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Das Mittelalter regiert!

Corvins Pfaffenspiegel" gänzlich verboten.

Das, was sich am Montag nachmittag ver dem erweiterten Schöffengericht Berlin- Schöneberg abspielte, war das Wetterleuchten des Schund- und Schmugabsolutismus der heran­ziehenden Kultur- Reaktions- G. m. b. H.

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Der Berleger Albert Bod stand unter der Anklage, fich durch Neuherausgabe( 43. Auflage!) des bekannten Pfaffen Spiegels" von Otto v. Corvin gegen den ominösen§ 166 des Strafgefeßbuches( Gotteslästerung) vergangen zu haben. Gestützt auf diese juristische Formel, um die der Geist des Mittelalters weht, lassen sich die tollsten Bergewaltigungen der fortschrittlichen Litera­tur mit Anstand durchführen. Charakteristische Beispiele dafür haben wir genug aus jüngster staatsanwaltlicher Praxis. Der Pfaffenspiegel", eine Kampfschrift des freifinnigen bürger lichen Republikaners Corvin gegen den fatholischen Klerus und seine firchlichen Institutionen und Gebräuche, wurde im Jahre 1847(!!) von dem wagemutigen Verleger Bod- Jena( dem Bater bes jebigen Angeflagten) herausgebracht. Der alte Bed hat aus diesem Grunde fünfmal Gefängnishaft antreten müssen, immer wieder versuchten kulturelle Finsterlinge und der Staatsbüttel dem umbequemen Verleger etwas am Zeuge zu flicken. Niemals jedoch gelang es den Staatsanwälten, das völlige Verbot des Pfaffen Spiegels" durchzubrüden; arg zensuriert und verstümmelt ging das Buch immer wieder in die Welt hinaus, erlangte eine beispiellofe Popularität und ist jetzt in einer Gesamtauflage von 14 Millionen verbreitet. Von den 40 infriminierten Stellen des Urteils des gemischten Landgerichts Rudolstadt  ( im Jahre 1897) hatte sich die Staatsanwaltschaft 10 Blüten" ausgesucht, und daraus die gotteslästerliche Antlage fonstruiert. Nachdem man in München   das bekannte öffentliche Aergernis genommen, ging die Staatsanwaltschaft Schöneberg   in Hilfsstellung; in Berlin  , München   und Leipzig   wurde beschlagnahmt und das Ende dieser beispielslofen Kultur- Tragikomödie ist das erstinstanzliche Be­schlagnahmeurteil in Moabit  . Die Berteidigung des Angeklagten hat Rechtsanwalt Dr. Paul Levi übernommen, den Borfiz führt Landgerichtsdirekter Wengler, die Anflage vertritt der Erste Staats­anwalt Steinbeck. Nachdem der Vorsitzende die von der An­flage infriminierten Stellen verlesen hatte, beantragte der Ber­teidiger, den Schöffen auch andere Stellen zu Gehör zu bringen, um tendenziöse Beeinflussung durch gewisse Kraftstellen zu vermeiden. Nach Feststellung personeller und fachlicher Daten formuliert Staats­anwalt Steinbed  , da teine Zeugen zu vernehmen sind, feinen Antrag. Er spricht verhältnismäßig maßvoll, bescheinigt dem Angeklagten feine Loyalität und betont im übrigen, daß der§ 166 dazu da sei, religiöse Institutionen vor Beschimpfung und Verächtlichmachung zu schüßen. Man hat aber den Eindruck, daß sich der Ankläger in feiner mittelalterlichen Rolle nicht ganz wohl fühlt Er beantragt an Stelle, einer Gefängnishaft von einem Monat 300 m. Geldstrafe, Ausmerzung der inkriminierten Stellen, jedoch Freigabe des Buches nach erfolgter Reinigung. Der Verteidiger ging in seinem Plädoyer auf die kulturelle Unsinnigkeit dieser Antlage ein. Wäre die Staatsanwaltschaft Ponsequent, so müßte sie die gesamten Schriften der Reformation, die Werte Huttens, Luthers   und verschiedene recht bittere Schriften Friedrichs des Großen auf den Scheiterhaufen fordern. Es muß eine Grenze in der Auslegung des§ 166 geben. Mit ihm und feiner bureaukratischen Anwendung wäre eine Reformation in Deutschland   nie möglich gewesen. Corvins Streitschrift ist ein historisches Werf, sie ist aus der Zeit des liberalen Kultur­lampfes gegen die Despotie, nicht als at tuelle, aggressive Schrift zu verstehen. Corvins Betrachtung ist historisch und darum un bedingt straffrei. Zum Schluß beantragte Levi Freispruch, epentuell eine geringe Geldstrafe. Nach einigen Schlußworten des Angeklagten, der sich gegen die vom Staatsanwalt geforderten Streidungen wandte und betonte, daß sich ein ausländischer Ver: leger, von deutschen   Gerichten ungehemmt, des Pfaffenspiegels" bemächtigt habe, zeg sich das Gericht zu einer langen Beratung zu­rüd.. Das Urteil lautete auf 100 Mart Geldstrafe und, über den Antrag des Staatsanwalts hinaus, auf gänzliche Einziehung des Buches und lnbrauch. barmachung der Platten.

