Tschktstherkn unter Kpd.-Zensur! Was die Leser der„Roten Fahne" nicht erfahren dürfen. Aus dem Bericht der„Vossischen Zeitung" über den Vor- trag Tschitscherins vor bürgerlichen und kommuni- stischen Pressevertretern erfährt man. daß der russische Volks- kommissar den von ihm empfangenen Berichterstattern ein schriftliches Expose seiner„Rede" überreichen ließ. Ein Vergleich zwischen der Wiedergabe dieses Schriftstückes im „Berliner Tageblatt", in dem es anscheinend wörtlich ab- gedruckt worden ist, und in der„Roten Fahne" ergibt s o n- derbare Lücken in dem Bericht des Berliner Sowjetorgans. Es fehlt insbesondere folgende Stelle: .Ich kann hier betonen, daß die Freundschaftsbande, die uns mit Deutschland verbinden, bereits so fest geworden sind, daß ich mich völlig daraus verlasse." Die Gründe, die die„Rote Fahne" bewogen haben, ge- rade diese drei Zeilen herauszustreichen, sind nicht schwer zu erraten: Seit Monaten versichert das Kommunistenblatt tag- lich, daß Deutschland im Bunde mit England eine antirussische Politik betreibe: sie fordert die deutschen Arbeiter täglich auf, die„deutschen Kriegstreibeveien gegen Sowjetrußland" zu durchkreuzen— und da kommt der russische Außenminister und versichert genau das Gegenteil: die deutsch -russische Freundschaft sei jetzt so gefestigt, daß er sich völlig darauf ver- lassen könne! Ein böser Schlag ins Kontor. Deshalb: raus mit der verflixten Freundschaftsstelle! Nicht so klar sind die Beweggründe, die die Weglasiung folgender Stelle in der„Roten Fahne" veranlaßt haben: Entscheidend bleibt die Tatsache, daß unser« Regierung Eng- land immer einen Ausgleich geboten hat und bietet, und immer ohne Erfolg, Wir reichen England die F r i e- denshand, diese chand bleibt aber in der Luft hängen." Vielleicht meinten die KPD. -Zensoren Tschitscherins, daß diese betonte, fast unterwürftige Friedensbereitschaft des revo- lutionären Rußlands gegenüber dem britischen Imperialismus schlecht in Einklang zu bringen sei mit den Vorstellungen von„Welrevolution" und von„proletarischer Würde", mit denen die Leser der„Roten Fahne" gefüttert werden. Daß der Leser des KPD. -Blattes nicht aus dem Munde Tschitscherins hören darf, daß die deutsch -russischen Be- ziehungen sich seit einem Jahre befestigt haben, zeigt die Streichung eines zweiten Passus, in dem dieser Gedanke noch einmal und ausführlicher vom Volkskommissar entwickelt wurde. Gleichfalls der KPD. -Zensur zum Opfer gefallen ist die Stelle, in der Tschitscherin von den guten Beziehungen Sowjet-Rußlands zu Italien spricht. Das auf- fallend gute Verhältnis zwischen Mussolini und Moskau ist nämlich eins der heikelsten Kapitel der bolschewistischen Außenpolitik. Wie soll man nämlich dem kommunistischen Arbeiter klarmachen, daß Bolschewismus und F a s ch l s- m u s sich außenpolitisch ausgezeichnet vertragen, während die italienischen Kommunisten auf Befehl Musiolinis massenhaft eingekerkert und erschlagen werden? Deshalb wird diese Aeußerung Tschitscherins unterschlagen, genau so wie d'e„Rote Fahne" seinerzeit die Tatsache des Frühstückes Tschitscherins bei Seeckt totgeschwiegen hat. Man komme uns nicht nachträglich mit der faulen Aus- rede der durch Raummangel bedingten Kürzungen. Die für deutsche Leser relativ gleichgültigen Aeußerungen über Persien , Afghanistan usw. sind in der„R. F." unverkürzt wiedergegeben. Und es k a n n einfach kein Zufall sein, wenn gerade die Ausführungen Tschitscherins, die das gefestigte deutsch -russische Verhältnis betonen, gestrichen wurden. Es bleibt