swn in der GesamchShe von 336 000 Mark, während 23 Warte- cieldsr in einer Gesamthöhe von 240 000 Mark beziehen. Die Sozialdemokratie hat im ganzen bisher 13 Dolksbeauf- tragte bzw. Minister gestellt, von denen 16 am Leben sind, nämlich: Barth, Bauer, David, Dittmann. Gradnauer, Hilfer- ding, Köster. Landsberg , Müller, Noske, Radbruch , Sollmann, Scheidemann, Schlicke, Schmidt, Wissell. Von diesen 16 erhalten nur drei, nämlich die früheren Minister Bauer, Radbruch und Schmidt P e n s i on in einer Gesamthöhe von zu- sammen 36 480 Mark! Damit ist wohl die Lüge der Futterkrippenwirtschaft endgültig totgeschlagen worden. Den Löwenanteil des Pensionsetats verzehren die Herren mit den dicken Raupen auf den Achselstücken, die sich so wunder- schön in die deutsche Republik einfügen, wenn sie ihre Pen- sionsquittungen unterzeichnen, im Straßenbild bereits etwas aufreizend wirken, in ihrer privaten Tätigkeit hingegen fast durchweg die Hauptaufgabe darin sehen, wie man das deutsche Volk vor Ruhe und Frieden„beschützen" kann. Die Herren sind gar nicht so ängstlich im Nehmen: während ihre österreichischon Kollegen sich mit ein paar tausend Schillingen Iahrespension begnügen müssen, tut es die Mehr- zahl der deutschen Generäle nicht unter 10000 Mark jährlich: nicht weniger als 136 van ihnen beziehen den Höchstsatz von rund 17 000 Mark, insgesamt S81 mehr als 12 000 Mark, übrigens ohne die Admiräle. Auf der Lifte fehlen auch die hohen und höchsten Namen nicht, die sich in den Fürstenobfindungsprozeffen den Ruf großer privater Geschäfts- tüchtigkeit erworben haben. Ein Wunder wäre es, wenn nicht Prinz Eitel Friedrich und Wring Oskar sowie Prinz Heinrich von Preußen oder gar der noch veichstreuere Rupprecht von Bayern ebenfalls die Pension der ihnen so verhaßten Republik neben ihren„privaten Ansprüchen" an das Volk einstrichen. Den 104 hohen Zivilbeamten, die Pension beziehen, stehen 1753 Genräle und Admiräle gegenüber. Im einzelnen er- halten:> 136 Generäle....... eine Pension von 2 816 000 M. 278 Generalleutnants.....,, 3 828 000. ISS Generalmajore....,., 2 1S3 000. 681 Offiziere des Landheere» mit d. Pension als General » major........,, ,7 781 000, 388 Brigadekommandenre..,., 8 335 000. 1599 19 433 000 Wt. In der Martneverwaltung sind pensioniert: 17 Admiräle...... mit einer Pension von 290 000 M. 36 Vizeadmirale,, 499 000. 5 Konteradmirale in einer Stelle gleich der eines Divisionskommandeur».»,., SS 000» 58 Konteradmirale.,.»,., VSS V00, 6 Kapitäne.......»,, 6t 000. 122 1 682 000 M. Außerdem find pensioniert 82 GanitätS- und Vcterinäroffiziere mit 354 000 M. Man wird auf die Lift« wahrscheinlich noch zurück- kommen müssen. Alle Feinde der Republik , ob sie Ludendorff , Watter, Lüttwitz oder sonstwie heißen, finden sich in dem statt- lichen Register der Generäle zusammen, die als Pensionsbe- zieher der Republik ein sorgenloses Dasein führen. Die große Zahl der K r i e g s b e s ch S d i g t e n, die im Welt- krieg Gut, Blut und Gliedmaßen verloren, sollte sich die Na m e n und die Zahlen, die hier verzeichnet sind, sorgfältig dinchlesen. Dann wird es ein Erwachen geben! Mt der Futterkrippenlüge aber ist es nun«nd» gültig aus. Es wäre ein Wunder, wollten unser« Gegner dies zugeben. Die Republik zahlt ja genug an ihre Feinde, damit diese neue Kampfparolen gegen das Reich schmieden, neue Organisationen finanzieren können...
