Volksfest unter Schwarzrotgold.
Neue Aufgaben für das Reichsbanner.
Das Reichsbanner Schwarz- Rot- Gold hat gestern abend im Anschluß an die Kundgebung auf dem Fehrbelliner Play in den Funkhallen am Kaiserdamm ein Boltsfest veranstaltet. Die weite Halle konnte die Reichsbannertameraden, die mit ihren Angehörigen das Fest besuchten, nicht fassen; die Nebenräume der Funkhallen mußten für die Besucher geöffnet werden. Vor den Funkhallen vollzog Reichstagsabgeordneter Genosse Franz Künstler die Weihe des Banners der Kameradschaft Wittenberg des Kreisvereins Charlottenburg. Genosse Künstler zeichnete in seinen Ausführungen ein Bild der politischen Situation und wandte sich scharf gegen die in letzter Zeit erneuerten Versuche der Reaktion, Machteinfluß auf die Regierungsgeschäfte der Republit zu erhalten. Noch fann das Reichsbanner seine Aufgaben nicht als erfüllt betrachten, denn schon wieder rüstet Ehrhardt, um mit seiner neuen Organisation, dem Deutschbanner Schwarz- WeißRot, neue Mannschaften zu sammeln, mat denen er Anschäge gegen die Republik und gegen das Reichsbanner unternehmen will. Das Reichsbanner aber ist und bleibt die Truppe, die Unternehmen von Butschisten und dergleichen in fürzester Frist abschlagen wird. Alfred Beierle sprach dann den Hymnus Schwarzrotgold" von Ludwig Lessen . Anfeuernd und emporrichtend sind diese Verse, und sie wurden, von Beierle meisterhaft gesprochen, begeistert aufgenommen. Unter dem Vorantritt des Spielforps marschierten dann die Kameraden in die Funkhalle ein, wo bald bei einem sehr erwählten Programm bei Tanz und Musik ein richtiges Volksfest im Gange Neben Rezitationen des Berliner Ult- Trios, das mit seinen Borführungen stürmischen Beifall auslöfte, wechselten Sportvorführungen der Sportabteilungen des Reichsbanners und Tanz ab. Als besondere Attraktion wurde ein Rhönrad vorgeführt.
mar.
Hetze gegen das Reichsbanner.
Zu den Nachrichten der Rechtspresse über die Vorkommnisse am Fehrbelliner Platz wird besonders hervorgehoben, daß Reichsbanner Leute gänzlich unbeteiligte Fahrgäste belästigten und in rohester Weise eine Frau mit ihrem Kind zu Boden geworfen haben. Dem Lokal- Anzeiger" und der Deutschen Beitung", die mit solchen aufreizenden Anwürfen gegen das Reichsbanner fehr durchsichtige Zwede verfolgen, sei nur gesagt, daß gerade das Gegenteil der Fall war. Ein Augenzeuge teilt uns mit: Als ich am Wagen stand, stürzten gerade die Fahrgäste panifartig aus dem Wagen. Eine Frau, die mit ihrem Kinde, das im Geficht start blutete, heraus fam, ging fofort auf einen Reichsbannermann zu und erklärte, fie sei Zeuge, daß die atentreuglerfo mit Messern um sich gestoßen hatten, daß dadurch die Fahrgäste bedroht waren und schnell den Wagen verlassen wollten. Erst hierbei wurden einige Scheiben der Straßenbahn entzweigeschlagen und durch Glassplitter das Kind verlegt. Die Frau gab hem Reichsbannermann ihre Adresse, damit das Reichsbanner Zeugen für den Vorfall benennen fann.
Mord und Selbstmord. Schreckenstat in einer Gastwirtschaft.
