Mr. 561 43. Jaheg. Ausgabe A nr. 286
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Sonntag, den 28. November 1926
Aber die Pariser Presse erschwert die deutsch - französische Verständigung.
Hat die deutsch - französische Berständigungspolitit tatsächlich einen Rüdschlag erlitten? Wer in den letzten Tagen die Pariser Bresse verfolgte und mit französischen bürgerlichen Politikern und Journalisten dieses Thema zu besprechen Gelegenheit hatte, der mußte leider zu der Ueberzeugung gelangen, daß der deutsch - französische Entspannungsprozeß seit Thoiry zu mindest teinen Fortschritt gemacht hat. Einzelne sprechen sogar von einer offenkundigen Verschlechterung der Lage. Zweifellos mußten die Kommentare der Pariser Presse zur Rede Stresemanns eine Atmosphäre erzeugen, die der deutsch - französischen Annäherung alles eher denn förderlich ist.
Nur ein Mann unter den führenden bürgerlichen Politikern Frankreichs scheint sich dieser pessimistischen Atmosphäre bisher entzogen zu haben, die die deutsch - französischen Beziehungen- gemessen an den weitgehenden Hoffnungen der Genfer Bölkerbundstage gegenwärtig umgibt. Und die Auffassung dieses Mannes ist allerdings: von Wichtigkeit, denn es ist der
Termin faum irgendwelche nennenswerten Fortschritte machen. Dagegen ist anzunehmen, daß der Beschluß zur
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Banffonts: Bant der Arbeiter, Angeftelten und Beamten, Wallstr. 65; Diskonto- Gesellschaft, Devontentaffe Lindenfte. 3.
Abwege.
Die Demokraten und ihre Minister.
Die deutsche Reichsverfassung hat die großen demokratischen und liberalen Strömungen in Deutschland gesammelt. Sie wurzelt in der besten Tradition der deutschen Demokratie und des deutschen Liberalismus. Die deutsche Sozialdemo tratie war ihre Geburtshelferin. Die Sozialdemokratie ist die echte Erbin dieser Tradition. An ihr ist es darum, dardes Scheinparlamentarismus wieder lebendig werden. Ihr über zu wachen, daß nicht der Geist des Obrigkeitsstaates und Augenmerk richtet sich auf die Vorgänge in der Reich s- mehr wie auf das Gesetz zur Bekämpfung von Sch muß und Schund.
Abberufung der Militärkontrollkommission bereits bei der Zusammenkunft Stesemanns und Briands in Genf in der zweiten Dezemberwoche eine vollendete Tatsache sein wird. Es handelt sich gegenwärtig nur noch um nebensächliche Differenzpunkte, deren endgültige Bereinigung noch im Laufe der nächsten Tage zwischen dem Botschafter von Hoesch und Briand bzw. der Botschafterkonferenz zu erwarten ist. Dagegen demokratische Reichswehrminister zu verantworten. Die Vorgänge in der Reichswehr hat Herr Geßler, der wird die Lösung des Problems der fünftigen Böller= bundstontrolle noch erhebliche Schwierigteiten Das Gesetz zur Bekämpfung von Schmutz und Schund hat bereiten, die die persönliche Aussprache in Genf hoffentlich zu überbereiten, die die persönliche Aussprache in Genf hoffentlich zu über- Herr Külz, der demokratische Reichsinnenminister, dem winden gestatten wird. Reichstag vorgelegt. Er hat es begründet und verteidigi. Er Er trägt also die volle Verantwortung für das Gesetz; es versucht es durchzudrücken, nachdem er verhindert hat, daß es noch einmal fachlicher Ausschußberatung unterzogen wurde. wird als Ler Külz in der Geschichte fortleben. Es handelt sich um zwei demokratische Minister aber die Deckung der Borgänge in der Reichswehr zeugt von einer Entartung demokratischen Denkens, die Verteidigung des Schmutz- und Schundgesetzes von einer Entartung liberalen Denkens. Man fann an dieser Entartung demokratischen und libevalen Dentens bei führenden Demokraten und Regierungstaitgliedern nicht vorübergehen.
