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7. Seilage öes vorwärts

Vonnerstag, 23. Dezember 1026

Ein unmöglicher Umsteigebahnhof.

Morgens zirka HS Uhr auf dem Hochbahnhos Halle- s ch e s Tor. Der Bahnsteig Richtung Warschauer Brücke hat sich trotz des 2 H-Minuten-Verkehrs schnell wieder gefüllt. Ein Zug fährt ein. Noch ehe er hält, springen aus den längst geöffneten Türen die, die es immer eilig haben(sie stehen immer fünf Minuten zu spät auf) und die den Betrieb hier kennen, sie schlängeln sich mit einer Gewandtheit, die lange Uebung erkennen läßt, zur Treppe. Eehr sanft sind die Püffe nicht, die sie erwischen und wehe, wenn irgend jemand die Regel durchbricht und nicht rechts geht..Rechts gehen, zum Donnerwetter!"' erscheint dann noch als ziemlich höfticher Zuruf. Im Umsehen ist dann der schmale Bahnsteig von einer sich drängenden und schiebenden Menschenmenge bedeckt. Nachzügler, die den Zug noch zu erreichen versuchen, schwimmen vergebens gegen den Strom. Sie können froh sein, am Treppengeländer festge- klammert, nicht mitgerissen zu werden. Und kaum hat sich die schmale Treppe entleert, donnert ein neuer Zug in die Halle. Noch schlimmer wird es beim Ausgang und dem Zugang zur Nordsüdbahn. Ein ununterbrochener Strom von Menschen hastet von der Nordsüd- bahn aus Richtung Kreuzberg , Neukölln oder Seestraße kommend die Treppen zur Hochbahn hinauf. Wenn es der Zufall will, daß gleichzeitig mit dem von Gleisdreieck kommenden Zug ein anderer aus Osten in den Hochbahnhos einläuft, entsteht«in wahr- Haft beängstigendes Gedränge. Man hat jedenfalls da» Gefühl: jetzt

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ist die Höchstbelastungsgrenze der Treppen erreicht, jetzt kann im buchstäblichsten Sinne.kein Apfel mehr zur Erde fallen" und wundert sich, daß trotzdem die Massen im Fluß bleiben und sich nicht einfach zu einem unentwirrbaren Knäuel stauen. Das ist freilich der bewunderungswürdigen Disziplin des Hochbahn - fahrenden Publikums zu verdanken. Ohne Schupo, ohne Verkehrs- regelung geht alle» seinen Gang, wenn auch longsam und mit«inigen

nervösen Ausbrüchen. Was den Bahnhof Hallesches Tor aber besonders zu einer Plage de» Publikums macht, sind die hohen Treppen, die beide Bahnhöfe miteinander verbinden. Mige- sehen von der Länge de» Ganges find SS Swfen zu steigen, um von der Nordsüdbahu zur Hochbahn zu kommen. Das ist für den Normolmenschen schon ein« anständige Leistung, wenn er in der Berliner verkehrshetz« zwischendurch noch die Höhe eine» vier- stöckigen Hauses erklimmen mutz. Für Herzkranke und Schwächliche ist dieser llmsteigebahnhos direkt eine Katastrophe. Die letzt« Berkehrszählung wird der Hochbahngesellschaft gezeigt haben, daß die Umsteigetreppen teine halb« Sekunde leer sind. Also her mit der Rolltreppe! Bei der letzten Verkehrszählung hat die Hochbahngesellschaft m dem Derbindungsgang besondere Zähl» schalter aufgestellt. Es mußte sich also genau feststellen lasten, wie- viel Personen die Treppen täglich benutzt hoben. Zum Nammutfunü in Neukölln . Der kürzlich beim Bau der Untergrundbahn am Hermannplatz in Neukölln aufgefundene Backenzahn eine» Mammuts, der von beträchtluher Größe ist, läßt wieder einmal blitzartig einen Einblick tun in jene erdgeschichtlich ferne Zeit, in der das Mammut hier lebt«. Gerade Neukölln hat uns schon manchen wertvollen Fund aus jenen längst entschwundenen Tagen beschert. In den Kiesgruben, die sich in der letzten Hälfte de» vergangenen Jahrhunderts an den ehemaligen Rollbergen hin- zogen, wurden vielfach Zähne und Knochen jetzt ausgestorbener Tier« gefunden, unter anderem auch vom Mammut. Die Schichten oberhalb und unterhalb der Kieslager bestehen aus Ablagerungen, die von der Eiszeit hinterlasten wurden. Die Kieslager müsten in einer Zeit entstanden sein, in der das Land