Ein entseglicher Vorfall trug sich gestern vormittag gegen 11 Uhr in dem Restaurant von Schellin in der Invaliden straße 17 zu. Wir erfahren hierzu folgendes:
Kurz nach 10 Uhr vormittags betrat ein junges Baar das Lokal und bestellte einige Glas Bier. Keinem von beiden war irgendeine Erregung anzumerken. Es wurde eine leise Unterhaltung geführt; plöglich stand der junge Mann auf, zog einen Revolver hervor und gab auf seine Begleiterin einen Schuß ab. Diese ver mochte noch entfest aufzuspringen, im gleichen Augenblid brüdté der Täter nochmals ab. Der Schuß traf ins Herz und wirkte auf der Stelle tödlich. Dann richtete der Läter die Waffe gegen fich felbst und jagte sich eine Rugel in die Schläfe, ehe ihn noch einige Gäste, die am Nebentisch faßen, daran hindern tonnien; auch er war fofort tot. Das zuständige Bolizeirevier wurde fofort benachrichtigt, das umgehend mehrere Beamte an den Tatort entsandte. Bei den Toten wurden Papiere vorgefunden, die auf den Namen des 26jährigen Rinovorführers Alfred Boß aus der Gneisenaustraße 12 zu Niederschönhausen und der 42jährigen Gastwirtsehefrau Hedwig Gen3, Raiferweg 19, ebenfalls zu Niederschönhausen , lauteten. Boß unterhielt zu Frau G. ein Ver hältnis. Die Leichen, die in einer großen Blutlache lagen, wurden non der Kriminalpolizei beschlagnahmt und in das Schauhaus geschafft. Der entfehliche Vorfall hatte eine große Menschenansammlung vor dem Lokal zur Folge, so daß Schupobeamte vorübergehend Absperrung en pornehmen mußten. Wie weiter mitgeteilt wird, bestanden zwischen dem Gastwirt Genz und dem Vater des jungen Boß seit langem freundschaftliche Beziehungen. Der alte Boß hatte nun erfahren, daß sein Sohn in letzter Zeit wiederholt Geldgeschente non Frau Genz angenommen hatte und ihm das untersagt, weil er cine Trübung der alten Freundschaft befürchtete. Alfred Boß ließ die väterliche Ermahnung ober ganz außer acht und fam auch weiterhin mit Frau Genz zusammen. Es darf als sicher angenommen werden, daß bei der Zusammenkunft am Montag vormittag beide den Entschluß faßten, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Db wirklich, mie Zeugen gesehen haben wollen, ein Streit auf der Straße vorausgegangen ist, läßt sich natürlich nicht mehr feststellen.
Kraffin- Trauerfeier der Kommunisten.
Die Kommunisten hatten sich gestern nachmittag in Stärte von etma 6000 Mann im Lustgarten versammelt, um der lirne des verstorbenen russischen Botschafters Kraffin auf dem Wege zum Schlesischen Bahnhof das letzte Geleit zu geben. Die Abtei lungen des Roten Frontkämpferbundes waren mit umfiorten Fahnen erschienen. Gegen 5 Uhr erschien der Wagen mit der Urne des verstorbenen Botschafters. Trommelwirbel ertönten, die Menge entblößte das Haupt, und in einem Spalier von Fadeln sezte sich der Trauerzug in Bewegung. Mehrere Kapellen stimmten revolutionäre Lieder an. An zwei Stellen kam es zu fleineren Zusammen stößen. In der Nähe der Breiten Straße wollte ein Polizeiauto aus verkehrstechnischen Gründen den Zug trennen, ließ aber wegen der Erregung der Menge schließlich davon ab. In der Stralauer Straße zwangen die Fontkämpfer einen Straßenbahnwagen, der in die Menge hineinfuhr, zum Halten und hängten die Strongabel ab. Die Trauerfeier fand turz nach 6 Uhr vor dem Schlesischen Bahnhof statt. Der Abtransport der Urne erfolgte gegen 7 ühr. Das Notizbuch als Kugelfang.
Einem glücklichen Zufall vertantt ein junger Mann sein Leben, das ein Einbrecher in schwere Gefahr brachte. Die Baumschule von Wilhelm Leven in der Blumenthalftr. 13 zu Tempelhof hatte schon wiederholt nächtlichen Besuch von Dieben, die bisher nicht ermittelt werden konnten. In der späten Nacht zu Montag schlugen die Wach hunde wieder an. Der Neffe des Eigentümers ging hinaus, fah aber niemanden. Auf wiederholte Anrufe erhielt er feine Antwort. Blöt lich fielen mehrere Schüsse, ohne daß er auch jetzt den Schüßen gefehen hätte. Eine Kugel traf ihn, durchschlug seine Brieftasche und blieb darunter in seinem Notizbuch stecken. Eine Absuchung des Geländes nach den gefährlichen Verbrechern hatte keinen Erfolg. Nach den Schüffen waren sie spurlos verschwunden.
