte heute vor mittag mit den Genossen hoch, Brey   und Luise Schröder   eine Besprechung, deren 3wed es war, die Schwierigkeiten, die für den Fortgang der sozialpolitischen Arbeit im Reichstag entstanden sind, aus dem Wege zu räu­men. Es wurden Vereinbarungen getroffen, die noch der Bestätigung durch die beteiligten Fraktionen unterliegen.

Der Graf hat es befohlen!"

Bon allen Göttern verlassen! ,, Germania  " und Nationalliberale Korrespondenz" be stätigen die Darstellung der Vorgänge im Sozialpolitischen  Ausschuß, wie wir sie heute morgen gegeben haben. Sie er­zählen außerdem, daß einer der deutschnationalen Abgeord= neten der Abg. Rieseberg den von Lambach über­mittelten Befehl nicht ausgeführt oder, wie die' ,, Germania  " es ausdrückt, sich ,, des Widerstandes vor versammelter Mann­schaft" schuldig gemacht habe. Im übrigen schreibt das Bentrumsblatt:

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Der Graf hat Politit mit rollenden Augen befohlen. Er will die politische Lage klären", d. h. seine Par­tei in die Regierung hineinquetschen. Und so tommt die etwas unsaubere Sache zustande, daß eine soziale Angelegenheit von tiefgreifender Bedeutung wie die Fürsorge für die Erwerbs. lofen taftisch vermanscht und verschandelt wird, um der Regierung Marg des berühmte Bein zu stellen. Wir glauben nicht, daß die deutschnationalen Wähler von Feingefühl dieser Tat­tit Geschmack abgewinnen können.

Und die ,, Nationalliberale Korrespondenz" bemerkt: Die Deutschnationale Bolkspartei nimmt bekanntlich bei der Erörterung der Erwerbslosenfrage zurzeit einen Standpunkt ein, bei dem man sich mit Recht fragen fann, ob ihre Reichtsagsfraktion nicht von allen Göteten verlassen ist.

Dagegen führt die Kreuzzeitung  " befehlsmäßig folgen. des aus: Die Mittelparteien hätten so ,, in den Winter hin­einschaufeln" und sich um flare Entscheidugen herumbrücken wollen. Das hätte sich eine Partei, die altes staats politisches Berantwortungsgefühl(!!!) besaß", nicht gefallen lassen können:

Außerdem aber mußte endlich einmal der trügerische Schein beseitigt werden, der der Deffentlichkeit die Tatsache einer

Die sächsische Regierungsbildung.

Kommunistische Kriegserklärung.

Den vorbereitenden kommunistischen   Pressestimmen ist jetzt sehr bald ein Beschluß des Zentralfomitees ge folgt, der eine offene Kampferklärung an die Adresse der sächsis fchen Sozialdemokratie darstellt. Den Beschluß der fächsischen Sozialdemokratie, den Versuch zur Bildung einer Regierung zu machen, beantwortet das Kommunistische Zentralfomitee mit folgender Erklärung:

1. Die RPD. erblickt in einer Regierung aus Sozialdemokraten und ASPS., oder in einer sozialdemokratischen Minderheits­regierung, die an die ASPS. gebunden ist, teine sozialdemo fratische, sondern eine bürgerliche Koalitionsregie rung, zu deren Sturz fie die Arbeitermassen mobilisieren und feine Gelegenheit im Parlament vorübergehen lassen wird, um diesen Sturz zu vollziehen.

2. Die APD. macht die Dubung einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung abhängig von der Durchführung von pre­letarischen Forderungen, wie sie im Mahlaufruf der Partei zum Ausbrud gekomen sind und von der Ablehnung jeder poli. tischen Bindung mit der ASPS.

3. Die KPD. wird auf Grund dieser Forderungen für einen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten stimmen. Im Falle der Berlegung der proletarischen Forderungen durch die sozialdemokra tische Regierung wird die Kommunistische Partei   die Arbeitermassen gegen die Regierung mobilisieren und ihren Sturz herbei führen.

Also die Deutschnationalen wollen ,, ben trügerischen und drunter muß es gehen. Sie melden ihre Ansprüche" Schleier einer ruhigen Aufwärtsbewegung" zerstören. Drüber

ant.

"

Als ob andere Parteien nicht ebensogut Ansprüche" stellen könnten. Sie beklagen sich über die Herrschaft von zur republikanischen Regierung patentierten Cliquen", und beweisen ihren Beruf zur republikanischen Regierung, in­dem sie in öffentlicher Reichstagsverhandlung das Heer der Republik   zur Feindschaft gegen die Republik   aufputschen.

ihr nicht fertig werden könnte, müßte sich schämen. Einst So sieht diese Gesellschaft aus. Eine Regierung, die mit weilen aber wartet man auf Zeichen eines entschlossenen Regierungswillens, diesem staatszerstörenden Treiben einen Riegel vorzuschieben.

