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Nr. SZS 43. Jahrgang 1* Sonntag,?4. November Ich 26

Die Republik steht in einem Briefmarkenkampf. Herr Stingl, der bayerische Partikularist, ist der kleine Metternich, der mit dem Königskopf in der Republik die Gemüter für den fchwarzweihroten »Wiederaufbau" sturmreif machen will, wobei es komisch berührt, daß der Preußenkönig Friedrich, dieser markanteste Repräsentant preußisch-dynastischer Hausmachtinteressen, die großdeutsche Bewe� gunp der Jetztzeit symbolisieren soll! Was Wilhelms halbabsolu- tistisches Regime nicht fertig brachte, ja nicht einmal versuchte, das soll in der Republik Erfüllung werden: Hohenzollernunterricht für Erwachsene und Kinder auf der Briefmarke. Die Marke in aller Welt. Ob Kopf oder Wappen die sauberste Lösung des künstlerischen Problems der Briefmarke darstellen, ist eine umstrittene Frage. Recht gewagt sind die Symbolismen, die Phantasten dem Marken- klebenden als geistige Kopfnüsse anbieten. Erinnert sei hierbei an die schauderhaften deutschen VerIrrungen der Inslationszeit. wo mit dem Millionenrausch der Zahlen seltsame Briefmarkenblüten entstanden, um ebenso schnell wieder zu oergehen, womit jedoch nicht einer grundsätzlichen Ablehnung des Symbols aus der Brief- marke das Wort geredet sei. Weniger hübsch als sinnvoll sind xe- wisse stilisierte Serien der französischen Republik , die jedem Marken- liebhaber bekannt sein dürften. Seit Bestehen des Deutschen Reichs ist die neue Serie, die jetzt herauskam, die erste deutsche Kopsserie. Die Marken des kaiserlichen Deutschland waren Wappen und Ger- maniabrustbild. Bekanntlich war der Postdienst zentralisiert, nur Bayern machte die berühmte parttkularistische Ausnahme. Unge­fähr bis 1908 hatten die Bayern Wappenmarken, später kam dann die Jubiläumsserie. Interessant ist es. auf die Markenhistorie anderer Länder zu blicken. Die Vereinigten Staaten von Amerika brachten drei Serien mit den Kopsen der verschiedensteu Prädenten heraus: im internen Dienst der Ministerien, nicht im Publikums- verkauf, zirkuliert die A b r a h a m-L i n c o l n-M arte. Mexiko wechselte mit dem Wappen(Adler) und Bilderserien der Staaten, Venezuela führt den Kopf Bolivars. Die Monarchien(England, Dominion Indien und Italien ) führen den Königskopf, die Repu- bliken Portraits ihrer Präsidenten. Der Königskops in einem repu­blikanischen Slaatsweson ist also Original-Made in Germany, ist einzigartige deutsche Erfindung. Das französische Kaiserreich dienerte kurz vor dem Royalistenkladderadatsch noch einmal vor dem dritten Napoleon, die kämpfend« Republik prägte auf der Marke� Kopf oder figürliches Symbol des neuen Staates. Die Schweiz Hai Wappen und sie zeigt serner eine Tellserie. Norwegen und Schwe- den, die Monarchien, Monarchenköpfe. Serbien , Bulgarien , alle englischen Kolonien führen Köpfe auf der Marke, Brasilien und

Chile haben Präsidenten- und Kolumbusmarken. Wir sehen also: es gibt kein« Republik , die einen monarchistischen Kops ontirepu- blikanischer Propaganda als gängigste Marke einführte. Die Repu- bliken haben Prästdentenmarken. Und in Kensequenz dieser Er- kenntnis wäre man oersucht, den Postmeister zu fragen: wo bleibt die Ebert. Marke? Einige Feststellungen. Am selben Tage, da der Stingl den Jünglings- und Jungfrauen- vereinen dienationale Briefmarke" schenkte, ließ Hugenbergs Lokal-Anzeiger" einen Schwärm von Reportern los, die, die patriotische Markttasche und den Zeichenstift unter dem Arm,

Nicht Fridericus sondern Schiller .