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Das unglaubliche Urteil wird überall stärkstes Befremden und berechtigte Unruhe hervorrufen. Der Verurteilte wird wahrschein lich Berufung einlegen.

Eine Heilstätte für Nervöse.

Die Heilanstalten der Stadt Berlin   haben Zuwachs durch eine neue Anstalt erhalten, deren Notwendigkeit man schon seit längerer Zeit empfunden hatte. Bon den Wittenauer Heilstätten aus ist in Wittenau   auf einem beim Rathaus gelegenen Grund­stüd eine Nervenklinik Wiesengrund" eingerichtet morden, die der Behandlung von leichteren und noch heil­baren Nervenfrankheiten dienen soll. Die Einsicht, daß Nerrenheilstätten auch für Minderbemittelte nötig sind und von den Gemeinden eingerichtet werden müffen, hat sich erst in den letzten Jahrzehnten durchgefeßt. Die Nervenheilstätte Haus Schönow" bei Behlendorf  , die vor 30 Jahren entstand, war eine Schöpfung aus Stiftungsmitteln von privater Seite. Was diese Anstalt begonnen hatte( fie mußte in der Inflationszeit stillgelegt werden), wird jetzt von der aus Stadtmitteln geschaffenen Nervenklinik Wiesengrund" fortgesetzt.

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Zwei schon vorhandene fleine Häuser sind so ausgebaut worden, daß fie 60 Männer aufnehmen fönnen. Die vor kurzem er­öffnete Klinit hat die zur Heilung leichterer Nervenkrankheiten nötigen Einrichtungen für Bäder verschiedener Art, für elektrische Be­handlung, für Licht- und Diathermiebehandlung, für Liegefuren in Luft und Sonne, für gymnastische Uebungen, vor allem aber auch Wertstätten für eine die Heilbehandlung unter st ühende Beschäftigung. Von dem Grundstück aus hat man einen Blick auf eine Umgebung, die mit dem schlichten Reiz der märkischen Feld- und Wiesenlandschaft gut zu dem Zweck dieser An­ftalt paßt. Die Pfleglinge find in Räumen untergebracht, deren freundliche Ausstattung angenehm berührt, teils in 3immern zu je vier Personen, teils in Einzelzimmern. Man hofft, daß hier schon durch einen Aufenthalt von sechs Wochen wenn nicht volle Heilung, so doch eine weitgehende Besserung leichterer Nerven­frankheiten zu erreichen sein wird, so daß die Pfleglinge dann wieder ihrem Beruf nachgehen könnten. Der Kosten jag beträgt für Bfleglinge aus Groß- Berlin je Tag 5,70 Mart( für Auswärtige 7,13 Mark), wofür alles gegeben wird, die Verpflegung und die gesamte Heilbehandlung. Die Anstalt nimmt Bfleglinge als Selbst zahler auf oder nach Ueberweisung durch Kassen und Behörden.