daß Deutschland am tonkreten Gegenleistungen nichts Ernsthaftes Wenn auf französischer Seite immer wieder hervorgehoben wird, zu bieten vermag, so muß man wohl sagen, daß in der Tat die in Thoiry erwogenen finanziellen Möglichkeiten fich bisher als faum durchführbar erwiesen haben. Es liegt in der Natur der Dinge, daß Deutschland bei der Verwirklichung der deutsch- französischen Annäherung als der Teil erscheinen würde, der wenigstens
Am Schluffe einer längeren Unterredung am Freitag ermächtigte äußerlich vieles erhält und wenig gibt. Die deutsche Gegen
er mich, seine Auffassung wie folgt zusammenzufaffen:
„ Ich sehe teinen Grund zu einer ungünstigen Beurteilung der Situation. Die inzwischen eingetretenen Schwierigkeiten bilden für mich feine leberraschung, denn sowohl Herr Stresemann wie auch ich haben bereits in Thoiry erkannt, daß die Politik der deutsch- französischen Annäherung nicht von heute auf morgen und nicht ohne Ueberwindung mancher Hindernisse verwirklicht werden könnte."
So wichtig und beruhigend diese Auffassung Briands, der ja der verantwortliche Leiter der französischen Außenpolitit ist und bleibt, auch sein mag, man fann nicht umhin, sich die Frage vorzulegen, ob er seine Politik ungestört wird weiter verfolgen können, wenn er von dem größten Teil der französischen Presse nicht nur im Stich gelaffen, sondern sogar planmäßig gestört wird. Eine bedenkliche Erscheinung ist es nämlich gewesen, daß die Rede Strese manns, obwohl sie doch meder im Ton noch im Inhalt eine unangenehme Ueberraschung für die Franzosen enthielt, fast überall sehr abfällig kritisiert wurde. Zunächst waren es lediglich die Rechtsblätter, die etwas daran auszusehen hatten. Am Donnerstag folgten auch Linksblätter wie Quotidien" und Ere Nouvelle", die sich in Borwürfen gegen Stresemann ergingen. Ausnahmen bilden nur' Deuvre" und die dem früheren Finanzminister Caillaur nahestehende Volonté". Das Leitmotiv aller dieser Kritiken, die zum Teil einen ausgesprochen gehässigen Charakter tragen, lautet: ,, Deutschland fordert von uns alles Mögliche Aufhebung der Militärkontrolle, vorzeitige Räumung des Rheinlandes, Rückgabe des Saargebietes- es erklärt aber selbst, daß es uns nichts dafür als Gegenleistung zu bieten vermag." Einzelne Blätter versteigen sich sogar zu der unwahren Behauptung, daß eine vorzeitige Räumung der besetzten Gebiete in Thoiry überhaupt nicht besprochen worden sei, während die meiſten anderen erklären, daß eine frühere Räumung nur auf Grund erheblicher Gegenleistungen in Betracht gezogen werden könnte.
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Man gewinnt den deutlichen Eindruck, als leite ein unsicht barer Kapellmeister dieses Orchester der Pariser Presse. und zwar nicht vom Ministerium des Aeußeren, sondern von einer anderen Stelle aus. Man erkennt nämlich mühelos in den Leitartifeln des„, Temps" und anderer Zeitungen die
Gedankengänge des Ministerpräsidenten Poincaré
wieder. Es wird zwar immer wieder versichert, daß Poincaré die Es wird zwar immer wieder versichert, daß Poincaré die Außenpolitik Briands nicht störe, zumal er sich selbst ausschließlich den Finanzproblemen widme, aber feine bloße Anwesenheit an der Spitze der Regierung bildet schon für die Gegner der Verständigungspolitik eine Ermunterung und für deren Befür morter eine Hemmung. Auch innerpolitisch hat sich in Frankreich durch die Schwäche der Radikalen eine Situation entwickelt, in der die Linke im Interesse des überaus zweifelhaften Erfolges der Finanzpolitik alles schluckt, während die Rechte den Burgfrieden" ganz imgeniert für ihre Zwecke ausnutzt. Das gleiche Schauspiel scheint fich in der Außenpolitik zu wiederholen, wo die Rechtspresse den Ton angibt und die Linkspreffe dagegen taum zu reagieren wagt. Wird nun Briand auf die Dauer sich gegen diesen künstlich erzeugten Strom der öffentlichen Meinung" behaupten können? Gewisse Kreise sind schon zu der Auffassung gelangt, daß ein positiver Erfolg der Politik von Thoiry überhaupt nicht zu erhoffen sein wird, solange Poincaré an der Spitze der Regierung steht. Einen Umschwung erwarten sie aber nicht vor den Neumahlen zum Senat, die Anfang Januar stattfinden, es sei denn, daß die allgemein als ziellos empfundene Finanzpolitit Poincarés noch vorher scheitere.