Schmutz und Schund. Ein Kompromiß, aber kein Ausweg. Die Mittelparteien sind angeblich für die Große Koali- tion. Deswegen haben gestern unverbindliche Besprechungen zwischen allen bürgerlichen Parteien mit Einschluß der V ö l- tischen und der Deutschnationalen über das Schund- und Schmutzgesetz stattgefunden. Resultat: in den Prüstellen sollen neben dem Vorsitzenden nur noch vier Sach- verständige sitzen, aber die P r ü f st e l l e n anstatt einer ein- beitlichen Zentralstelle bleiben. Man gibt ihnen zwar des besseren Ansehens halber den Namen R e i ch s prüsstellen. was es damit jedoch für ein« Bewandtnis hat, zeigt die vor- gesehene Bestimmung, daß diese Stellen„im Benehmen mit den Landes regierungen" gebildet werden sollen. Die Deutschnationalen befinden sich in ihrem Fahrwasser. Sie sind gnädig genug, sogar eine Oberprüfstelle zu bewilligen und schlagen als Sitz Leipzig vor. Will Herr Külz, der Minister der Demokraten und der Mitte, sein Schmutzgesetz mit einer Koalition der Rechten machen? Ein Brief Walter v. MoloS. Walter v. Molo hat an den Genossen Dr. L ö w e n st« i n, M. d. R., folgendes Schreiben gerichtet: „Wehe dem Staate, der meint, daß der Geist der sogenannten Politik unterzuordnen fei. Polikit muß Geist sein, sonst ist sie frevelhaftes Spiel. Wehe denen, die zum Gesetze erheben wollen, was sie selbst als fehlerhaft bezeichnen. Es handelt sich bei diesem Gesetzentwurs um mehr, es handelt sich um das Gesetz des Geistes an sich: da Geist Freiheit ist, nicht zu verwechseln mit Zügel- losigkeit, geht es um die Freiheit des deutschen Lölkes. Möge sich der Reichstag im letzten Augenblick als wirkliche Vertretung des deutschen Volkes vor dem In- und Auslande erweisen, die Folgen eines anderen Vorgehens würden sich ungeheuer auswirken und zeigen, daß geknebelter Geist jeden politischen Schacher zerschlägt. Wer unsere Jugend liebt, der schaffe bessere Lebensbedingungen. der schaffe der Jugend Wohnungen und Glauben an den Staat! Wenn der Reichstag unseres Volkes wert ist, dann muß er dieses Gesetz aus dem dunkelsten Mittelaller ablehnen, nur so schützt er wahrlich die Jugend vor Schmutz und Schund: Weg mit diesem Gesetze, das Schmutz und Schund in vielen erwachsenen Seelen zeigt! Gerade wer für den Schutz der Jugend ist, der muß dieses miserable Gesetz, das unser unwürdig ist, ablehnen!"
Der Staatsanwalt als Sittenwächter. Der Beleidigungsprozeß in Jena . Am Donnerstag soll in Jena der neue Termin in dem Le- leidigungsverfahren stattfinden, da» der au» dem Meineid»- prozeh Loeb sattsam bekannte Staatsanwalt Floel gegen unser Parteiorgan„Das Volk" angestrengt hat. Nachdem der Ober- staatsanwalt Frieders die Anklagevertretung in der Verhandlung gegen Loeb demonstrativ niedergelegt hatte, stellte Floel trotzdem den Antrag auf Zuchthausstrafe. Er erlitt ein schmähliches Fiasko, denn da» Schwurgericht sprach Loeb stet. Unser Parteiblatt nahm diesen Floel etwas näher unter die Lupe. Es glaubte feststellen zu können, daß der Herr Staatsanwall gewissen sexualpathologischen Liebhabereien fröhne und daß eben au» diesem Grunde seine Ehe geschieden werden mußte. Es behaup- tete weiter, daß Herr Floel die Gastfreundschaft, die eine Bürgers- fämile ihm gewährte, durch gewisse Beziehungen zu der Frau des Gastgebers gelohnt hätte und dafür von dem Ehemann verprügell worden fei. Unser Parteiblatt erklärte, diese Einzelheiten aus dem Privatleben de» Staatsanwalts Floel nur mit dem größten Widerwillen an die Oefsentlichkeit gebracht zu haben: das wäre nicht ge- schehen, wenn Floel nicht mit rechthaberischer Hartnäckigkeit sich zum Sittenrichter über den Genossen Loeb ausgespiell hätte. Ein Mann wie der Staatsanwall Floel dürfe aber nicht das öffentliche Amt eines Staatsanwalts bekleiden.