Noch eine Kanarienschau. Trotz des schlechten Wetters find die Platate mit frischem Tannengrün, umwunden, die den Weg nach der großen allgemeinen Kanarienausstellung weisen, die in Heinrichs Festfälen, Große Frankfurter Str. 30, stattfindet. Der Berein Kanarienzüchter und Bogelfreunde, dessen Mitglieder sich die Veredlung des Kanariengesanges angelegen sein laffen, hat das ganze Jahr gespart und gearbeitet, um diese Ausstellung zu veranstalten. Es wurden 31 Rolleftionen zu vier Bögeln zur Ausstellung ge= bracht. Wie in den vorhergehenden Ausstellungen erwies sich auch
biesmal ber bunkelfte Bogel als der befte Sänger. Die große goldene Vor dem Zusammenbruch des Mieterschuhes
Medaille für die Selbstzuchtklasse und den Ehrenpreis für beste Schockel erhielt Kirchner- Lichtenberg . Die fleine goldene Medaille der Selbstzuchtklasse und den Ehrenpreis für beste Gluce, sowie den Ehrenpreis für beste Hohlroller finlen an Schadewald- Berlin . Aus der allgemeinen Klasse ging Walter- Berlin mit der großen goldenen Medaille und dem Ehrenpreis für beste Hohlroller und Schockel her. vor, während die kleine goldene Medaille an Karl Diels- Hohenneuen derf bei Berlin fiel, der ebenfalls den Ehrenpreis für beste Pfeife an sich brachte. Unter den Verkaufskanarien, die 10 bis 15 Mt. das Stüd kosten, sieht man meistens helle Vögel und Schecken.
Der Kampf um die Schule.
Christen als Versammlungsstörer,
Ueber das Thema: Weltliche Schule" referierte Schulrat Ulrich in einer von der Liste Schulaufbau in Bantom ein berufenen Elternverfammlung. Schon lange vor Beginn merkte man, daß etwas Besonderes vor sich ging. Die„ chriftlichen Lehrer, Geist, lichen und Eltern erschienen truppweise. Sie tamen alle auf besondere Aufforderung ihrer Hirten, um den verhaßten Stadtschulrat Löwenstein, den Juden", der leider am Erscheinen verhindert war, zu vernichten.
Der Redner schilderte die geschichtliche Entwicklung der Schule vom Altertum bis zur Gegenwart, das wechselnde Machtverhältnis zwischen Staat und Kirche und wie dabei die Schule zur Staatsschule wurde. Er zeigte am Wortlaut der Weimarer Berfassung, daß nun einer reinlichen Scheidung zwischen Konfessionsschule und der Welt anschauungsschule die Wege geebnet find. Alle Eltern, die ihre Kinder nach der modernen Methode der Arbeitsschule und zum besseren Fort tommen im Berufsleben unterrichtet wissen wollen, fönnen jetzt die Errichtung der weltlichen Schule erzwingen. In der Aussprache fchickten die Christlichen eine ganze Rednergarnitur vor, um die weltliche Schule in Grund und Boden zu donnern. Hatten die Anhänger dieser Richtung schon während des Referates laute Störungsversuche unternommen, so zeigte sich, als unser Gen. Mühlmann zum Wort fam, mit Deutlichkeit, daß man nicht sachlich diskutieren, sondern nur stören wollte. Als unser Redner auf einen beleidigenden 3wischenruf die Frage stellte, ob etwa die Leute aus Landsberg oder die Mörder Rathenaus und Erzberger durch die weltliche Schule gegangen feien, begann ein unglaubliches Toben. Dem Versammlungs leiter gelang es jedoch immer wieder Ruhe zu schaffen. Es sprachen dann noch einige Gegner, die von unseren Genossen, Reftor 3iechert und Löffler widerlegt wurden. Als die Christlichen fahen, daß es nicht gelang, die Bersammlung ernstlich zu stören, versuchte gegen 11 Uhr der deutschnationale Beters die Verhandlungen durch lautes Schreien und dauernde beleidigende zwischen rufe zu erschweren. Der Versammlungsleiter vermahnte ihn mehrstieg Beters auf einen Stuhl und auf sein Zeichen fang die ganze mals und drohte schließlich mit Anwendung des Hausrechts. Darauf Christengemeinde" stehend:„ Ein feste Burg ist unser Gott ". Sie murden zum Berlassen des Saales gezwungen, und erst jetzt konnte die sehr gut besuchte Versammlung zu Ende geführt werden. Als am Schluß der Versammlungsleiter erflärte, daß man Herrn Peters nach feinem jezigen Verhalten nicht mehr in unsere Versammlung zulaffen werde, gab der im Saale verbliebene Vertreter der evangelischen Schulen, Herr Lehrer Siebert die Erklärung ab, daß er den