eisfrei war; sie gehören einer Zwischeneiszeit an. Di« zwischen«»- zeitlichen Funde von Neukölln , das bekanntlich bis llll? Rixdorf hieß, haben wertvollen Erkcnntnisstoff für den erdgeschichtlichen Auf- bau der Heimat geliefert. Der.Rixdorfer Horizont", wie die!« Schichten in der Wistenschoft genannt werden, hat gut« Aufschlüsse über das Aussehen der Heimat in jenen Urwelttogen gegeben. Au» den vielen Funden, die auch an anderen Orten gemacht wurden, ist man über die Gestalt des Mammuts sehr gut unterrichtet. In dem dauernd gefrorenen Boden Sibiriens , den Tundrensümpfen, wurden Kadaver des Mammuts von der Eiszeit her aufgefunden. Sie waren noch mit dem Fell bekleidet, und das Fleisch war so gut erhalten, daß die Hunde der Forschungsexpedition mit Wohlbehagen über dieses ältesteGefrierfleisch" der Erde herfielen. Teil- weise hatten diese Tiere sogar noch unverdaute Pflanzennahrung im Magen. Diese Pflanzen gaben wertvollen Aufschluß über das eis- zeitliche Pflanzenleben. Das Mammut war etwa Meter hoch und mit einem duntelrotbraunen Haarkleid versehen. durch das es als Bewohner kalter Gebiete gekennzeichnet ist. Es hatte die größte Aehnlichkeit mit dem jetzt lebenden indischen Elefanten. Die Ohren waren kleiner, der Schwanz kürzer, ober an der Wurzel dicker. Die gewalligen Stoßzähne waren spiralartitz ge­bogen. Sie gingen erst nach auswärts, dann nach innen und zeigten mit den Spitzen einwärts, rückwärts und aufwärts. Eine natur- wahre Nachbildung des Mammuts im verkleinerten Maßstab befindet sich im Märkischen Museum. Andere Fund- stellen tierischer Ueberreste aus der Zwischeneiszeit find in der Berliner Umgebung besonders in den Kiesgruben an den Müggelbergen und in den Ziegelei gruben des Hovellands(Phöben, Ketzin ). An dem Hause Molken- markt 12/13 in Berlin befindet sich«in Schulterblatt und ein Stoß- zahn vom Mammut, die man in früherer Zeit hier ausgegraben hat. Nach dem Dolksmunde sollen es Schulterblatt und Rippe eines Riesen " sein. Das Haus aber heißt heute nochdie Rippe".

vom Schicksal verfolgt. Krankheit Not Kokain. Die Kokainseuch« nimmt trotz energischer Bekämpfung nicht ad. Di« Großstadt kennt tausend Schlupfwinkel. Aus unzähligen ge- Heimen Wegen findet das weiße Gift den Weg zu seinen Unglück- lichen Derbrauchern. Die Großhändler verstehen es meist, sich den Zugriffen der Polizei zu entziehen. Dafür fallen ihr die kleinen Vermittler um so eher in die Hände; in der Regel sind diese Händler auch selbst Kokainisten. Die wenigen Monate Gefängnis, die sie erhalten, bringen ihnen keine Heilung: besondere Entziehung»- an st alten für Kokainisten, in denen sie bei nutzbringender Be- schäftigung sich solange aufzuhalten gezwungen wären, als es nötig stt. um sie vom Gift zu entwöhnen, gibt es nicht. In die Irren- o»stalten zu gehen, scheuen sie sich. So kämpft im Richter das Bewußtsein von der Nutzlosigkeit der Gefängnisstrafe für den Kokainisten mit dem Glauben, durch harte Maßregelung aus die Kokainhändler abschreckend wirken zu können. Die großen Kokain- Ichieber lachen sich aber ins Fäustchen. Das Schicksal des Kellners N. ist für den Lebenslauf eines Kokainhändlers typisch. Der Kriez hat ihn unversehrt gelösten trotz zweier Verschüttungen und zweier Verwundungen. Als er aber später in Hannover in einer Kessel- schmiede arbeitete, fiel er vom Gerüst und zog sich einen Schädel- und Nosenbeinbruch zu, die sein Gesicht verunstalteten. Trotz- dem heiratete ihn seine Braut. Im Krookenhaus gewöhnte man ihn an Narkotika. In Berlin arbeitete it dann als Kellner. Der Versuch, einen falschen Sl)-Dollar-Schein loszuschlagen ein Gast hatte ihm den Schein untergeschoben, und er wollt« den Verlust nicht tragen brachte ihm ein Jahr Gefängnis ein. Während seiner Haft wurde seine Frau von Einbrechern völlig ausgeplündert. Nun standen beide vor dem Nichts. Da fanden sein« neuen Gefängniskollegen bei ihm«in williges Ohr, und«in neuer Diebstahl führt« ihn wieder ins Gefängnis. Nun war er physisch und seelisch ge- brachen, nur das Kokainschnupfen bracht« ihm Ruhe. Um sich materiell über Master zu halten, versorgte er in gewissen Lokalen die Kokser mit dem welßen Gift. Cr ließ es sich immer wieder von Aerzten zum eigenen Gebrauch verschreiben. Trotzdem versucht- er, von seiner Kokainsucht loszukommen; er konsultierte auch eine» Facharzt, und als dieser ihm wieder Kokain verschrieb, hatte«x nichts Eiligeres zu tun. als es wie gewöhnlich in den Handel zu bringen. Die Polizei war aber schon fest langem hinter ihm her.

