Nr. 607+43. Jahrgang
I.
2. Beilage des Vorwärts
Drei Jahre Krise und Aufbau.
Der Anteil, den die wirtschaftlichen Triebkräfte an der Entstehung des Weltkrieges gehabt haben, wird eine dauernd umftrittene Frage der Geschichtsphilofophie bleiben. Unumstritten da gegen ist die entscheidende Bedeutung, die der große Krieg seinerseits auf die wirtschaftliche Gestaltung in der Welt und im besonderen in den europäischen Ländern ausgeübt hat. Der Einschnitt, den die Entwicklungslinie der Wirtschaft durch den Weltkrieg erfahren hat, war ein so heftiger, daß noch heute, acht Jahre, nachdem der Kampf mit der Waffe zur Ruhe gekommen ist, feine Analyse der wirt schaftlichen Entwicklungstendenzen möglich ist, ohne die große 3er reißung der wirtschaftlichen 3usammenhänge durch den Krieg zum Ausgangspunti zu nehmen. Immer wieder sind wir gezwungen, bei der Betrachtung der neueren Entwidlung uns die Frage vorzulegen, inwieweit wir es mit Rüdbildungen der Wirtschaft zur Borkriegszeit zu tun haben, inwieweit wir noch in der Periode der Ueberwindung von Kriegsstörungen stehen und inwieweit wir mit dauernden Neubildungen sowohl in der inneren Wirtschaftsstruktur als auch in den Verflechtungen der Wirtschaftsförper der Welt zu rechnen haben.
Das Drama der Inflation.
Wenn wir unseren Blick auf die deutsche Wirtschaft im besonderen richten, so wiffen wir, daß der Periode der Kriegsstörungen eine weitere Periode der Störung aller wirtschaftlichen Verhältnisse insoweit folgte, als die Berrüttung der Währung, des wichtigsten Instruments der modernen Wirtschaft, als Kriegsfolge weiter wirkte. Hatten uns die Kriegsjahre die Absperrung von den internationalen Märkten, die plögliche Entfaltung aller dem Kriegsbedarf dienenden Industrien und die Umschichtung des Verbrauchs durch den Heeresdienst gebracht, so fezten die ersten Jahre nach dem Kriege mit dem Entstehen neuer Staaten und Zollgrenzen in Europa die Marktzerreißungen noch fort. Darüber hinaus aber traten entscheidende Entwicklungen, die man heute als Fehlleitungen erkennt, durch die Inflation ein. In der Inflationsperiode wurde der einzige Regu lator der anarchischen Produktionsverhältnisse in der tapitalistischen Wirtschaft, die normale Preisbildung, ausgeschaltet. Die Folge war eine ungeheure Häufung von wirtschaftlich falschen Investitionen in der Industrie, die starte Entwicklung aller spekulativen Betätigung gegenüber der produktiven Arbeit, damit zusammenhängend, die Uebersehung des Bant- und Handelsgewerbes, die Umschichtung oder Zerstörung der Konfumtraft durch Reallohnsenkung und Bernichtung der Rentnerschicht, um nur die wichtigsten Erscheinungen aufzuzählen. In dieser Inflationsperiode wurden also die Tendenzen zum wirt. schaftlichen Wiederaufbau durchkreuzt und zum großen Teil über schattet durch neue zerstörende momente. Ueber das ganze wirtfchaftliche Leben, von der Zelle der Unternehmung bis zum Gesamt förper der Volkswirtschaft, war der Schleier der Papiermilliarden und-billionen gebreitet, hinter dem es nicht möglich war, zwischen Niedergang und Aufstieg, zwischen Blüte, Scheinblüte und Berfall zu unterscheiden. Erst mit der Stabilisierung der Bäh rung, die in Deutschland me zwangsläufig aus dem Sichüber. schlagen der Inflationswellen folgte, als daß fie ein großartiger Aft bawußter Wirtschaftspolitik gewesen wäre, haben wir wieder das Mindestmaßanfeftem Boden unter den Füßen und brauch bare Maßstäbe gewonnen, um uns Rechenschaft abzulegen über Art und Maß der mirtschaftlichen Entwicklung, die sich zum Teil als Wiederaufbau, zum Teil als Neugestaltung und zum Teil als ein bisher fruchtlofes Ringen mit zerstörenden Kräften fennzeichnet.
Die Wandlung des Kapitalismus.
