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Nr. 55143. Jahrg. Ausgabe A nr. 281

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Dienstag, den 23. November 1926

Unter falscher Flagge!

Die ,, Deutsche Allgemeine Zeitung" seit sechs Monaten Reichseigentum!

Der Reichsaußenminister Dr. Stresemann hat im Ausmärtigen Ausschuß folgende Erklärung abgegeben:

In einer Reihe von Zeitungen find Mitteilungen über Be ziehungen der Reichsregierung zu der Deutschen Allgemeinen 3eitung" verbreitet worden, die in ihren Ein zelheiten nicht richtig sind. Im Einvernehmen mit dem Herrn Reichskanzler stelle ich darüber das Folgende feſt:

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Bon dem gesamten Berlagsunternehmen der Deutschen All­gemeinen Zeitung", das seinerzeit von der Preußischen Regierung im August 1925 erworben wurde, ist im April dieses Jahres die Zeitung auf das Reich übergegangen, soweit die Minderheit der Anteile nicht im privaten Besiz sind. Die durch diese Beränderung für das Reich entstehenden Ausgaben werden aus den Dispofitionsfonds des Herrn Reichstanz lers und des Herrn Reichsaußenministers gebedt, die etatsrechtlich zur Verfügung des Herrn Reichskanzlers und des Herrn Reichsaußenministers stehen. Zwischen dem früheren und jezigen Befizer find Verabredungen über die allgemeine Haltung des Blattes getroffen worden, die der allgemeinen Tendenz des Blattes entsprechen."

Diese Erklärung ist eine Ueberraschung. Das Reich ist feit sechs Monaten Besitzer der Deutschen Allgemeinen feit sechs Monaten Besitzer der Deutschen Allgemeinen Beitung", ohne daß Barlament und Deffentlichkeit davon wissen. An diese Tatsache müssen weitere Fragen geknüpft werden, mit denen sich der Reichstag befassen muß.

Zunächst ergibt sich: das Reich besitzt eine Beitung, in Der innerpolitisch die Politik der Rechtsparteien ver­treten wird unter einer Regierung der Mitte. Das ent­spricht sicher der allgemeinen Tendenz des Blattes noch von Stinnes Zeiten heraber entspricht es wirklich

auch den Verabredungen über die allgemeine Haltung des Blattes? Herr Stresemann scheint das behaupten zu wollen wollen das wäre doch sehr interessant.

Diese Zeitung des Reiches hat die preußische Regierung wiederholt angegriffen hat das nun der allgemeinen Ten­denz oder den Verabredungen entsprochen?

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Diese Verabredungen aber sind getroffen worden, ohne daß der Redaktion des Blattes davon etwas befannt geworden ist. Man hat also die Zeitung mit allem lebenden und toten Inventar gekauft, samt den Ste dakteuren! Man hat es nicht für nötig gehalten, die Re­dakteure von den Bedingungen ihres Verkaufs zu unterrichten. Das widerspricht allen Begriffen von der Standesehre der Journalisten, es offenbart auf der Seite derer, die den Kauf abgeschlossen haben, eine Mißachtung des jour nalistischen Berufs und der politischen Ge­sinnung der Journalisten, die die gesamte Presse mit Empörung zurückweisen muß.

Das ist schlimm, und wird nicht zur Erhöhung des Prestiges von Herrn Stresemann beitragen. Schlimmer aber Reiches gehört, sechs Monate lang unter falscher noch ist, daß eine Zeitung, die der Regierung des Deutschen Flagge gefegelt ist!

Eingreifen des Reichsverbandes.

Wie wir erfahren, wird sich der Reichsverband der deutschen Presse in den nächsten Tagen ebenfalls mit der Angelegenheit der Deutschen Allgemeinen Zeitung", soweit sie die Redaktion betrifft, befassen.

Ein falsches Reichswehrdementi.

Jungdeutscher Orden gegen Wehrministerium.

Das Reichswehrminifterium veröffentlicht gegenüber den aus der Mahraunschen Denkschrift veröffentlichten Berichten über illegale Reichswehrorganisationen ein Dementi. Ein echtes Reichswehrdementi. Es lautet:

Im Reichswehrminifterium ist über derartige Dinge nie etwas befannt geworden. Als vor Jahr und Tag Gerüchte in dieser Richtung auftraten, sind erneut scharfe Befehle gegen jede derartige Berbindungen erlassen worden."

Im Reichswehrministerium ist nie etwas bekannt ge­worden... Gewiß, bei den Scheuerfrauen im Reichswehr­ministerium nicht. Aber Herr Geßler hat im März die Denkschrift des Herrn Mahraun erhalten. Das war wohl auch nichts"?

Es handelt sich nicht um Dinge von vor Jahr und Tag". Es handelt sich um Dinge, die sind, und also um ein Dementi von der Art des nach dem Zwischenfall von Münsingen gegebenen. Wir möchten wohl wissen, wer der Fabrikant des Dementis von gestern ist, und was Herr Geßler von diesem Dementi denft? Man verschone uns mit unverantwortlichen Dementis, denen wir nicht glauben. Herr Geßler möge im Reichstag sprechen.