dabei: der bolschewistische Volkskommissar ist von der Redaktion der„Roten Fahne" zensuriert worden, und zwar gerade an den Stellen, die für die kommunistischen Leser am peinlichsten gewesen wären! Abgeführte venunzkantea. Der Berliner Korrespondent des„Manchester Guardian", der zurzeit in Genf weilt, hat dem dortigen Vertreter des„S o z. Pressedienstes" folgende Erklärung übermittelt: „Ich erfahre, daß die„Rote Fahne" Dr. Breitscheid für die Veröffentlichungen des„Manchester Guardian" über den deutsch - russischen Waffenhandel verantwortlich macht. Ich erkläre hiermit diese Behauptung für u n r i ch t i g und füge bei, daß Dr. Breit- scheid mit jenen BeröffeMlichungen nichts zu tun gehabt hat. gez. Voigt." Wo die Kommunisten denunzieren, können auch die Nationalen nicht fehlen. In dem in Mannheim erscheinenden oolkspartei- l i ch e n Organ wurde am Dienstag behauptet, daß die Frau unseres Genossen Breitscheid als Urheberin der Enthüllungen im . Manchester Guardian " zu betrachten fei. Dies« Behauptung ist genau so plump erlogen wie die Behauptung der„Roten Fahne"._ Keine Regierung in Sachsen . Auch diesmal keine Mehrheit. Dresden . 7. Dezember.(Eigener Drohlbecicht.) dn der heutigen Sitzung des Sächsischen Landtages verlief die Minister- Präsidentenwahl wieder ergebnislos. Don 35 abgegebenen Stimmen erhielt der sozialdemokratische Kandidat Hermann A l e i ß n c r nur 44 sozialdemokratisch« und kommunistische Stimmen. Die bürger- lichen Stimmen zersplitterten sich wieder. Bemerkenswert war bei dieser Wahl, daß die Auswertungs- parte! und die Nationalsozialisten für den Kandidaten der Wirt- schastspartei, Kaiser, stimmten. Nachdem die Wahl vorüber war, kündigte der kommunistische Redner Böttcher einen Antrag auf Auflösung des Landtages an. Genosse Böchel von der sozialdemokratischen Fraktion gab im Namen der Fraktion eine Erklärung ab, in der er daraus hinwies, daß draußen Tausende warten, die vom Landtag Hilfe fordern, daß die bürger- lichen Parteien und die vier Leute von der alten Sozialdemo- kratischen Partei, die es verhinderten, daß eine Regierung zustande komme, die B e r a n t w o r t u n g für die Folgen tragen müßten. Der Abgeordnete Böttcher von der Kommunistischen Partei brachte einen Antrag ein, die provisorische Regierung besitz« nicht mehr dos Vertrauen des Landtags. Der Abgeordnete B e t h g e von der alten Sozialdemokratischen Partei erklärte, daß seine Partei keine Regierung unterstützen würde, die von den Kommunisten abhängig sei. Er forderte die Große Koalition. Die nächste Sitzung des Landtags wird am Dienstag, 14. Dezember, stattfinden. Auf der Tagesordnung steht wieder die Wahl des Ministerpräsidenten. Außerdem auch der Mißtrauens- anrrag der Kommunisten gegen die provisorische Regierung, der aber praktisch vollkommen bedeutungslos ist, weil die Regierung ja be- reits zurückgetreten ist.
Das Wieüeraufnahmeverfahren gegen tzölz. Ein Antrag der Verteidigung. Die juristischen Vertreter des im Groß-Strehlitzer Zuchthaus sitzenden Kommunisten Max h ö l z haben bei dem Reichsjustiz- minister in einem ausführlichen Schriftsatz die Wiederaus- nähme des Verfahrens durch den Oberreichsanwalt von Amts wegen und die Amnestierung des hölz. wegen der politischen Delikte beantragt. Der Reichsjustizminister hat die Akten unoerzüg- lich dem Oberreichsanwalt nach Leipzig zur Stellungnahme übersandt; ebenso das ihm zur Verfügung gestellte Material über das Geständnis des Bergmanns Erich Friehe und den Widerruf des früheren hauptbelostungszeugen Uebe.
