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Nr. 60743. Jahrg. Ausgabe A nr. 309

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297.

Sonnabend, den 25. Dezember 1926

Haftentlassung in Landau .

Einstimmiger Beschluß des Pariser Ministerrats: Begnadigung. He aus Koblenz vom Reichskommissariat für die be­fetzten Gebiete gemeldet wird, sind die beiden nach dem Can­dauer Kriegsgerichtsurteil in Haft behaltenen Deutschen ,& e- gelund Fechter, ohne Kaution aus der Haft entlassen worden, nachdem der franzöfifche Ministerrat gestern mittag dem Präsidenten Dommergue die Begnadigung der sechs Berurteilten einstimmig empfohlen hatte.

Friedensliebe und Rechtsgefühl find un­trennbar miteinander verbunden. Deshalb war das un­erhörte Urteil des Landauer Kriegsgerichts ein schwerer Schlag vor allem für die Freunde der deutsch- französischen Annähe rung. An der vorlauten Entrüstung der deutschnationalen Feinde der Verständigungspolitif merkte man nur allzu deut lich ihre heimliche Freude über den Schaden, den dieser Fehl­Spruch der Sache des Friedens zugefügt hatte. Der Hugen bergfche Tag" verriet diese schmutzige, vor allem inner politische Spekulation durch den zynischen Ausruf: ,, Schade, schade, daß wir jetzt keine Wahlen haben!"

Für uns, die wir sowohl für das Recht- und zwar über all- wie für den Frieden kämpfen, war es in unserer Trauer um das Landauer Urteil sofort ein erhebender Trost, als wir feststellen fonnten, daß die Freunde des Friedens und des Rechtes auch in Frankreich einmü'ig ihre Stimme gegen diefe friegsgerichtliche Schande erhoben. Und zwar muß hier ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß dieser Brotest pontan war. Er ist in Blättern wie, Deuvre", Quoti­den" und Bolonté" bereits am Morgen nach dem Urteil, laut geworden, unabhängig von dem berechtigten Ent­rüstungssturm in Deutschland, dessen Widerhall erst später die politischen Kreise in Paris erreichte.

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Eine Selbstverständlichkeit? Leider ist in einer Welt, die jahre' ang vom Nationalismus umnebelt war, eine derartige Spontane Reaktion des Volksgewissens gegen das Unrecht, das an ehemaligen Kriegsgegnern begangen wird, noch teine Selbstverständlichkeit. Bor zwei Jahren erfolgte der Einspruch der französischen Deffentlichkeit im Falle Nathusius nicht so prompt und nicht so energisch. Vor dreieinhalb Jahren allerdings mitten im Wahnsinn des Ruhrkampfes gehörte noch in Frankreich ein besonderer Mut dazu, gegen das min deftens ebenso schändliche Urteil von Werden a. d. Ruhr ( Krupp- Prozeß) Stellung zu nehmen; und nur die wenigsten lintsbürgerlichen Franzosen fanden diesen Mut, wie überhaupt unsere französischen Genossen damals in ihren Kampf gegen die Ruhrinvasion fast allein standen.

Und wir brauchen ja nur bei uns selbst Umschau zu halten, um au sehen, daß die Rebellion des Gewissens gegen eine par eiifche Justiz teine menschliche Selbstverständlichkeit ist: die Deutschnationalen die am lautesten gegen das Landauer Urteil schrien, stellen sich schützend vor alle Ungeheuerlichkeiten, die von deutschen Gerichten faft täglich begangen werden; während die Kommunisten die Stimme nur zugunsten ihrer Freunde erheben. aber jedes tschefiftische Justizverbrechen im Namen der proletarischen Revolution" verteidigen.

