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fr. 574 43. Jahrgang
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= Vorwärts=
Ausgabe B Nr. 284
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Dolksblaff
6. Dezember 1926
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Die Militärkontrolle überlebt.
Erweiterung der Völkerbundsaufsicht gegen Rheinlandräumung?
Paris , 6. Dezember. ( Eigener Drahtbericht.) Die Kommentare, mit denen die hiesige Presse die gestrige Besprechung zwischen Briand und Stresemann begleitet, sind durchweg in ernstem Tone gehalten. Der Optimismus der letzten Wochen ist aus den Blättern
völlig verschwunden. Diese stellen im Gegenteil fest, daß die paar Fragen, die nach der französischen Ansicht in den letzten Wochen noch zu regeln blieben, plötzlich ein, Format angenommen hätten, das die ganze Thoiry- und Locarno - Politik bedrohen könnte. Selbst der sonst immer zurückhaltende„ Petit Parisien" läßt sich aus Genf mit teilen, daß die Schwierigkeiten, um zu einer allgemeinen Berständigung über die verschiedenen noch schwebenden Fragen der Militärkontrolle und des Investigationsrechtes durch den Böllerbund zu gelangen, bedeutend größer sind, als man sich anfangs diese vor
ſtellte.
Den ausführlichsten Rommentar zu der Besprechung gibt Bertinag im Echo de Paris . Er stellt fest, daß das ganze sich in zwei Fragen refiniere: Welche Maßnahmen Deutschland noch ergreifen müsse, um eine Beseitigung der interalliierten Ron= trollfommissionen zu erreichen, und welches Investiga tionsrecht der Völkerbund nach Abberufung dieser Kommiffionen in Deutschland ausüben sollte. Das Ziel Briands sei leicht ersicht. lich. Er müsse,
da sämtliche Mächte fich darüber einig seien, daß die kontrollfommiffionen fich überlebt hätten und ihre Existenz nicht länger fortführen tönnten,
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besonders darauf ausgehen, daß Stresemann den im September 1924 vom Völkerbund ausgearbeiteten Investigationsplan an nehme. Hier lägen die Schwierigkeiten, denn dieser Blan über steige in vielen Punkten die durch Artikel 213 des Bersailler Friedensvertrages dem Bölferbund übertragenen Bollmachten. Bisher sei in diesem Punkte feierlei Fortschritt erzielt worden. Pertinag läßt dann die Argumente durchblicken, nach welchen Briand die Beigerung Stresemanns, diesen Investigationsplan anzunehmen, brechen könnte. Er meist darauf hin, daß, wenn Stresemann in feiner Oposition fortfahren sollte, Frankreich in der Botschafter fonferenz gegen die Abberufung der interalliierten Militärmiffionen auftreten werde. Im übrigen werde Briand sicherlich so vernünftig sein, in der Frage des Investigationsrechtes nichts Unmögliches zu verlangen. Es liege auf der Hand, daß eine dauernde Ueberwachung des gesamten deutschen Territoriums durch den Völkerbund unmöglich sei. Selbst die Militärkommiffionen des General Balch hätten sechs Monate gebraucht, um die neuen Befestigungen von Rönigsberg, Glogau und Küstrin zu entdeden. Frankreich müsse sich also darauf beschränken, eine ernſte leberwachung der entmilitarisierten 3one des Rheinlandes zu erreichen, also eine lokale Kontrolle. Dafür müsse es aber ficher damit rechnen, daß man von ihm die Räumung der Brüdentöpfe des Rheinlandes verlangen wird. Briand stehe vor der Alternative, bis an das Ende seiner Locarno - und Thoiry Politik zu gehen und
die Brüdenköpfe von Koblenz und Mainz gegen eine vernünftige Entwaffnungskontrolle zu räumen.
Die Sowjetgranaten.