Das mit dieser Nervenklinik gegebene Beispiel verdient Nach ahmung. Solche Anstalten als Einrichtungen der Gemeinde sind eine Notwendigkeit für Nervöse und leicht Nervenkranke, die in einer

Irrenanstalt, wenn man sie dort unterbrächte, nicht an der richtigen Stelle wären. Es ist zu hoffen, daß der Wunsch, eine Nervenklinik auch für Frauen zu schaffen, in nicht zu ferner Zeit in Er­füllung gehen fann.

Der Juwelenraub in der Schönhauser Allee  .

Aufklärung steht nahe bevor.

Die geschwähige Schwester.

Großes Aufsehen erregte im März diefes Jahres ein Juwelen-| trug sich im Sommer dieses Jahres zu. Die Nachforschungen und raub in der Schönhauser Allee  , der mit ungewöhnlichen Mitteln in Beobachtungen aber gingen unausgesetzt weiter. Szene gefeht wurde. Der Juwelier Bonned, der sein Geschäft in dem Hause nr. 45 betreibt, hatte damals feit einigen Tagen in der Auslage zwei besonders wertvolle und auffällige Briliantohr­gehänge. Um 10. März, kurz vor Geschäftsschluß, erfolgten unter dem Hochbahnbogen zwei furchtbare Detonationen, und in der dadurch entstandenen Verwirrung gelang es zwei Einbrechern, miffels eines in einen Cappen gewidellen Steins das Schaufenster des Juweliers zu zertrümmern, die Brillantgehänge zu erbeuten und unangefochten zu entkommen. Dieser freche Ueberfall am hellen Tage steht jetzt unmittelbar vor seiner Aufklärung. Unter schwerstem Verdacht der Täterschaft stehen zwei Gebrüder, Alfred und willi Jaffe, als Hehler aber ist jener Händler Otto Berndt   verdächtig, in deffen Wohnung in der Muladftraße fürzlich sich ein Gallenmord ereignete. Ein fleines zwölfjähriges Mädchen hat wesentlich zur Entdeckung der Tat beigetragen. Die Schwahhaftigkeit einer Frau hat auch noch dazu geholfen und eine alte Schürze, in die der omi­nöje Stein eingewidelt war, ist zum Berräter geworden

Die Beobachtung eines Kindes.

Nach dem Diebstahl lief, angelodt von der hohen Belohnung von 10 000 Mart, bei der Kriminalpolizei eine Hochflut von Mitteilungen aus dem Publikum ein. Obgleich jede einzelne genau nachgeprüft wurde, führten sie doch zu keiner bestimmten Spur. Was alle Zuſchriften von Erwachsenen nicht zustande ge­bracht hatten, ermöglichten die Aussagen eines zwölfjährigen Mädchens. Das Kind sah unter dem Hochbahnbogen zwei Männer mit Feuerwerkskörpern hantieren und blieb neugierig bei ihnen stehen. Erst als der große Krach ertönte, rannte es erschreckt davon. Es gab dann seinem Vater eine genaue Beschreibung von dem Muster des Ueberziehers, den einer der Männer getragen hatte, einem fogenannten Fischgrätenmuster". Die Personen selbst fonnte es nicht beschreiben. Inzwischen hatten Kriminalkommissar Moritz und seine Beamten ermittelt, daß zwei Gebrüder Alfred und Willi Jasse, Männer in den dreißiger Jahren, sich durch ungewöhn= lich große Geldausgaben verdächtig gemacht hatten. Man fonnte sich das um so weniger erklären, weil sie beide arbeitslos waren. So hatten sie mit fünf Bekannten, männlichen wie weib­lichen, zu Ostern einen zweitägigen Ausflug nach Ferch gemacht und dort das Geld nicht geschont. Auf Grund dieser und anderer Ver­dachtsmomente wurden die Brüder Jasse festgenommen. Das zu­fammengetragene Material reichte aber nicht zu ihrer Ueberführung aus, und so wurde Willi Jasse wieder auf freien Fuß gesetzt. Alfred Jaffe, der noch eine Strafe zu verbüßen hatte, blieb in Haft. Das