Vorgängen fernstehe und dieses Berhalten persönlich verurteile. Wie weiter befannt geworden ist. wurde diese ganze christliche Attion am Totensonntag nach dem offiziellen Gottesdienst verabredet. Das standalöse Verhalten wird jedenfalls alle Eltern veranlassen, fich für die Erziehung ihrer Kinder durch solche Leute zu bedanken. Für die Liste Schulaufbau wird eine zweite öffentliche Bersammlung am Dienstag, den 7. Dezember im großen Saale von Linder, Bantow, Breite Straße abgehalten. Die Chriftlichen behaupteten, daß fozial demokratische und der größte Teil der Arbeitereltern die weltliche Schule nicht wollten Durch Besuch der Versammlung und die Anmeldung der Rinder fann ihnen das Gegenteil bewiesen werden. Anmeldungen zur weltlichen Schule nehmen entgegen: Joh. Gaulle, Siedlung, Straße 48 Haus I und P. Schmidt, Brennerstraße 8 II.
Der Magiftrat hat befchloffen, den Tagesschülern, deren Ernährer erwerbslos find, für die Dauer der Erwerbslosigkeit Schul gelbfreiheit zu gewähren.
FUNK
WINKEL
In der Stunde der Lebenden" am Sonntag mittag umreißt zuerst ein Kritiker das Porträt der Künstler, Musiter oder Dichter, die mit ihren Werten fällig sind, und dann lesen die Dichter höchft persönlich. Das ist eine lobenswerte Einrichtung; nur müßten die Dichter auch halten, was der Krititer von ihnen behauptet. Dr. Monty Jacobs schildert zum Beispiel den Novellisten Hans Sochaczemer als einen Künstler, der sich seine Welt aus dem Razenjammer aufbaut. Und dann hest Sochaczewer zwei Novellen, die im Grunde ein anderes Bild von ihm ergeben, etwa das eines ruhig schildernden Chronisten, der weder Kazenjammer noch Rausch fennt, auch die Stimme flingt beherrscht und falt, allerdings ist der ersten Erzählung„ Bericht aus einem Dorfe" memg zu entnehmen, und auch das furze Fragment aus Henri Rausseau" ergibt fein flares Bild. Wolfenstein wird dagegen von Jacobs als Efstatifer charakterisiert, man tennt nun seine Dichtungen und weiß, daß diefe Bezeichnung stimmt, aber er liest einen Einafter" Henters lied", der ihn wiederum als hochbegabten Groteskschriftsteller tennzeichnet. Das wirkt merkwürdig. Bielleicht entschließen sich einmal die Vortragenden dazu, solche Dinge zu lesen, die ihnen erlauben, in den vorher mühsam konstruierten Generalnenner für ihr Wesen aufzugehen. Warum soll sich der Kritiker unnötig bemühen? Am Abend machte dann die Funkstunde eine gut einstudierte Ber beugung vor dem soliden, bürgerlichen Empfinden. Sie feierte den ersten Advent mit Chorälen und erbaulichen Borlesungen
Am Montagnachmittag las Helene Burger zwei Novellen von Ludwig Ganghofer . Hin und wieder gerät die junge Dame ins Pathetische, auch sie verwechselt das Rednerpult mit der Bühne. Das Berlebendigen der Situation, das scharfe Umreißen der handelnden Personen, der Versuch, ihnen eine individuelle Sprache zu geben, erübrigen sich beim Vortrag von Prosa. Der Vortragende ist in erster Linie Erzähler, der ruhig und ohne daß die Stimme zittert, den Ber lauf der Handlung schildert. Auf dieser überlegenen Haltung muß der Hauptatzent ruhen. Leider vergessen dies die meisten Vortragenden, die fich im Rundfunk an Brosa versuchen. Und warum wählt man Ganghofer? Die beiden Novellen ,, Biberfranzl" und" Der Hochzeitlader" sind nicht so schlimm wie die sacharinierten Romane, in denen es entschieden salontirolert, aber sie überragen feineswegs das Niveau traulicher Familienblätter und geben dem Hörer so gut wie nichts. Das Nachmittagskonzert wurde von dem Blasorchester Josef Snagas ausgeführt. Die Funkstunde sollte nicht so oft mit Blasmufit aufwarten, die Streicher flingen tonschöner und voller im Rundfunk. Am Abend sodann eine„ bunte Stunde" mit Quartetten, Mandolinenchören und Sologesängen aus Operetten, mit Vorträgen von Märschen, Serenaden und ähnlichen Dingen. Borher sprach Rudolf Wegner über das Planetorium, und der Weltmeister Dr. Emanuel Laster erläuterte den Sinn des Schachspiels. Zwar war es nichts Neues, was er über den Sinn des Spieles sagte, aber desto interessanter waren dann die Probleme, die er vorführte.