vie Wunöer öer Klara van Haag.

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Vau Johannes Vuchholtz.

Aus dem Dänischen übersetzt von Erwin Magnus . Die Augen der Mutter folgen feinen Händen; sie ant- wortet nervös:Von wem? Von niemand. Es kam ja mit der Post vom Minister selbst, oder von der Bahn ach Gott, du Aermster, jetzt Hab ich dein Essen nicht gewärmt aber dort liegt der Umschlag, da kannst du selbst sehen, wo es herkommt. Ging es dir gut in der Arithmetik. Ema- nuelchen?" Jetzt verstand Emanuel plötzlich: das äußerte sich gerade- zu als ein stechender, körperlicher Schmerz in seinem Gehirn. Ach, so, haha. Das war also das Geld für das Haus. Die Abtretung an die Eisenbahn war in aller Stille geordnet. Die Examenarbeit hatte ihn von allem ferngehalten. Die Eltern axvren in dieser Sache auch geheimnisvoller als je gewesen. Und jetzt war es also geschehen. Wie merkwürdig: Früher hatte er Interesse für die Verlegung des Bahnhofs gehabt, aber das unendliche Hin- und Hergerede hatten ihn schlaff gemacht. , Rührt euch nicht vom Fleck," sagte der Vater plötzlich. Es ist durcheinander geraten. Warum bist du auch nicht drinnen geblieben, wie ich sagte, jetzt sind es zwanzig Kronen zuviel geworden." Emanuel kam zu sich: ,L>ie werde ich wohl verloren haben." lachte er. Es ist gar nicht zuviel," sagte die Mutter,wir haben es vorhin gezählt, als du es hinlegtest. Laß mich einmal." Nein, nein, ich will selbst!" Er begann die Augen ruckweise von Schein zu Schein gleiten zu lassen, während die Lippen flüsterten, daß das Ergebnis sicher schlechter als vorhin würde: er fagte ganz verzweifelt:, Ihr könnt wohl sehen, daß hier vierzehn Reihen zu je stebenunddreißig siegen. Das macht" er sah auf «inen ZettelFünftausettd einhundertundachtzig. Merkt euch die Zahl. Wie sagte ich? Gut. Dazu der Fünfhundert- kroncnschein. Wartet ein wenig. Laßt uns sehen, ob er echt ist. Nun. das macht wieviel hatten wir vorhin?" ..Das macht zusammen Fünftausendsechshundertund- ���Rein, es muß mehr fem Nt«. vielleicht hast du Recht.

