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Nr. 563 43.Jahrg. Ausgabe A nr. 287

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Dienstag, den 30. November 1926

Niederlage des Schundgesetzes.

Die Prüfungsstellen in zweiter Lesung abgelehnt!

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Der Reichstag hat gestern die zweite Lesung des| Entscheidung geben Sound- und Schmutzgesetzes beendet. In der Einzelabftim­mung wurden die§§ 2 und 3 abgelehnt. Diese Para­graphen bilden den Kern des Gesetzes, fie enthalten die Bestimmungen über die Prüfstellen und ihre Zusammen­fehung.

finden.

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Külz in der Minderheit.

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Das Feigenblatt der Diktatur.

Der Wahlkampf in Ungarn .

Bon Sigmund Kunfi.

die

Betrachtet man nur die offen zutage liegenden Ereignisse das Gesetz zurückzuziehen. Die Re- der ungarischen Politik, so wird man faum eine Erklärung gierung muß sich darüber klar sein, daß im günstigsten Falle für die Ueberrumpelungswahlen finden, die auf für sie das Gesetz in der dritten Lesung nur mit einer ganz Borschlag des Ministerpräsidenten Bethlen der Reichsverweser geringfügigen Mehrheit angenommen wird. Ein wahrhafter Horthy angeordnet hat. Noch zwei Wochen vor der Auf­demokratischer Minister müßte den Schluß ziehen, daß lösung der Nationalversammlung, die eben die Errichtung ein so umstrittenes Gesetz, das so leidenschaftlichen Wider eines feudalen Herrenhauses beschlossen hatte, ver­Im Schundgesetz ist also eine Lüde entstanden. Die Spruch weitester Boltskreise hervorgerufen hat und so tief in ficherten Mitglieder der Regierung, daß kein Mensch die früh­Auflösung der Nationalversammlung plant dritte Lesung, die über das Schicksal des Gesetzes end- das kulturelle Leben einschneiden kann, nicht mit einer gering- ahlperiode geht erst im Juli 1927 zu Ende, und die Re­Wahlperiode geht erst im Juli 1927 zu Ende gültig entfäciden foll, wird voraussichtlich am Freitag ftatt- fügigen parlamentarischen Mehrheit durchgeführt werden gierungspresse lancierte Nachrichten, daß nach der Errichtung kann. Sollte dennoch der Versuch unternommen werden, so des Magnatenhauses die Nationalversammlung in ein Abge­gibt es dafür nur zwei Erklärungen: entweder bösartiger ordnetenhaus umgewandelt werden und bis 1932 tagen jolle. reaktionärer Wille zur Wiederbelebung der Zenfur Damit wollte Bethlen den Widerstand mancher um ihre Man durch Vergewaltigung einer Minderheit, die an der Stärke date besorgten Abgeordneten gegen die rasche Verabschiedung Die Unterschrift der Mehrheit nahezu gleichkommt, oder ungehemmtes des Magnatenhausgesetzes beschwichtigen. Agitationsbedürfnis bei gewissen Parteien. Es ist des Reichsverwesers an diesem Gesetz war aber kaum ge­unanständig, ein solches Gefeß, das ministerieller und partei- trodnet, als Neuwahlen mit nur dreiwöchiger Agitationsfrist licher Einsichtslosigkeit sein Leben verdankt und von reaftio- ausgeschrieben wurden. nären Tendenzen gefördert wird, als das Gesetz der an ständigen Leute gegen die weniger anständi- gen machen zu wollen. Die Argumentation einer deutsch­nationalen Abgeordneten, es müßte doch eine Front der an ständigen Leute zusammenzubringen sein, sollte der Regie­3eitrung zu denken geben. Ein solches Gesetz darf nur, wenn nicht einstimmig, so doch nur mit überwältigender Mehrheit gemacht werden. Diese Ueberlegung, die mit der sonstigen materiellen Stellungnahme zum Gesetz nichts zu tun hat, sollte die Regierung, sollte aber vor allem ein demokratischer Minister anstellen!

