Das glorifizierte Wohnungselend. Dichtung und Wahrheit über russischen Wohnungsbau.
Die Entdeckungsreisen der Auslandsdelegierten in Rußland fördern immer neue lleberraschungen zutage. Neuerdings hat sich die Delegation der englischen Bergarbeiter, die ihre Auf merksamkeit in erster Linie dem bergbaulichen Donezgebiet geschenkt hat, ganz besonders für die Erfolge des Wohnungsbaues in der Sowjetunion begeistert. In der öffentlich abgegebenen schriftlichen Abschiedserklärung der Delegation heißt es wörtlich:
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In allen Industriebezirken werden wirksame Maß nahmen zur Lösung der Wohnungsfrage durchgeführt. Die Arbeiter werden in der größtmöglichsten Eile aus ihren baufälligen Hütten der Erbschaft des alten Regimes in bequeme Wohnhäuser übergeführt. Dort wo sich die Uebersiedlung aus verschiedenen Gründen verzögert, werden Versuche gemacht, die Wohnverhältnisse günstiger zu gestalten; die Arbeiterwohnungen erhalten elektrisches Licht, Heizungseinrichtungen usw. Gleichzeitig werden neue Heime für alleinstehende Männer und Frauen eingerichtet, was wesentlich zur Linderung der Wohnungsnot beiträgt, die durch den ständigen Zustrom neuer Arbeiter nach den Industriezentren hervorgerufen wird."(" Trud" vom 14. Oftober.)
Denunziationen gegen Erwerbslose.
Man ist im Kleinlichen groß.
Zahlreichen Erwerbslosen, die längere Zeit Erwerbslosenunterstützung empfingen, ist nach plötzlicher Entziehung der Unterstüßung in den letzten Wochen und Monaten von der zuständigen Fürsorge ftelle ein formularmäßiger Bescheid folgenden Inhaltes zugegangen: ,, Sie werden hierdurch aufgefordert, die für die Zeit vom... bis zu Unrecht bezogene Erwerbslosenhilfe mit... M. binnen 14 Tagen an die Kasse der Erwerbslosenhilfe... bei Vermeidung zwangsweifer Eintreibung, durch welche Ihnen nur erhebliche Kosten entstehen würden, zurückzuzahlen, andernfalls Strafantrag ge stellt wird." Der Druck solcher Formulare beweist schon ihre häufige Verwendung. Die Rückzahlung wird zuweilen in Höhe von mehreren Hundert Marf gefordert und die Strafanzeige angedroht auf der Grundlage unverantwortlicher, gehässiger Denunziationen, die felten eine Unterschrift tragen. Sie gehen aus von mißgünstigen Bersonen, die angeben, daß der Unterftüßungsempfänger oder ein Angehöriger seiner Familie irgendwo gearbeitet hat. Es ist doch längst bekannt, daß eine Familie nur von der Erwerbslosenunterstügung nicht leben fann. Rechnet man für Mann, Frau und ein Kind wöchentlich rund 16 M. Unterftügung, so bleiben nach Abzug der Miete wöchentlich knapp durch hochgradige Unterernährung frank zu werden, muß also jede 10 m. für drei Menschen. Um nicht halb zu verhungern und Gelegenheit, die ein paar Groschen Verdienst einbringt, wahrgemöglichkeit mit Strafanzeige wegen Betruges zu bedrohen. Geradezu nommen werden. Es geht nicht an, solche geringfügige Verdienstgrotest muß es erscheinen, in solchen Fällen die Rückzahlung von mehreren Hundert Mark binnen zwei Wochen zu fordern. Beispielsweise denunzierte eine freundliche Nachbarin einen Erwerbslosen, weil dessen Ehefrau für die nähere Bekanntschaft ein paar Hüte garnierte. Ein anderer wurde angezeigt, weil er seiner Ehefrau beim Annähen von Knöpfen half. Einem dritten Erwerbslosen wurde mit dem Staatsanwalt gedroht, weil er in seiner fleinen Kellerwerkstatt mangels lohnender Aufträge Muster arbeitete, die nichts fall, wollen sich aber nicht immer überzeugen laffen, wie traurig es in den denunzierten Familien aussieht. Muß denn überhaupt Wert gelegt werden auf jede anonyme, also feige Denunziation? Muß nicht, da die Erwerbslosenunterstügung viel zu niedrig ist, angemeffener Spielraum für Gelegenheitsverdienst gelassen werden? Gewiß fommen unberechtigte Ausnutzungen der Fürsorge vor, aber man soll deshalb nicht übermäßig mißtrauisch werden und nicht förm= herumzulungern, froh sind, sich eine gelegentliche kleine Zubuße zur lich Jagd machen auf Erwerbslose, die, anstatt untätig Unterstützung verdienen zu können.