Vorsicht!

In der demokratischen Presse steht nicht selten besonders in bewegten Zeiten- mancherlei, worüber wir aus höheren Rüd fichten gern hinweglesen. Schließlich aber hat auch das seine Gren­zen. So schreibt heute die Berliner Volkszeitung":

Den Sozialdemokraten, die glaubten, sich den Sport einer billigen Agitation auf Resten der Regierungs parteien leisten zu fönnen, wird in den heutigen Besprechungen eine flare Entscheidung abgefordert werden.

Es ist unmöglich, in so wenige Worte mehr Unsinn und mehr Ueberheblichkeit zusammenzupressen, als es hier geschieht. Die " Berliner Volkszeitung" kennt weder den Charakter unserer An­träge, noch hat sie eine Ahnung von der wirklichen politischen Situation. Außerdem sollte sie begreifen, daß der Feldwebet. ton, den sie anschlägt, geeignet ist, das Ziel, das fie anstrebt, zu

gefährden.

Wir möchen diese notgedrungene Bemerkung mit der Bitte schließen, daß die demokratische Presse Berlins   überhaupt, wenn möglich, mit etwas mehr politischem Berst and redigiert werden möge. Wie notwendig diese Bitte ist, lehrt auch ein Blid ebenfalls demokratische ,, B. 3. am Mittag". auf die

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Das dem Reichstag zur Entscheidung vorliegende Gesetz zur Bemahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften ist bereits in seinem Titel und damit in seiner Grundtendenz gegenüber der Verfassung eine Willkür. Das Gesetz ver­foppelt miteinander zwei Bestimmungen der Verfassung, die nicht ohne weiteres zusammengehören. Die Verfassung will die Bekämpfung der Schund- und Schmuhliteratur ermög lichen, sie macht gleichzeitig Maßnahmen zum Schutze der Jugend bei öffentlichen Schaustellungen zulässig. Das Gesetz trennende fowie" überspringt: eine Bekämpfung der mischt aus diesen Beiden Bestimmungen, indem es das Schund- und Schmuhliteratur zum Schutze der Jugend. Das tönnte als eine Einschränkung des beabsichtigten Rampfes gegen Schund und Schmuß gedacht sein; das ist in Wirtlichkeit die Wurzel aller Mißverständnisse, die in diesem Gesez enthalten sind.

Nach der Verfassung, die ganz allgemein ohne Schund- und Schmuhliteratur für zulässig erklärt, steht diese besondere Berücksichtigung der Jugend die Bekämpfung der Ausnahmebestimmung unter der vorangehenden General­erklärung, daß eine Bensur nicht stattfindet. Die Verfassung gestattet also den Kampf gegen Schund und Schmuh nur im 3eichen solcher Regel. Das vorliegende Gefeß aber ermöglicht, daß von ihm jede Druckschrift, ausgenom men die politische Tagespresse, erfaßt wird. Es schafft ge­radezu den Instanzenweg und den technischen Apparat für eine Durchbrechung und Umgehung des feierlichen Vorder­sages, der die Zenfur grundfäßlich ablehnt. Man darf darum sagen, daß das Gefeß die Zensur durch die Hintertür einer mißbräuchlichen Benußung der Berfaffung wieder einläßt. Das Gesetz, das voraussichtlich in der fommenden Woche den Reichstag beschäftigen wird, bestimmt, daß zum Schuhe der heranwachsenden Jugend Druckschriften in eine Liste auf­genommen werden. Die auf solchen Inder gesetzten Schriften dürfen weder feilgehalten noch angeboten oder auch nur an­gefündigt, fie dürfen weder im Schaufenster noch innerhalb der Verkaufsräume zur Schau gestellt werden. An Personen unter achtzehn Jahren dürfen sie innerhalb des gewerblichen Betriebes weder entgeltlich noch unentgeltlich überlassen verkauft werden. Indessen, da die dem Inder verfallenen werden. Dem Erwachsenen, der sie verlangt, dürfen fie Schriften in feiner Weise der Deffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfen, fo find fie tatsächlich um ihre Eristenz gebracht, zumal die Bestimmungen des Gesetzes auch dahin auslegbar sind, daß eine Inderschrift weder inferiert noch besprochen werden darf.