Das Dementi Lügen gestraft!

Der Ordenskanzler des Jungdeutschen Ordens ", Otto Bornemann , nimmt im ,, Jungdeutschen" vom 23. Novem­ber Stellung zur Veröffentlichung von Teilen der Mahraun­schen Denkschrift. Diese Veröffentlichung straft das Dementi des Reichswehrministeriums glatt Lügen. Bornemann steht in Geßler bereits einen ge­stürzten Mann:

,, Nach all den gegen ihn erhobenen Borwürfen ist anzunehmen, daß der Minister parlamentarisch taum noch zu halten sein dürfte. An Stimmen, welche in Voraussicht der kommenden Ereignisse gewarnt haben, hat es wahrlich nicht gefehlt."

Er belastet weiter das Reichswehrministerium mit fol­

genden Ausführungen:

Der Jungdeutsche Orden konnte selbstverständlich nicht acht tos an politischen Bestrebungen vorübergeben, für welche Personen, die in Diensten der Reichswehr zu stehen vorgaben, in seinen eigenen Reihen Anhänger zu werben versuchten, um so mehr, als er diese Bestrebungen für falsch und für die 3utunft Deutschlands ver. derblich hielt. Die Folgen waren Angriffe diefer Personen und ihrer Streise auf den Orden, welche troz mündlicher Be schwerden beim Reichswehrministerium nicht ab. gestellt wurden."

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Bornemann setzt auseinander, daß das Berliner Polizeipräsidium aufmerksam wurde, und von ihm und Mahraun die Zusammenhänge zwischen Reichswehr und Verbänden zu erfahren suchte. Darauf hat die Ordens und Verbänden zu erfahren suchte. Darauf hat die Ordens­leitung das Bureau des Reichspräsidenten um Berhaltungsmaßregeln gebeten! Die Folge: Der Reichswehrminister bat darauf die Ordensleitung, das ihr vorliegende material zusammenzu ftellen und schriftlich einzureichen. Diesem Ersuchen tonnte die Ordensleitung sich nicht entziehen. Sie reichte sofort einen Teil des Materials am 13. März und den Rest am 18. März ein.

Bereits furze Zeit später fannte Herr v. Sodenstern , der Hauptschriftleiter der Deutschen Zeitung", den Inhalt der Dentschrift und machte, insbesondere veranlaßt durch die Haussuchungsaktion der Polizei am 12. Mai, die Deffentlichkeit auf das Bestehen der Denkschrift aufmerksam. Es fonnte nicht aus bleiben, daß die Presse sich mit der Frage beschäftigte und daß amt­liche Stellen, welche ein Interesse an der Denkschrift hatten, nun­mehr in deren Besitz gelangten. Roch am 15. Mai erklärten auf mehr in deren Besitz gelangten."

Erster Borwurf: das Reichswehrministerium hat in mündlichem Bortrag und in ausführlicher Denkschrift er­fahren, was angeblich im Reichswehrministerium nicht be­fannt ist.

Zum Schluß schreibt Bornemann:

Vorwärts- Verlag G.m.b. H., Berlin SW. 63, Lindenstr.3.

Bostichedtonto: Berlin 37 536 Banffonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65; Diskonto- Gesellschaft. DescKtentaffe Lindenstr. 3.

Das Kaiserhofprojekt.

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Ein gutes Ziel aber eine unmögliche Lösung. Bon Hugo Heimann.

In einer Denkschrift über die Unterkunft der Reichs­behörden in Berlin " erbittet das Reichsfinanzministerium vom Reichstag den Beschluß, den Maßnahmen zuzustimmen, die in der ,, Denkschrift" in Aussicht genommen sind. Das Schick­fal der Denkschrift im Reichstag ist noch ungewiß. Mehrere Fraktionen, darunter die sozialdemokratische, haben noch nicht gesprochen. Da indessen die Regierungspläne in der Presse fast aller Richtungen schon lebhaft erörtert worden sind, fei auch an dieser Stelle eine persönliche Meinungsäußerung gestattet.

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Die Denkschrift führt aus, daß für die allfeits als not­wendig erachtete Vereinfachung der Zentralverwaltung des Reichs eine der wichtigsten Boraussetzungen darin besteht, die zentralen Berwaltungsbehörden in der Wilhelmstraße zu fonzentrieren. Die Möglichkeit, diefen alten Plan feiner Verwirklichung näher zu führen," fah das Finanzministerium im Ankauf des Kaiserhofs. im Ankauf des Kaiserhofs. Es glaubte daher zugreifen zu sollen, als die ,, Berliner Hotelgesellschaft" den Kaiserhof dem Reich zum Kauf anbot. Neben wesentlichen Ersparnissen in der laufenden Verwaltung ist beim Erwerb des Kaiserhofs nach der Denkschrift auch zu erwarten, daß der Erlös aus dem Zusammenlegung der Reichsbehörden abstoßen fann, erheblich Berkauf von Grundstücken, die das Reich bei einer räumlichen über die Aufwendungen hinausgehen wird, die dem Reich durch den Ankauf des Kaiserhofs und die beabsichtigten Neu­bauten erwachsen". Die letzteren Kosten sind auf insgesamt 21 Millionen Marf, die Erlöse aus den Terrainverfäufen auf 36 Millionen Mart geschätzt.