Wir haben gestern hier den ausführlichen Bericht des
"
Cindenstraße 3
schreibt nämlich:
Manchester Guardian" über russische Munitions- funft von uns, die ihr bereitwilligst gegeben werden soll. Sie lieferungen für die deutsche Reichswehr wiedergegeben. Die ,, Rote Fahne " versichert, der Bericht sei unwahr, es handle sich um ein Manöver der englischen Im perialisten gegen Sowjetrußland. Nun ist aber der Man chester Guardian " ein liberales, anti imperialistisches Blatt, das auch dem russischen Bolschewismus völlig vorurteilsfrei gegenübersteht. Daß gerade dieses Blatt Lügen erfindet, um gegen Rußland zu hetzen, ist eine Behauptung, die nur den politisch unwissenden Lesern der ,, Roten Fahne" vorgesetzt werden kann.
Reichswehroffiziere Geßlers zur Berantwortung gezogen werden " Der Vorwärts" fordert nunmehr plöglich, daß die reaktionären sollen. Der Borwärts" verlangt endlich die ganze Wahrheit". Eigen tümlich! Erst am 1. Dezember d. J. wurde im Haushaltsausschuß des Reichstags der Etat der Reichswehr und der Marire besprochen. Der Reichswehrminister Geßler leistete sich die Provokation, dieser Sigung einfach fernzubleiben. Die Kommunisten forderten, daß der Reichswehrminister fofort herbeizuholen sei. Die Sozialdemokraten und die Bürgerlichen verhinderten aber, daß Geßler herbeigeholt wurde.
Die ,, Rote Fahne " hat recht, auf diesen bemerkenswerten Vorgang hinzuweisen, mur tennt sie leider den Zusammenhang nicht. Zur selben Stunde nämlich, als die Kommunisten das Erscheinen Geßlers im Haushaltsausschuß verlangten, saßen die Sozialdemokraten mit ihm, Marg und Stresemann im Auswärtigen Amt beisammen. Die Unterhaltung, die dort geführt wurde, war für Herrn Geßler bedeutend unangenehmer als die Spiegel fechtereien, die die Kommunisten gegen ihn aufführen.
Der Vorwärts" aber soll der kommunistischen Le gende nach den Bericht des englischen Blattes abgedruckt haben, weil er zum Krieg gegen Rußland hetzen will. Diese Notlüge der Verzweiflung kann nur Mitleid erregen. Die Sozialdemokratie hat stets erklärt, daß sie jeden Gedanken an eine Intervention in Rußland auf das allerschärfste befämpft. Wieso sollte übrigens der Bericht des Manchester Guardian" in Deutschland Kriegsstimmung gegen Rußland erzeugen? Wenn Rußland der Reichswehr Munition für Die Rote Fahne " schreit: Es ist nicht wahr! Es ist jeden Bedarfsfall liefert, so fann das Bekanntwerden dieser nicht wahr!" Sie weiß, daß sie sich mit diesem Geschrei nur Tatsache die Sympathie der Nationalisten und der für den Augenblick hilft, und daß sie schließlich damit hineinreaktionären Bourgeoisie für Sowjetrußland nur noch verfallen muß. Sie denkt wohl: Kommt Zeit, tommt Nat!" stärten!
Die ,, Rote Fahne " beklagt sich darüber, daß wir nicht die Namen der Schiffe nennen, auf denen die Munition verladen worden ist. Sie wird sich nach diesen Namen zuverlässig in Leningrad erfundigen fönnen, wo die aus dem Kubangebiet kommenden Transporte unter schärfsten 2b
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Aber an der Tatsache, daß jeder, der unter Hochrufen auf Sowjetrußland in den Straßentampf zieht, in Gefahr gerät, mit russischen Kugeln erschoffen zu werden, ist nun einmal nichts mehr zu ändern.
Die Lehre, die sich aus dieser Tatsache ergibt, ist heilsam, wenn auch für die KPD . nicht gerade angenehm.
Volkspartei für Bürgerblock.