tobenben Rufisher zu beruhigen, er möchte doch hier ruhig verhandeln lassen, denn es handele sich doch um eine geringfügige Sache, die endlich erledigt werden müsse. Er möge sich zusammennehmen. Kutisker richtete sich von neuem auf der Tragbahre hoch und schrie immer wieder:" Sieben Jahre Zuchthaus , und in der Charité ermordet man mich. Das ist schlimmer als in Asien . Ich habe so viel für Deutschland getan- und 7 Jahre Zuchthaus." Auf Befragen von Juftizrat Dr. Werthauer äußerle der Sachverständige Dr. Bansin, daß Kutister im Augenblick nicht verhandlungsfähig set, er riet zu einer halbstündigen Unterbrechung, damit Kutister sich beruhige. Nach Ablauf der Pause fragten die Dr. Nübell, nochmals den Sachverständigen, ob Kutister jetzt verVerteidiger Kutisters, Justizrat Dr. Werthauer und Rechtsanwalt handlungsfähig sei. Der Sachverständige riet nunmehr, für heute die Verhandlung abzubrechen. Justizrat Dr. Werthauer verwies dann darauf, daß Kutister ja sich zur Anklage schon geäußert habe, so daß seine Anwesenheit nicht notwendig sei, und ob man nicht in seiner Abwesenheit weiter verhandeln könnte. Justizrat Dr. Löwenstein hielt das nicht für angängig, da Kutister frank sei. Auch der Vorsitzende war der Meinung, daß ohne Kutister nicht verhandelt werden könne, solange er behaupte, frank und verhandlungsunfähig zu sein und nicht freiwillig fern bleibe. Dagegen will der Borsigende mit der 2. Großen Straflammer, der Beschlußfammer des Landgerichts I , verhandeln, ob nicht dem Wunsche suchungsgefängnis zu überführen. Dann wurde die Verhandlung auf Kutisters Rechnung getragen werden könne, ihn wieder in das UnterDonnerstag früh 9½ Uhr vertagt.
Der Helfer des Juwelenräubers Spruch.
In der Westpriegnik ergriffen?
Demgegenüber muß betont werden, daß der Wohnungsbau in Rußland , trotz seiner wesentlichen Zunahme in den letzten zwei Jahren, immer hinter dem Zuwachs der Bevölkerung zurückbleibt, so daß das Wohnungselend sich immer mehr verschärft. So ist nach den Angaben des Ausschusses für staatliche Planwirtschaft( ,, Gosplan") die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf der Bevölkerung in den Städten der Sowjetunion von 12,8 Quadratarschin*) im Jahre 1923 auf 11,5 Quadratarschin im Jahre 1926, d. h. rund um 10 Proz., in Mostau entsprechend von 12 auf 10,1 Quadratarschin, d. h. rund um 16 Broz, gefallen. Im Jahre 1927 wird eine weitere Verminderung der durchschnittlichen Wohnfläche pro Kopf der Bevölkerung erwartet, und erst 1928 oder 1929 hofft man, diesem Prozeß der Verschlechterung der Wohnungsverhältnisse Einhalt zu gebieten( fiche einbrachten. Prüfer der Fürsorgestellen untersuchen jeden Einzels endlich auch zu, daß ein junger Mann, den er unter dem Spitz
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Planowoje Chosjaistwo", August 1926, S. 39).
Der Zufall wollte es, daß die Veröffentlichung der oben zitierten Erklärung der englischen Bergarbeiterdelegation mit dem Abschluß einer Untersuchung des russischen Bergarbeiterverbandes über die Wohnungsverhältnisse im Donezgebiet zusammenfiel. Trud" ( vom 17. Oktober) veröffentlicht die Ergebnisse dieser Untersuchung in einem der wichtigsten Bezirke des Gebietes, im Bezirk Lugansk : ,, Die fünf Bergwerfsreviere des Luganster Bezirks zahlen insgesamt 61 Heime für Alleinstehende und 13 fleinere Familienhäuser. Von der Gesamtzahl der Heime befinden sich nur 22 in cinem verhältnismäßig wohnlichem Zustande, die anderen sind für Wohnzwecke wenig geeignet. Selbst Tische sind nicht überall vorhanden, und die Arbeiter sind gezwungen, ihre Mahlzeiten auf dem Fußboden oder auf den. Pritschen sigend zu verzehren.