Die vom franzöfifchen Ministerrat einmütig befchloffene Beanadigung und fofortige Freilassung der deutschen Opfer des Landauer Kriegsgerichts ist das schnelle und erfreuliches Ergebnis eines gemeinsamen Protestes der deutschen und der franzöfifchen Deffentlichkeit. Ins besondere müssen wir unseren französischen Genof. sen dafür danten, daß sie auf den telegraphischen Appell des deutschen Parteivorstandes jene energischen Schritte unter­nommen haben, die zum rafchen Erfolg zweifellos beigetragen haben. Hier hat sich sowohl die ethische Größe wie der prat tische Wert der internationalen sozialistischen Solidarität erwiesen. Man stelle sich vor. welchen Erfolg ein ähnliches Telegramm gehabt hätte, das Graf West arp an den Führer seiner französischen Gesinnungsgenossen, z. B. an Herrn Millerand gerichtet hätte.

geklagten bleibt formal, wenn auch wirkungslos bestehen. Und schon rüsten sich die deutschen Nationalisten, für die die schnelle Freilassung von Regel und Fechter ebenso unbequem ist wie seinerzeit die Begnadigung von Naihufius, zum Gegenstoß. 3m voraus haben sie es schon cerfündet: eine Begnadigung des Urteils, wir fordern Bestrafung Rouziers! der Deuischen genügt uns nicht, wir verlangen Aufhebung

Sie fordern das, obwohl oder vielmehr gerade weil sie wiffen, daß diese volle Wiedergutmachung unmöglich ist. Das französische Strafrecht läßt weder das eine noch das andere zu: ein Freispruch ist immer endgültig, eine Be gnadigung fann nur erfolgen, wenn ein Urteil rechtsfräftig ist, d. h. in diesem Falle( wie im Falle Nathufius), wenn auf die Revision vorerst verzichtet wurde.

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fie möglich und für die verurteilten Deutschen nüglich war. Die französische Regierung hat daher das getan, was für Fechter und Regel find- so wie es im Telegramm des Bartei­vorstandes gewünscht wurde noch zum Weihnachtsfeft aus der Haft entlassen worden.( Genoffe Holzmann war auf freiem Fuße geblieben, da nur mit Strafaufschub verurteilt.) Roegler, Mathes und Arbogast dürfen unbehelligt in die befeßte Heimat zurückkehren. Alles, was nach Lage der Dinge zu erreichen war, ist erreicht worden.

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Eine erfreuliche Weihnachtskunde, die geeignet ist, vieles von dem Schaden wieder auszugleichen, den die deutsch- fran zösische Annäherung erlitten hatte. Darüber hinaus bleibt jedoch unbeschadet diefes Gnadenattes die Haupt Lehre von Germersheim und Landau bestehen: die Sache der Berföhnung zwischen Deutschland und Frankreich, die die Gache des Friedens schlechthin darstellt schwebt in ständiger Gefahr, so lange die militärische Belegung andauert. Es ist ein ebenso grotester, mie unerträglicher Gedante, daß zu jeder Stunde ein ähnlicher Zusammenstoß wie in Ger­ mersheim gleichviel durch men verschuldet und ein ähn liches Kriegsgerichtsurteil wie in Landau die beiden Böller wieder gegeneinanderstellen fann, wie wir es in den letzten Tagen erleben mußten. Der Frieden ist ein zu hohes Biel, als daß er von irgendeinem Brovolateur- gleichviel, welcher Nationalität- jederzeit gefährdet werden darf. Möge die franzöfiche Regierung endlich diese Lehre ziehen, den Rat der fozialistischen Ronferenzen von Frankfurt und Luremburg befolgen und ihren Widerstand gegen die Räumung des deut schen Territoriums endlich aufgeben!

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Der Beschluß des Ministerrats. Paris, 24. Dezember .( Eigener Drahtbericht.) Schon nach den Mitteilungen, die am Freitag morgen im Ministerrat von dem Kriegsminister Painlevé gemacht worden waren, durfte eine schnelle Beilegung des durch das Landauer Kriegsgerichtsurteil ge­schaffenen bedauerlichen Zwischenfalls als gesichert angefehen werden. Painlevé hatte bekannt gegeben, daß der Oberfomman­bierende der Rheinarmee, General Guillaumat, bereits am Donnerstag aus eigener Initiative die Begnabigung der verurteilten Deutschen vorgeschlagen hat. Dieser Vorschlag hat die

einmüfige Zustimmung des gesamten Ministerrats gefunden. Ein entsprechender Gnadenerlaß ist noch am Freitag dem Präsidenten der Republik zur Unterschrift vorgelegt worden. Man wird der französischen Regierung in Deutschland dafür Dant wissen, daß sie das an den Opfern der Landauer Militärjustiz be­gangene Unrecht so schnell wieder gut zu machen be­ftrebt war.

