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Abendausgabe

Nr. 54643. Jahrgang Ausgabe B Nr. 270

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10 Pfennig

19. November 1926

Vorwärts=

Berliner Volksblaff

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Völkerbundsaufsicht von Fall zu Fall. Genf und der Wiederaufbau.

Keine rasche Erledigung der Kontrollfrage.

Seit einem Jahre bereits sei General Desticker, der General­

Paris, 19. November.( Eigener Drahtbericht.) In einer halb| vorfähe. Eine ständige Kontrolle sei nur für die entmilitari­amtlichen Auslassung legt die französische Regierung ihren fierte 3 one am Rhein vorgesehen. Hier versuche das deutsche Standpunkt in der Kontrollfrage dar. Die einzige Frage, die sich Kabinett, einige Abänderungen und Erleichterungen durchzusetzen. aufwerfe, sei gegenwärtig die, ob Deutschland seinen Abrüstungs­verpflichtungen nachgekommen sei. In diesem Punkte seien London ebenso wie Paris der Ansicht, daß zwar Stresemann in den letzten Wochen den besten Willen an den Tag gelegt habe, daß aber nach den den Regierungen vorliegenden Dokumenten der Kontrollkom­miffion noch gewisse Berfehlungen" fortbestünden, so daß eine rasche Regelung nicht erwartet werden könne. Jedenfalls werde die Botschafterkonferenz einen entscheidenden Beschluß erst nach der Rückkehr des Generals Walch fassen, auf Grund des Be­

richtes, den er über den Stand der Abrüstung in Deutschland vor­legen wird. Es ist nicht zweifelhaft, heißt es weiter, daß die Sigung des Bölkerbundsrates vor der Rückkehr des Generals Balch und der Ausarbeitung seines Berichtes stattfinden wird, weil die Frage bis dahin nicht geregelt sein kann. Im übrigen wird der Auffassung entgegengetreten, als ob ein Gegensatz zwischen dem deutschen und französischen Standpunkt, dem einer ständigen oder einer periodischen Kontrolle durch den Völker­bund, bestünde. Im Artikel 213 des Versailler Vertrages stehe nichts von einer ständigen Kontrolle; es sei also unrichtig zu behaupten, daß Deutschland sich weigere, einer ständigen Kontrolle unterworfen zu werden, da der Tert des Vertrages diese nicht

Die Haltung der Volkspartei. ,, Germania " gegen ,, Kölnische Zeitung ". Das Arbeits:

zeitgesek.

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Die ,, Germania ", das Zentrumsblatt, schreibt: Das Gemunkel über die Große Koalition geht hin und her. Was gewisse Zeitungen darüber schreiben, hat mitunter nicht nur 34 gelten als ein Bericht dessen, was ist, sondern auch als eine mehr oder minder erkennbare Andeutung dessen, was das betreffende Blatt wünscht oder nicht wünscht. Diese Bemerkung trifft im besonderen Maße auf die Kölnische Zeitung " zu, die be­hauptet, die Regierungsparteien seien durch den in der vorigen Woche mit den Sozialdemokraten abgeschlossenen bekannten, modus vivendi" nicht die geringste Bindung eingegangen; alle Boraussetzungen zu Verhandlungen in Richtung auf die Große Koalition entfielen; die Verbreiterung der Regierung nach links werde Eine derartige tenden nur Dom Zentrum betrieben.

3iöse Darstellung übersieht geflissentlich die eklatanten Beweise, die die parlamentarischen Ereignisse der letzten Woche von neuem und in verstärkter Form für die naturgemäßen Mängel einer Minderheits­regierung erbracht haben; sie verschließt einfach die Augen vor der unleugbaren und von keinem ernsthaften Politiker geleugneten Tat­sache, daß eine Fortdauer des bisherigen Zustandes leicht zu überaus unerwünschten parlamentarischen Krisen mit unabsehbaren Folgen führen kann.

Auf der anderen Seite erklärt die ,, Tägliche Rundschau" folgendes: Die Deutsche Volkspartei ist, wie jeder weiß, grundsäglich bereit, mit der Sozialdemokratie zusammenzuarbeiten. Sie legt aber wahrscheinlich entscheidenden Wert darauf, daß zunächst einmal die Voraussetzungen geklärt werden, unter denen ein zu fammenarbeiten mit den Sozialdemokraten möglich ist. Diese Forde rung ist im Hinblick auf die extravaganten Anträge der Sozialdemo­fraten zur Erwerbslosenfürsorge und auf ihre Haltung in der Frage des Arbeitszeitgesezes durchaus begreiflich.

