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Unterhaltung uns
ÄNissen ZUM Jest der Liebe.
öeilage ües vorwärts
Zrieüev auf Crüen) dann hört mit üieser Spielerei auf!
Heimat öer Seele. Eine kleiae weihaachtsgeschichte beinahe von Lelms Lager lös. Ein kleine» Siroßeaerlebms, nicht wichtiger ol» manche» andere. das vor ausmerkiamen Augen im Wogen und Treiben der Droh. stadt einmal ausbhtzen mag. Daß es an Wechnochten sich ereignete ist vielleicht eine Aeuher- Kchteit dabei. Ich glaube es aber nicht. Die grob« schwedische Dichterin, die dieser kleinen Geschichte, ohne es zu wissen oder zu ahnen, chren Sinn gab, hat es so wunderbar verstanden, die chnst- liche Weihnachtslegend« mit dem einfachen Dasein ihres Volles zu verweben, daß»in gemeinsamer Mythos daraus erwuchs. Und dessen Kraft schien mir wirksam in der Seele des armen Jungen, von dem ich erzählen will. Es war vor längeren Jahren in London  , ol» ich am Vorabend «or Weihnachten durch die zartschimmernde Nebeldömmerung heim- wart» wanderte. Wir hatten, eine jugendlich« Schar von Sange- rinnen und Sangern einer Londoner   Madrigaloereinigung, in An. lchnung an den alten englischen Brauch descaror-Singens in Kensington   in den Vwenvorgärten englischer und deutscher   Musiker und Maler allniederländische, alldeutsche und altenglische Weihnachts- Leder gesungen. Einen prächtig vielstimmigen Thorklang noch im Ohr und unbekümmert vor mich hinsummend, ging ich, von Kensington High Street kommend� den einsamen Kensington-Park entlang. Do kommen plötzlich aus der dunklen Tornische der monströsen Aldert-Halle" zwei Policemen über die breit« Parkstrahe mir nach- gerannt und fragen, bei mir angekommen, ob ich eine Fremde sei und zufällig deutsch könne. In jenen gtücklichen Jahren, lange vor dem oölkerverhetzenden Weltkrieg, hatte solche Frage noch durchaus Nichts erschreckende» an sich. Ich konnte daher unbefangen erklären. daß ich sogar eine Deutsch  « sei. Nun baten mich die beiden um den Gefallen, Dolmetscher für sie zu sein bei einem gänzlich erschöpften Menschen, den sie soeben im Torweg der Albert-Halle gesunden hallen und mit dem st« sich englisch durchaus nicht verständigen könnten. Die Deutschen   seien doch immer sogoock linguists"(gute Sprachkenner), auch wenn der junge Mann nicht Deutscher   sei, könne ich ihn sicher irgendwie verstehen. Ich konnte diese Bitte nicht ab- schlagen. Und so führten sie mich nun hinüber zu der Albert-Halle. die im tiefen Dunkel lang. Wir umschritten den gewaltigen Rund- bau dieses größten Londoner Konzerthause», um aus den Stufen der Hinteren Türnische nicht etwa»inen betrunkenen Landstreicher zu finden, sondern einen ärmlich gekleideten und todmüde und ver- froren dreinschauenden, aber bildhübschen kräftigen sungen Menschen. Hilflos blickte er uns aus tränenschimmernden Augen entgegen, zu- lammengesunken aus den Stufen, seinen Kopf gegen seinen elenden Handkoffer lehnend. Ein Deutscher war er mm zwar nicht, aber er besaß einen ge- «isien deutschen Sprachschatz, der allerding» bescheiden genug war. Mit einiger Geduld brachte ich heraus, daß er Schwede sei,«ine deutsch  « Mutter gehabt habe, die aber, wie auch der Dater, schon sell langen Jahren tot sei. Don ihr hatte er die paar deutschen Brocken. Bor wenigen Tagen hatte er in der Heimat seine Lehre als Kürschner beendet und hatte nun gedacht, zu so guter Pelzsaison, t» war plötzlich kurz vor dem Fest kalt geworden, in einem Pelz- gefchöft in London   unterzukommen. Am Morgen desselben Tage» war»r direkt von Malmö   m London   angekommen, voller Hoffnung. Wie sollte er auch nicht, au» seinem Heimatsstädtchen war vor Jahren auch ein Kürschner ausgewandert, der hatte jetzt, wie seder dehetm, und auch wohl ich wüßt», ein großes glänzende» Geschäft in London  am Bahnhos'. Und dann gab es ja doch in London  3000 Schweden  , mehr als in seinem Heimatsort selbst, darunter Dutzende von Kürschnern. Eltern, Geschwister, die ihn beraten hatten, besaß er nicht. Reisegeld und soviel Taschengeld, um bei der Landung