Der erste Termin, der vor etwa zwei Monaten stattfand, muhte vertagt werden. Genosse Paul Levi , der als Verteidiger die Interessen unseres Parteiblattes vertrat, beantragte die Ladung der geschiedenen Ehefrau wie auch der Eheleute aus der befreun- deten Familie und außerdem einer Hausangestellten und eines Chauffeurs» die auch über bestimmte Vorkommnisse wissen sollen. Er beantragte ferner die Ladung des Gerichtsarztes, der darüber aussagen sollte, ob die sexualpothologischen Liebhabereien des Staats- anwalts Floel auf seinen Charakter abfärben müßten. Die Angelegenheit entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Vielleicht bildet sie auch einen lehrreichen Beitrag zum Problem „Sittenrichter und Privatleben".
polnifther Protest in öerlin. Wegen der Erklärung der Regierungsparteien über Lberschlesicns Gcmeindewahlen. Warschau , 1. Dezember. (Eigener Drahtbericht.) Wie die pol- nisch« Telegraphen-Agentur mstteilt, hat der polnische Gesandte in Berlin am 30. November der deutschen Regierung eine Note überreicht, die einen P r o t est gegen die am 23. November von dem Abgeordneten Emminger im Namen der Regierungspar- tejen im Reichstag abgegebene Erklärung bezüglich der Gemeinde- wählen in Polnisch-Oberschlesien enthält. Die Note stellt fest, daß die Erklärung ein Urteil über die Wahl sowie eine Kritik des Vorgehens der polnischen Behörde gegenüber den polnischen Staatebürgern darstellt und sich mit dem Verhalten der polnischen Regierung zu den deutschen Minderheiten besaßt. Sie enthalte ferner eine Danksagung der deutschen Rcgicrungs- Parteien für diejenigen polnischen Wähler, die für die deutsche Liste gestimmt haben. In der Note werden diese Feststellungen als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Polens bezeichnet. was im Gegensatz zu den internationalen Sitten stehe und geeignet sei, unerwünschte Folgen auf Kosten der gegenseitigen Be- Ziehungen beider Länder nach sich zu ziehen. ch Da« halbamtliche Wolsfsche Telegraphenbureau bemerkt hierzu: Der Protest der polnischen Regierung ist insofern nicht ganz v e r st ä n d l i ch, als es sich um eine Erklärung politischer Parteien handelt, auf deren Form und Inhalt die Regierung keinen Einfluß hat. Den Parteien als solchen wird man nach der materiellen Seite hin das Recht nicht bestreiten können, zu dem Er- gebnis einer Wahl in einem ehemals deutschen Gebietsteil Stellung zu nehmen, das die Verbundenheit dieses Gebiets mit der deutschen Kullurgemeinschaft zum Ausdruck bringt und in diesem Sinne die Sicherung der Erhaltung dieser Gemeinschaft zu fordern.
Anrufung Calonders. Gegen Deutschenhetze in Ostoberschlesien. Beuchen, L Dezember.(WTB.) Als Demonstration gegen den Ausfall der Geineindewahlen in Polnisch -Oberschlesien war am vorigen Sonntag in Kattowitz «in Aufmarsch der pol- Nischen Aufständischenverbände, bei dem der polnische Innen- minister und der Wojewode Ansprachen an die Demonstranten rich� trten. Im Demonstrationszug wurden Plakate mitgeführt, die unter hetzerischer bildlicher Darstellung die Vertreibung der Deut- s ch e n, die Auflösung und Vertreibung des Deutschen Volksbundes, die Entlassung der sich zum Deutschtum bekennenden Staats- und Kommunalbeamten, die Ungültigkeitserklärung der Gemcindewahlen und anderes mehr verlangten. Obwohl zahlreiche Polizei zu Fuß und zu Pferde aufgeboten war, wurde gegen diese verhetzende Agitation nicht eingeschritten. Sie hiell auch den pol-, Nischen Innenminister und den Wojewoden nicht ab, ihre Ansprachen auf dem Marktplatz zu hallen. Der Reichs- und Staatsvertreter bei der Gemischten Kommission wird daher unter Hinweis auf Artikel 83 des Genfer Abkommens die Aufmerksamkeit des Prä- fidenten Calonder auf diese Vorfälle lenken, da nach diesem Artikel die vertragschließenden Teil« oerpflichtet sind, ollen Ein- wohnern des Abstimmungsgebiets ohne Unterschied Schutz ihres Lebens und ihrer Freiheit zu gewährleisten.