Damit ist deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sich der stärkste Hort des Widerstandes gegen die notwendigen Arbeiterforderungen, die von der Sozialdemokratie erhoben werden, bei der Bolkspartei befindet. Die grundsätz­liche Bereitschaft", mit der Sozialdemokratie zusammenzu arbeiten, wird von der Täglichen Rundschau" an die Be­dingung geknüpft, daß die Sozialdemokratische Partei auf ihre grundsäßlicheen Forderungen verzichtet. Das liefe dann auf die grundsätzliche Entschlossenheit hinaus, das Zusammen arbeiten mit der Sozialdemokratie zu vereiteln.

Neue Putschistensammlung in Bayern .

Das Endziel der Bürgerkrieg.

stabschef des Marschalls Foch, vom Völkerbund beauftragt, den Vor­siz der Kontrollkommission des Böllerbundes zu übernehmen, deren Arbeiten automatisch an dem Tage beginnen werden, an dem die Botschafterkonferenz die völlige Entwaffnung Deutschlands erklärt haben wird.

Diese halbamtliche französische Auslassung ist wenig er freulich. Eine rasche Erledigung der Kontrollfrage steht nicht mehr in Aussicht. Dennoch enthält sie insofern einen gewissen Fortschritt, als sie den nichtständigen Charakter der zukünftigen Bölkerbundskontrolle zu gibt. Das ist immerhin ein Fortschritt gegenüber der bis­herigen Haltung, die einen Unterschied zwischen der inter­alliierten dauernden Militärkontrolle und der internatio­nalen Stich probenaufsicht des Bölkerbundes nicht zugeben wollte. Dabei ist bemerkenswert, daß einfach fest: gestellt und nicht dagegen argumentiert wird, daß Deutschland die Abänderung des Investigationsprotokolls wünsche, so weit es ,, dauernde Elemente" im Rheinlande vorsieht.

waffengeübten Leute, vor allem Offizieren, zu Sturm­trupps zusammenfassen gegen das Reichsbanner. Auch die Hitler - Leute sollen einbezogen werden.

vorbereitende Wirtschaftskonferenz.

Von J. Oudegeest.

Sekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes.

Die Periode wirtschaftlicher Flauheit, die nun seit nahezu vier Jahren anhält, wird immer noch vielfach als Krisis" bezeichnet. Eine Krisis im gewöhnlichen Sinne des erreicht ist und eine Wendung resp. Veränderung eintritt. Wortes ist dann zu verzeichnen, wenn ein fritischer Punkt Wirtschaftskrisen treten zum Beispiel auf dem Geldmarkt abhängige Kreditinstitutionen können ihren Verpflichtungen ein: eine große Bank macht bankerott, mehrere von ihr nicht mehr nachkommen, die Industrie gerät in Zahlungs­schwierigkeiten, der Betrieb wird eingeschränkt und es tritt machten sich bisher regelmäßig bemerkbar und gingen nach Arbeitslosigkeit und allgemeine Flauheit ein. Solche Krisen ein paar Jahren auch wieder vorüber.

eine Veränderung ein, als diese Krisen infolge der Ent­Im letzten Biertel des 19. Jahrhunderts trat insofern widlung des internationalen Verkehrs internationalen Angelegenheit wurden. feinen nationalen Charfter mehr hatten, sondern zu einer Das eine Land griffen tiefer ins allgemeine Wirtschaftsleben ein, obwohl wurde wirtschaftlich vom anderen abhängig. Die Krisen auch unter den veränderten Verhältnissen nach einer gewissen Zeit eine Erholung eintrat. Man durfte deshalb annehmen, daß die Schwierigkeiten, die Ende 1921 und Anfang 1922 einfegten, wieder einen derartigen Verlauf nehmen würden. Die Symptome waren allerdings diesmal ernsterer Natuc und traten in den meisten europäischen Ländern in Er­scheinung. Wie üblich hoffte man jedoch auch diesmal auf baldige Kenderungen.