Der Regierungsplan fieht im einzelnen u. a. vor, im Kaiserhof mehrere Abteilungen des Reichsfinanzministeriums unterzubringen, das Auswärtige Amt, das zurzeit in den Häusern Wilhelmstraße 74/76 geschlossen untergebracht ist, aus dem Haus Wilhelmstraße 74 aus- und in das Haus Wilhelmstraße 62 einzuquartieren, das Reichs innenministerium aus dem früheren Generalstabsgebäude herauszuziehen und in das Haus Wilhelmstraße 74 zu verlegen, das so frei gewordene frühere General­stabsgebäude einigen Wehrkreiskommandos und der Kommandantur Berlin einzuräumen, das Statistische Reichs­amt aus den vor turzem für seine 3wede umgebauten Häusern Lüßowufer 6/8 nach dem Kurfürstendamm 193,, nach entsprechendem Um- und Erweiterungsbau diefes Gebäudes zu verlegen und im Block am Lützowufer Reichsbehörden, die noch in Mietsräumen fich befinden, unterzubringen. Biri­schafts-, Arbeits- und Reichswehrministerium sollen bleiben, wo sie sind.

Das einzige zunächst Greifbare an diesen Regierungs­projekten ist der Ankauf des Kaiserhofs für 8% Millionen Marf ausschließlich 3ubehör und Inventar. Alles andere sind unsichere Annahmen und Schäzungen. und sollte zutreffen, was im Reichstag erzählt wird, daß Breußen gegen den Plan Einspruch erheben wolle, weil gerade die wertvollsten Grundstücke und Gebäude rückfallpflichtig find, so wäre der ganze Plan in feinen Grundlagen erschüttert. Aber auch abgesehen von der Stellung Preußens dürfte es höchft zweifelhaft sein, ob die Wirtschaft" in den jetzigen Beiten bereit und in der Lage sein wird, in der mehr und mehr verödenden City die freimerdenden Terrains zu den Deranschlagten hohen Breifen aufzunehmen. Unterſtellt man aber auch diese Annahme als sicher, erscheint der Plan nod immer außerordentlich teuer und nicht geeignet, die räumliche Konzentrierung der obersten Reichsbehörden und die dadurch erstrebte Vereinfachung und Berbilligung des Geschäftsbetriebs in genügender Weise herbeizuführen.

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Nicht einmal das Finanzministerium selbst wird kon= zentriert, sondern bleibt in räumlich getrennten Gebäuden Zweiter Borwurf: die Putschisten um Sodenstern, untergebracht. Das Auswärtige Amt wird im Gegensatz zum die jetzt Landesverrat" schreien, haben durch eine Injeßigen Zustand zerrissen. Auch sonst kann, wie aus der distretion aus dem Reichswehrministerium Wiedergabe des Blanes erhellt, von einer Konzentrierung der die Denkschrift erhalten. Ministerien nicht gesprochen werden, selbst wenn die Belassung des Wehrminifteriums im Bendlerblod unter den gegen­wärtigen Verhältnissen als richtig anerkannt wird. Dagegen müßte das Auswärtige Amt gegen die Absicht, das frühere Generalstabsgebäude den militärischen Kommandobehörden einzuräumen, Einspruch erheben. Eine solche Verwendung dieses Gebäudes würde ohne Zweifel im Ausland auf das lebhafteste tommentiert werden und die Nichtbeachtung solcher Imponderabilien hat Deutschland in der Vergangenheit doch wahrlich genug Schaden gebracht.

Es wird Borwürfe und Verdächtigungen regnen, so daß die Ordensleitung wahrscheinlich gezwungen fein wird, aus ihrer Reserve herauszutreten und den Schriftwechsel mit dem Reichswehrministerium, evtl die Dentschrift felbft, zu veröffentlichen. Dann wird die Deffentlichkeit sich überzeugen fönnen, daß diese Dentschrift nichts ent­betannt war, daß sie ferner geschrieben wurde in Sorge um hält, was dem Reichswehrministerium nicht schon bie Unantastbarkeit der Reichswehr , sowie um zu flären, ob die Behauptung politischer Desperados, die Reichswehr

dede fie, entspricht."

Die Flucht des Jungdeutschen Ordens in die Deffentlich­feit ist zugleich Anflage gegen das Reichswehrminifterium. Und das Dementi?

Will das Herr Geßler decken?.

befannt geworden, daß das Finanzministerium den Ankauf Was schließlich den Ankauf des Kaiserhofs betrifft, so ist feit etwa 1900 ins Auge gefaßt, seit 1918 betrieben" hat. Da erhebt fich fofort die Frage, weshalb nicht zugegriffen wurde, bevor der Aschinger- Konzern 1914 das Hotel erwarb, und warum man wartete, bis der neue Besizer das Hotel ,, zum Kauf anbot"?! Ueber den von Aschinger gezahlten Kauf­preis tursieren zwei Versionen. Das Finanzministerium