Eine programmatische Rede des Fraktionsvorsitzenden Dr. Scholz.
Der Vorsitzende der Reichstagsfraktion der Deutschen| sition durchführe, da sie nicht gegen das Staatsinteresse eine VorBoltspartei, Herr Dr. Scholz, hat in Insterburg auf einer Konferenz der Kreis-, Vereins- und Ortsgruppenvorsigenden der Deutschen Volkspartei eine Rede gehalten, die in der Linie der Scharfmacherreden der Beder und Kardorff liegt. Er hat nach der Telegraphen- Union ausgeführt:"
Die nächsten Wochen werden zeigen, ob Briand den Mut haben faffungsmäßig als neutrales kabinett der Mitte festgelegt werde, bis zum Ende seiner Politik zu gehen.
Vandervelde Ratspräsident.
Genf , 6. Dezember. ( Eigener Drahtbericht.) Zur Beratung der Militärkontroll- und Investigationsfragen findet heute nachmittag eine erste Besprechung zu dreien zwischen Stresemann , Briand und Chamberlain statt. Die allgemeine Stimmung lautet im Moment dahin, daß es wohl einige Tage umfassender Unterhandlungen bedarf, bis man zu einem Ergebnis gelangen wird.
In der nichtöffentlichen Sigung des Völkerbundsrats wurde auf Borschlag Stresemanns Bandervelde zum Vorsitzenden gewählt, die Ernennung des deutschen Untergeneralsekretärs Dufour- Fer. ronte genehmigt, worauf Chamberlain den Generalsekretär des Völkerbundes zu diefer Wahl beglückwünschte und Stresemann für
die Worte Chamberlains dantte.
Die Tagesordnung der Ratssihung. Genf , 6. Dezember. ( TB.) Auf der vorläufigen Tagesordnung der Ratstagung stehen u. a. die Borbereitung der Abrüstungstonferenz und damit im Zusammen hang der Bericht des Ratstomitees über die Aufgaben des Böllerbundsrats zur Beilegung internationaler Ronflifte und die rasche Berwirklichung der Hilfeleistungen, außerdem die Empfehlung einer internationalen Anleihe für Danzig , dann die Vorbereitung der Weltwirtschaftstonferenz, über die Reichsminister Dr. Stresemann als deutsches Mitglied zu berichten Reichsminister Dr. Stresemann als deutsches Mitglied zu berichten hat, die Frage der
„ Die heutige Regierung ist ebenso wie das Kabinett Luther verund muß daher jeweils die Mehrheit suchen, wo sie sie findet. Bei einer Regierungserweiterung fann nur die Frage entfcheiden, welche Roalition eine längere Dauer verbürgt. Die innere Uebereinstimmung zwischen den Deutsch nationalen und den bürgerlichen Parteien ber Mitte ist entschieden größer als mit den Sozialdemo traten.
Der Stein des Anstoßes für die Große Koalition ist die Frage der Arbeitszeit, über die niemals eine Verständigung zwischen der Deutschen Volkspartei und den Sozialdemokraten möglich fein wird.
benso unmöglich ist eine Berständigung mit ihnen über die Verhältnisse der Reichswehr . Sollte die Große Koalition wirklich zustandekommen, so wäre es ein Gebilde von Wochen, keine dauernde Regierung. Man muß daher nach der anderen Seite gehen und hoffen, daß die Deutschnationalen sich zu praktischer Mitarbeit zurückfinden werden. Die Sozialdemokratie muß den Kampf gegen die tapitalistische Weltanschauung aufgeben, bevor man mit ihr paffieren tann. Sie muß einsehen lernen, daß die beste Sozialpolitik die Blüte der Wirtschaft ist. Das Ziel der Deutschen Boltspartei bleibt nach wie vor die 3usammenfassung fämt lidher bürgerlichen Parteien."