Allerdings dürfte, so wie die Dinge gegenwärtig liegen, die Frage einer früheren Räumung des Rheinlandes vor diesem
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leistung wird in der Hauptsache nicht finanzieller Art sein können: Ausgehend von der in Locarno seierlich ausgesprochenen Anerkennung der Westgrenzen würde Deutschland durch die Tatsache der aufrichtigen Berföhnung, jene für Frankreichs Sicherheitsgefühl so wichtige moralische Garantie bieten können, die drüben vielfach noch vermißt wird. Das haben unsere französischen Genoffen auf der Buremburger Konferenz ausdrücklich anerkannt; darauf hat die Sonnabendausgabe des Temps" erflärt, daß die Luremburger Beschlüsse einen neuen Beweis dafür liefern, daß in der Sozialistischen Internationale der deutsche Einfluß nach wie vor vorherrsche! Aber gerade weil die deutsche Gegenleistung in der Hauptfache nur moralischer Art sein tann, muß sich die Reichsregierung dessen bewußt sein, daß die Schaufelpolitik, die sie bisher im Innern betrieben hat, mit ebenso viel Aufmerksamkeit wie Unbehagen drüben beobachtet wird. Der Gedanke, daß die Möglichkeit nach wie vor besteht, daß sich die Reichsregierung nach rechts erweitere, lastet hemmend gerade auf den Männern, die in Frantreich die Politik von Thoiry zum Erfolg führen wollen.
Die Entwaffnungsfrage.
Sigung der Botschafterkonferenz. Paris, 27. November .( Eigener Drahtbericht.) Die Botschafterkonferenz hat am Sonnabend von den letzten Berichten über den Stand der deutschen Abrüstung und von den vom Berliner Kabinett getroffenen Maßnahmen gegenüber den Geheimverbänden und in bezug auf die Befestigungen von Königsberg und Glogau Kenntnis genommen. Die amtliche Meldung betont, daß wenn die Reichsregierung die Versailler Militärklauseln vo11ständig ausgeführt haben werde, die Interalliierte Kontrollkommiffion zurüd gezogen werde und die Kontrolle der deut schen Rüstungen der Investigationstommission des
Bölkerbundes übertragen werden wird.
Paris, 27. November .( Eigener Drahtbericht.) Bei der Beratung des Heeresetats tam es am Sonnabend in der Kammer zu einer zeitweise lärmenden Aussprache über die einjährige Dienstzeit. Der radikale Abg. Ossola führte aus, daß die acht zehnmonatige Dienstzeit bankerott gemacht habe. Man müsse so schnell wie möglich zur einjährigen Dienstzeit und besonders zur Schaijung der sogenannten großen Mobilisationszentren übergehen. Der Sozialist Paul Boncour schloß sich dieser Auffassung an. Das Land wünsche eine fürzere Dienstzeit. Die achtzehn monatige Dienstzeit sei ein Kompremiß mit allen Nachteilen. Sie entmutige die jungen Leute, sich der militärischen Laufbahn zu widmen. Auch der Nationalist Oberst Fabry vertrat diesen Standpunkt und gab zu, daß allein die einjährige Dienstzeit Frankreich die beste Heeresorganisation geben könne. Kriegsminister Pain levé antwortete auf die Kritiken in ziemlich nervösem Tone. Die achtzehnmonatige Dienstzeit habe nicht die Mängel, die man ihr nachsage. Sie habe Frankreich gestattet, den Maroffotrieg, das größte Unternehmen der französischen Kolonialgeschichte", fieg reich zu Ende zu führen. Sie sei nicht schuld daran, daß der Nachwuchs an jungen Offizieren nachlasse. Der Grund hierfür liege in der verteuerten Lebenshaltung und der verschlechterten materiellen Lage des Offizierforps."
