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Nr. 59143. Jahrg. Ausgabe A nr. 301

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292–297.

Donnerstag, den 16. Dezember 1926

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Verhandlungen über die Große Koalition.

Aber erst Rücktritt der Reichsregierung.

Ausschuß darüber berichten.

Die fozialdemokratische Reichstagsfraktion nahm gestern| Regierungsverhältnisse Klarheit geschaffen werden, und| Reichswehr formulierte Erklärungen abgeben wollte. Es mar einen Bericht über die Verhandlungen entgegen, die zwischen zwar so rasch wie möglich. Der Beschluß der sozialdemokrati zu erwarten, daß die innere Bolitik in den Bordergrund trat, zumaf ihren Vertretern und der Reichsregierung geführt worden schen Reichstagsfraktion zeigt den richtigen Weg, zu di: ser Herr Stresemann sich wenig geneigt zeigte, in eine große Plenar­find. Aus ihm ergab sich, daß sich das Rabinett am Mittag Klarheit zu gelangen. Es besteht allgemeine lebereinstimmung debatte über Genf einzutreten; lieber wollte er im Auswärtigen des gestrigen Tages einstimmig für Verhandlungen mit dem darüber, daß die Regierung Marg, so wie sie ist, nicht weiter­Ziel der Großen Roalition ausgesprochen hatte und daß alle regieren fann, weil sie teine Mehrheit hat. Die einzig Logische Regierungsparteien also auch die Deutsche Bolkspartei Folgerung aus dieser Erkenntnis ist im parlamentarischen der Meinung des Rabinetts offiziell beigetreten waren. System der Rüdtritt der Regierung. Erst wenn er Nach längerer Aussprache faßte die sozialdemokratische erfolgt ist, ist der Weg frei zu Berhandlungen, die mit dem Reichstagsfrattion folgenden Beschluß: Willen, zum Ziel zu fommen, geführt werden müssen und die sodann in diesem Geiste zu führen die sozialdemokratische Reichtagsfraktion aufrichtig bereit sein wird.

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Die fozialdemokratische Reichstagsfraffion iff zu Berhandlungen über die Bildung einer Regierung der Großen Koalition bereit Sie ist aber der Auffassung, daß hierzu der Rüdiritt der Reichs­regierung erforderlich ist.

Débatte und Abstimmungsergebnis zeigten, daß es der Fraktion mit ihrer Bereitschaft, über die Bildung einer Re­gierung der Großen Roalition zu verhandeln, durchaus ernst ist. Selbstverständlich will sie in der Großen Koalition für die Republik und für die arbeitenden Massen etwas er reichen. Selbstverständlich will fie auch, daß die zu bildende neue Regierung nicht etwa nur als eine ergänzte Fortseßung der bisherigen erscheint. Darum hält sie den Rücktritt der Regierung für notwendig.

Eine Regierung der Großen Koalition fann nicht ge­schaffen werden, ohne daß grundsäglich alle porte­feuilles neu besetzt werden. Das schließt natürlich nicht aus, daß der eine oder der andere Minister bei der Neubildung der Regierung wieder in sein Amt zurüdlehrt. Aber nur nach dem Rücktritt fann eine Neutonstruktion erfolgen, mäh rend es sonst dabei bleiben würde, einige Fliden aufzufezen. Das ist der technische Grund für den Beschluß der Frat­tion, er hat aber auch politische Gründe. Die Tätigkeit der Regierung in einzelnen Refforts war nicht so und das Ber­halten einer der hinter ihr stehenden Parteien war nicht fo, daß die Sozialdemokratie in diese Regierung eintreten fönnte. Das würde so aussehen, als ob die Sozialdemokratie gleichsam aus Begeisterung für diese Taten der Regierung zu Hilfe kommen wollte. Und das fann doch wirklich niemand von ihr verlangen, daß fie Herrn Geßler und Herrn Scholz in ihre Arme schließt!

Eben wegen jener Taten war in der Fraktion eine starte Strömung dafür, gegen die Gesamtregierung ohne weiteres einen Mißtrauensantrag einzubringen. Ein solcher Mißtrauensantrag bedeutet im parlamentarischen Leben feine Zenjur und feine persönliche Unfreundlichkeit, sondern nur den Ausdruck des Willens, daß die Regierung in der bis­herigen Zusammenfeßung und Richtung nicht weiterregieren folle. Die Mehrheit aber beschloß, von einem Mißtrauens­antrag zunächst abzusehen und der Regierung den Gedanken eines freiwilligen Rücktritts nahezulegen.

Der Reichskanzler ist von dem Beschluß der Reichstags­frattion sofort verständigt worden. Es ist wohl anzunehmen, daß das Kabirett heute zu einer neuen Sigung zusammen: treten wird, deren Ergebnis auf das weitere Berhalten der fozialdemokratischen Reichstagsfraktion von starfem Einfluß sein wird.

Sollte die Regierung fich den Gründen der sozialdemo­fratischen Fraktion verschließen und nicht zurücktreten, so würde der Bersuch notwendig werden, durch eine Ab st i m- Abst im mung im Reichstag für die Neubildung der Regierung freie Bahn zu schaffen.