Fridericus Rex" einholen sollten. Am nächsten Morgen nun weinten sie aus, was ihre erschütterte Seele vernommen. Wie da das immer fällige, immer tatbereite Mütterchen mit den treuherzigen Blau- äugen und dem energischen Zug im Gesicht an den Schalter ge- treten sei und mit fester Stimme denAlten Fritz" verlangt habe, wie der steinalte Mann mit dem martialischen Kriegerblick und den unwahrscheinlichen Blechbehängen aus der Familienvitrine die Lippen auf Stingls Werk preßte und es dann mit tränendem Auge ins Portemonnaie gleiten ließ----, ho, das war die Seele des Volkes, die dem Hohenzoller und seinem Propagandachef warm entgegcnschlug. Welch lächerliches Theater! Es sind wohl jetzt zwei Wochen her, daß der Postmeister der Republik die Fridericusmarke auf das Publikum losließ. Es interessierte immerhin, wie dieser Coup einschlagen würde und ob die Spekulation aus die Autori- tätsinstinkte der ewig Dummen dem Monarchisten Stingl immerhin eine geschäftliche Chance gibt, und so mochten wir uns denn auf, um an verschiedenen Stellen Groß-Berlins Stichproben vor- zunehmen. Kein angenehmes Amt, sich vor erstaunten Postbeamten als vomFridericiis"-Bazillus Infizierter lächerlich zu machen. immerhin, die Streiftour lohnte sich. vor üen Schaltern. In Reukölln. Postamt Berliner Straße, kann man den Schiller für 5 Pfennige erstehen, aber denFridericus" gibt es nicht. Der Beamte ist nicht sonderlich redselig. Eine harte Nuß für den Inter - viewer. Jawohl, er hat den Alten Fritz schon gehabt. Er wird jedoch nur ausgegeben, wenn er verlangt wird. Die alten Bestäube müssen vorerst aufgebraucht werden. Ob man ihn häufig verlangt? Der Gute hinter dem Schalter merkt den Spürhund. Wann er nur wüßte, von welcher Fakultät! Und so antwortet er ausweichend: Es wird vieles verlangt, es geht..."Manchmal" und wahr- scheinlich wollte er sagen,kommt so ein Rindvieh." Aber er sagt nichts. Er verschluckt es wohl. Und so wandern wir weiter. Im Postamt am Tempclhofer User wird man auf der Fridericus- jagd weit freundlicher aufgenommen.Eine Zehnpfennigmarke, bitte." Der hinter dem Schalter greift zum alten Bestand.Ach, hören Sie, können Sie mir nicht eine neue Marke geben?"Hm, hm." Der Beamte wird ein wenig rot und die Bitte scheint ihni gar nicht unangenehm zu sein. Wittert er einen Gesinnungsgenossen? Wird sie viel verlangt?" Damit kann er nun leider nicht dienen. Wenig, vorerst wenig. Ja, wissen Sie, wollen Sie vielleicht mal meinen Kollegen fragen?" Am anderen Schalter sitzt ein Mann, dem die Korrektheit aus den Augen blitzt. Er scheint nicht frideri- zianisch. Er ist unergründlich. Aus Prinzip. Und liebenswürdig öffnet er den Mund:Bitte, wenn Sie einen Kollegen fragen wollten...?" Auf dem Poskamt 48. Friedrichsiraße, kommt man dem Mann am Schalter mit Psychologie auf die Spur. Ehe man zum Fragen kommt, muh man eine balbe Stunde warten. Eine unendliche Schlange. Zum Teil Geschäftsboten, die sich nun engros für den Poltoertrieb eindecken, keiner verlangt Fridericus. Alle bekommen sie die alten ZNarken. Nun ist die Bahn frei.Eine Zehnpfennigmarke, bitte..."Wie? Ach so!" Er gibt die Adler- marke.Ach, haben Sic nicht eine neue?" Er sucht, sucht ver- zweifelt, irgendwo entdeckt er einen schmalen Streifen.Ach, wissen Sie, geben Sie doch lieber zwei Schillermarken o 5!" Verständnis-