Ferienreisen für Arbeiter, Angestellte und Beamte. Eine Reihe interessanter Reisen ins In- und Ausland, die in erster Linie für Arbeiter, Angestellte und Beamte beſtimmt sind, find im nächsten Jahr vorgesehen. Diese Reisen bieten unendlich viel des Sehenswerten: herrliche Seefahrten, wildromantische Gebirgs. fenerien, reizvolle Stadtbilder, wertvolle Informationen, furz, eine Fülle von Anregungen und Eindrücken, wie man sie nur auf einer Reise in Gesellschaft gleichgesinnter Menschen erhalten kann. Die Reisekosten find so gering wie möglich berechnet und können in be quemen Monatsraten bezahlt werden. Das Programm enthält fol­gende Reisen:

Auslandsreisen: 15. bis 19. April: Osterfahrt nach Kopenhagen  ; 6. bis 16. Juni: Gesellschaftsreise Riviera- Mittelmeer  ; 18. bis 25. Juni: Gesellschaftsreise nach den Südschweizer Seen; Anfang Juli: Studienreise nach Schweden  ; 3. bis 10. Juli: Studien­reise Brüssel- Paris  ; 30. Juli bis 8. August: Studienreise nach London  ; 14. bis 28. August: Studienfahrt Oberbayern  - Nordtirol.­Inlandsreisen: 12. bis 18. Juni: An den Rhein  ; 31. Juli bis 6. August: Bremen  - Helgoland  - Hamburg  .

Die im ursprünglichen Reiseprogramm vorgesehenen beiden Reifen nach Italien   müssen infolge der in diesem Land inzwischen eingetretenen politischen Verhältnisse ausfallen. Der ausführliche, schön ausgestattete Reiseprospett, der alle näheren Einzelheiten über die Reisen, sowie die Teilnahmebedingungen enthält, ist gegen Ein­sendung von 35 Pf. in Briefmarken durch den Reichsausschuß für fozialistische Bildungsarbeit, Berlin   SW. 68, Lindenstr. 3, zu be­ziehen.

Endgültige Aufhebung der Hockerftener.

Schon vor Wochen hatte der Berliner   Magistrat bald nach der Aufhebung der Polizeistunde beschlossen, die bis dahin in Berlin  bestehende Hockersteuer abzuschaffen. Gleichzeitig lagen der Stadt­verordnetenversammlung entsprechende Anträge der intereffierten Wirtschaftskreise vor. Im Steuerausschuß wurden diese Anträge abgelehnt, die Stadtverordnetenversammlung hat aber in ihrer legten Sizung am verigen Donnerstag beschlossen, die Hockersteuer doch zu beseitigen. Jezt mußte nur noch der Magistrat bestimmen, an welchem Tage die Aufhebung der Hockersteuer in Kraft treten sollte. Diesen Beschluß hat der Magistrat gestern gefaßt, er hat den Termin für die Aufhebung der Steuer auf Freitag, den 26. November, einen Tag nach der Beschlußfassung der den 26. November, einen Tag nach der Beschlußfassung der Stadtverordnetenversammlung festgesetzt. Die Berliner   Wirtschaft" ist damit von einer angeblich sehr drückenden Last befreit, der Ber­ liner   Steuerfädel aber um jährlich eine Million leichter. Dafür wird aber für längere Zeit wieder im Roten Hause zwischen den Parteien Friede herrschen, denn von der bom­bastisch angekündigten Steuererleichterungsaktion der Wirt. fchaftspartei, der Partei der Zukunft", ist so gut wie gar nichts übrig geblieben, nachdem sie im Steuerausschuß selber alle ihre Anträge zurüdgezogen hat. Der Bericht, der der heutigen Stadtverordnetenversammlung in dieser Aktion erteilt wer­den wird, verspricht eine heitere Debatte.

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Ueber die Bestrebungen der Republikanischen Union und über die gegenwärtige Lage will eine Kundgebung unterrichten, die, ein­berufen vom Deutschen Republikanischen Reichsbund in Gemein­schaft mit dem Reichsbanner, heute Donnerstag abend in der Halle des Stadthauses in der Klosterstraße stattfindet und in der Reichs­tagspräsident Löbe, Reichskanzler a. D. Wirth und Reichs­tagsabgeordneter Haas sprechen werden.