Die Abstimmungen über das Schmutz- und Schundgesez in zweiter Lesung waren lehrreich. Sie haben gezeigt, daß die entschiedenen Anhänger des Gesetzes, deren Fraktionen geschlossen dafür eintreten, rücksichtslos alle Anträge niedergestimmt haben, die dem Gesetz seinen gefähr lichsten Charakter nehmen und reaktionär- bureaukratischer Willkür einen Riegel vorschieben sollten. Sie haben aber auch gezeigt, daß die Mehrheit für das Gesez pro­blematisch ist!

Es wurden abgelehnt:

Bei§ 1 ein demokratischer Antrag, die Zeit schriften gleich den Tageszeitungen nicht dem Gefeß zu unterwerfen.

Bei§ 2 ein sozialdemokratischer Antrag, statt Bei§ 2 ein sozialdemokratischer Antrag, statt der Länderprüfstellen eine Reichsprüfstelle einzusehen, ebenso ein gleicher demokratischer Antrag. Es stimmten für den Antrag 181, dagegen 191 Abgeordnete bei 4 Ent­haltungen.

Bei§ 3 ein sozialdemokratischer und ein de mokratischer Antrag, die Bestimmung über die zu ziehung von Vertretern der Kirchen als Sachverständige. zu streichen, weiter Anträge der Sozialdemokraten, der Demokraten und der Volkspartei, die quali fizierte Mehrheit in den Prüfstellen zu verschärfen. Nach der Ablehnung dieser Verbesserungsanträge aber lehnte eine Mehrheit aus Sozialdemokraten, Demokraten, Deutscher Volkspartei, Kommunisten und Bölkischen die Para­graphen 2 und 3 ab! Das Vakuum im Gesetz ist also da. Ohne diese Paragraphen ist das Gesetz ein Messer ohne Heft und Klinge!

Nach diesem Ergebnis der zweiten Lesung dürfte es für den Reichsinnenminister wie für das Kabinett nur eine

Das Urteil von Hasselfelde .

Ein Angeklagter verurteilt- 7 Monate Gefängnis. Braunschweig , 29. November. ( Eigener Drahtbericht.) In dem Reichsbannerprozeß in Hasselfelde wurde am Montagabend das Urteil gefällt. Die Angeklagten wurden bis auf den Reichsbanner­führer Striebel freigesprochen; Striebel erhielt 7 Monate Ge­fängnis wegen Landfriedensbruch . In der Begründung erklärte der Vorsitzende: Es steht fest, daß auf den abmarschieren der Vorfihende: Es steht fest, daß auf den abmarschieren­den Zug der Reichsbanner leute Steine oder sonstige Gegenstände geworfen worden sind, auch daß ein Schuß oder mehrere Schülfe gefallen sind. Der Ausschrei des verlegten Ange­flagten Künne Halt, hier wird geschossen!" war das Signal, auf das Hilmerfche Grundstüd vorzubringen."

Die Beweisaufnahme am Bormittag war für die Angeklagten so günstig verlaufen, daß selbst die Staatsanwaltschaft die Freisprechung von 12 Angeklagten beantragte.

Will die Regierung dennoch das Gesetz durchdrücken, so nimmt sie eine Belastung auf sich, für die kein zwingen: der Grund vorliegt. Um so mehr nicht, da sie lebhafte 3weifel haben muß, ob sie das Gesetz im Reichsrat durchbringt, selbst wenn sie eine Mehrheit im Reichstag findet. Aus fichten für eine Mehrheit im Reichstag hat sie nur, wenn die Länderprüfstellen durch eine Reichsprüfstelle ersetzt werden. Für diesen Fall aber hat die partikularistische bayerische Regierung ihren Einspruch im Reichsrat angekündigt, und es fann leicht sein, daß sich für den Einspruch im Reichsrat eine Mehrheit findet.

Ein solches Gesetz trotzdem weiter zu betreiben, ist alles andere denn staatsflug, alles andere denn ein Zeugnis für überlegenes Führertum, alles andere denn ein Beweis für den Willen zu einer Politik der Mitte.

