Nr. 204.
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Vorwärts
12. Jahrg.
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ment auf den
„ Vorwärts"
mit der illustrirten Sonntags- Beilage
Die Neue Welt".
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Sonntag, den 1. September 1895.
Bedan und kein Ende!
Ein Schlachtfest! Was geht uns das an? An sich nichts und wenn's auch zur 25. Wiederkehr des Schlacht tages gefeiert wird mit Paufen und Trompeten, mit Böllern und Kartaunen, mit tiefem Trunk und ungeheuerem Jammer hinterher.
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die Gier
Deutschland wie in anderen Ländern, denen gar nichts daran liegt, daß ein dauernder Frieden zunächst zwischen Deutschland und Frankreich gesichert wird. Mit ihren wahren Meinungen rücken sie nie heraus, die Friedensliebe führen sie auf den Lippen und die Kriegsgier tragen sie und nach Orden im Herzen, Ehrenstellen und nach sogenanntem Kriegsruhm, der sich Ehrenstellen ausprägen läßt. nicht in Orden und Die bieten alles auf, daß die Schlachtfeste nicht aussterben, die dazu dienen, die Hoffnungen ihres Ehrgeizes zu speisen; nicht wollen sie es dulden, daß diese lärmenden Auffrischungen der Kriegsauswüchse außer Brauch kommen. Ob denn aber die übrigen Theilnehmer an den Fest lichkeiten gar nicht empfinden, daß ihre Friedensliebe als Heuchelei sich offenbart, wenn sie Schlachten feiern? Ist es ihnen in nüchternen Augenblicken nie vor die Seele getreten, welch ungeheueres Unglück für ein Volt ein Krieg ist, auch ein fiegreicher Krieg
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An sich geht's uns nichts an. Wir nehmen nicht daran theil. Aber der Sedanrummel interessirt uns doch als Beobachtungsobjekt, als symptomatischer Vorgang aus dem Die Weltlage ist so bewegt, daß sie mehr und mehr stets lahmer sich dahinschleppenden Triumphzug des Milidas Interesse jedes denkenden Menschen in Anspruch tarismus, in dem die schneidig aufgepußte Bourgeoisie nehmen muß. Die Umsturzvorlage ist zwar gefallen, allein felbftgefällig, aber wenig erhebend für die Zuschauer eine der Umsturz von oben wird eifrigst fortgesetzt. Prunkrolle spielt, wie- doch wir wollen das Beispiel nicht weiter durchführen. Namentlich richten die Anstrengungen der reaktionären Die Verherrlichung St. Sedans das ist so recht Parteien sich gegen das allgemeine Wahlrecht ein fnatternder und knallender Beweis für die Heuchelei und das gleiche Recht der proletarischen und besitzenden unserer modernen Kultur, die sich auf ihren gleichzeitig Die Blüthe der männlichen Jugend wird wahlchristlichen und" humanistischen" Ursprung etwas zu gute Staatsbürger. Das deutsche Volk, die deutsche Arbeiterklasse thut und dabei barbarische Jubelfeste anrichtet, um blutige los dahingerafft, und schleichendes Siechthum, häufig soll politisch entrechtet werden. Und der Kampf Siege über ihre Mitchriften und Mitmenschen zu feiern, die unheilbares, bringen Hunderttausend mit heim, die dem um das allgemeine Wahlrecht, um die Rechte des Volkes Gebete lallt zum Gott des Friedens und dabei die Gier Würgengel entgangen sind, der in offener Schlacht mit dem muß vor allem in der Presse geführt werden. Die nach neuen Ruhmesthaten in Bethätigung der Menschen- Schwerte schlägt. Welcher Jammer wird hineingetragen in Presse ist die mächtigste Waffe des Volkes abschlachtungskunst im Herzen birgt. Was sagen wir: im zahllose Familien! Wie mancher Nachwuchs geht zu Grunde, Herzen birgt? nein, hinausschreit in alle Welt, wenn weil ihm der Ernährer fehlt, den unsere kapitalistische und diese Waffe zu stärken, ist Pflicht des Volkes. der Alkohol ihr die Zunge gelöst hat. Gesellschaftsordnung bedingt, und doch fühllos der Familie Wir fordern die Genossen auf, nach Kräften für die Wenn die Theilnehmer an einer Echlacht unter sich in raubt, um ihn als Kanonenfutter ruhmvoller" zu vers Verbreitung des Vorwärts" thätig zu sein. stiller Feier der gemeinsam überstandenen Gefahren, der werthen. Wir wollen nicht hier abermals die Frage aufrollen, gefallenen Kameraden gedenken, so ist das begreiflich. Wir würden niemals dagegen Emspruch erheben. Es könnte wer die Schuld an dem Kriege trägt, ob er sich nicht hätte iemand an einer solchen Feier theilnehmen, der den Krieg vermeiden lassen, wenn durch deutsche Diplomatenkunst