Die Wunöer öer Klara van Haag. 13� Van Johannes Vuchholh. Aus dem Dänischen übersetzt von Erwin Magnus . Er dachte an die Möglichkeit, Sivert aufzuspüren und einzuholen und ihn heimzubringen, lebendig oder..., nein, lebendig mußte er sein, um einen Wert zu haben. Da aber weder die Nachbarn noch andere das Geringste von Sivert gesehen hatten, mußte er schließlich die Jagd einstellen und umkehren. Da war es Mittag. Seine Frau stand am Herd und fragte, ob es ihm vielleicht passe, jetzt zu essen. Wenn es sein muß," sagte er, etwas besänftigt durch den Essensduft. Anna beeilte sich, so sehr sie konnte. Sie hatte aus An- laß des Tages für ein kräftiges Beefsteak gesorgt. Für Eg- Holm natürlich. Sie selbst hatte nur geringen Appetit. Denn wo mochte ihr lieber Sivert wohl umherirren? Da geschieht es, daß dieses Beefsteak eine noch wunder- samere Wirkung ausübt, als sie selbst zu glauben gewagt hat. Als sie das lebhaft dampfende Gericht aus eine Schüssel legt, sieht sie eine Hand und einen grünen Rockärmel sich durch die Bodenluke herunterbeugen und ihr einige Male zuwinken. Sie sieht weder das Gesicht, noch sonst etwas außer d'esem wmkenden Arm, ober das genügt vollkommen. Nicht allein, daß sie den Aermel erkennt, sie hat auch gewisse psychologische Gründe, zu glauben, daß Svert selbst an dem Arme hängt und ihn in winkende Bewegung in der Richtung der Beefsteak- schüsiel setzt. Die Muttersorgen lösen sich plötzlich in Dampf und Nebel auf. ja. sie lacht"förmlich übers ganze Gesicht, als sie mit dem Essen zu ihrem Mann hineinläuft. Ein Glück, daß er mchts entdeckt. Gleich darauf hat sie zwei gute Stücke auf einen Teller gelegt und knirscht leise die Leiter hinauf. Sie schüttelt den Kopf und droht Sivert lächelnd, und er lacht begeistert Zurück, tut als spiele er Harmonika oder was ihm sonst Amüsantes einfallen kann. Dann faßt er ihre Hand und führt sie durch all das Gerumpel, das hier aufgestapelt ist. Am fernsten Ende des Bodens hatte er sich aus einem alten Bootsegel ein Zelt gebaut. Auf wenige Schritte war alles unsichtbar, da es kein Bodenfenster in der Nähe gab. Unter dem Ze't hatte er einen Dachziegel so weit gelockert, daß ein Lichtstrahl hereinfiel. Die Mutter sah, daß er sich mit einem bedeutenden Haufen verstaubter illustrierter Blätter

