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Nr. 54243. Jahrg. Ausgabe A nr. 276

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* Sozialdemokrat Berlin  "

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW. 68, Lindenstraße 3 Mittwoch, den 17. November 1926

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Frankreich  , England und die Rheinzone Die Konferenz von Luxemburg  .

England hält periodische Ueberwachung für ausreichend.

Paris  , 16. November.( Eigener Drahtbericht) zu dem Be-| fuch des englischen Botschafters bei Briand weiß der Jntranfigeant" zu melden, daß die Unterredung einer Lösung der zwischen Frankreich   und England in der Frage der Ueber­wachung der entmilitarisierten 3one am Rhein  schwebenden Meinungsverschiedenheiten gegolten habe. London  halte, entgegen dem franzöfifchen Standpunkt, der eine ständige Abrüftungskontrolle verlange, eine nur periodische Ueber­wachung für völlig genügend.

Poincaré   über Marins Rede. Geringe Mehrheit für Vertagung der radikalen Interpellation.

Paris  , 16. november.( TU.) Die Interpellation Hulin über die Rede Marins ist von der Kammer durch Handaufheben ver­tagt worden. Es ist jedoch beachtlich, daß für die Bertagung nur eine geringe Mehrheit ftimmte.

Nach langatmiger Budgetdebatte bestieg

Poincaré  

die Tribüne, um die angekündigte Erklärung zu verlesen. Die Er­tlärung spricht von dem Recht auf freie Meinungs. tlärung spricht von dem Recht auf freie Meinungs äußerung der einzelnen Kabinettsmitglieder und erklärt, daß Marin von diesem Rechte Gebrauch gemacht habe. Marin habe feinen Minifterfollegen erklärt, daß er nicht beabsichtigt hätte, frembe Ueberzeugungen zu fränten. Alle Kabinetts mitglieder würden es lebhaft bedauern, wenn die Solidarität ihrer Arbeit untergraben würde. Eine Krisis inmitten der Arbeit für die Gesundung der Finanzen würde von unausdentbaren Folgen begleitet sein. Die Regierung wende fich daher an alle Folgen begleitet sein. Die Regierung wende fich daher an alle guten Republikaner und beschwöre fie, geminsam mit ihr zu

arbeiten.

Nach Boincaré wurde bem radikalen Abgeordneten Hulin das Bort erteilt. Bon feinen politischen Freunden und der Linken lebhaft begrüßt, erklärte er, daß er sich darüber beklagen müsse, daß ein Mit­glied des Rabinetts eine leidenschaftliche und rein politische Rede ge­halten hätte. Dem Kabinett gehörten politisch links gerichtete Minister an. Er glaube, daß diefe ihren Kollegen offen die Meinung fagen mürden und sich nicht ohne Antwort abspeisen ließen. Er er­innere daran, daß auch Herriot   und Painlevé öffentliche Reben gehalten hätten, die jedoch stets taftvoll gewesen seien. Die von der Regierung verlesene Erklärung fei nicht ausreichend. Er protestiere gegen eine Politik, die von dem Ministerpräsidenten

Maffenverhaftungen in Italien  .

Kommunisten, Sozialisten, Republikaner. Uus Chiasso   wird uns berichtet:

Auf die Berhaftung des republikanischen Abgeordneten Facchi­netti sind zahlreiche andere gefolgt. Es wurden in Haft genommen die kommunistischen   Abgeordneten Graziadei, maffi, Gramsci  , Damen, Riboldi und Repossi, und man ver­mutet, daß die ganze parlamentarische Gruppe der Kommunisten, die aus 12 Abgeordneten besteht, dieses Los teilen wird. Außerdem wurde eine ganze Anzahl fozialistischer Abgeordneter und Organi­fatoren festgenommen, darunter der Abgeordnete Dante Gallani Eine Reihe anderer, die sich vor den drohenden Haftbefehlen ins Ausland geflüchtet haben, werden von der Polizei gesucht, darunter der frühere Leiter des Avanti", Pietro Menni, der republikani­sche Abgeordnete Eugenio Chiesa  , sodann der Sekretär der Unitarischen Sozialistischen Partei, 3annerini, und der der republikanischen Partei, der Abgeordnete Mario Bergamo. Man ist der Ansicht, daß alle diefe Berhaftungen das Vorspiel zur ersten Anwendung des Zwangsdomizils bilden.