Diktaturgelüfte der Hausbesitzer.
Bekanntlich hat der preußische Boltswohlfahrtsminister eine Verordnung vom 1. November 1926 erlassen, durch welche die Ges merbe- und Geschäftsräume und die großen Mietwohnungen ausdem Mieterschuh herausgenommen werden sollen. Der Bund Deutscher Mietervereine im Bau Berlin hatte die Ges werbe- und Geschäftsraummieter zu Montag abend nach dem Lehrervereinshaus zu einer Protestversammlung einberufen, und der überfüllte Saal zeigte, daß die Verordnung des Wohlfahrtsministers den schärfsten Widerstand in den beteiligten Mieterkreisen findet.
Der Referent Gramse führte aus, daß der Kampf gegen den Mieterschutz mun endlich den Erfolg gehabt habe, daß der preußische Wohlfahrtsminister die Geschäfts- und Gewerberäume aus dem Mieterschutz herausgenommen habe. Wenngleich der preußische Landesverband der Haus- und Grundbefizer die Parole herausgegeben habe, feine Ründigung ohne Grund, teine Mietsteigerung, bevor nicht die Organisation die hierfür demnächst erscheinenden Richtlinien herausgegeben hat, beweisen doch zahllose Maffenfündigungen von Gewerbe und Geschäftsraum. mietern, daß die Hausbefizer nicht gewillt sind, der Parole ihrer Organisation Folge zu leisten. Diese Kündigungen sind schon jezt ausgesprochen worden, obwohl die Verordnung des preußischen Wohlfahrtsministers erst am 1. Dezember d. 3. in Kraft tritt. Die neuen Mietsforderungen gehen bis zu 300 Prosent und die Richtlinien, die jetzt herausgekommen sind, laſſen eigentlich den Hausbesikern jede Möglichkeit zur Mietsteigerung. Trozdem der Hausbesitz durch die Inflation 75 Prozent seiner Hypothekenschulden los geworden ist und seine Rente höher ist als in der Vorfriegszeit, versucht er, auf Kosten der Mieterschaft Vorteile aus der Raumnot zu ziehen. Denn diese Mietzinssteigerung muß eine allgemeine Breissteigerung zur Folge haben. Noch ist die übrige Mieterschaft von diesen Maßnahmen nicht betroffen. Aber es steht auch hier eine Mietpreissteigerung auf 130 Prozent der Friedensmiete zum 1. April 1927 bevor. Das bedeutet eine Verringerung des Einkommens um 15 Prozent. Zum Schluß der Versammlung wurde eine Entschlie Bung angenommen, in der von Regierung und den Parteien verlangt wird, daß sie für die sofortige 3urüdziehung der Verordnung des Wohlfahrtsministers eintrete Ein unglücklicher Schuß.