( Reichstagsbericht siehe 2. Beilage.)

Bon den 254 Abgeordneten standen 200 fest und sicher hinter der Regierung. Eine Geschäftsordnung, während der gewaltsamen Entfernung der gesamten Opposition beschlossen, forgt dafür, daß die Nationalversammlung alles glatt und rasch beschließe, was die Regierung wünscht. Um so mehr brängt sich die Frage auf, was die vorzeitige Auflösung be

zwecken soll.

"

Die tonterrevolutionäre Diftatur hat ihre gewalttätige, turbulente; auch ihre blutige Zeit hinter sich. Es ist ihr ge­lungen, das moralische Rückgrat fast aller ihr gegenüber­stehenden Gruppen und Klassen zu brechen: sie kann der bluti­gen und gewalttätigen Mittel entraten, denn sie hat den Geist des Widerstandes getötet, der in vielen und Die Stürme der Revolutionen und der Konterrevolution verschiedenartigen sozialen und politischen Kräften früher lebte. hatten das große bäuerliche Meer der ungarischen Tiefebene und der transdanubischen Latifundiengebiete aufgepeitscht; es gab schon in der fonterrevolutionären Periode Augenblicke, mo es nicht aussichtslos erschien, daß eine konservativ- republi­fanische Bauerndemokratie die Macht an sich reißen würde. Das war 1921 bis 1922, als Bethlen sich unter dem Druck der an der Grenze aufmarschierten ischechischen und jugoslawischen Divifionen gezwungen fah, den zurückgekehrten Karl Habs­burg gefangen zu nehmen, der Entente auszuliefern und die tionalversammlung beschließen zu laffen. Der fönigstreue Entthronung des Hauses Habsburg der Na­Graf gab die Habsburgische Form der Konterrevolution preis, um ihren Bestand und ihren sozialen Inhalt, die Klassen­herrschaft des Adels retten zu fönnen. Gegen den habs­burgischen Hochadel fuchte er damals bei dem Landadel und den tossuthschen Bauern Anlehnung. Aber als die Gefahr gebannt war, begann sein Kampf gegen die Macht der Ge= Es versteht sich von selbst, daß gegen dieses Urteil Berufung stiefelten", wenn auch nicht so offen und gewalttätig, fo eingelegt wird. Die Angeklagten fuhren nach dem Urteil auf einem doch entschlossener bekämpfte Bethlens Politik den Bauern­Kraftwagen nach Thale , wo sie von der dortigen Reichsbannergruppe ftiefel, als fogar die schwielige Arbeiterfaust. Um die letzten mit einem Fadelzug empfangen wurden. Alles in allem Reste der selbständigen Bauernpolitik auszurotten und die ge­war der Prozeß in Hasselfelde eine glatte Bleite der braun- stiefelte Fraktion feiner eigenen Partei zu vernichten, macht er jetzt die Wahlen. Denn in dem Bauernlande ist die auf fchweigischen Regierung. Bei einigem guten Willen wäre es sehr wohl möglich gewesen, zumal die Tat bereits am 25. Dezember die spärlichen Städte und Industriezentren beschränkte So­1925 stattgefunden hat, der Staatskaffe diese erheblichen Kosten zu er- zialdemokratie feine unmittelbare Bedrohung der Adelsherr­schweigischen Ministers ist es zu verbanken, daß dieser den Bauern, in die frühere Botmäßigkeit zurückzuführen, die sparen. Nur der politischen Einstellung des braun schaft: die nach den Gütern der Aristokratie lüstern ausblicken­soziale Ordnung und hierarchie der Borkriegszeit wiederher­Prozeß gegen das Reichsbanner überhaupt stattgefunden hat zustellen, ist der Königsgedante der Politik Bethlens nicht nur Das Interessanteste an dem Urteil ist die Begründung. im bildlichen Sinne, sondern auch in der Beziehung, daß diese Sie muß zugeben, daß nicht die Reichsbannerleute die An- foziale Hierarchie nur gesichert ist, wenn ein ungarischer greifer waren, sondern daß sie in der Dunkelheit mit Mord- König in der Ofener Burg sigt. Zu den Widersprüchen der werkzeugen angegriffen wurden, so daß ihr Leben gefährdet ungarischen Bolitik gehört, daß Bethlen, der das Haus Habs­war. Die Reichsbannerleute befanden sich in Verteidi burg entthronen ließ, nichts anderes im Sinne hot, als Otto Habsburg auf den ungarischen Thron zu feyzen. Der Knabe Bethlen läßt nun das Abgeordnetenhaus wählen und das Magnatenhaus errichten, die die monarchistische Restauration sichern sollen. Ungarn und das Ausland follen planmäßig bearbeitet werden. Die Legitimisten etwa vom Schlage des Grafen Julius Andrassy, die den Flug Karls Bolitit feinen Einfluß auf die Restauration einräumen, nicht des Plöglichen veranlaßten, bekämpft Bethlen ebenso scharf wie die freien Königswähler"; er will ihrer rhapsodischen" weil er etwa antihabsburgisch gesinnt wäre, sondern weil e vor ihrer plump zugreifenden Putschpolitik Angst hat.