In dem Arbeiterinnenheim der Borowski- Bechen ist das Dach noch seit dem Sommer abgedeckt, die Zimmerdeden befinden sich in einem solchen Zustande, daß sie feinen Schutz gegen Wind und Wetter bieten. Manche Heime sind derart überfüllt, daß die Arbeiter gezwungen find, unter den Pritschen zu schlafen. Die Einrichtung der Kasernen ist äußerst dürftig. Waschvorrichtun gen sind entweder überhaupt nicht vorhanden oder befinden fich in einem unbrauchbaren Zustande. Es mangelt auch an sauberem Wasser, da die Wasserleitungen nicht funktionieren. Tros des Herannahens des Winters sind die Türen nicht instand gesetzt und können nur mit Hilfe von drei Persoen geöffnet wer den. In den Wänden befinden sich durchgehende Risse, in manchen Heimen ist der Fußboden aus 3ement, was zu ständigen Erfäl tungen führt. Auch die Beleuchtung in den Heimen läßt viel zu wünschen übrig.
Man soll nicht etwa glauben, daß wir es hier mit einer Ausnahme erscheinung zu tun haber.. Mit dem Herannahen des Winters fommen ähnliche Klagen aus allen Teilen des Landes. Die neuen Wohnungen sind schlechter als die alten," schreibt man dem„ Trud"( vom 13. Oktober) aus Kineschma( Geuvernement Roftrama, ein Mittelpunkt der Textilindustrie), und es wird hier ein Bild geschildert, welches die oben erwähnten Verhältnisse im Donezgebiet noch weit in den Schatten stellt. Aehnlich wird aus dem Gouvernement Wladimir berichtet(„ Trud" vom 19. Oftober). In Baku werden die den Naphthabetrieben gehörenden Arbeiterhäuser nicht instand gesetzt, so daß sie in einen solchen zu stand geraten sind, daß viele von ihnen überhaupt nicht mehr instand gesetzt werden können.( Trud" vom 22. Oktober.) In Simferopet läßt sich folgendes Ergebnis des fommunalen Wohnungsbaues vers zeichnen:„ Die Dächer find nicht wasserdicht, die Türen sind eingetrednet und lassen sich nicht schließen, die Defen rauchen, an den Fenstern fehlen sämtliche Riegel zum Schließen"(" Trud" Dom 22. Oktober). Bei dem Wohnungsbau in Dniepropetrowsk( Jekateri noslaw) herrschen Mißstände, die einer Beschreibung spotten.( ,, Trud"
vom 13. Oftober.)
Diese Mitteilungen sind nur einigen Nummern einer ein zigen Zeitung entnommen und könnten nach Belieben vermehrt werden. Ob sie die Rußlandreisenden veranlassen werden, das Woh nungsproblem in Rußland mit größerem Ernst zu behandeln?
*) Ein Quadratarschin= Quadratmeter. Die Berliner Neuwohnungen haben mindestens 60 Quadratmeter, pro Kopf also 15 Quadratmeter. Das ist das 2½fache des russischen Ideals.
Nachspiel zum Lützow - Prozeß.
Ein Schöffe wegen Sittlichkeitverbrechens verurteilt. Bor dem Erweiterten Schöffengericht Lichterfelde, hatte sich der 49jährige Gärtner Georg Kahl aus Dabendorf bei Zoffen wegen der Anklage zu verantworten, in drei Fällen, in den Jahren 1919, 1924 und 1926 unzüchtige Handlungen mit Mädchen unter 14 Jahren vorgenommen, bzw. versucht zu haben. K. war Schöffe im LützowProzeß. Die letzte feiner Straftaten fällt in die Zeit, in der er als Schöffe im Lützow - Prozeß tätig war. Die Berhandlung, die auf 10% Uhr angesetzt war, begann wegen der längeren Dauer der vorhergehenden Straffachen erst furz nach 1 Uhr mittags.