Leben unö Sterben. Atusik-llmschoo von Kurt Singer . „Auch das Schöne muß sterbenl Das Menschen und Götter be- zwinget, nicht die eherne Brust rührt e» des stvgischen Zeus." Ein Mann, ein Geist, ein Musiker: in der harmonischen Schönheit diese» Dreiklangs werden wir Fritz Cafsirer als Erinnerung be- wahren, den stillen Philosophen unter den Musikern, der einem schnellen Schlag des Todesengels anheimfiel. Manch« von uns kannten ihn noch als Kapellmeister in der Gregorschen Komischen Oper. Den vielseitigen Gesst mit dem umfassenden Wissen hielt es nicht bei der Musik. Die Menschen, die in seinen Kreis traten, be- zwang er durch die Macht seiner Persönlichkeit, und schließlich zwang er, letzte Zusammenraffung seiner seltenen Wesenheit, den gottlichen Geist im Werke Beethovens. Beethoven und die Gestalt— so heißt das künstlerische Bekenntnis diese» Mannes. Hier sst der Weg zur Seele des Beethovenfchen Künftlertum» aufgezeigt, hier sst zum erstenmal die Organik eines sinfonischen Baues aus einem schöpferischen Zentrum heraus philosophisch und gar nicht schön- rednerisch, fern von bequemer Aesthetik, entwickelt. In diesem meisterhaften Buch wird Fritz Eassirer fortleben. Es ist herrlich, einem großen Toten eine„Nänie" zu singen. Es sst schöner, dem Lebenden einen Kranz zuzuwerfen. Ohne die Unterschiede oerwischen zu wollen: ein gesunder, vielseitiger Musikant beging sein 25jähriges Dirigentenjubiläum. Alexander Weinbaum, uns allen als Führer der„Ty p o g ra p h i a" bekannt, wurde mit Recht ob dieses Jubiläum, gefeiert. Eine un- gewöhnliche Energie, wie sie das Spezifikum wirtlicher Chor- dirigenten zu sein scheint, arbeitet in Weinbaum, und er führte im Laufe der Jahrzehnte feinen Männerchor zu einer künstlerischen Höhe, die ihm mll den renommiertesten deutschen Gesangvereinen in edelste Konturrenz bringt. Nur wer selbst die Schwere und die Schönheit eines solchen erzieherischen Berufes kennt, weiß den Wert solcher jahrzehntelangen Pionierarbeit zu schätzen. Neben dem Pädagogen tritt der Musiker Weinbaum durch die Art seiner Programme, durch eine außerordentliche Kenntnis der Literatur, auch als ein sehr feinsinniger Orgel- und Klavierspieler in seinen Konzerten hervor. Unnötig zu sagen, daß die„Typographia" immer dann, wenn eine Arbeiterorganisation zu Festen der Freude oder des Gedenkens rief, zur Stelle war. Der Verein und fein be- währter Kapellmeister seien auch von diesem Platz au» gegrüßt und beglückwünscht. Der Berliner Volkschor führte in seinem letzten Konzert kein abendfüllendes Werk, sondern vier Ehorkantaten auf. Ein sehr erfreuliches Unternehmen, da es gerade in der Vielgestaltigkeit den unverbildeten Hörern eine Menge geschlossener Eindrücke vermittelte. Man begann mit„Mirjams Siegesgesang" von Schubert , der wohl nicht ganz für die räumlichen Ausmaße eine» großen Konzertsaales gedacht sst. Es folgte in einer wundervollen Abtönung, stark empfunden, die„Nänie" von Brahms , und dann„Wanderers Sturmlied" von Richard Strauß . So lebendig die ersten beiden Werke und auch das Schlußstück„Die Walpurgisnacht" von Mendelssohn noch sind, so vorgestrig wirkt Richard Straußen » Iugendwerk. Noch nicht viel sst hier zu spüren von dem Messter eines durchsichtig klangvollen Orchester«, noch nicht viel von einer