Kußmann wieder im Richteramt. Pankow darf sich gratuliere». Der Varmat-Asiesior Äußmann, früher bei der Staatsanwalt- schaft, hat sich hervorgetan als der Ritter Georg, der der Sozial- demokratie und der— Korruption den Kopf zertreten wollte. Er war als„fliegender Staatsanwalt" berühmt geworden, er machte kostspielige Dienstreisen und sann Tag für Tag auf neue Heldentaten, soweit ihm seine mehr oder weniger galanten Abenteuer auf seiner Jacht dazu Zeit ließen. Sein Zusammenwirken mit dem Inhaber des dcutschnationalen Verleumdungsbureaus, Knoll, hatte ihm jedoch schließlich den Sturz gebracht. Er wurde Knall und Fall aus dem Dienst„beurlaubt". Seine Vorgesetzten und Mitverantwortlichen Linde und Peltzer wurden aus der Staatsanwaltschaft entfernt, aber als hohe Richter in noch verantwortlichere Stellen gesetzt. Kuhmann selbst erhielt einen Prozeß wegen der Ueberlassung von Dienstatten an jenes Knoll- Bureau. Zwar sprachen ihn die Moabiter Richter frei und sehr prominente Richter drückten chm glückwünschend die Hände. Aber im Dolksbewußtsein blieb dieser Freispruch ein übler Fehl- spruch. Was im Volksmunde darüber gesprochen wird, wollen wir hier lieber nicht wiederholen. Es ist für die Richter nicht sehr schmeichelhaft. Noch schwebt übriger« ein Disziplinarverfahren gegen den Assesior Kußmann. Wann es erledigt wird, mögen die Götter wissen. Inzwischen aber hat es dieser Held bei hugenberg— oder Hilgenberg mit ihm?— nicht mehr ausgehalten, wo er einen Unterschlupf gefunden hatte. Deshalb drängte er wieder zum Dienst der Republik , die er so bitter haßt. Und das preußische Justiz-
minffterium gibt diesem Mann die Stellung zunächst eines „Hilfsrichters" in Pankow ! Dort soll er Auswertungs- fachen bearbeiten. Doch ist nicht ausgeschlossen, daß er auch in Strafsachen mitwirken muß. Da ihm jede Fähigkeit fehlt, objektiv zu sein, wird er sich nicht wundern dürfen, wenn er von sehr vielen Angeklagten als befangen abgelehnt werden sollte. Das preußische Justizministerium sollte sich darüber äußern, welche Einflüsse tätig gewesen sind, um diesen fliegenden Geflogenen wieder in den Richterhafen zu bringen!
Eine ßaschistenpartei in Polen . Marschau, 7. Dezember. (Eigener Bericht.) Dieser Tage ist als neue politische Organisation das„Lager des großen Polens " gegründet worden. Wie die auf der Gründungstagung verlesene Erklärung zeigt, hat sich die neue Partei den Faschis- mus zum Vorbild genommen: sie soll auf den Prinzipien des Gehorsams und der Disziplin gegenüber den Führern, die nicht gewähtt, sondern ernannt werden, aufgebaut werden und eine hierarchische Verfassung hoben. Man glaubt, daß Dmowski. der Begründer der polnischen Nationaldemokraten. sein„Lager" in engen Kontakt mit der Nationoldemokratischen Partei leiten wird. Vor allem aber hat die neue Organisation eine Aktion zum Ziele, die sich g e g e n P i l s u d s k i und seine Anhänger richtet. Vorerst wird versucht, durch Heranziehung nationalistischer Agrarier dem Beitritt der Großgrundbesitzer zu der unter deni Ein- fluß von Pilsudski stehenden Konservativen Partei entgegenzuwirken und eine finanzielle Stütze für das„Lager" zu erlangen. Gleich- zeitig wird danach gestrebt, alle Behörden, Aemter und Reglerungs- stellen mit..Lager"-Leuten zu durchsetzen. Wenn die gegenwärtigen Machthaber gestürzt werden, womit die Führer des„Lagers des großen Polens " rechnen, sollen Dmowskis Vertrauensleute in der Lage sein, die Gewalt im Lande zu übernehmen. Dmowski und seine Anhänger streben ganz eindeutig als erste Etappe ihrer Ziele die Schaffung eines großen(noch größeren? Red.) Polens , den Sturz P i l s u d s k i s und, was mit der Person des Marschalls allerdings nicht in Zusammenhang steht, die Ausschaltung der fort- schrittlichen Elemente in Polen von dem politischen Leben an.
Lloyd George besprach mit einem Ausschuß der Liberalen die Einzelheiten seines Finanzplanes, nach dem er aus seinem Privatfonds die Partei unter st ützen wolle, wenn sie ihn zum Führer wähle. Die Entscheidung liegt beim Ver- waltungsausschuß der Partei.