Das Metta der Oppositionellen scheint Sondrio  , die Haupt­stadt der am Schweizer   Engadin   grenzenden Provinz, zu sein, wo die Faschisten nach völliger Zerstörung der Häuser des Abgeordneten Giovanni Meri331 von der Katholischen Bolkspartei und des Rechtsanwalts Gola durch öffentlichen Anschlag eine gewiffe Anzahl von Personen gewarnt haben, fich innerhalb 48 Stunden ja nicht bliden zu lassen.

Italiens   Selbsteinkreisung.

Paris  , 16. November.( Eigener Drahtbericht.) Bemerkenswerte Ausführungen über das faschistische Italien   macht am Dienstag die Information". Das Blatt weist darauf hin, daß die faschistische Bresse von einer Eintreifung" Italiens   spreche, genau wie die alldeutsche Preffe vor 1914. Dabei gebe es fein vernünftiges Bolt, das Italien   feinen. natürlichen Plaz an der Sonne verweigere. Gerade Frankreich   fei, allerdings im Rahmen der bestehenden Ber­träge, zu weitgehendem Entgegenkommen gegenüber Italien   bereit. Gibt sich Mussolini  ," fragt das Blatt, Rechenschaft davon, welche instinktiven Abwehrgefühle er selbst hervorruft, wenn

gededt werde, obgleich sie sich gegen die Demokratie in verteumbe. rischer Weise richte.

Der Versuch der Radikalsozialisten( fügt die TU. hinzu), die Mehrheit des nationalen Kabinetts zu schwächen, um ihren Einfluß auf die Regierung Poincaré   zu verstärken, fann als gelungen gel­ten. Das geht aus der schwachen Mehrheit hervor, die sich bei der Abstimmung für den Minister Marin ergab.

Gegen die interalliierten Schuldenabkommen. Paris  , 16. November.  ( WTB.) Die Bereinigung für wirtschaftliche Interessen Frankreichs   hat sich heute nach mittag auf ihrer Jahrestagung gegen die Ratifizierung der Abkommen von Washington   und London   in der gegenwärtigen Form ausgesprochen und das franzö fische Barlament aufgefordert, eine Abänderung herbeizu führen, durch die die Schuldenregelung möglich und gerecht werde.

des Sozialismus. Bon Rudolf Breitscheid  .

Am tommenden Sonntag tritt die sozialistische Vier­Länder Konferenz zufammen. In Luxemburg   wer­den sich die Vertreter der deutschen  , der französischen, der belgischen und der englischen Sozialisten treffen, um die Fragen zu erörtern, die sich aus dem Eintritt Deutschlands   in den Völkerbund, aus der Unterredung von Thoiry und aus den Verhandlungen, die sich an sie geknüpft haben, ergeben. Die deutsch  - französischen Beziehungen, die Zukunft der besetzten Gebiete am Rhein   und die des Saargebiets stehen im Border­grund. Man wird versuchen, gemeinsame Richtlinien für die Politik der Arbeiterparteien zu finden, um in ihrem Sinne die Haltung der verschiedenen Regierungen zu beeinflussen. Die Tagung von Luxemburg   ist eine Fortsegung der Besprechungen, die 1922 und 1923 in Frankfurt am Main   und Berlin   stattgefunden haben. Nur unterscheidet sich die diesmalige Delegation insofern von den vorhergehen­den, als fein Italiener anwesend sein wird, obwohl doch Italien   als einer der Garanten der Grenzversicherungsver­träge von Locarno   unmittelbar mitinteressiert ist. An den Beratungen von Berlin   nahm Matteotti   teil, aber nicht lange nachher wurde er das Opfer Muffolinis, und seit der Duce seine Schreckensherrschaft errichtet hat, ist es für die hängig. Ihre Vertreter in der gegenwärtigen Regierung find italienischen Sozialisten nicht nur so gut wie unmöglich ge= Marin, Bokanowski, Bartheu und bis zu einem gewissen Grade worden, an internationalen Konferenzen teilzunehmen, sondern auch Tardieu und Poincaré  . Unter diesen Umständen wird, es für fie wären auch so wenig wie die Bertreter irgendeiner anderen Poincaré und Briand   immer schwerer werden, ihre Absicht, die nichtfaschistischen Partei in der Lage, irgendwelche Mitteilun­dings ist die obice Resolution insofern vorsichtig, als sie sich nur Ratifizierung dem Parlament zu empfehlen, durchzuführen. Aller­gen über die Absichten ihrer Regierung zu machen und noch auf die Abkommen in ihrer gegenwärtigen Form" bezieht. Die ihre eigene Politif im Rahmen des zur Diskussion stehenden viel weniger könnten sie Bindungen oder Verpflichtungen für Frage, welche Aenderungen als Vorauslegung der Ratifizierung Fragenfomplexes eingehen. Nur dort, wo die parlamenta für nötig gehalten werden. wird durch die Resolution offen gelaffen.rische Demokratie herrscht, vermögen die Sozialisten, ob sie Lon­Immerhin ist es bemerkenswert, daß sie sich auch gegen das on nun wie in Belgien   dem Kabinett angehören, oder ob sie wie doner Schuldenabkommen Caillaur- Churchill wendet, obwohl in Deutschland  , Frankreich   und England außerhalb der Re dieses in Frankreich   allgemein infofern für günstiger als die Schulden- gierung ftehen, ihr Gewicht in den Angelegenheiten der aus­regelung mit Amerika   gehalten wird, weil England in einem Begleit- wärtigen Bolitit in die Wagschale zu werfen. schreiben sich verpflichtet hat, eine etwaige Gefährdung der franzö fischen Währung zu berücksichtigen.