Schöffen Kahl, der jetzt der KPD. angehört, wegen Boreingenommen Bekanntlich hatte die Verteidigung im Lützow - Prozeß den heit gegen von Lüßow beanstandet, da er geäußert hat, das Gericht mache viel zu viel Umstände mit Freiherrn von Lühow, ein Arbeiter wäre schon längst zu ein paar Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Da Amtsgerichtsrat Feußner, der seinerzeit den Lützow - Prozeß als Vorsitzender leitete, fich für befangen erklärt hatte, wurde die Verhandlung von Amtsgerichtsrat Kumbier, der als Beisitzer im Lützow - Prozeß fungiert hatte, geleitet. Den Antrag des Staatsanwalts auf Ausschluß der Deffentlichkeit wegen Gefährdung der Sittlichkeit, dem vom Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Ludwig Meyer, widersprochen wurde, lehnte das Gericht ab. Der erste zur Anklage stehende Fall liegt schon über sieben Jahre zurück. Im August 1919 foll Kahl die damals beinahe 14jährige Martha 3., jetzige Frau H., unfittlich berührt haben. Das Verfahren war damals von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden, da der Vater der 3. den Strafantrag auf Bitten des Angeklagten zurückgenommen hatte. Im zweiten Falle aus dem Jahre 1924 betreffs der damals 12jährigen Berta Pl. handelt es sich nur um einen Versuch. Der dritte Fall, von dem das ganze Verfahren seinen Ausgang genommen hat, ist der der jezt 11jährigen Elsbeth R. vom 3. Juni d. I. Der Staatsanwalt beantragte nach 5% ftündiger Verhandlung und der Bernehmung einer großen Anzahl sich zum Teil widersprechender Zeugen wegen des ersten Falles 6 Monate, wegen des zweiten 2 Monate und wegen des dritten Falles 1 Jahr Gefängnis, die er auf eine Besamtgefängnisstrafe von einem Jahr drei Monaten zusammenzuziehen bat; außerdem beantragte er drei Jahre Ehrverlust und stellte dem Gericht anheim, einen angemessenen Teil der seit dem 21. August 1926 bestehenden Untersuchungshaft auf die Strafe anzurechnen. Nach ftündiger Beratung verkündete Amtsgerichtsrat Kumbier das Urteil. Es lautete auf Freispruch bezüglich des ersten Falles, der schon über 7 Jahre zurückliege und nicht ausreichend aufgeklärt werden könne. Bezüglich des zweiten und dritten Falles dagegen mußte wegen vollendeten Sittlichkeitsverbrechens nach§ 176 Abs. 3 des Reichsstrafgesetzbuches Verurteilung erfolgen, wobei das Gericht berücksichtigt hat, daß der Angeklagte feruell sehr leicht erregbar ist und ihm deshalb mildernde Umstände zugebilligt hat. Sonst hätte auf Zuchthaus erfanne werden müssen. Der Angeklagte wurde zu einer Gesamtstrafe von 7 Monaten Gefängnis verurteilt, von denen 10 Wochen durch die Untersuchungshaft als verbüßt gelten. Die bürgerlichen Ehrenrechte wurden dem Angeklagten auf Die Dauer von 2 Jahren aberkannt. Dem Angeklagten wurde eine Bewährungsfrist für den Rest der Strafe in Aussicht gestellt, falls die noch anzustellenden Ermittlungen günstig sein follten.
Die Bereinigung der Entwaffnungsfragen. gelten. Die bürgerlichen Ehrenrechte wurden dem Angeklagten auf
Vor der Einigung.
Paris , 16. November.( Eigener Drahtbericht.) General Balch wird in kurzer Zeit auf seinen Berliner Posten zurückkehren. An den Pariser zuständigen Stellen erklärt man die Nachricht, nach welcher der General mit einer speziellen Mission von der Botschafterkonferenz beauftragt sei, für unbegründet. Seine Rückreise nach Berlin sei mit den schwebenden Verhandlungen über die Ersetzung der interalliierten Militärkontrolle durch die Völkerbundsfontrolle nicht in Zusammenhang zu bringen, um so weniger, als der größte Teil der Fragen, die Deutschlands Abrüstung betreffen, vor allem die des Oberkommandos, als gelöst angesehen werden können. Die Regelung mehrerer noch ausstehender Fragen, so die der militärischen Ausbildung der Jugendverbände und der Auflösung der nationalistischen Geheimorganisationen, stehe unmittelbar bevor. Außerdem lege die Botschafterkonferenz Bert darauf, vor der Abberujung der Interalliierten Kontrolltommiffion auf dem Wege diplomatischer Verhandlungen mit der deutschen Regierung die Kompetenzen der neuen Völkerbundskommission genau festzulegen.