Biele auf unserer Seite, wie im anderen Lager hatten geglaubt, daß der Weltkrieg das Ende der fapitalistischen Wirtschaftsordnung bedeuten würde. Wir wissen heute, daß diese Hoffnung der einen und Furcht der anderen sich nicht erfüllt hat. Wir wissen, daß Krieg und Inflationsperioden, während fie auf der einen Seite zerstörten, auf der anderen Seite besonders schroffe Formen fapitalistischen Gestaltung zur Blüte gebracht haben. Bir wissen, daß die Leidtragenden dieser Perioden im wesentlichen nicht die Repräsentanten tapitalistischen Unternehmertums gewesen find, fondern neben der zugunsten der fapitalistischen Produzenten, Händler und Finanziers brutal enteigneten Rentnerschicht die in ihrer Lebenshaltung tief herabgedrückten arbeitenden Klaffen. Die Tatsache des Fortbestandes der kapitalistischen Wirtschaftsordnung liegt so klar auf der Hand, daß ihre Konstatierung, die auf der dies jährigen Tagung des Bereins für Sozialpolint start in den Border grund gerückt wurde, nicht gerade als der Beweis besonders tief. gründiger Einsicht der deutschen Nationalökonomen gebucht werden fann. Wichtiger ist es schon, zu erkennen, daß troß der Fortdauer
des Hochkapitalismus das Wesen der Wirtschaftsordnung nicht unverändert geblieben ist. Sowohl durch die politische Machtverschiebung nach dem Kriege, die in Gestalt von Erwerbslosenfürsorge, von staatlichen Eingriffen in die freie Wirtschaft mannigfacher Art, von Ausgestaltungen des Arbeitsrechts, als auch durch die aus der Wirtschaft selbst geborenen Neugestaltungen, die durch Zusammenfassungen und Vereinbarungen regelnde Normen an die Stelle der freien Wirtschaft gesetzt haben, ist das Geficht des Kapitalis. mus verändert worden. Professor Werner Sombart spricht in feinem Wirtschaftsleben im Zeitalter des Hochfapitalismus" von diesen Nachkriegsgestaltungen als Alterserscheinungen des Rapitalismus, und er meint, daß dort, wo die Grundsäge normativer Ordnung anfangen, bestimmenden Einfluß zu gewinnen, der Kapitalismus langfam dahinschwinde. Wir wollen diese Anfagpunkte zur ueberwindung des herrschenden Wirtschaftssystems um so sorg fältiger beachten, als es unser Ziel ist, ihren Charakter durch die Wirtschaftspolitik entscheidend zu beeinflussen. Wir werden von diesen Erscheinungen noch zu reden haben. Solange wir aber die Gegenwartslage in einer fapitalistischen Wirtschaft erfassen wollen, müssen wir unseren Blick dorthin wenden, wo wir den Klarsten Niederschlag aller vielfältigen gefellschaftlichen Be ziehungen, auf denen die moderne Wirtschaft beruht, finden, nämlich zu den Märkten( Arbeitsmarkt, Warenmarkt und Kapitalmarti) und zu den Unternehmungen.
Die Maffenarbeitslosigkeit.
Wir beginnen mit dem Arbeitsmarkt, einmal deshalb, weil die erste Boraussetzung für das Gedeihen der Gesamtheit darin besteht, daß die Wirtschaft den arbeitenden Menschen die Mög. lichteit zur normalen Berwertung der Arbeits. kraft und zu entsprechender Einkommensbildung gibt; sodann aber auch, weil es sich hier beim Arbeitsmarkt, bei der Arbeitslosigkeit, am unmittelbarsten um das Schicksal lebendiger Menschen handelt, und weil wir es ablehnen, etwa von einem Aufschwung zu sprechen, folange an dieser entscheidenden Stelle noch die Symptome der Krise vorherrschen.