die verabscheut und alles aufbietet, ihn für die Zukunft un- Chamade nicht in eine Fanfare umgeändert worden wäre. möglich zu machen. Er könnte daran theilnehmen, ohne fich Ob jenes die Schuld ob weffen, wer möchte bestreiten, und seinen Grundsätzen etwas zu vergeben, vorausgesetzt daß daß ein schweres Unglück der Krieg war für beide Völker! einbußt. Es war ein schöner alter Brauch unserer Vorfahren, den der Volkssage das Herengold; nur Staub und Aſche ließ die Feier den würdigen Charakter eines Todtenfestes nicht Selbst der Milliardenregen zerrann fruchtlos wie in Becher zu erheben, um„ die Minne zu trinken", die Minne, er zurück in unserem Volksleben: das habgierige Brozendas heißt das Andenken an die Todten. thum , das mit der Gründerära in Blüthe ging und dessen Aber nicht der Todtenminne, nicht dem Andenken an eingewurzelte Wucherpflanze stinkend und faulend unsere die Opfer jenes furchtbaren Krieges gilt es den Theil- Gesellschaftsluft verpestet. nehmern am Sedanstaumel, der Sieg ist es, den sie feiern, Berauscht von dem Schwindel Aufschwung der der Sieg über ein Nachbarvolt, ein Sieg mit Hunderttausenden Gründerära schloß das deutsche Bürgerthum seinen unvon Opfern auf unserer Seite erkauft, mit Hunderttausenden würdigen Pakt mit dem Militarismus. Für die ervon Opfern auf jener Seite gewürzt. Eine Feier, die so weiterten Bereicherungsmöglichkeiten und für Treffen, begangen wird, in diesem Geiste der Siegesfreude, reißt Troddeln und Titeln verschacherte es seine politische Selbstalle Jahre von neuem die schwer vernarbenden Wunden unseres Nachbarvolkes auf, säet stets neue Erbitterung in die Herzen der Besiegten, bläst die glimmende Gluth des Revanchefiebers jenseits der Vogesen zu neuem Geflacker auf und schiebt wieder in unabsehbare Ferne hinaus die Hoff nung auf Herstellung eines dauernden Friedens für Europas
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Nach Beendigung unseres gegenwärtigen Feuilletons: der Skizzen aus dem südamerikanischen Hinterlande", die ebenso spannend als belehrend sind, werden wir mit dem Abdrucke des in der Gegen wart spielenden, hochinteressanten Romans:" Der Ver rückte" beginnen, welcher die Vernichtung eines hoffnungsvollen Menschenlebens durch kirchlichen Fanatis mus darstellt und ähnliche Zustände beleuchtet, wie sie jüngst durch einen sensationellen Prozeß aufgedeckt worden sind.
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Redaktion und Expedition des„ Vorwärts".
Völker.
Aber da giebt es leider so unterschiedliche Gesellen in würde uns schrecklich leid thun...... Im übrigen meine ich,
Bur Illumination am ,, St.Sedan". daß jetzt der 46. Psalm 3) recht für Sie paßt."
Einige tönigstreue Leuchtkerzen aus dem tonservativen Lager, gespendet und angezündet von Lucifer.
ständigkeit und hätte die politische Zukunft des gesammten Volkes verschachert, wenn es die Verfügung darüber gehabt hätte. Aber was das Bürgerthum feige und schachernd brangegeben, den Kampf für Volksfreiheit und Voltswohl, hat das Proletariat aufgenommen, es hat ihn aufgenommen unter doppelt schwierigen Umständen, denn es hat nicht nur Militarismus und Bureaukratismus, nicht nur die Junkers schaft gegen sich, wie das Bürgerthum in seiner besseren Zeit,
Aus dem 123. Brief.. an Freiherrn v. H. Wenden Sie sich, da Herr v. d. Red frank ist, an Superintendent Bolkening Aus dem 122. Brief... an Frhrn. v. H... 3. Dez. 89... in Holzhausen, Kreis Lübbecke ... Es ist derjenige, der in WirkDie Gütersloher sind ausgemachte Dickköpfe; da heißt's: lichkeit alles zurecht bringt. Aber Dr. Kropats check werden ,, den Katholiken nicht den kleinen Finger reichen, aber wenn Sie hier zu Lande schwerlich anbringen, was mir aufdiese Bedingung erfüllt ist, mit Hammerstein selbst gegen richtig leid thut. Er hat sich die ganze bei uns auf dem Aus dem 115. Brief:)... An Freiherrn v. Hammerstein die Wünsche des Königs, wenn's sein muß, durch Dick Lande fast überall tonservative Lehrerwelt zum Feinde ..., 16. Auguft 1889... Zu Ihrem glorreichen Sieg über und Dünn!" Das ist die Art der Münsterländischen Rasse. gemacht. Einer Einer von Ihnen beiden, entweder Sie oder die Wilhelm firaße,...., meine beste Gratulation... Die Ravensberger find weicher, bei ihnen liegt's um- Kropatscheck, muß als Sündenbock gelten und da ist's besser, Ich weiß, daß die Nationalmiferabeln und schwache Halbkonservative gekehrt. Sie würden ohne große Bedenken mit den Katholifen der lettere, der es ja doch auch in Wirklichkeit ist... Wünschen den freikonservativen Regierungspräsidenten v. Pilgrima) in unterhandeln, aber nicht leicht gegen den König Sie, daß Rauchhaupt wiedergewählt wird? Minden ins Auge gefaßt haben. Daraus darf nichts werden. Davon gehen.... Wir machen uns auf eine Regierungskandidatur Aus dem 124. Brief... 