Bezirksbildungsausfuß Groß- Berlin. Am Sonntag, den 5. Dezember,

eine Aufführung

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nachmittags 3 Uhr, findet im Staatlichen   Schiller- Theater Charlottenburg  Minna von Barnhelm statt. Borkarten zum Preise von 1 M. einschließlich Garderobe und Theaterzettel find zu haben im Bureau des Bezirksbildungsausschusses, Lindenstr. 3, 2. Hof 2 Tr., Bimmer 8.

Man spürte eine Arbeitskollegin der Schwester Jaffes auf, von der gemunkelt wurde, daß sie von dem Raube etwas wisse. Zur Rechenschaft gezogen, gab diese Frau A. zu, am Tage nach der Tat den Besuch der Schwefter der Jaffes erhalten zu haben. Sie erschien am Vormittag und bat, einmal in die Zeitung sehen zu dürfen. Mit auffallendem Interesse las sie die Beschreibung von dem Raub in der Schönhauser Allee   und bat dann die Freundin um eine Unterredung unter vier Augen. Hierbei erzählte sie, daß ihre Brüder den Ein­bruch verübt hätten und daß der Lappen, in den der Stein gewickelt gewesen war, eine alte Schürze ihrer Mutter sei. Sie nahm der Freundin das Versprechen tiefsten Stillschweigens ab. Bei einer Gegenüberstellung der beiden Frauen blieb die A. bei dieser Dar­stellung, während die Schwester M. behauptete, fich an nichts er­innern zu können. Willi Jasse wurde jetzt zum zweiten­mal festgenommen und zugleich die elterliche Wohnung über­raschend durchsucht. Man fand hier nicht nur einen Mantel mit Fisch­gräfenmuster, sondern machte außerdem eine Entdeckung, die die Angaben der Frau A. bestätigte. Die Mutter der Beschuldigten hatte vor Jahren von einer Händlerin eine Anzahl Schürzen getauft, die alle von gleichem Stoff und gleichem Muster waren. Eine dieser Schürzen fand man nun in der Wohnung. Das Kleidungsstüd wies einen Fliden auf. Als man Frau Jasse fragte, ob sie die Schürze selber geflickt habe, gab sie das zu. Da die Ausführung der Flick­arbeit an beiden Stüden zweifellos von ein und derselben Hand gemacht worden ist, so wird dadurch die Aussage der Schwester und der Frau A. wiederum bekräftigt. Wahrscheinlich haben die Brüder Jaffe der Mutter die alte Schürze heimlich entwendet, ohne daß sie den Verlust bemerkte. Willi Jasse wurde erneut dem Untersuchungs­richter vorgeführt. Er leugnet jede Teilnahme an dem Raube.

7000 Mark Hehlerpreis für die Ohrringe. Kriminalkommissar Morig und seine Beamten tonnten weiter feststellen, daß die Ohrringe an einen unbekannten Hehler für 7000 Mart verkauft worden waren.. Der ungewöhnlich niedrige Preis, der nur den siebenten Teil des wirklichen Wertes darstellt, erklärt sich daraus, daß die Sore heiß war", d. h. daß der Hehler wußte, wie schwer er einen Abnehmer finden würde. Ver. mittelt wurde dieses Geschäft durch den Händler Otto Berndt  , dessen Name erst kürzlich in Verbindung mit dem Gattenmord in der Auch Berndt, den man zur Rede Muladstraße genannt wurde.

stellte und festnahm, will sich an nichts erinnern können. Auch er wurde dem Untersuchungsrichter vorgeführt. Unter Hinweis auf die Belohnung von 10 000 Marf werden alle Personen, die über den Umgangsfreis der Gebrüder Jaffe und des Berndt aufklärende Mit­teilungen machen fönnen, ersucht, sich bei der Dienststelle B9 im Zimmer 216 des Polizeipräsidiums zu melden.

Einweihung des Fährschiffes Schwerin". Weiherede Dr. Dorpmüllers.

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Warnemünde  , 1. Dezember  .( WTB.) Heute erfolgte die offizielle Einweihung des neuen Fährschiffes Schwerin  " für die Fährenstrede Warnemünde  - Gjedser durch den Generaldirektor der Deutschen  Reichsbahngesellschaft Dr. Dorpmüller. Die Reichs- und Landes­behörden hatten zahlreiche Bertreter entsandt. Der Ministerpräsident von Mecklenburg  , Schröder, war mit dem mecklenburgischen Finanz­minister Asch erschienen.