Persönlichkeit, die eine Versunkenheit in Lrahmssch« Gedankenwelt in jeder Note durchtönen lieh. Der Chor hat hier Unerhörte« in einer langen, äußerlich sinnfälligen Melodieperiode zu leisten, er hat sich mit einem unerhörten Aufgebot an Durchhaltekrast gegen die Instrumentation durchzusetzen. Wie der Chor da» leistete, mit welchem Höchstmaß von Begeisterung und Ausdauer, mit welcher Sauberkeit selbst in den höchsten Regionen des Singens, das war größten Lobes würdig. Ernst Zander darf diesen Abend zu seinen besten rechnen. Ein Festkonzert de« Berliner Mozartchors(Jugend- chors) rief Sonntags nachmittag in die Hochschule für Musik. Der Chorleiter Erich Stessen hat seine Sangeskinder trefflich unter- wiesen, lieber 100 Jungen und Mädchen im Alter von acht bis vierzehn Iahren fügen sich seiner beherzten Leitung außerordentlich diszipliniert. Erst scheint«s, als wolle er die Stimmungen der Musik zu stark nuanzieren. Das wirkt bei Erwachsenen künstlerisch, bei Kindern unnatürlich. Das Terzett aus der„Zauberflöte " (Morgenlied) eignet sich nicht zu der breiteren Form des Chor- gesangs. Entzückend gelang der aus dem Herzen der Jugend heraus gesungene Ferienkanon von Mozart . Gerade an diesem nicht ganz leichten Stück merkte man, wie eifervoll und erfolgreich Steffen mit seinen jugendlichen Freunden arbeitet. Im dritten Konzert der �Internationalen Gesell- schaft für neue Musik" hörten wir fünf Sätze für Streich- quartett opus 5 von Anton Webern . Man weiß, wie wenig weit man bei diesem Schönberg-Schüler auf seine Kosten kommt, wenn man etwa Händel oder Bach oder Beethoven vorher gehört hat. Nach Klang und Form und Stimmführung ist diese Musik keiner ver- gleichbar. Nur wer imstande sst, ganz konzentriert zu horchen, wird auch in diesem komprimierten künstlerischen Ausdrucksphänomen Befriedigung finden. Es sind Aphorismen von Wert, die aber fast allzu unbedenklich geschrieben, kaum entwickett, kaum geformt sind. Ein Aphorismus wird ni« ein vollendetes Kunstwerk fein. Dasselbe konnte man von Max B u t t t n g« Neinen Stücken für Streich- quartett opus 26 sagen, wenn nicht hier in den langsamen Sätzen ein außerordentlich abgeklärtes Gefühlsmoment die Stimmung dik- tierte. Es find in der Folgerichtigkeit ihres Wegs und in der Eben- heit ihrer Zusammensetzung wohl die besten Noten, die Butling je geschrieben hat. In den hurtigen Sätzen kommt er, abhängig oder unabhängig von Strawinskis Soldatengeschichte nicht ganz los. AliceEhlers fetzte mit höchstem Geschmack und bester Kennt- nis ein Programm englischer Kammermusik um 1700 zusammen. Man kennt ihre große, heute unerreichte Fähigkeit des Cembalosplels, der Differenzierung des Klingens auf dem Instrument, und sie be- wies das in Soli von Bull und Bryd und Händel(der ja auch halb zu den Engländern gehört). Vorher ging eine Triosonate von Purzell, in der Anni Steiger- Betzak und Nora W i l l i a m s o n virtuos und energisch, allerdings nicht ganz ohne Nebengeräusche, die Geige strichen, während sich Paul Herrmann hier und an anderer Stelle als grundmustkalischer Cellist erwies. Alfred Schmid-Badekow feiert« in seinem Konzert die dreißigste Wiederkehr des Tages an dem er einst bei Bechstein seine künstlerische Laufbahn begonnen hatte. Er spielte ein wunder- voll klingendes Instrument feiner Förderer. Sein Spiel ist erfüllt von großem Wollen und von technischer Versiertheit. Die Richtigkeit seiner Phrasierungen und seine« Ausbauen» imponiert mehr als die