Die Schc Eine Antwort Scheidemanns auf Die Jnsterburger Rede des Vorsitzenden der oolkspartei- lichen Reichstagsfraktion, Dr. Scholz, beschäftigt die Presie sehr lebhaft. Unter der Ueberschrist„Wieder einmal eine Scholz-Krise" schreibt die„Voss. Ztg.": Die Quertreibereien der Abgeordneten Scholz, Heinz«, K a r d o r f f gegen die Große Koalition sind nicht neueren Datums. Es ist eine ununterbrochene Kette von 1923 bis jetzt. Dr. Scholz und seine engeren Freunde in der Fraktion wollen den Bürger- block, chnen ist es zu sehr zu Paß gekommen, daß das Schund- und Schmutzgesetz mit den Deutschnationalen gemacht werden konnte, ihr Streben zielt dahin, auch das Arbeitsgesetz und nachher das Schulgesetz mit der Rechten unter Dach und Fach zu bringen, und sie hoffen, schließlich das Zentrum, ebenso wie 1924, zum Bürgerblock zwingen zu können.... Will Dr. Scholz die Auflösung des Reichstages und Neuwahlen erzwingen, um das Exempel dar- aus zu machen, wieviel nachher von der Deutschen Volkspartei noch übrig bleib en? Nun, wenn er das will, ist seine Intterburger Rede zu begreisen. Die„Köln . Volkszeitung", das rheinische Zentrumsblatt, äußert sich mit ähnlicher Schärfe: Es ist kein Geheimnis, wenn wir mitteilen, daß man in Kreisen der Reichsregierung über diese Wendungen in der Rede des Abgeordneten Scholz nicht nur überrascht, sondern auch verstimmt ist. Wir müssen zunächst sachlich unserer stärksten Verwunderung darüber Ausdruck geben, daß Herr Scholz In einer derart herausfordernden Weise in schwebende Verhandlungen eingegriffen hat. In der Tat war beabsichtigt, die Frage der Arbeitszeit durch eine ruhige und sachliche Diskussion mit den Sozialdemokraten zu einer Lösung zu bringen, nachdem sich die Regierungsparteien untereinander geeinigt hatten. Wenn der Führer einer Regierungspartei, die an den Abmachungen über eine bestimmte Verhandlungsmcthode beteiligt ist, es jetzt für angebracht Hütt, in einem so kritischen Augenblick das Porzellan zu zerschlagen, was überhaupt noch übrig ist, dann muß man sich doch ernstlich die Frage stellen, wieweit hier Ungeschicklichkeit oder Absicht im Spiele ist. Man möchte doch allen Beteiligten den Rat geben, die unsichere Lage, die an inneren Spannungen schon an sich reich genug ist, nicht unbedacht in eine offizielle Krise ausmünden zu lassen. Wir erwarten, daß man auch von feiten des Zentrums Herrn Scholz ohne Um- schweife bedeuten wird, daß Politik nicht gemacht werden kann, wenn man gegenseitige Verein- barungen trifft und dann einen Teil davon in einer öffentlichen Rede desavouiert. Die volksparteiliche„Köln . Zta." spinnt dagegen den von Scholz angesponnenen Faden weiter fort, indem sie sich mit folgender Licbserklärung an die Deutschnationalen wendet: Darf man zu der politischen Einsicht der Deutsch - nationalen das Vertrauen haben, daß sie die Lage vernünftiger zu meistern verstehen werden, als sie ihre Entscheidung bei dem kommenden sozialdemokratischen Mißtrauensantrag nicht von Stim- mungen abhängig machen, und daß sie sich bereit finden lassen werden, bei künftigen wichtigen Aufgaben sachlich und opfermütig mitzuarbeiten? Wer es mit der dringenden Arbett am Staat und am Regierungssystem gut meint, der kann noch hoffen. So zeigt sich auch in der Presie der tiefe Riß, der durch die sogenannte„Arbeitsgemeinschaft der Mitte" geht. Auch Graf Westarp äußerte sich gestern in einer Sitzung der deutschnationalen Parteivertretung— die ihn übrigens einstimmig zum Parteivorsitzenden wieder- wählte— zur Rede des Herrn Scholz. Freilich tat er das in ziemlich dunklen Worten: Die Rede des Führers der Deutschen Bolkspartei Dr. Scholz, schaffe eine völlig neue Situation, die schleuniger Klärung bedürfe. Die Partei halte an den Grundanschauungen in nationaler und wirtschaftlicher Hinsicht fest. Bei Mißtrauens- voten, ob sie von Kommunisten oder Völkischen kämen, könnten die Fraktionen sich die Linie ihres Handelns von niemand vor- schreiben lasten. Den Mittelparteien müste,«iebeimErpoerbs-