Von den Statistiken, die uns zur Beobachtung des Arbeitsmarktes zur Verfügung stehen, ist wohl diejenige, die das beste Bild ver mittelt, die Aufstellung über die prozentuale Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit in den Fachverbänden. Um hier die Zahlen der letzten drei Jahre richtig würdigen zu fönnen, ift es notwendig, daran zu erinnern, daß im Durchschnitt der Jahre 1907 bis 1913 die Arbeits lofigkeit in den einzelnen Monaten bei den Gewerkschaften zwischen 2 und 3 Proz. schwankte. Eine leichte sich etwa im Rahmen eines Brozentes bewegende Erhöhung dieser Prozentzahlen wäre ohne metteres erklärlich aus der Bergrößerung des Mitghederkreises der Berbände, die die gewerkschaftliche Statistit erfaßt. Die Kurzarbeit als Maffenerscheinung war vor dem Kriege unbekannt, und es fehlen deshalb für ihr gelegentliches Borkommen statistische Vergleiche. Betrachten wir demgegenüber die Zahlen für 1924 bis 1926, so ergibt sich folgendes Bild:
Bon je 100 Gemertschaftsmitgliedern waren Bollarbeitslofe
Januar Februar März
Kurzarbeiter
1924 1925 1826
26,5
8,1 22,6
25,1
7,8 22,0
17,1
16,6
5,8
21,4
9,9
1924 1925 1926 23,4 5,5 22,6 5,3 21,6 5,1 21,7
April Mai.
•
10,4
43 18,6
5,8
4,9
19.1
8,6
3,6 18,1
8,2
5,0
18,2
10,5
3,5 18,1
19,4
12,5
8,7
17,7
28,2
12,4
4,8
16,7
27,5
10,5
4,5
15,2
17,2 5,8 16,6 6,9 15,0 17,5 8,5 12,7
5,2
12,2 12,4 10,2 7,5 16,0 8,3 6,5 19,8
Juni Juli. Auguft. September Oktober 8,4 5,8 14,2 November. 7,3 10,7 14,2 Dezember.. 8,1 19,4
•
Für das letzte Jahr 1926 liegt eine statistische Umrechung der Kurzarbeit auf Bollarbeitslose vor, nach der fich ergibt, daß die Zahl der vollbeschäftigten Gewerkschaftsmitglieder von dem Tiefstand im Januar 1926 mit 70,3 Broz. allmählich fich gehoben hat bis auf 83,7 Proz. im November 1926,
In dem vorstehenden Zahlenbild spiegelt sich die Konjunktur schwantung im Berlauf der Krise nach der Stabilisierung, als die man die Gesamtheit der verflossenen brei Jahre ansprechen muß. Die erste Etappe bringt vom November 1923 bis zum Februar 1925 eine überaus scharfe Bufpigung der Arbeitslosigkeit. Es fegt dann eine gewisse Erleichterung ein, die mit der vorübergehenden Ausdehnung der Rentenmarktrebite als Anfurbelungs kredite begann. Ihr folgte im Sommer 1924 eine neue Berschärfung
Alle Türen, alle Herzen öffnen sich ihr!
Unwiderstehlich bahnt sich die Massaryzigarette
You
in ihrer neuen- süßaromatischen-milden Geschmacksart den Weg in aller Mund. Werbende Worte allein können einen solchen Erfolg nicht herbeiführen. Der Kern macht es- der innere Wert. Selten ist auf die Herstellung einer Zigarette soviel fachliche Liebe und Sorgfalt verwendet worden. Tatsächlich bedeutet die Massaryzigarette auch in dieser Zeit äußerster Genußsteigerung für jeden Raucher ein nicht alltägliches Erlebnis
Sonnabend, 25. Dezember 1926
nach den Kreditrestriktionen der Reichsbant. Bom September 1924 bis zum September 1925 findet eine allmähliche starke Besserung des Arbeitsmarktes statt. Wir erleben nach der Annahme des Dawes Blanes mit dem ersten Zustrom an Auslandstrediten eine ausgesprochene Krisenunterbrechung. Im Herbst 1925 beginnt dann der neue scharfe Anstieg der Arbeitslosigkeit, der im Januar 1926 den Höhepunkt erreicht und im Laufe des letzten Jahres wieder langsam abfintt. Aber auch nach elf Monaten der Besserung, deren Fortseßung im zwölften Monat mindestens zweifelhaft geworden ist, haben wir unter Einrechnung der Kurzarbeiter rund 16 Proz. Bollarbeitslose oder. wenn wir auf die Umrechnung verzichten und Bollarbeitslose und Kurzarbeiter addieren, 22,5 Proz der Gewerkschaftsmitglieder, die nicht in der Lage sind, ihre Arbeitsfraft voll zu verwerten, d. h. mehr als ein Fünftel der Gesamtarbeiterschaft ist in seinem Einkommen auf das Minimum der Erwerbslafenfürsorge