etwas lehrerhafte Art, Gefühl zu vermitteln. Das Umgekehrte bei Gertraud Dirrigl. Dieses junge Menschenkind musizlort aus dem Vollen eines musikalischen Fühlen? heraus, sie steigert sich beim Spielen zu dem Ausdruck von größter Kraft, und sie haut so herrlich daneben, daß man ihr nur eine technische Vollendung zu wünschen braucht, damit sie zu den Großen ihres Faches gehört. Vollendung der Technik, ohne den Geist zu verlegen, ohne das Gefühl zu mißachten: das ist die große Offenbarung, wenn Furt- wängler Beethoven dlrigiert. Das eine Iahreskonzert für die Vensionskasse der Philharmoniker war unter Nilifchs Leitung selbst leer. Bei Furtwängler ein gefülltes Haus, nach den ersten Tönen auch Gefühl mit jener Spannung, die dem Außerordentlichen ent- gegensieht. Die Größe, die Leichtigkeit, die Heiterkeit, mit der Furt- wängler die I V. Sinfonie Beethovens, dieses Stiefkind der Dirigenten, nachdichtete, sind unvergleichlich und immer wieder bezwingend. Er ist der Mann, um das Herrlichste und Schönste an Beethoven , das für viele ja schon zu sterben begann, immer wieder neu zum Leben zu erwecken.__ „Onkel wansa" von Tschechow . Es ist nicht ganz einfach zu er- klären, wie Tschechow zum Dichter eines quälenden, trostlosen Pessimismus werden mußte. In keinem großen Lande war die Bour- geoisie, deren Dekadenz er dramatisierte, jünger, freilich auch in keinem polttisch und geistig unterdrückter. Daß die Inattivität kein allgemeiner russischer Charakterzug ist, hat die russische Arbeiterschaft oft genug bewiesen. War es nur Tschechows individuelle Veran- lagung, die ihn an einem vernünftigen Ziel des Lebens verzweifeln ließ, oder gab er wirklich ein getreues Spiegelbild der bürgerlichen russischen Gesellschaft um 1900? Monoton, niederdrückend, ohne jeden Lichtblick ist das Milieu des„Onkel Wanja ", den das Theater in derKommandantenstraße ausgrub. Seinem Stammpubsikum schienen diese endlosen Gespräche lebendiges In- teresse zu bieten, uns anderen sind sie nur noch historisch wichtig als Zeichen einer niedergehenden Klasse. Die Inszenierung gab kaum ein echt russisches Interieur und auch die Regie hätte stärkere Stimmungsreize erstreben können. Ihr war es wohl auch zuzu- schreiben, daß Erna Reigbert die Frau des Professors so ganz hilflos gab und keine Anteilnahme aufkommenlieh. Gut war der räsonnierende, posierende Professor von Paul Marx. Den um sein Leben betrogenen, keines Auftriebes mchr fähigen Onkel Wanja zeichnete Hans L e i b e l t in den verschwimmenden Konturen seines Charakters. Die beste Gestalt, die einzige, die zum Miterleben nötigte, schuf Sonja B o n g s in der Tochter des Professors. Ihre Klage über ihr Leben, das nur noch Arbeit und Entsagung sein würde und auch den Himmel sich nur noch al» Ruhe von der Plag« vorstellen kann, ging zu Herzen. — Aber ist das Kost für eine aus» oder absteigende Klasse?_ r. vertchtigulig. Der ein« der beiden Verfasser de» neuen Schwanke» „Früchtchen- ist im gestrigen Abendblatt infolge elneS HörsehlerS«Ig Mnux benannt worden. Da er aber ein simpler Franzose ist, mutz er sich schon mit G i g n o u x begnügen. INniitchromt Die Gemeinnützige Vereinigung zur Pflege Teulschcr Kunst veranstaltet Freitag K llbr in der Neuen Kirche am Gendarmenmarkt ein„Advent- und SeihnachtSsingen- alter deusscher Volkslieder zu zwei
Lauten.