Er
Der Fraktionsvorsitzende der Deutschen Volkspartei will den Bürgerblod gegen die Sozialdemokratie. will den Achtſtundentag verhindern, er will die Sozialpolitik drosseln und die Reichswehr monarchistisch laffen. Die innere der Deutschnationalen ist vollkommen.
lage zum Scheitern bringen könne. In dieser unhaltbaren Lage habe sich die Deutsche Volkspartei auf Verhandlungen eingelaffen, die vom Zentrum ausgehen. Epäter habe man die Deutsche Bolfspartei brüstiert, so daß die Verhandlungen abgebrochen wurden Trozdem sei seine Graftion gewillt, in die große Koalition einzutreten, denn Koalitionen feien keine Gefühlsfache. Aber sie werde es nur tun, wenn sie die notwendigen Sicherungen erhalte, daß ihr Einfluß zur Geltung tomme. Nicht aus parteipolitischen Gründen, sondern um des Staatsintereffes willen glaube die Deutsche Volkspartei sich in Preußen der Großen Koalition nicht versagen zu tönnen.
Große Koalition in Preußen; Bürgerblock im Reich. Beides, um die Geschäfte der Deutschnationalen zu besorgen. Die Deutschnationalen hoffen wieder einmal auf den Bürgerblod, und die Volkspartei arbeitet wieder einmal fleißig daran, diese Hoffnungen solide zu untermauern.
Christliche Gewerkschaften und Achtstundentag.
Wiesbaden , 6. Dezember. ( Mtb.) Der ehemalige preußische Ministerpräsident St egerwald hielt auf einer Kundgebung des hessischen und nassauischen Gaues des Deutschen Gemertfchaftsbundes in Mayen eine Rede über die Stellung der christlich- nationalen Gewerkschaften. Er definierte das Verhältnis zu der Sozialdemokratie dahin, daß es zwischen ihr und ihm keinen Unterfchied in der Marschrichtung, sondern nur einen solchen im Tempo der Vorwärtsbewegung gebe. Scharf aber müsse der Klassen. tampf abgelehnt werden. Stegerwald setzte sich dann mit der Behauptung Dr. Silverbergs auseinander, daß er sich mehr nach links entwickelt habe und führte weiter aus:
Die große Forderung des 20. Jahrhunderts sei, daß die Mensch beit mehr mit Heimat, Bolt und Geift verbunden werde. Gegen. über den klaffenegoistischen Bestrebungen der Sozialdemokratie müsse der Gedanke der Berufsgemeinschaft wieder gefördert
aus dem Saargebiet, und schließlich als legter Punkt die Er. Uebereinstimmung dieser Willensrichtung mit der Zielfezung werden. Der Masse sei ein planmäßiger organischer Einblick in die
nennung der Borsigenden der Investigationstom missionen des Böllerbundes.
In einer kurzen öffentlichen Sigung erledigte der Völker. bundsrat auf seiner Tagesordnung stehende fleinere Angelegen heiten. In der nächsten öffentlichen Sizung am Dienstag nach mittag soll nur die Frage der bulgarischen Flüchtlings anleihe entschieden werden.
Auf derselben Tagung sprach der Landtagsabgeordnete Dr. Steffens über die Regierungsumbildung in Preußen: Das ursprünglich gespaltene Zentrum fühle sich in der jezigen Roalition wohl, da es alles durchsetzen fönne. Unmöglich sei es Koalition wohl, da es alles durchsetzen fönne. Unmöglich sei es aber heute, die Regierung parlamentarisch zu stüßen, unmöglich aber auch, daß die Deutsche Volkspartei eine hemmungslose Oppo
dem Staate gegenüber gestärkt werde. Stegerwald forderte zum Schluß die Schaffung von Arbeitnehmerbanken, wodurch die Macht der Arbeiterschaft wesentlich gestärkt werden könne. In einer Refolution wurde die fofortige Wiederherstellung des Achtstundentags und die strenge Bestrafung jeder nicht dringend notwendigen Mehrarbeit gefordert.