Im einzelnen ift fioch zu sagen, daß das Mißtrauen der Sozialdemokratie gegen Geßler durch wie immer geartete Erklärungen nicht mehr beseitigt oder be= fchwichtigt werden kann. Sollten sich die Parteien der Mitte mit der Sozialdemokratie über die notwendigen Reformen bei der Reichswehr einigen, so wird der Mann, der diese Reformen durchzuführen hat, noch zu finden sein. Bemerkenswert ist der Beschluß der Volkspartei, sich an Verhandlungen über die Große Koalition zu beteiligen. Jedermann wird zugeben, daß dieser Beschluß mit der Rede des Herrn Scholz in Insterburg und ihrer Billigung durch die volksparteiliche Reichstagsfraktion nicht recht in Ueberein­stimmung zu bringen ist. Solange teine andere Erklärung vorliegt, muß man annehmen, daß durch das Wiedereintreffen Stresemanns in Berlin ein Umschwung herbeigeführt worden ist. Nun muß aber Herr Stresemann unglücklicher­weise Berlin sehr bald wieder verlassen, um für sechs Wochen in Aegypten Erholung zu suchen. Daß es für die Sozialdemo­fratie ein ziemlicher Unterschied ist, ob sie mit Stresemann oder mit Scholz zu tun hat, wird man verstehen.

Auf eine Bertagung der Krise fann sich die Sozial­demokratie nach alledem nicht einlassen. Es muß über die

In Kreisen der bürgerlichen Mittelparteien nahm man vielfach an, daß die Sozialdemokratie fich mit den Erklärungen des Kanzlers zufrieden geben und der Regierung die Möglichkeit, über die Weih nachtsferien hinaus zu regieren, verschaffen würde. Man dachte also an eine recht undramatische Debatte ohne entscheidende Ab­ftimmungen.

Infolge des Beschlusses der sozialdemokratischen Reichstags­frattion stellt sich nun die Situation verändert dar. Zunächst wird die Fraktion dem Reichswehrminister Geßler ihr Mißtrauen be­funden. Das weitere hängt von den Beschlüssen des Kabinetts ab. Für die Sozialdemokratie wird Genosse Scheibemann das

Heute 12 Uhr mittags beginnt im Reichstag die dritte Lejung des Nachtragsetats und mit ihr die große politische Aussprache. Diese war, wie wir hören, von der Regierung so gedacht, daß der Reichstanzler Marg über die notwendigen Reformen bei der| Wort ergreifen.

Der Lohnkonflikt in der Textilindustrie

Morgen Verhandlungen vor dem Schlichter.

J. St. Chemnih, 15. Dezember.

Am Freitag werden in Dresden vor dem Schlichter die Ver­handlungen in der Textilindustrie von Mittel- und Bestfachsen be ginnen. Während der Deutsche Tertilarbeiterverband feine Lohntarife gefündigt hat, haben die Unternehmer 34 2ohntarife ge. fündigt, find also im Gegensatz zu dem Deutschen Tegtilarbeiter. verband bestrebt, dem Konflikt die größte Ausdehnung zu geben. Entgegen ihren sonstigen Behauptungen von der gewertschaftlichen Bleichmacherei, fint es also die Unternehmer, die über die einzelnen Branchen und Berufe hinweggehen und sie in einem großen Tarif zusammenfaffen wollen. Der Konflitt in der fächsischen Legtilindustrie beschränkt sich nicht nur auf West- und Mittelsachsen, wo 150 000 Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt sind, er greift auch auf die Unternehmer gleichfalls gefündigt haben, und hat sich weiterhin auch sächsisch thüringischen Fabriten über, deren Tarif die auf Ostfachfen, für das eine besondere Unternehmerorganisation besteht, ausgedehnt. Gegenwärtig herrscht in der sächsischen Textil industrie Hochtonjunttur. Das merken die Arbeiter vor allem weit über das Maß des Erträglichen und auch des Notwendigen

daran, daß die Ileberstunden, die gefordert und gemacht werden,

hinausgehen.

ist es den Kommunisten gelungen, die Organisation im Jahre 1923 In Chemniß zum Beispiel, das eine Hochburg der KPD. ist, zu zerschlagen. Bon 36 000 Mitgliedern, die damals der Deutsche Tertilarbeiterverband in Chemnitz hatte, ging die Organisation auf 3500 zurück. Erst jetzt geht es wieder ganz langsam aufwärts. Diese revolutionären Unorganisierten". die es ablehnen, ihre Beiträge zu leisten, werden durch ihre revolutionäre Einstellung nicht daran be­

hindert,

Ueberstunden bis zur Bewußtlosigkeit und auch Sonntagsarbeit zu verrichten. Die KPD. hat allerdings ein sehr einfaches Mittel an der Hand, um den Ar­beitern zu beweisen, daß sie eine Gewerkschaft nicht brauchen. Im sächsischen Landtag haben die Kommunisten beantragt, daß die Regierung die Unternehmer zwingen soll, die ge­forderten 15 Broz Lohnerhöhung zu zahlen, ein

Pariser Friedensforgen.