IZ-Knft. die Provokation von Jnsterburg. l o s e n g e s e tz, immer wieder der Beweis erbrocht werden, daß es mit der Linksregierung auf die Dauer nicht gehe. Die„Köln . Ztg." kann sich nun an den Knöpfen ihrer Weste abzählen, ob sie„hoffen darf" oder nicht. Entweüer— oöer. Scheidcmann über das Doppelspiel der Bolkspartei München . 7. Dezember.(Eigener Drahtbericht.) Am Dienstag- abend sprach in einer überfüllten Versammlung der soziäldemökra- tischen Partei Münchens der sozialdemokratische Reichstogsabgeord-. nete Scheidemann im Bürgerbräukeller. Scheidemann befaßte sich dabei mit den bekannten Auslastungen des Volksparteiführers Scholz in Insterburg. „Wir wollen— so führte er aus— wie ein ordentlicher Kaufmann am Jahresschluß Bilanz machen, um die politischen Konsequenzen ziehen zu können. Wie stehen die Dinge heute? Unsere Stellung zum neuen Staat, zur Republik, ist ganz klar, ist die Republik doch in der Hauptsache unser' Werk. Als stärkste Partei des Reichstags erheben wir die grundsätzliche Forderung der Beteiligung an den Regierungen, besonders an der Reichsregierung, um die Republik zu stützen und weiter entwickeln zu können. Wenn die kleineren Koalttions- Parteien uns von der Teilnahme an der Regierung fernzuhalten suchen, so ist das im Grunde genommen nichts anderes als eine Wiederholung der Taktik in früherer Zeit, als sie uns bei den Stich- wählen um die Mandate betrogen haben. Das mag kurzsichtigen Politikern besonders gescheit erscheinen. In Wirklichkeit ist es eine große Torheit, die sich rächen muß, denn in der Politik rächen sich alle Fehler. Am schwersten bei denen, die sie machen. Bismarck glaubte besonders klug zu handeln, als er den Kulturkampf entfesselte und das Sozialistengesetz machte. Er ist daran zugrunde gegangen. Ebenso stürzte das alte wilhelminische Reich zusammen, weil das bornierte preußische Junkertum sich bis in den November 1918 hinein weigerte, auch nur die geringsten Konzessionen in bezug auf das preußische W a h l r e ch t zu machen." Dann kam Scheidemann auf die in den letzten Tagen gehaltenen Roden der Führer der beiden Rechtsparteien. Scholz und Westarp. zu sprechen.„Die Frage ist die— so erklärte Scheidemann —, ob die Deutsche Bolkspartei sich hinter Scholz stellt, denn es ist ganz klar: Wer jetzt zu Scholz steht, ist Gegner der Republik und will ausschließlich kapitalistisch orientierte Wirtschaftspolitik treiben. Diesen Leuten ist das Schicksal der zwei Millionen Erwerbslosen gleichgültig. Von einer achtstündigen Arbettszeit wollen sie nichts wissen und die Reichswehr soll monarchistisch bleiben. Jedenfalls muß man Scholz dankbar dafür sein, daß er uns eine klare Entscheidung wesentlich erleichtert hat. Wir haben die Regierung bisher toleriert und sind sogar dazu übergegangen, engere Tuchfühlung zu nehmen. Nun sollen wir aber die Reichswehr loben, den Achtstundentag preisgeben und dem Klastcnkampf abschwören. Ich weiß nicht, ob Herrn Scholz das alles genügen würde, aber das weiß ich, daß ihmhören undSehen vergehen wird, wenn unsere Partei jetzt klar entscheidet. Dann ist nicht nur die Tuchfühlung erledigt, die Zeit des Tolerierens vor- bei. die Zeit des Sitzens zwischen zwei Stühlen, dann sind wir frei und dann wird der K a m p f beginnen.(Stürmstcher Beifall.) Ich kann nur für mich sprechen. Ich bin nicht ein Parteiführer wie Herr Scholz, aber Millionen stehen zu mir, wenn ich sage, jetzt heißt es Entweder— Oder.(Sehr richtig!) Entweder Beteiligung an der Regierung oder rücksichtslosen Kampf. Kampf heißt hier das ganze Volt aufrufen gegen eine Regierung und die hinter ihr stehenden Parteien, die draus und dran sind, unser Volk wieder in gefährlich« Situationen zu stürzen.(Sehr richtig.) Wir kennen unsere Pflicht für die Republik und die Demokratie, auf daß wir um so schneller zum Sozialismus kommen. Wir weiden zu ringen haben um das Vertrauen der Welt, damit wir unsere Wirtschaft sicherer aufbauen können als nach den Methoden der Scholz. Wir sind zur Mitregierung bereit, zum äußersten Kampf gerüstet. Es lebe die Soziaüiemokrotie, es leb« die Republik !"(Stürmischer Beifall.)