Amerika hat es besser. Haushaltsüberschüsse und Steuerermäßigung. New York , 16. November. ( WTB.) Der Schatzsekretär teilt mit, daß der Budgetüberschuß im nächsten Jahr voraussichtlich über 300 Millionen Dollar betragen wird. Die Einkommensteuerzahlungen werden um 15 Broz. für das nächste Jahr herabgesetzt.
Bestätigung der neuen Magistratsmitglieder.
Die neugewählten vier Magistratsmitglieder, Stadtkämmerer Dr. Lange, Stadtbaurat Wagner, Stadtschulrat Nydahl und Stadtrat Reuter sind heute vormittag vom Ober präsidenten von Berlin bestätigt worden. Sie werden am fommenden Donnerstag in der ordentlichen öffentlichen Sigung der Stadtverordnetenversammlung vor Eintritt in die Tagesordnung durch Oberbürgermeister Böß und Stadtverordnetenvorsteher Haß in ihre Aemter eingeführt werden.
Kutisker tobt.
Zu dem großen Juwelenraub in der Tauenzienstraße, der feinerzeit tagelang die Deffentlichkeit beschäftigte, scheint es jetzt noch daß man von vornherein. die Vermutung hegte, Spruch müsse noch ein Nachspiel geben zu wollen. Damals wurde schon mitgeteilt, einen männlichen Helfershelfer gehabt haben. Er gab denn
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namen Schmiedepaul" kenne, mit ihm zusammen den Raub ausgeführt habe. Er erzählte, daß dieser Mann, der nach den Ermittlungen der Kriminalpolizei Gerlach heißt, von ihm 25 M. erhalten habe und damit auf die Walze gegangen sei.„ Schmiedepaul" sollte dann auch bald hier, bald da aufgetaucht sein. Endlich hieß es, er set über die polnische Grenze entkommen. Die Nachforschungen der Berliner Kriminalpolizei, die alle Landposten und Polizeibehörden in der Provinz und im Reiche mit einer genauen Beschreibung des flüchtigen Gerlach versah, scheinen jetzt Erfolg gehabt zu haben. Wie uns aus Karstedt in der Westpriegnij telephoniert wird, trat dort vor einiger Zeit bei dem Landwirt Roehr ein junger Mann als Knecht in Dienst. Er wies sich mit einer Quittungsfarte auf den Namen Hoffmann aus. Der neue Knecht wußte seine
Polizeiliche Anmeldung immer wieder hinauszuschieben. Endlich aber drängte der Arbeitgeber energisch. Jetzt fiel dem Landjäger Knechtes mit der des gesuchten Gerlach übereinstimmte, die Größe Büthe, der die Papiere nachprüfte, auf, daß die Beschreibung des sowohl wie die schmächtige Gestalt und das runde bartlose Gesicht. Aber nicht das allein, auch das Geburtsdatum, der 13. Oftober 1905, und der Geburtsort Niederhof bei Breslau , sind auch die des Gerlach. Der Verdächtige wurde hierauf festgenommen. Der Landjäger sette telegraphisch die Berliner Kriminalpolizei in Kenntnis. Diese entsandte sofort zwei Beamte nach Karstedt, die den Festgenommenen hierher holen werden. Der junge Mann, der sich als Knecht ganz dacht erregte, bestreitet, Gerlach zu sein, den Juwelenräuber Spruch gut bewährte, aber durch die Hinauszögerung der Anmeldung Berzu kennen und mit dessen Tat irgendetwas zu tun gehabt zu haben.
Begünstigung von Taschendieben.