Ernste Konfliktsgefahr mit Italie.. Paris, 15. Dezember .( Eigener Drahtbericht.) 3n den Wandelgängen der kammer beschäftigte man sich am Mittwoch trotz der beruhigenden offiziellen Erklärungen über die Cage lebhaft mit den Ereignissen an der franko- italienischen Grenze. Die starten Truppenverstärkungen, die man besonders franzöfifcherseits nach dem Süden schickt, scheinen zu be­weisen, daß die konfliktsgefahr mit Italien unverändert fortbesteht. Dem Paris Midi zufolge find in fast allen franzöfi­fchen Garnisonen die Urlaubsettellungen eingestellt wor­den Zahlreiche, aus Maroffo herübergezogene Truppenteile mit Tanks und Artillerle sind nach dem Alpengebiet abgegangen. Eben­fo find zahlreiche Flugzeuggeschwader im Süden zufammengezogen und vor Cannes soll eine starte Abteilung der franzöfifchen Mi.tel­meerflotte, befonders U- Boote und Torpedoboole, in Alarmbereit. schaft vor Anter liegen.

sehr einfaches Mittel, das sich sehr schön ausnimmt für naive Leute, das den Kommunisten nichts foftet und den Unternehmern nicht meh tut. Freilich, so schlimm, wie es in Chemniß war und zum Teil heute leider noch ist, ist es im übrigen Sachsen lange nicht. Da haben die tommunistischen Zerstörer der Organisation es nicht vermocht, die Arbeiter zur Einstellung der Zahlung der Beiträge und zum Austritt aus der Organisation zu bewegen. Dort war es möglich, die Tarife zu halten und die Unternehmer zu zwingen, wenn auch un genügende, fo doch Lohntarife einzuhalten. Wenn man hinauffährt ins Erzgebirge, dann findet man dort Dörfer, deren feier­licher Charakter fo gut wie ganz verlorengegangen ist, da überall die Textilindustrie herrscht. Ganz besonders ist es hier im Erzgebirge die Strumpfwirterei wie auch die Trifotagenfabrikation.

In Thalheim, einem Ort von etwa 8500 Einwohnern, das eine gute Bahnstunde hinter Chemnitz im Erzgebirge liegt, ist ein Hauptzentrum der Strumpfwirterei. Hier werden nicht meniger als 6000 Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt, zum größten Teil in den Fabriken, deren es über 60 gibt, zum geringe­

ren Tet! in Heimarbeit. Während hier die Verhältnisse noch durch­aus geregelt und erträglich sind, sieht es anders aus, wenn man weiter hinauffährt ins Erzgebirge, wo die Posamenten­arbeit. Die Löhne, die dort gezahlt werden, sind wahre Hunger­industrie daheim ist. Hier herrscht vor allen Dingen die Heim= löhne. Bei 12- und 14ftündiger Arbeitszeit, und zwar bei einer Arbeit, die sehr anstrengend ist und die ganze Aufmerksamkeit der Arbeitenden in Anspruch nimmt, verdienen diese Arbeiterinnen die Woche doch nur 14 bis 15 Mt. Noch schlimmer ist es im Dels­nizer Steinkohlenrevier. Infolge der ungenügenden Löhne der Bergarbeiter sind deren Frauen gezwungen, noch nebenher Arbeiten zu verrichten, und zwar machen sie die sogenannten Ver­edelungsarbeiten der Strümpfe, die hier in Chemniz, Thalheim usw. erzeugt werden, die Handstickereien, die an den seidenen Strümpfen angebracht sind. Für diese Handarbeit, die außerordentlich an strengend für die Augen ist, verdienen die Frauen bei einer jpzu­fagen unbeschränkten Arbeitszeit

nicht mehr als 5, 6 und 7 Mart die Woche. Es ist dort der Organisation bisher auch nicht mög­lich gewesen, einzudringen, die Arbeiterinnen zu organisieren und ne Kontrolle über die Heimarbeit auszuüben.

In den eigentlichen großen Textilrevieren, wie hier zum Bei­spiel in dem sächsischen Manchester Chemniz und in den großen Industrieorten im Erzgebirge sind die Verhältnisse allerdings bei weitem nicht so ernst. Die Löhne sind tariflich festgelegt und wenn sie auch ungenügend und teilweise geradezu Hungerlöhne find, so find die Verhältnisse doch nicht so entseglich, wie in den cben geschilderten Gegenden. In Chemniß, wie überhaupt in der sächsischen Textilindustrie, schwanken die Löhne zwischen 29% und 38 Pf. die Stunde für die sogenannten Hilfsarbeite rinnen, die aber feineswegs ungelernte Arbeiterinnen sind, fondern Nebenarbeiten mu Ketten usw. zu verrichten haben und nicht an der Wirtmaschine stehen. Die Löhne der sp genannten hilfsarbeiter schwanken zwischen 46 und 50 Bf. pro Stunde. Das ist in Klasse I; in den Landorten, wo die Lebensa verhältnisse feineswegs billiger sind als in der Stadt, find diese Löhne um 5 Prozent niedriger. Die Attordarbeiter, die an