8. Januar 1890... Infolge dieser wird Exzellenz Windthorst auch überzeugt sein. Auch ist den Kartell- Ihnen gegenüber gefaßt und da muß man denn doch auf den Ab- Dinge begab ich mich heute Abend zu dem Geheimrath Hinz. menschen eine Demüthigung in Bielefeld ganz gesund, besonders fall der Schwachen sich gefaßt machen.... Wollen Sie nicht in peter. Das Resultat einer einstündigen Unterredung ist das wenn sie so ganz unverhofft kommt. Minden an Bock's Stelle einen tüchtigen Mann einschieben? folgende: 1. daß Seine Majestät der Kaiser über die Auf
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., 12. Ottober. Die jetzt in der Politik herrschende Gtwa Stöcker, der ja wohl doch in Siegen wackelig steht, ftellung Ihrer Kandidatur empört sei, sie als Bubenstreich 12. Oktober. Die jetzt in der Politik herrschende oder, wie wär's mit Engel?-? Theilen Sie doch Delius bezeichnet habe, bezeichnet Hinz peter als aus der Luft Richtung muß doch einmal abwirthschaften. Ich halte es für( Geh. Rath, früher Reichstags- Abgeordneter von Bielefeld . 2.) gegriffen mit dem Bemerken, daß dieses ja ein Att despotischer höchst glücklich, daß dann klar am Tage liegen wird: 1. daß wir selbst mit, daß das Wahlkomitee Sie einstimmig aufgestellt Willtür sein würde. 2...... 3. dagegen sei die Sachlage die Klügeren gewesen sind, 2. daß wir als abgestrafte Warner hat... Er hat nach oben blickend Angst; den Ruf, ein folgende: Es sei ein wunder Punkt bei seiner Majestät, rein sind an dem Banquerott...... Aber eine Sorge habe Deklarant) zu sein, scheut er gewaltig ich mit andern. Haben Sie auch durch das Kuratorium der " Kreuz- Zeitung " in Ihrer Stellung nichts zu fürchten? Das
1) Wir haben uns bei der fragmentarischen Beröffentlichung dieses Theiles des Hammerstein'schen Briefwechsels vorläufig auf die nachfolgenden Auszüge beschränkt, welche geeignet sind, sowohl die bis in die Knochen tönigstreuen" Brief= schreiber in ihrer nackten Gestalt hervortreten zu lassen, als einen wichtigen Beitrag zur wahren Geschichte der„ kleinen aber mäch tigen Partei" zu bilden.
2) Bekanntlich ließ sich statt v. P. der Landrath v. Dit furth gegen Frhrn. v. Hammerstein zur Reichstagswahl 1890 aufstellen, bei der aber Singer mit Landgerichtsrath vers in die Stichwahl kam.
deffen fortwährende Berührung den Kaiser auf das äußerste reize, daß ein Gegensatz zwischen ihm und dem Reichskanzler 3) Jm 46. Psalm heißt es: Gott ist unsere Zuversicht und statuirt und die Sache so dargestellt werde, als könne der Kaiser Stärte, eine Hilfe in großen Nöthen, die uns getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht, wenn gleich die Welt unterginge, nicht so, wie er wolle. Auf grund eigener Beobachtungen habe und die Berge mitten ins Meer sänken. Die Heiden müssen ver- nun der Kaiser den Eindruck gewonnen, daß die Aufstellung Ihrer Kandidatur in diesem Ihnen an und für sich fern stehenzagen und die Königreiche fallen. 4) Deklaranten hießen eine Anzahl streng konservativer Männer, die durch eine Erklärung in der Kreuz- Zeitung " gegen schaft wurde erst später durch Vermittlung der Grafen MirBismard's Aeußerung proteſtirten, die er am 9. Febr. 1876 bach und Herbert Bismard allmålig beigelegt. Die im Reichstage gethan batte, daß sich jeder, der die ,, Kreuz- Zeitung " Kreuz- 3tg." und ihre Hintermänner wurden aber trotz ihrer halte, indirekt an den Verleumdungen betheilige, die diese im Sommer angeblich königstreuen und streng- konservativen Haltung wieder1875 gegen die höchsten Beamten des Reichs gerichtet habe. Bekannt bolt noch in jüngster Zeit von dem Hof nahesehender Seite lich hatte die ,, Kreuz- 3tg." Bismard, Camphausen und Delbrück scharf angegriffen, so daß der Kaiser Wilhelm II. schließlich das Betheiligung an Gründerspekulationen vorgeworfen. Die Feind- Blatt auf seinen Schlössern zu halten verbot.