Die Union des intérêts économiques" ist die mächtige tapitalistische Dachorganisation, die das finanzielle Rückgrat des nationalen Blods bildet. Alle Abgeordneten und Senatoren der Rechten und zum Teil der Mitte sind von ihr ab­

Die Katalonien  - Putschisten nach Belgien   ausgewiesen. Paris  , 16. November.( Eigener Drahtbericht.) Innenminister Sarraut hat am Dienstag die Ausweisungsbefehle gegen die in Perpignan   verhafteten spanischen   Separa. ist en unterzeichnet. Davon werden 86 Spanier, gegen die fein ftrafrechtliches Berfahren eingeleitet werden konnte, betroffen; zwölf von ihnen sind bereits über die belgische Grenze abge schoben worden.

er versucht, ein Europa   umzuftürzen, das gerade genug beunruhigt ist? Aber wen die Götter stürzen wollen, dem nehmen fie zuerst den Berstand."

Zamboni doch der

Attentäter?

Rom  , 16. November.  ( WTB.) Der Untersuchungs. richter in Bologna   hat heute eine Mailänder   Dame ver­hört, die im Augenblick des Attentats auf Mussolini   hinter 3am boni gestanden hat und die aussagte, daß sie den jungen Mann im Schwarzhemd gesehen habe, wie er sich ständig bemühte, in die erste Reihe des Spaliers zu tommen. Er sei allein gewesen und sie habe nicht gesehen, daß er mit jemand Zeichen gewechselt hätte. Als das Auto Mussolinis vorfuhr, habe er, um sich Raum zu schaffen, fie derartig geschlagen, daß die Beulen noch mehrere Tage lang fichtbar waren. Hierauf sprang er gegen das Auto, den Revolver in der Hand, und gab den Schuß ab. Dies ereignete sich so schnell, daß niemand seine Absicht voraussehen oder verhindern fonnte. Die Dame wurde dann in der Verwirrung fortgeriffen und hat 3amboni nicht wieder gesehen, jedoch auf Aufforderung der Polizei, bei der sie sich infolge eines Aufrufes meldete, den Leich­nam besichtigt und als den des Täters unzweifelhaft erkannt.

Deutschen  - Prozeß in Verona  . Innsbrud, 16. November.( TU.) Der Prozeß gegen die oor Jahresfrist in Südtirol   verhafteten 23 Deutschen  , die des Hoch errats beschuldigt sind, ist nunmehr auf den 30. November an­gesetzt. Obwohl das Schwurgericht Bozen   hierfür zuständig ist, wird der Prozeß vor dem Schwurgericht Verona   geführt. Die meisten der Angeklagten sind Südtiroler   und Desterreicher, auch zwei Reichsdeutsche sind darunter.'