Gestern abend furz nach 29 Uhr fam es in der Schönwalder Straße zu Reibereien zwischen Anhängern der Kommunisti schen Partei und Schutzpolizeibeamten. Ein Zug Roter Front fämpfer, die von einer größeren Menschenmenge begleitet wurden, bewegte sich durch die Schönwalder Straße. An der Ede Schönwalder und Kunfelstraße sollte eine unbekannt gebliebene Person wegen Nichtbefolgung der polizeilichen Vorschriften festgestellt wer den. Zwei Personen aus der Menge entrissen dem Schutzpolizei. beamten den Festgenommenen, der auch in dem entstehenden Gedränge entfam. Inzwischen war es den Beamten gelungen, die beiden Täter, die dem Festgenommenen zur Flucht verholfen hatten, zu stellen. Vom zuständigen Revier war inzwischen den bedrohten Beamten Verstärkung zu Hilfe gekommen. Die Menge nahm eine sehr drohende Haltung ein und ließ sich zu Tätlichkeiten verleiten. Ein Beamter machte von seiner Schußwaffe Gebrauch und gab einen Schuß ab. Unglücklicherweise wurde ein völlig unbeteiligter, der dicht an der Bordschwelle stand, getroffen, und zwar der 16jährige Knopfmacher Willi Kühlmann aus der Reinidendorfer Straße 44. Der Verletzte wurde zur Rettungsstelle in der Lindomer Straße und von dort in das Birchowkranten haus geschafft. Nach kurzer Zeit stellte die Polizei die Ruhe wieder her. Die beiden Rädelsführer wurden der Abteilung la des Polizeipräsidiums zugeführt.
Die unzüchtige Anzeige.
In der Anwendung des§ 184 unter den alten Bestimmungen zur Bekämpfung von Schmugliteratur beschäftigte sich in der Berufung die Strafiammer des Landgerichts I . Der Rebatteur der Zeitschrift Freundschaft" war vom Schöffengericht zu 100 m. Geldstrafe verurteilt worden, weil er eine fleine Anzeige aufgenommen hatte, in der ein junger Mann, der wegen seiner Neigungen aus der Reichswehr entlassen worden war, andere Beschäftigung suchte. Gegen das Urteil war Berufung eingelegt, und es waren sowohl von Staatsanwaltschaftsrat Hoeer und von Rechtsanwalt Dr. Fiato eine Reihe von Sachverständigen geladen worden. Die Straftammer hielt die Anzeige in der veröffentlichten Form für objektiv unzüchtig, fam aber aus subjektiven Gründen zu einer Freisprechung des Angeklagten.
Bogoljubom Sieger im Berliner Schachturnier. Die letzte Runde des Internationalen Berliner Schachturniers brachte die Be gegnung der beiden ersten Sieger Bogoljubom und Rubinstein. Nach fiebenstündigem erbitterten Kampf wurde die Partie abgebrochen, und am Nachmittag fiel die Entscheidung: Rubinstein erzielte nur Remis und damit war Bogoljubom mit sieben Punkten Sieger. Andrang zur Konfumwerbeschau. Trotz des wenig günstigen Wetters brachte der legte Sonntag der Konsumwerbeschau einen Massenbefuch; rund 3000 Personen besuchten die im Berliner Gewertschaftshaus belegenen Ausstellungsräume. Zeitweise herrschte eine geradezu beängstigende Fülle, besonders im großen Saal, in dem die interessanten Modevorführungen vor fich gehen. Die Besucher fparten nicht mit ihrem Beifall bei den Darbietungen, die sich viermal bei je dreiviertelstündiger Dauer wiederholten. Es sei darauf ver. wiesen, daß die Ausstellung bis Montag, den 6. Dezember, täglich von 1 Uhr nachmittags bis 10 Uhr abends geöffnet ist und an jedem Wochentage die Modevorführungen um 5 Uhr nachmittags und 8 Uhr abends stattfinden.
Die Anschuldigungen gegen Landgerichtsdirektor Marschner. Landgerichtsbirektor Marschner hat noch am gestrigen Montag dem Kammergerichtspräsidenten und dem Justizministerium eine Dar stellung des Sachverhalts gegeben, in der, ohne daß der Richter auf Einzelheiten eingehen konnte, von ihm dienstlich erklärt wurde, daß die von Rechtsanwalt Thomal angezogenen Voraus fegungen für feinen Angriff gegen das Gericht unrichtig seien und daß infolgedessen auch die Schlußfolgerungen hinfällig seien. Troß alledem wird von amtlicher Seite eine Untersuchung eingeleitet werden, nach deren Ergebnis dann von der Staatsanwaltschaft entsprechende Strafanträge gegen die Urheber und Verbreiter der Landgerichtsdirettor Marschner beleidigenden Aeußerungen gestellt werden dürften.
Laxin
sicher wirkend bei Verstopfung.
Alle 2 oder 3 Tage ein Laxin- Konfekt nach der Abendmahlzeit reguliert die Verdauung