Wir mußten jedoch in den vergangenen fünf Jahren umlernen. Man braucht nur die Arbeitslosen=

,, In den stattgehabten Führertagungen sei man überein­gekommen, das bisher Bestandene umzufrempeln und anders auf- iffern zu prüfen, um festzustellen, wie die Menschheit zuziehen. Alles müsse sich gegen das Reichsbanner richten. Kampf gegen das Reichsbanner, das sei die Parole. Auf diese Weise werde auch in das Kleinkaliberschießen ein anderer Schwung gebracht. Das sei absolut notwendig, denn es müsse wieder zur Latte ( Gewehr! D. R. ) gegriffen werden.

Die Auseinandersetzung mit dem Reichsbanner fönne nur mit der Waffe erfolgen. Wer das nicht wolle, der bleibe am besten gleich weg. Mit Halbheiten komme man nicht vorwärts.

Das Endziel sei der Bürgerkrieg, ohne den sei die große Sache nicht zu erreichen. Es müsse bis zuräußersten Konsequenz gegangen werden; das sei einfach nicht zu umgehen." Man wird diese neue Putschistenbewegung aufmerksam verfolgen müssen. Die Mörderorganisationen wollen wieder erſtehen.

Was soll vertuscht werden?

Zur Nauheimer Feme - Affäre.

Die Untersuchung des Nauheimer Fememordversuchs hat einen sehr merkwürdigen Ausgang genommen. Der des Mordversuche perdächtige frühere Leutnant Heinz ist aus der Haft ent lassen worden. Das Opfer, der Oberleutnant Wagner, sitzt in Haft auf Grund eines älteren Steckbriefs wegen Schiebereien. Gegen den Hauptbelastungszeugen Schmidt, gegen den eine fyftematische Hetze geführt wird, will angeblich die Staatsanwalt schaft ein Verfahren wegen Diebstahl, Unterschlagung, Erpressung, falscheid einleiten. Der Chauffeur Schwing aber nach eigenem Geständnis Mitt äter ist furzerhand in eine Irrenanstalt gesperrt worten.

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Nun gibt es in Frankfurt , Darmstadt , Gießen und Nauheim genug Leute, die Schwing kennen siehe Frankfurter Zeitung " Nr. 860- und wissen, daß er alles andere als geistesfrank ist. nur über diese Internierung Schwings, sondern noch viel mehr In der hessischen Regierung wundert man sich nicht darüber, daß man von der Haftenlassung des Heinz erst durch den Stahlhelm", Redakteur Sein 3 selbst, erfahren hat. Wir wissen, daß in der Rechtspresse und in den Fememördern nahestehenden Streisen systematisch versucht wird, alle Belastungs zeugen als geistestrant hinzustellen oder sie gemeiner Verbrechen zu verdächtigen- um ihre Aussagen zu entfräften. Unter diesen Um ständen nimmt sich der Ausgang der Untersuchung wie ein Erfolg der Hezze der Freunde der Fememörder aus. Was soll vertuscht werden?

Sächsische Regierungsfrage. Ergebnislose Verhandlungen der bürgerlichen Parteien

mit der ASP.

In Bayern wird wieder einmal eine Butschiftenbewegung aufgezogen. Sie geht unter der Firma Anti- Reichs­banner- Liga". Wie die Münchener Post" mitteilt, werden in München jeden Mittwoch, w anglose 3u- Dresden , 19. November. ( Tul.) Gestern nachmittag fanden fammentünfte" zu diesem Zweck veranstalt, am ersten zwischen den Landtagsparteien und zwar von den Altsozialisten Mittwoch im Monat im Rasino der Offiziere des bis zu den Deutsch nationalen erneute Berhandlungen über Beurlaubtenstandes", an den übrigen im Gasthof die Regierungsbildung statt. Die Verhandlungen, die sich Hartmannshof "( 1. Stod). Der spiritus rector ist Gene bis zum späten Abend hinzogen, führten jedoch zu feinem posi. ral Raiser. Der frühere Stadthauptmann der tiven Ergebnis. Die Altsozialisten gaben die Er Einwohnerwehr, Kühner, hat an Sigungen teillärung ab, daß es ihnen nicht möglich sei, in eine genommen und erklärt, er billige und fördere die Tendenz Regierung einzutreten, an der auch die Deutsch dieser Neugründung. Den verschiedenen vaterländischen Orga- nationalen beteiligt seien. Darauf begannen die Ver: nifationen wird beruhigend versichert, man molle teinen handlungen über die Wahl des Ministerpräsidenten. neuen Laden aufmachen, sondern nur" aus ber Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß alle diese Fragen bis zu dem früheren Einwohnerwehr und den übrigen am 25. November erfolgenden Zusammentritt des Landtages eine rechtsgerichteten Organisationen die jüngeren Klärung nicht erfahren werden.