oder Kurzarbeitereinkommen herabgedrückt. Wenn wir diese Zahl mit der im Durchschnitt der Jahre höchstens dreiprozentigen Arbeitslosigkeit vor dem Kriege vergleichen, so wird die schärffte Beleuchtung dafür geboten, wie weit auch nach der Besserung der letzten Monate die deutsche Wirtschaft von einem normalen Funktionieren entfernt ist. Maffenarbeits.ofigkeit geht. wenn auch durch Unterstützungen, gewerkschaftliche Macht und öffentliches Schlichtungswesen etwas gemildert, Hand in Hand mit einem Druck auf das Lohnniveau der beschäftigten Arbeiter. Beide Erscheinungen zusammen bedingen einen außerordentlichen Tief= stand der Konsumkraft der breiten Maffen der arbeitenden Bevölkerung, so daß von einer Mehrung des Volkswohlstandes trotz mancher Symptome beginnenden Wiederaufblühens fapitalistischer Gewinne feine Rede sein kann. Elend und Not, die sich hinter den Arbeitslosenzahlen verbergen, find aber noch größer, ais es die reinen Prozentzahlen zeigen, wenn man berücksichtigt, daß durch die lange Dauer der Krise gerade erst im letzten halben Jaahr die lang= fristige Erwerbslosigkeit der einzelnen Arbeiter zur Maffenerscheinung geworden ist. Wir wollen hier nur die Zahlen Don Mitte Januar 1926 mit denen von Mitte November in Vergleich stellen. Von den Hauptunterstützungsempfängern der Erwerbslosenfürforge waren länger als 13 Wochen arbeitslos am 15. Januar 250 707, d. h. 14 Proz. der Gesamtzahl der Unterſtüßten, am 15. November 873 132, d. h. 66 Proz. der Gesamtzahl. Länger als 26 Wochen waren arbeitslos am 15. Januar 58 499, d. h. 3 Proz. der Gesamtzahl, am 15. November 529 866, d. h. 40 Proz. Angesichts diefer aufpeitschenden Zahlen von einem Aufschwung, von einer funktionierenden Wirtschaft zu sprechen, wäre frevelhaft. Hier liegen schwerste Störungserscheinungen vor, die zur Aufbietung aller Kräfte der privaten Wirtschaftsführung und der öffentlichen Wirtschaftspolitik mahnen, um den Notstand zu überminden. Die Ursachen dieser Krisenerscheinungen des Arbeitsmarttes und ihre Zusammenhänge mit den anderen Märkten werden in einen s zweiten Artikel behandelt werden.
Faschistische Finanzkunststücke.
Der verschleierte italienische Haushalt. Der italienische Finanzminister Bolpi überraschte fürzlich den italienischen Senat mit der Mitteilung, daß der italienische Staats haushalt für 1925/26 mit einem Ueberschuß Don 2,27 Milliarden Lire abgeschlossen habe. Wie wir von hervorragender und durchaus kompetenter Seite erfahren, handelt es sich dabei um ein echtes faschistisches Irreführungs- und Berschleie. rungsmanover. Man hat nichts anderes getan, als die Zahlungen zu verzögern oder zurüdzuhalten. Man profitierte dabei von einer Berordnung( vom 5. Juni d. 3.), die die Regierung ermächtigt, vor dem regulären Etatabschluß drei Viertel des Ueberschuffes zu entnehmen und diese Summe in ein geheimes Sondertapitel zu übertragen, das für die Lasten der militärischen Ausgaben und für den wirtschaftlichen Wiederaufbau" bestimmt ist. Das bedeutet demnach, daß im Staatshaushalt die Ziffern der einzelnen Kapitel nicht richtig sind, insbesondere nicht die der militärischen Ausgaben. Eine Milliarde und 190 Millionen Lire für den Kriegsschuldendienst werden so aus dem regulären Haushaltsplan an eine besondere Amortisationstaffe übergeführt, die nur 200 Millionen Lire Subvention erhält. An Stelle des angefündigten Ueberschusses wird man eher von einem Defizit in Höhe von 600 bis 700 Millionen Lire sprechen können. Der indirekte Beweis dafür ist die Tatsache, daß die Regierung die Steuern erhöht und neue Steuern anfündigt, was überflüffig wäre, wenn ein Ueberschuß von mehr als 2 Milliarden bestünde,
Massary 5. 6,
Urteilen Sie selbst! Sossary Sele 4, Sassan Delf 5 Massory Ritter
GOLD- PURPUR
MDST
GOLD- SEIDEN MOST