Ein Polizei- Skandalprozeß in Leipzig . Das Kapitel„ Kriminalpolizei und Taschendiebe" ist nicht neu. Und wie schon früher in Moskau und in Warschau , so waren es auch in Leipzig polnische Taschendiebe, die die Kriminalbeamten zu Fall brachten. Anstatt daß sie den Kriminalbeamten ins Garn liefen, liefen ihnen die Kriminalbeamten ins Garn. Neben fünf internationalen Taschendieben sind es nun vier Beamte, die vor einigen Tagen vor dem Schöffengericht Leipzig wegen passiver Bestechung, Beamtenunterschlagung, Beihilfez zum Bandendiebstahl, Hehlerei, schwerer Ürfundenfälschung und Betrug erscheinen mußten. Ein Beamter hat sich das Leben genommen. Ein anderer Beamter und ein Taschendieb sind bereits abgeurteilt, einen weiteren Taschendieb gelang es, zu entfliehen. Die Hauptfigur auf der Anklagebant bildet der Kriminalhauptwachtmeister Ruvel. Er will durch den Kriminalbeamten Grimm, der sich durch Selbstmord dem Gericht entzogen hat, auf die schiefe Ebene gebracht worden sein; diefer soll ganze sieben Jahre lang den Begünstiger von Taschendieben gespielt haben. Den Höhepunkt erreichte gewissermaßen das verbrecherische Spiel der Beamten während der Herbst messe 1924 in Leipzig . Gleichzeitig mit den Meldungen der Firmen bei dem Leipziger Messeamt liefen bei den Kriminalbeamten von Berliner Taschendieben Meldungen über ihre geplante Tätigkeit während der Messe ein. Damit das Geschäft sich reibungslos abwickele, wurde im Café Corss zwischen Dieben und Kriminalbeamten eine Konferenz abgehalten und den einzelnen Kolonnen bestimmte Kriminalbeamte 3meds Beaufsichtigung, d. h. Begünstigung, zugeteilt. wurden zwar verhaftet, hinterher aber freigelassen. Die ganze Beute sollte in einen gemeinsamen Topf geworfen werden. Nach gelungenen Coups wurde zusammen gefneipt usw. Rupel behauptet, daß auch der Kriminalrat Fischer mit den Dieben gemeinsame Sache gemacht habe. Auf dessen Veranlassung habe er, nachdem der frühere Verbindungsmann vom Kriminalrat Fischer als nicht mehr geeignet betrachtet wurde, einen neuen Berbindungsmann finden sollen. In der Person des Angeklagten Strebnit hatte Ruvel den erforderlichen Verbindungsmann gefunden. Ruvel foll es auch gewesen sein, ber die Kriminalbeamten Grandte und Schäfter an den Begünstigungen teilzunehmen, veranlaßt hätte. Ruvel hat übrigens auch in Berlin mit Taschendieben konferiert. Interessant waren die Aussagen des Angeklagten Grandfe. Als er einen Taschendieb und Brillantennepper für 500 m. freigelassen hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als in gleicher Weise auch gegenüber einer internationalen Gaunerin Bosnowska zu verfahren, als die ihm erklärte: Du hast dem Brillantennepper geholfen, jetzt hilf mir nun auch. Der Prozeß dürfte etwa drei Wochen in Anspruch nehmen und wird augenscheinlich ganz unerwartete Einblicke in die Tätigkeit der Kriminalpolizei und der internationalen Taschendiebe gewähren.
Groß- Berliner Parteinachrichten.
Die Konferenz aller Obleufe und Mitglieder der Kreisbildungsausschüffe findet im Frattionsfaal der SPD. - Fraktion des Landtages, Prinz- Albrecht- Straße, heute abend 7% Uhr statt.
Jungsozialisten Gruppe Mitte. Morgen, Bußtag, Wanderung nach Bernau . Treffpunkt morgens 7% Uhr, Stettiner Borortbahnhof
In dem Prozeß gegen Iwan Kutister und die Geheimräte Rühe und Sellwig ereignete sich heute ein Zwischenfall. Der Vorsitzende, Amtsgerichtsrat Wartenberger, wollte zunächst in die Beweisaufnahme eintreten und den Sachverständigen Geheimrat Rugge von der Staatsbant über den Umfang der von Kutister bezogenen Devisen hören. Als der Vorsitzende vorher noch an Kutister die Frage richtete, woher er die Devisen habe, richtete sich ber Angeklagte auf und schrie das Gericht in einem Butanfall laut an: Ich habe 7 Jahre Zuchthaus bekommen und werde in der Charité ermordet." Der Charitêarzt Dr. Banjin erklärte auf Befragen, daß Kutister 38,5 Grad Wilhelm Jofeph, Berlin- Schöneberg, Hauptstraße 163, hat dieselbe sich entschloffen, Temperatur habe. Erregt riefen die Frau und der Sohn des Angeflagten dazwischen:„ Das ist nicht richtig, er hat 39 bis 40 Grad gehabt." Amtsgerichtsrat Wartenberger versucht, den immer noch
Geschäftliche Mitteilungen.
Aus Anlaß der einjährigen Wiederkehr des Erweiterungsumbaues der Firma aus allen Abteilungen vorteilhaite Qualitätemaren zu Ertrapreifen zu verkaufen. Diese großzügige Berlaufsveranstaltung steht für Qualität waren berart billige Preise vor, daß es fich empfiehlt, für das Weihnachtsfest schon jest ben Bedarf zu beden. Wir bitten um Beachtung bes heutigen Preisinferats.