Generaldirektor Dr. Dorpmüller hielt die Einweihungsrede, in der er erklärte, es fomme heute darauf an, die Verkehrsbeziehungen, die der Krieg zerstört hat, wieder anzutnüpfen und auszubauen. Die Staaten Europas   sind aufeinander angewiesen. Der Verkehr schweißt sie zu einer Bölterfamilie zusammen. Europa   fann nur genefen, wenn es allen Ländern gut geht. Die Länder mit Rohstoffen haben die Pflicht, ihre Schätze aufzuteilen auf die Länder, die in langjähriger Schulung einen Arbeiterstand heran­gezogen haben, der in der Lage ist, Rohstoffe in industrielle Fabritate zu verwandeln. Deutschland   bildet das Herz Europas  . Zwischen Nord und Süd, zwischen Oft und West flutet der Verkehr durch unser deutsches Vaterland. Sonst sind Schiffahrt und Eisen­bahn getrennt, hier sind sie verbunden im Fährschiff, das ein wichtiges Glied in der Kette der Verkehrsmittel bildet, wie zwischen Saßniz und Trelleborg  , zwischen Deutschland   und Schwe den, so auch hier zwischen Warnemünde   und Gjedser, zwischen Deutschland   und Dänemark  . Wohin geht die Entwicklung, wenn wir die jüngste Linie des Fährbetriebes zwischen Harwich   und Vlissingen  beachten? Wenn der Verkehr zwischen Nord und Süd weiter steigt, wird die reine Güterfähre in den Vordergrund treten. Das neue Schiff foll ein Sinnbild dafür sein und die Hoffnung geben, daß nach Beseitigung der Gleichgewichtsstörung im Güteraustausch zwischen den Ländern auch für die Menschheit, die heute gebeugt wird vom Joche der Lebensnotdurft, in der Lebenshaltung beffere Tage kommen. Die Rede des Generaldirektors flang aus in ein Hoch auf das Land Mecklenburg   und Deutschland  . Der Minister­präsident des Landes Mecklenburg   erwiderte und wies besonders auf die Notwendigkeit des Zusammenarbeitens zwischen Land, Reich und Reichsbahn in Berkehrsfragen hin.

Spruch legt Berufung ein.

Der Jumelenraubprozeß Spruch und Genossen wird in einiger Zeit seine Wiederholung vor der Großen Straf. fammer des Landgerichts III, dessen Vorsitz Landgerichtsdirektor Siegert hat, finden, da die Rechtsanwälte Dr. Herbert Fuchs und Dr. Ludwig Meŋer für sämtliche drei Angeklagte Berufung gegen das am Dienstag vom Erweiterten Schöffen­gericht Charlottenburg gefällte Urteil eingelegt haben.

40 Eisenbahnräuber vor Gericht.

Düsseldorf  , 1. Dezember  .( TU.) Unter startem Andrang des Bublifums wurde der Prozeß gegen 40 Eisenbahnräuber eröffnet. Die Beschuldigten sind in den Jahren 1916 bis 1922 auf dem Haupt­güterbahnhof in Neuß   auf fahrende Güterzüge gesprungen und haben Bandendiebstähle verübt. Die Banden waren gut organi fiiert und schwer bewaffnet, so daß es ihnen immer gelang, durch Schnellfeuer die Verfolger abzuwehren. Es werden ihnen ins­gefamt 500 Eisenbahndiebstähle zur Last gelegt, sowie die Beraubung des Leichenwagens des in Moskau   ermordeten Bot­schafters Grafen Mirbach auf der Fahrt zum Schloß Harff. Die

Täter wurden auf eigenartige Weise gestellt. Ein Bandenmitglied, daß eine längere Freiheitsstrafe wegen Diebstahls im Gefängnis zu Krefeld   verbüßt, führte eine namentliche Aufstellung der Teilnehmer bei sich, so daß nach dieser Liste die Täter fest­gestellt werden tonnten.

JACOBI.18801