Steht eine Schrift auf dem Index, so haben sämtliche Behörden Sorge zu tragen, daß in feiner ihrer Einrichtungen irgendeine dieser Schriften Jugendlichen zugänglich iít. Das

Um das Arbeitszeitgeset. Der Reichskanzler verhandelt mit den Gewerkschaften. Nachdem die Reichsregierung bereits mit den Unter- macht wahrscheinlich, daß auch in Bibliotheken Inderschriften nehmern über die Frage des Arbeitszeitgefeges verhandelt hat, wird am morgigen Freitag eine Besprechung des Reichsfanglers und der zuständigen Reichsminister mit den Gewerkschaften über die gleiche Angelegenheit folgen. Die Stunde dieser Verhandlung steht noch nicht genau feft.

4. Die KPD.   erklärt der Arbeiterschaft, daß in diesem Landtage die Durchführung der proletarisch en Forderungen unmöglich ist. Deshalb stellt sie schon jetzt ver der gesamten sächsischen Arbeiterschaft die Frage der Notwendig. feit des Kampfes für die Auflösung dieses Landtags. Die Erflärung behauptet dann weiter, die sächsischen Sozialdemokraten strebten, wie die Kommunistische Partei  genau wisse, doch nur eine Koalitions regierung in Sachsen   an. Alles andere sei nur Manöver. Darum set auch die sehr aktuelle Parole: Auflösung des Landtags"! munistische Politit. Es geht eben nichts über die geradlinige prinzipienfeste fom

Neue Kontrollbesprechungen. Die Frage des militärischen Oberbefehls erledigt. Durch eine offizielle Mitteilung der Botschafter fonferenz vor wenigen Tagen ist der Reichsregierung erflärt worden, daß die so lange diskutierte Frage des Oberberehis meldungen über eine Neuaufrollung dieser Frage im Zu über die deutsche Wehrmacht geregelt ist; Bariser Presse­fammenhang mit ber Ernennung des Generals eye fönnen also

wohl nicht stimmen.

Eine neue Note der Botschafterfonferenz spricht von der zukünftigen Berwendung ehemaliger Militärgebäude, besonders auch von Kasernen, die nicht mehr militärisch verwendet werden können. Die Note ersucht die Reichsregierung um Borschläge, was mit diesen Gebäuden geschehen solle; es wird aber ihre 3er störung nicht verlangt.

nicht mehr eingestellt werden, denn welcher Bibliothekar möchte sich dem Risito der Strafbestimmungen des Gesetzes ausliefern, die auch Fahrlässigkeit mit Geldstrafe ahnden.

Mit besonderer Härte padt das Gefeß nach den periodischen Druckschriften. Wenn eine Zeitschrift innerhalb Jahresfrist zweimal auf den Inder gesetzt wird, kann sie für ein ganzes Jahr den genannten Einschränkungen unter­worfen werden. Das Groteste dieser Bestimmungen ergibt fich aus der schon erwähnten Freiheit für politische Tages­zeitungen. Eine Tageszeitung, die normalerweise eine viel größere Bugänglichkeit auch für Jugendliche hat, bleibt un­behelligt; eine Wochenschrift tann getroffen werden. Bei der Einschaltung dieses Erweichungsparagraphen hätten die Damen und Herren, die das Gefeßz gemacht haben, merken müssen, wie sehr sie gegen die Verfassung und die garantierte Benfurfreiheit verstoßen.

Eine weitere angebliche Sicherung soll die Bestimmung bringen, daß keine Schrift wegen ihrer politischen, sozialen, religiösen, ethischen oder weltanschaulichen Tendenz, als folche" auf die Liste gefegt werden darf. Wer die Praxis fennt, weiß, daß derartige Kautschutbestimmungen nur Feigenblätter find, den guten Ruf des Sittenrichters zu schüßen.

Wie tommt nun eine Schrift auf den Inder? Durch den Beschluß einer Prüfungsstelle. Diese Prüfungs­stellen werden von den Ländern eingerichtet, doch können hierzu mehrere Länder sich zusammenfinden. Es sollen zit­nächst, wie man hört, vier Prüfungsstellen eingerichtet werben; feine Bestimmung des Gesetzes aber verhindert, daß Brüfungsstelle einrichtet. jederzeit irgendein Land, und sei es das kleinste, eine eigene Prüfungsstelle für das ganze Reich Gültigkeit Da nun der Spruch jeder hat, so fönnen Verhältnisse von unbegrenzter Komit ein­treten. Zum mindesten dürften diese Bestimmungen> Gesetzes seinen Urhebern Beranlassung geben, endlich einmal über das, was sie da vorschlagen, nachzudenken. Angenom­men, daß die Prüfungsstelle eines rein protestantischen Landes an die populären Heiligen legenden gerät oder an eines jener Trattate, in denen katholische