nicht abgewiesen zu werden, hatte er sich er- spart, und so kam er hoftnungsselig am frühen Morgen an der Lioerpoolstation an. Liverpoolstation, ja, da»«or gewiß sehr ander» als der Harm- loseBahnhossplotz'. auf dem sich der gute Junge seinen erfolgreichen Landsmann unter der Tür seine» gutgehenden Pelzladens wohl vor- gestellt hatte, wie er neagierig die neu ankommenden Fronden mustert. Liverpoolstation in der Morgendämmerung! keiner der 3000 Schweden   läuft da gerade zufällig herum. Seine Frag« nach dem Stolz der Heimat, dem reichen Pelzhändler, niemand versteht sie ratlos steht er und weiß nicht wetter. Rur   maßlos müde fühll er sich nach den zwei Rächten stürmischer Seefahrt. Er setzt sich zu- nächst einmal auf ein« nahe Lnlogenbant vor der Liverpoolstation, abzuwarten, ob nicht mit zunehmendem Tag einer der 3000 Schweden vorbeikomm«. 3000, immer wieder ruft er mir voll Ehrfurcht diese Zahl in» Bewußtsein. 3000, daß sich so was in London   einfach verkrümeln kann, wie soll»« er sich dos vorstellen. Natürlich schläft er«in. Nach Stunden wacht er auf. wohl lag sein Kops noch aus feinem Koffer, aber die laschen seine» Mantels sind leer! Weg ist alle» mit der Brieftasche, die er prottischerweis« in der Außentasche stecken hatte, alle» fort: Ausweis, Geld, Zeugni» des Lehrherrn, all« Papier  «! Gestrandet, fassungslos, ohne Geld, ohne Möglichkell, sich zu verständigen, steht er dem Ungeheuer London   gegenüber! Und nun fängt er an zu wandern, wandert, wandert dtzn ganzen Tag, planlos, zlellos, die Augen auf die Firmenschilder gehestet einmal muß doch sem Aug« den Namen eine» der vielen erfolgreichen schwedischen V«schäst»leute treffen, einmal muß er hoch bei seinem Frage» sich an einen der 3000 wenden. Keiner geht an Ihm vor- über, nremand reagiert aus den Namen de» berühmten Pelzhändler»! Und so wandert er hungrig, hoffnungslos immer weller, legt bis zum Abend die gewollig« Entfernung von Lioerpoolstotton bis Albertholl zurück. Hier läßt er sich endlich oerzweifell an der Türe nieder. Hier finden ihn die gutenBobbies'(Londoner   Schutz- leutef. Der Bericht, den ich ihnen übersetze, weckt ihr tiefe» Mitge­fühl. E» ist klar, daß man den jungen Mann aus da« schwedische Konsulat bringen muß. aber da» ist setzt zu spät, er muß zunächst aus da» Polizeirevier gebracht werdsn, uk  «ine Anweisung zum Uebernachtrn im.Workhouse'(Armenhaus) zu erhalten. Man meint auch auf dem Revier nicht auf mein« Hilf« verzichten zu können, und so machen wir un» oll« dahin aus den Weg Ein« merkwürdige Prozesswn: der eine Schutzmann nimmt den Koffer und trägt ihn, der andere saßt den sungen Mann freirndschaftUch unterm Arm und redet idm du Angst vor der Palizeistation aus. «ich faßt der Jüngling hilfestehend an de? Hand, damit ich ihm ja nicht in da« Dunkel des Parke» entwisch« und so ziehen wir oereint zum nächsten Revier. Der Poliznleutnan» dort ist allerding» de- deutend skeptischer al» wir. Er lächelt übersigen: daß eine junge Dame»emsallea kann, schien ihm oerzechlich. daß aber ersahrene
gedient«Bobbie»' sich mit solch altem Schwindel reinlegen Neßen, könne er nicht oerstehen Da» alle Märchen von den gestohlenen Ausweisen! Wer dos nicht kennt! Was will er übrigen» tn seinem Koffer haben? Ja, danach hatte ihn noch niemand gefragt, ein Sopsschütteln nach den Schutzleuten hin. Denen schien Mutter» Plumpudding schon in die Nase gestochen zu haben! Und nun zeigte un» der Pollzeigewallige, wie man jemand in ein Kreuzfeuer nehmen kann, selbst wenn man es über einen Dolmetsch tun muß. Aber es glückt» ihm nicht, daß sich der Schwed« in einen Widerspruch verwickelle. Er blieb bei den alten Behaup- tungen. Im Koffer wollte er seine ganze Habe von der Heimat mit» gebracht haben, so gut es deutsch   und mit Gesten geht, zähll er die wenigen Kleidungsstücke aus. Er bleibt bei dieser Darstellung auch auf zweitmaliges Befragen. Run wird ihm. wie vorhin, eröffnet, daß er morgen aus da» schwedisch  « Konsulat gebracht werd«, von dem hat er so wettsremd« Begrlfse. daß er sragt. ob man