überall gebückt geht unter der anarchischen Produk­tionsweise. Es wurden in den größeren Ländern wie England, Deutschland und Frankreich verzweifelte Anstren­gungen gemacht, um wieder in normale Bahnen einzutreten. So ist in letzter Zeit in Frankreich eine Balutahausse ein getreten, die sich ohne Zweifel nach der Stabilisierung des Franken rächen wird. Vor allem wurde auch auf die Ab= schaffung des Achtstundentages hingewirkt, um, wie man sagt, mit dem Ausland konkurrieren zu können. Denn die Unternehmer sehen nun einmal in allen Ländern ohne Unterschied niedrigere Produktionstoften als in ihrem eigenen Lande, obwohl nachgewiesenermaßen längere Arbeits­beiten ebensowenig wie Schutzölle Hilfe und Erlösung brin gen können. Nationale Maßregeln haben wenig oder über­haupt nicht geholfen.

Seit langem hat sich das Prinzip des vollständigen wirt­schaftlichen Geschehenlassens und die Theorie vom sich selbst wieder herstellenden Gleichgewicht als unhaltbar erwiesen. Der Fabrikant besteht jedoch immer noch auf der Richtigkeit: dieser Annahme, wenn auch nicht mehr in so hochtrabenden Behauptungen wie vor dem Kriege. Wenn die hohen Diplomaten in einer Völkerbundsversammlung in Genf an die internationale Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet appellieren und zu diesem Zwede eine große Konferenz einberufen, so darf man die Bedeutung eines solchen Schrittes nicht überschätzen. Wenn auch der Wille bei solchen Besprechungen gut ist, so sehen die gleichen Unternehmer und Diplomaten nach, der Rückkehr in ihr Land plötzlich wieder die nationalen Grenzen und denken nur an ihre eigenen Interessen. Man muß nicht meinen, daß Genf selbst uns Hilfe bringen kann, sozusagen gegen den Willen chauvinistischer Nationen.

Die vorbereitende Kommission für die inter= Male zusammengetreten, um darüber zu beratschlagen, welche nationale Wirtschaftskonferenz ist zum zweiten Fragen näher geprüft werden müssen. Man darf aber nicht glauben, daß diese Kommission und anschließend die Konferenz selbständig die schlechte Lage verbessern können. Dazu ist der gute Wille der beteiligten Völker nötig. Gerade aus diesem Grunde muß solchen Bestrebungen, ohne fie zu überschätzen oder zu unterschäßen, Aufmerksamkeit ge­schenkt werden. Es zeigt sich deutlich, daß der internationale Charakter der modernen Produktionsweise internatio= nale Regelungen nötig macht.

Wenn wir sehen, daß unsere Ansichten zum Teil oder ganz von unseren Gegnern übernommen werden, müssen wir unsere Erwartungen nicht zu hoch spannen; wir dürfen

uns jedoch über die Tatsache freuen, daß unsere Stimme nicht vergebens erschallte. Wir müssen unsere Mithilfe leihen, auch wenn es sich nur darum handeln kann, einen fleinen Teil unseres Ideals zu verwirklichen. Ein solcher Fortschritt ist es schon, wenn international eingegriffen wird und die Erkenntnis reift, daß sich nicht wie früher alles von selbst geben wird. Das Verdienst Genfs liegt darin, daß es die Machthaber zwingt, guten Willen zu zeigen. Die ganze Atmosphäre sorgt dafür, daß man sich davor scheut, als unwillig betrachtet zu werden. nationale Willfür wird beschränkt, da Genf die Mächte einer scharfen Kritik bloßstellt.

Die

Dieser moralische 3wangist spürbar auf politischem Gebiet und auch jetzt in der vorbereitenden wirtschaftlichen Kommission. Im April machte z. B. ein einflußreicher französischer Unternehmer den Versuch, das Wert der Kom­