Frankreichs Wirtschaftskrise.

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Friede auf Erden!

Bon Hermann Wendel

An einem Tag des Jahres glauben auch wir zweifler, Ungläubigen, im großen Kirchenbann Stehenden an den Stern von Bethlehem. Der Tag der Wintersonnenwende iſt es, an dem die Tannenbäume mit Lichtern besteckt und mit epfeln behängt sind und für Stunden die Jbylle die ameri­tanische Heze unseres mechanisierten Daseins ablöst, der Tag, von dem Arno Holz singt:

Und wieder nun läßt aus dem Dunkeln die Weihnacht ihre Sterne funkeln!

Die Engel im Himmel hört man sich füssen und die ganze Welt riecht nach Pfeffernüssen

Und die frohe Botschaft dieses Tages: Friede auf Erden! vernehmen wir um so bewegter, als fie, vor bald zwei Jahrtausenden verkündet, zwei Jahrtausende hindurch Berheißung geblieben, nie Erfüllung geworden ist.

Das offizielle Kirchenchristentum hat wenig helfen. Bielmehr hat es sich dem Gegenteil des Weihnachts­getan, der Losung: Friede auf Erden! zum Siege zu ver­evangeliums, dem menschlichen Massenmord, genannt Krieg, höchft bewunderungswürdig angepaßt. Schon vor 1914 gab es den befremdenden Gottesmann, auf dessen Visitenkarte zu lefen stand: X. V., Predigtamiskandidat und Leutnant d. R., aber richtig militarisiert, ja, in einzelnen Fällen bestialisiert murden die amtlichen Berbreiter des Gotteswortes doch erst im Weltfrieg. In Büchern und Broschüren, Auffäßen, Pre­digten und Reden sonder 3ahl wurde der Krieg in die chrift liche Weltanschauung und göttliche Weltordnung eingefügt und als Erzieher großen Stils", als heiliger Kampf der Bölfer" geradezu fanonifiert. Der befannte bayerische Bifchof Faulhaber brachte es fertig, den Glauben an einen ewigen Weltfrieden im Lichte des Evangeliums" als Aber glauben abzutun und darzulegen, daß der Weltkrieg das Evan gelium höchst glorreich bestätige, denn die Beseitigung der organisierten Gewalttat mache die Weissagung der Schrift falsch, die viele und große Kriege bis ans Ende der Zeiten prophezeie! Wenn derselbe geistliche Würdenträger in seinen gesammelten Kriegsreden ,, bas Heldische unserer chriftlichen Moral" betonte und den Heldengeist und die Heldenart Christi" hervorhob, erstand in dieser Beleuchtung ein neu­artiger und merkwürdiger Nazarener: den Stahlhelm auf den Loden und die Hand am Maschinengewehr! Aehnlich mag die Bereinigung der katholischen Feldgeistlichen Bayerns" den Heiland noch heute sehen.

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Aber wenn sich, eingeden? ihrer Katholizität- Internatio nalität, die römische Kirche noch einigermaßen zurückhielt, taten sich dafür die Mordspfaffen des Protestantismus eine besondere Güte an. Wohl gab und gibt es auch hier einige wahre und mutige Ausdeuter der Weihnachtsbotschaft: Friede auf Erden!, aber die anderen trieb schon die Ab­hängigkeit ihrer Landeskirche vom Staat, die Kriegstrompete au blasen; ja, im Wesen der lutherischen Lehre selbst fand ein freilich deshalb vom sächsischen Ronfiftorium geächteter evan­gelischer Theologe, Dr. Kuno Fiedler, den Gegensatz zum Friedensgehalt des Christentums; er formulierte: Jesus war Bazifist, Luther Militarist! Wie dem auch sein mag, die protestantischen Gottesdiener mit ihren Kriegsliedersamm lungen Hurra und Halleluja", mit ihrer Losung: Mit Gott und Hindenburg!, mit ihrer Berherrlichung des U- Boot­Krieges übertrafen sich jeden Tag selber. Friede auf Erden? Bewahre! Gott sei Dant," schrieb ein Berliner Pfarrer, Dr. theol. Philipps, im Herbst 1916, daß der Krieg gefommen ist; ich sag's auch heute noch im dritten Kriegsjahr. Und Gott sei Dant, daß wir noch keinen Frieden haben; ich fag's auch heute noch trotz aller Gpfer." Selbst Ausgang und Folgen des Kriegs haben diese Gotteslästerer und Christusleugner weder zur Einsicht, noch zum Schweigen gebracht. Bon all den Schichten, die sich mit mehr oder minder