Der Aufstand auf Java.

Noch im Gange.

Amfterdam, 16. November.( Tu.) Wie aus Batavia gemeldet wird, haben 500 Aufständische die Stadt Laboran überfallen. Die Angriffe fonnten jedoch durch Maschinengewehrfeuer der Garnison abgewehrt werden. Neue Verstärkungen sind nach Laboran unter wegs. Die Stadt ist vom Verkehr völlig abgeschlossen.

In den Jahren, die seit 1922 und 1923 verflossen sind, hat fich vieles geändert. London  , Locarno  , Genf   und Thoiry sind die Etappen der europäischen   Entspannung. Einer Ent­spannung, die die Sozialisten gewünscht und der sie vorge­arbeitet haben. Was heute geerntet wird, ist zum guten Teil der Saat ensproffen, die sie in stürmisch rauher Zeit in die Erde legten. Man lefe nur jene Beschlüsse nach, die in Frank­ furt   und Berlin   und auf den internationalen Kongreffen in Hamburg   und Marseille   gefaßt worden sind. Man wird fest­stellen, daß hier die Linien aufgezeichnet wurden, in die die Staatsmänner später eingeschwenkt sind. Was damals als Utopie verlacht oder als Berrat an vaterländischen Interessen gebrandmarkt wurde, wird heute in weitem Umfang als Real politif anerkannt und als Patriotismus gepriesen. Wir können stolz auf diese Entwicklung sein, auch wenn es meist die Angehörigen anderer Parteien sind, die sich jetzt mit dem Lorbeer schmüden.

Aber wir sind noch nicht am 3iele. Noch nicht dort, wo von einer Berwirklichung eigentlich sozialistischer Ideale die Rede sein kann, und auch noch nicht da, wo die Basis des Friedens und der Verständigung innerhalb einer kapitalisti­ schen   Wirtschaftsordnung als gesichert anzusehen wäre. In Thoiry haben Briand   und Stresemann   über die Notwendig­feit einer Gesamtlösung aller zwischen Deutschland   und Frankreich   schwebenden Streitfragen gesprochen, und jedem ist flar, daß eine solche Gesamtlösung die wichtigste Boraus­fegung einer wirklichen Befriedung Europas   wäre. Doch der von schönem Optimismus getragenen Unterredung in dem Juradorf sind recht dornige und schwierige diplomatische Ver­handlungen gefolgt, deren Berlauf erkennen läßt, daß das Gewollte nicht so schnell und so leicht zu erreichen ist, wie mancher es gehofft hat.

An dem schönen sonnigen Tag von Thoiry war der Ge­danke aufgetaucht, die Räumung der Rheinlande sozusagen mit der deutschen   Zustimmung zur Mobilisierung eines Teils der Eisenbahnobligationen zu erkaufen. Die Idee war offen ge= standen von vornherein nicht ganz unbedenklich. Aber in­zwischen hat sich herausgestellt, daß sie zunächst nicht zu ver­wirklichen ist, weil Amerika   seinen Markt für diese Werte zum mindesten so lange nicht öffnen will, bis Frankreich   das Schuldenabkommen ratifiziert. Wann diese Ratifizierung er­folgt und ob sie erfolgt, steht einstweilen dahin. Die französi­fchen Sozialisten widerstreben ihr aus grundsäglichen Erwä­gungen, die wir begreifen müssen und begreifen. Aber auch die bürgerlichen Parteien zaudern, und die Absichten Poin­carés find dunkel. Man sagt, daß er start unter dem Ein­fluß seines Minifterfollegen Marin stehe, desselben Mannes, der eben jetzt die scharfe Attacke gegen die doch ebenfalls der Regierung angehörenden Radikalen geritten hat. Vielleicht wird es über alle dem irgendwann zu einer Rabinetts. frise tommen, aber niemand weiß heute, wie sich dann das Bild geftalten wird. Fürs erste ist es jedenfalls nichts mit den Eisenbahnobligationen, und wenn wir nicht auf eine unge­