unterhalten und sich ein ganz ordentliches Bett aus Säcken und alten Kleidern bereitet hatte. Sie flüsterten zusammen: Du bleibst doch wohl nicht zu lange fort, Sivertchen?" Ach, denk nur nicht an meine Heimkehr. Ich bin ja eben erst abgereist. Ich befinde mich überall in der Welt wohl und gehöre nicht zu denen, die an Heimweh oder dergleichen leiden." Na ja, ja, solange ich dich in der Nähe habe, geht es ja wohl. Schmeckt dir das Essen?" Etwas mehr Pfeffer würde nicht schaden." Du mußt es immer so scharf haben, aber ich werde..." Danke. Aber dann muß es ein bißchen schnell gehen, sonst läufft du Gefahr, daß ich es vorher aufgegessen habe." Ja, ja. Ich stelle die Pfefferbüchse in die Bodenluke, dann kannst du dir sie selbst nehmen." Tu das nur. Es freut mich, wenn ich- dir beim Tisch- decken ein bißchen behilflich sein kann," sagt Sivert voller Freundlichkeit. Emanuel wurde am selben Tage in Siverts Ausenthalt eingeweiht. Er fand die Geschichte großartig romantisch und verbrachte seine meiste freie Zeit in Siverts Höhle. Sie ver­eintarten Signale. Wenn die Ofentür hart zuzuschlagen wurde, kroch Sivert ganz tief unter die Decken und wagte kaum, Luft zu schöpfen, denn dann war der Vater in der Nähe. Wenn aber Emanuel seinen Kamm nahm und spielte: Stürmisch die Nacht, und die See geht hoch...", dann be- deutete es, daß der Gefürchtete im Begriff war, den Havelock anzuziehen, um auszugehen: Sivert konnte sich freuen, und wenn die Melodie überging in:Der Mai ist gekommen...", dann kam der freiwillige Gefangene die Leiter herunter, sah zwinkernd in das Licht, mit Spinnweben im Haar, aber sowohl in bester Laune w'e in seinem besten Zeugl. Er er- klärte, er würde hundert Jahre auf Reisen bleiben. Ja, aber das Nichtstun tut dir nicht gut," sagte die Mutter bekümmert. Ach, ich habe eine eiserne Gesundheit und überstehe es leicht." Wenn du nur mit Nadel und Faden umgehen könntest, dann..." Bring mir nur ein paar Nadeln, die kann ich gerade gut gebrauchen. Faden ist nicht nötig." Oder wenn du dich ein bißchen im Schreiben mit Feder und Tinte übtest." Bring mir ein bißchen Tinte. Aber behalt nur die Feder."

Wie willst du denn ohne Feder schreiben und ohne Faden nähen, du Eulenspiegel." Frag nicht, das betrifft meine echte Liebe," sagt« Sivert mystisch. Die werde ich schon respektieren," sagte die Mutter ge- rührt.Ohne sie ist die Erde nur eine unfruchtbare Wüste. Hier hast du Nadeln. Jetzt werde ich ein bißchen Tinte für dich stehlen." Was willst du aufstellen?" fragte Emanuel, als sie aus ihrem Versteck gekrochen waren. Laß mir' Zeit, und du wirst klug werden! In zwei Tagen soll eine Gedenktafel enthüllt werden, und dann sollst du unter den Zuschauern sein!" Sivert war noch nie ein so prächtiger Bruder gewesen wie jetzt Emanuel hoffte, daß diese spannenden Zustände recht lange dauern sollten. Zwei Tage später beginnt Sivert dann ohne ein Wort Rock und Weste auszuknöpfen. Was in aller Welt soll jetzt geschehen? Sivert zieht das Hemd beiseite und sieh auf seiner bloßen Brust steht eine lange, merkwürdig-- Tätowierung. Emanuel geriet außer sich vor Begeisterung. Lies!" gebot Sivert. Das ist ja hebräisch oder sowas." M i n n a L u n d steht da!" Nein weißt du Minna Lund steht da nicht!" Willst du sagen, es fei nicht richtig buchstabiert?" Ach, aber es steht ja verkehrt!" Mit zitternder Hand zog Sivert einen kleinen Spiegel heraus und untersuchte damit seine Isischrift. Sein Brust- kästen war so hohs, deshalb sah er leichter in einem Spiegel als direkt. Was für ein Unsinn. Es steht richtig!" Ja, im Spiegel. Im Spiegel steht es richtig, es ist in Spiegelschrift geschrieben." Tadellos!" Ja, aber von vorn gesehen ist es umgekehrt." Sivert grübelte darüber nach und sagte:Von vorn, ja, aber wer soll es von vorn sehen, wenn das Hemd es bedeckt. Nein, von innen soll man es sehen. Ich sehe durch meine eigene feine Haut hindurch und lese den teuren Namen richtig: Minna steht da und Lund steht da. Ich kann doch wirklich nicht vor euch allen für meine auserwählte L-ebsts Reklame machen. Nicht wahr? Sag nein teurer, geliebter Emanuel!" (Fortsetzung folgt.)