Ministerpräsident Poincaré erklärte, diese ganze Auseinandersehung verzögere lediglich die Verabschiedung des Haus halts. Durch Stellung der Vertrauensfrage erzwang er die Ablehnung von Anträgen auf Erhöhung der Löhnung der Soldaten auf 2 Franken täglich und auf Nichteinberufung der Reservisten zu Uebungen im Jahre 1927.
Herr Geßler hat als Reichswehrminister manchen Sturm erlebt. Er ist über manchen Einzelvorgang in der Reichswehr zur Rede gestellt worden, felbft über seine eigenen Meinungen und Taten. Er hat es erlebt, daß das politische Wetter sich gegen ihn gewandt hat und dann wieder launisch zu seinen Gunsten. Diesmal ist es ernst. Es handelt. sich nicht um eine jener journalistisch- parlamentarischen Kampagnen, wie fie tommen und vergehen, ohne sichtbare Eindrücke zu hinterlassen. Es handelt sich darum, daß sich die republikanische Deffentlichkeit flar wird, daß sie das Zwielicht von halben Wahrheiten, von Ahnungen und Verdächtigungen, das die Reichswehr umgibt, endlich aufhellen muß sie nicht in Kauf nehmen will, daß eine Gefahr für die Verfassung im Halbdunkel dauernd wächst.
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Die Enthüllungen über ungesetzliche Verbindungen der Reichswehr sind eine ernste Mahnung. Sie kommen nicht wie ein Blizz aus heiterem Himmel. Bieles ist bereits bekannt Staatsmänner, Parteiführer, Parlamentarier, die Presse, ja ein sehr großer Teil des Volkes hat darum gewußt. Biele haben es schweigend geschehen lassen, weil sie es um ihrer politischen Ziele wünschten Nationalistischer Illusionismus und brutaler Wille zur inneren politischen und sozialen Dittatur sind dabei im Lager der Rechten und der Unternehmer durcheinandergegangen. Viele haben geschwiegen aus Gefühlen und Rücksichten, die verständlich sind aus der Zeit schwersten äußersten Druces. Die Deffentlichkeit hat ihre Augen fest vor der Tatsache verschlossen, daß die Reichswehr ein eigenes Leben führte, daß ihre Verwaltung sich mehr und mehr der politischen parlamentarischen Kontrolle, der finanziellen etatsrechtlichen Kontrolle durch das Barlament entzog, daß ihre Grenzgebiete schließlich so sehr im Nebel verschwanden, daß niemand mehr sagen fonnte, wo die Reichs wehr aufhörte und der nationalistische Wehrverband anfing. Die Enthüllungen sagen prinzipiell nichts neues. Aber die republikanische Deffentlichkeit, die der Reichswehr gegenüber bisher in einer Art von Bezauberung bei offenen Augen verharrt hat, nimmt jetzt diese Enthüllungen mit großer Unruhe auf. Dieser Unruhe gegenüber versagen jene Erklärungen, mit denen Herr Gekler bisher immer das schlechte Wetter beschwichtigt hat. Diese Unruhe in der weitesten Deffentlichkeit entspringt einer Besinnung auf demofratisches Denten und republikanisches Verantwortungsgefühl der Reichswehr gegenüber. Nachdem der Bann gebrochen ist, wird sichtbar, was fein Republikaner auf die Dauer dulden fann: die Reichswehr hat sich unter dem Regime Geßler so entwickelt, daß sie neben die verfassungsmäßigen Faktoren der deutschen Republik als ein fehr eigenwilliges Instrument tritt, und daß die Frage entsteht, ob alle ihre Betätigungen noch verfassungsmäßig und mit den geltenden Gesezen in Einflang zu bringen find. Wenn die Frage aufgeworfen werden kann, ob es tatsächlich neben der verfassungsmäßigen Zivilregierung ein militaristisches System gibt, das sich der parlamentarischen Kontrolle entzieht, so zeugt diese Frage von einer Verschiebung der tatsächlichen Verfassung, die mit dem Geiste der Verfassung von Weimar schwer zu vereinbaren ist.
Unter dem Regime des Herrn Geßler hat sich ein Zustand herausgebildet, den man geradezu eine neue Teilung der Gemalten nennen fönnte. Das Urteil mag überspitzt sein aber es zeigt die Tendenzen, die in der
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