*

Nachdem der Hauptzeuge, 2 andjäger Meŋer trot amtlicher gung, als sie nach den Urhebern der Attacke forschten. u ist jetzt vierzehn Jahre alt. in vier Jahren ist er großjährig";

eindringlicher Borhalte des Staatsanwalts sich weigerte, etwas Be­lastendes auszusagen, gab der Vertreter der Anklage sein Spiel end gültig verloren. Das Plaidoyer war eine Bariation über das Thema

Meyer, Sie sind kein feiner Mann, Sie haben mich im Stich ge­

lassen".

arbeiter Striebel, ein bisher vollkommen unbeschol­Der einzige Angeklagte, der verurteilt wurde, ist der Hütten­tener Mann. Striebel erhielt sieben Monate, weil ein geistes­fchwacher Stotterer behauptete, er jei von ihm im Gedränge geschlagen worden. Der Staatsanwalt hatte acht Monate Gefängnis beantragt. Das außerordentlich harte Urteil gegen einen bisher unbestraften Familienvater, der 4% Jahre im Felde war, ist wohl nicht anders zu erklären als dadurch, daß das Gericht den Staatsanwalt nicht mit ganz leeren Händen vor den braunschweigischen Justizminister treten laffen wollte. So wurde Striebel als Sün denbock für den Herrn Staatsanwalt geschlachtet.

gabe der Justiz wäre es also gewesen, gegen die deutsch­pöltischen Angreifer das Verfahren wegen Land­friedensbruch einzuleiten.

Wenn trotzdem einer der Angegriffenen zu der in diesem flaren Fall besonders hohen Strafe von 7 Monaten Ge fängnis verurteilt wurde, so bleibt zwischen dem Zugeständnis brüdbare kluft. Wie in so vielen anderen Reichsbanner: in der Begründung und dem Urteil eine unüber­prozessen wurde auch hier nach der verkehrten Front pro­prozessen wurde auch hier nach der verkehrten Front pro­3effiert und das Gericht hat es versäumt, die Konsequenzen zu ziehen, obwohl es die Tatsache an sich zugeben mußte. Es ist selbstverständlich, daß gegen das Urteil Revision eingelegt wird. Aber das ändert nichts an einem 3 u stand, der heute von einem Teil der Richter selbst zugegeben wird und den der Reichsgerichtspräsident Dr. Simon in seiner Münchener Rede mit scharfen Worten geißelte. Wie lange soll dieser Zustand noch dauern?

Darum ist die politische Linie dieses Wahlkampfes die Unterwerfung des fiachen Landes unter die Herrschaft des Adels, soweit dieser Adel sich Bethlen­unterworfen hat. Ihren anschaulichsten Ausdruck findet diese Politik in der Bestimmung des Wahlgesetzes, die nur in den größeren Städten geheime Abstimmung vorsieht, auf dem