Fünftausendsechshundertundachtzig und hier hinter mir liegen einhundertvierunddrcißig Zehner. Also, zwanzig Kronen zu viel. Jeder Zweifel ausgeschlossen. Die müssen gleich zurück geschickt werden!" Die Bahn fft ja so reich, so reich." sagte die Mutter. Du meinst, wir sollten es lieber Gott opfern keine schlechte Idee" Halt, halt," sagte Emanuel, ,cha fehlt einer m dieser Reihe und einer in der!" Es zeigte sich, daß es dort war, wo die Klavierfüße den Platz einnahmen. Die Scheine wurden nun zu je hundert gebündelt. Die Mutter und Emanuel saßen auf dem Fußboden und sahen zu. Der Vater war der Meinung, daß die geringste Bewegung einen Wind verursachen würde, der ungeahnte Summen hui für immer wegwirbeln könnte. Erst, als er sie fest verschnürt hatte, atmete er erleichtert auf und wurde gemütlich Kommt, hebt mich auf. Ach, Holl schnell die Küchemvage. Wir müssen wissen, was es wiegt. Der Teufel soll den Fünf. hunbertkronenschein holen, dadurch wiegt es ja weniger." Schade, daß es nicht lauter Cinörestücke sind." meinte Emanuel. Siebenhunderttausend. Ja. Rein, wenn es richtig zu- Singe, müßte man es in Gold haben, in Goldbarren. Dann rauchte man nur jedes Jahr ein bißchen abzubeißen! Aber Schein« gehen auch an. Weißt du. daß dreißig Zehner fort- laufend numeriert waren. Dreißig Glieder aus der Kette des Reichtums, die die Erde zusammenhält, sind in meinem Besitz!" Sie saßen gemütlich beisammen und besprachen sich. Emanuel mit ungewöhnlichem Appetit. Die Mutter ging immer wieder in die Küche. Gerade vor Egholm auf der Eck» des Klaviers lag das Geldpaket mtt der Schnur darum. Sie lachten und hatten unglaubliche Einfälle, alle das Geld be- treffend. Es war, als wäre das ganze Haus vollgepropft mit Geld in allen möglichen Formen und Werten. Aber hörten sie da nicht ein leises Klopfen? Sie sahen, daß die Tür Plötz- sich aufging, daß Frau van Haag sich wie eine Offenbarung zeigte. Egholm zog mit einem Ruck an der Schnur, und das Geldbündel hüpitze wie ein kleines Hündchen vom Klavier unter seinen Stuhl. . Egholm und sein feiner Sohn sitzen je wie versteinert da. Sehe ich»irklich jo gefährlich au»?" sagte Frau»au Haag.

Nein, nein, keineswegs," sagte Egholm,aber ich glaubt«, meine Frau hätte die Tür verschlossen." Ja, darum war ich. auck gezwungen, auf die Gartenbank zu klettern und durchs Fenster zu steigen." Da mußte Egholm wieder lacken, denn es war doch ein schrecklich prächtiger Gedanke, daß die feinste, herrlichste Frau der Welt durch ein Fenster zu ihm hereingekrochen kam. Er wollt« etwas recht Luftiges sagen, da er aber im Augenblick nichts herausbringen konnte, trat er vor den Stuhl, auf den Frau van Haag sich gesetzt hatte, und begann die Schnur auf- zubinden, daß das Siebentaufendkronenbündchen über den Fußboden gezuckelt kam. Schließlich hißt« er es hoch und lotst« es unter vielen Tanzschritten und Flügelschlägen in den Schoß der Gnädigen. Es folgte ein verwundertes Fragen, gefolgt von schnelle»» Antworten, siegreich wie Hurrageschrei. Wir sind glücküch." sagte die Gnädige, als sie aufstand. Sie erhob sich mit Tränen in den Augen und schlang ihren seidengekleideten Arm um seine verblichenen Schultern. Die Gnädige verlangte, daß das Geld aufgeschnürt würde. Egholm tat es. Jetzt fürchtete er nicht im geringsten mehr Zugwind oder andere Katastrophen. .La," sagte Frau van Haag und blätterte hin und her. Ja, das ist Geld, richtiges Geld. Herrlich viel Geld." Sie haben mehr Geld als dieses gesehen. Im Geld- schrank Ihres Daters lagen die Rollen so hoch vom Boden!" Die Gnädige schüttelte den Kopf.Hm nein, das waren nichts als Attrappen. Wie lange reicht« es, als der Zoll aufgehoben wurde. Nein, Geld muß dort sein, wo Rauni dafür ist. Ich meine, wo«s nichts im voraus gibt. Bei Ihnen, Egholm." Wir sind uns außerordentlich einig." sagt« Egholm mit einem Kratzfuß,aber wo soll ich den Schatz heute Nacht aus, bewahren?" In der Bank wohl--" Nein. Egholm hatte keinen Glauben an s» etwas. Er wollte es selbst verwahren. Den lieben Gott würde es auch nicht gefallen, wenn man sich so gut sichert«, daß er nicht mit Finger daran kommen konnte, wenn er es wünschte. Beryrab es vnter dem Kirschbaum." schlug Emanuel vor. Die Gnädige ging völlig in diesem romantischen verstecken auf. Wenn Sie es nun mit ins Bett nähmen?" Da» ist wirklich«in« Idee!" »Sa,«a unter,«opfklsse» legt»»."(Fwrtfetzung so 31.)

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