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Ein Notstandsprogramm der Regierung. Unbe. Recht geistig nennen, lebt in feiner so sehr der Ungeist eines

gründeter offizieller Optimismus.

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Paris, 24. Dezember .( Eigener Drahtbericht.) Neben der Landauer Affäre befaßte sich der Kabinettsrat am Freitag ausführlich mit der Wirtschaftstrife und der Arbeits. losigkeit. Die Regierung hat beschlossen, das seit Monaten angekündigte Programm zur Hebung der Produktion als Not­tandsprogramm zur Linderung der drohenden Arbeitslofig feit umzufriſteren. Ob das wirklich das richtige Mittel iſt, muß

Es verdient übrigens registriert zu werden, daß nicht nur die Sozialisten, sondern auch die Radikalen( Bartei er riot) und die Sozialistisch- Republikaner( Bartei Bain Le) Borstandsdelegationen zur Regierung entfandt haben, um gegen das Landauer Urteil zu protestieren: alle Barber Rohlenproduktion kann man wohl die handelsbilanz, bezweifelt werden, denn mit der Hebung des Getreideanbaues und teien des bisherigen Linkskartells, das im Barlament über die nicht aber das bittere Los der nach Zehntausenden zählenden Mehrheit verfügt, haben sich also an dieter Wiedergut Mehrheit verfügt, haben sich also an dieter Wiedergut Arbeitslosen bessern. Das Programm soll der Kammer jofort nach machungsaktion beteiligt. Infolgedeffen ist der Begnadis der Wiedereröffnung der Parlamentsfeffion in Form eines Geles Boincaré, noch Marin, noch Tardieu haben gewagt, fich einem entwurf es zugehen. Es iſt geplant, die dafür notwendigen Regierungsaft zu widersehen, der von Briand, Bain- redite außerhalb des Budgets anzufordern und bufür neue, wahrscheinlich indirette Steuerlaften auszuschreiben. lepe und Herriot bringend empfohlen wurde.

Eine Begnadigung bedeutet freilich nicht eine volle Wiedergutmachung des begangenen Unrechts Rouzier bleibt ftraffrei und die Tatsache der Berurteilung der deutschen An­

Der Kailer von Japan ist, wie WIB. aus Tofio gemelbet wird, gestorben. Diesmal scheint die Nachricht endgültig zu sein.

beschränkten, dumpfen Chauvinismus wie in der evangelischen Seelsorgerschaft; wir fennen sie nur zu gut, die Stahlhelm­pastoren, die das Giftgas der Revanchehehe von den Kanzeln blasen.

Der Sozialismus aber ist der Friede. Wohl mag ein Blick nach Rußland 3weifel an diesem Sage weden, denn was dort herrscht, der Bolschewismus, ist in der Tat

der Sozialismus, gepredigt aus Kanonenschlünden". Aber falsche Mary- Interpreten sind es, die allzugern des Meisters oder den Kriegen als Lokomotiven der Weltgeschichte an­führen. Wo es nicht Tatsachen festzustellen, sondern Richt nien zu ziehen galt, hat, in der berühmten Inaugural abreffe" von 1864, Marr der Arbeiterklasse zur Pflicht gemacht, für die auswärtige Bolitit die einfachen Gefeße der Moral und des Rechts zu proklamieren, die ebensowohl die Beziehungen einzelner regeln als auch die obersten Gesetze des Berkehrs der Nationen sein sollten". Klarer fann die pazififtische Aufgabe des Sozialismus nicht umschrieben sein, Denn wie es den Gefeßen der Moral und des Rechtes wider­

Wort von der Gewalt als dem Geburtshelfer neuer Ordnungen