dort schwedisch verstände. Zunächst muß er jetzt im nächsten Workhouse übernachten. Wenn er also noch etwas zu sagen oder zu bekennen hob«, soll« er mir'» ver« trouensvoll mlltellen, denn bis morgen Mittag könne er sich wohl mit niemand mehr verständigen. Er hat nur die schüchtern« Bitte. daß ihn tn» beide» selben Schutzleute, die begreislicherweis« sein' Vertrauen hotten, auf das Konsulat bringen möchten. Die Bitte wird gewährt. Aber nun kommt die Hauptsach« für den Polizeileutnant: Der Koffer, der über Nacht aus dem Revier bleiben soll, muß noch ge- öffnet werden. Zögernd schnürt der junge Kürschner aus. Das Auge de» Gesetze» zwinkert mir zu:.Derdächtigl' Und da» Pro- tokoll über den angeblichen Inhalt zur vergleichenden Fest­stellung liegt bereit. Aber wieder stimmt alle», wie es angegeben war-, die ganze mitgebrachte Habe war: ein Arbeitsanzug, zwei Hemden,«in Paar Strümpfe, einige Taschentücher. Schwamm, Komm. Keine Diebes» Werkzeug«, keine Bomben. Aber da befühlt der Beamte«ine Seilentosch«. Und tatsächlich scheint der Schwede, der bi» dahin teilnahmslos olle» über sich hitt ergehen lassen, leidenschaftlich be- troffen, er reißt ein Buch au» dem bisher uneröftneten Kossersach und steckt es mit schützender Gebärd« in seine Brusrtasch«. Aha! also em Buch! Da« hatte er nicht ausgesagt, triumphiert der Gestrenge. Da» könnte nun wirklich einigen Aufschluß geben. Der Besehl, da» Buch zu zeigen wird von mir allerding, sehr wen'g polizeiinaßitz in«in« Bitte oerdolmetscht, aus die hu» dar arm« 2un>e
sein Kleinod zögernd herausnimmt und mir überläßt. Ich halt« mit Ergrissenheit in der Hand«in zerlesen«» Exemplar von Selms LagerlössJ e r u s a l e rn", in großen ungelenken Buchstaben steht Erik» Name auf der Titelseite. Und während ich dem gespannt wartenden Polizeibeamlen erkläre.«» sei wirklich ein schwedische» Buch, ein Buch, da» Ich kenne und ein gutes Buch, hält der jung» Mann sein Buch fest an sich gedrückt und versucht in seinem stammelden Deutsch   mir zu erklären:Heim'. Meine Mission aus dem Palizeibureau war fa nun beendet. Ich konnte meinen Weg nach Haus« sottsetzen. Ich wandert« heimwärt» sellsam erschüttert. Und bereichert durch da» Erlebnis, das ein Licht auf die Heimatbezirke einer Seele fallen kieß. Er hätte nicht erklärend zu stammeln brauchen:.Heim', der arme Junge! Ich»erstand wohl, wa» ihm die» Buch war. Au» der Heimat in der er nicht» sein eigen nennt, bringt die»«alt- fremd« Kind in da» unbekannte Land mll dem bitter.Nötigsten nur die««ine: sein Buch Droht man. ihm diesen einen Besitz wegzu- nehmen, ist er erst heimatlo», gestrandet, entwurzelt. Hot auch sein armer Leib keinen Teil an den Gütern der Heimat, kennt sein Arbeiterdosein nur ihr Elend sein« Setznsudtt suchte und fand sich«in« Heimat der Seele, von ihr sühll er sich umsangen, sie umleuchte« und umhegt Ihn, wenn er sich in sein Buch versenken darf. Und wiederum begegnet die Seele der Heimat darin der seinen. Die Seele der Heimat schwingt tn der umfriedeten Enge der Bergtäler und webt Sagen und Mythen In da» Alltagsleben ihrer Bewohner. Sie schwingt in der Wellenwelle abenteuernder Pläne der myslhisch oerzückten Gläubigen. Heimat» eng». Wellenweit«, wie lebt beide» m dem Buch! Zyüstensturm segt in sengender Glut daher, aber mächtiger tobt der brausend« Schnee- stürm, daß da» Ei» de» Flusses birst. Purpurseuer südlicher Blumen» au«, leuchten auf, aber unverwelkllch stehen die heimatlichen Wälder. Jerusalemi Di« armen Schweden   verschmachten an geweihten heiligen Zisternen vor Durst nach den quellenden Dasiern der un» , lässig sich oerströmenden Bergquellen der Heimat. Sie sehnen sich zurück au» dem oerzehrenden Fieber verkrampfter Frömmigkeit nach der»infachen Güte ihre» reinen Menschentum». Zur Irrfahrt ward die Reis« in» gelobte Land, vi« Seele kann dott nicht» gewinnen und nicht wurzeln: heilig und dem Einigen näher bleibt die Heimat Wunderbar« Kraft der Dichterin, die so den Mytho» und damit die Seele auch de» Aermsten an die Heimat zu binden vermag! Hermin« David.