klärt, daßdiesesProzeßverfahreneineSchande für das deutsche Recht sei. Und trotzdem blieben alle Versuche, dem Recht Geltung zu velschaffen, erfolglos, bis die deutsche Volksvertretung das Gesetz über das Wiederaufnahme- verfahren gegenüber Urteilen der bayerischen Volksgerichte schuf. Die bayerische Regierung wußte in dem Augenblick der parlamentarischen Verhandlungen über dieses Gesetz, daß der Prozeß Fechenbach der erste sein werde, auf den das neu zu schaffende Gesetz Anwendung finden müsse. Daß die b a y e- rische Justizverwaltung vor allen anderen Protest gegen dieses selbstverständlich« Gesetz des Rechtes und der Gerechtigkeit einlegte, erhöht die Schuld der baye- rischen Justiz an dieser Tragödie des Rechts um ein Viel- faches. Schmählich, daß diese Justiz selbst in dem Augenblick sich nicht auf ihre erste Rechtspflicht besann, als die Möglichkeit geschaffen wurde, Unrecht im Namen des Rechtes auszutilgen. Hartnäckig leugnete der Ober st e bayerischeGerichts- h o f in München die Voraussetzungen für ein Wiederaufnahme» verfahren. Es muß sich nun vom Reichsgericht sagen lassen, daß es einem Gesetz(Preßgesetz) eine Absicht unterstellt habe, die aus dem Gesetz nicht entnommen werden könne. Ein Mitglied des gleichen Obersten Gerichtohofes erklärte im November 1922 im bayerischen Landtag: „Ich sage auf Grund meiner genauen Kenntnis des Urtells und meiner Ueberzeugung: Das Urteil(elf Jahre Zuchthaus!) selbst ist nach seinen tatsächlichen Feststellungen sub- jeltiv und objektiv im Schuldausspruche hieb- und stichfest. Es würde auch bei einer Reviston des Reichsgerichts oder des Obersten Landesgerichts nach meiner Ueberzeugung kaum auf- gehoben werden können." Fast möchte man eine Satire schreiben!— Unter dem Ansturm der öffentlichen Meinung gelang es, eine m fein Recht zu gebm. All denen aber, die einsam und ohne Schuld im Schatten von Zuchthausmauern und Gefäng- nishöfen leben, kann nur durch eine grundsätzliche Acnderung des Wiederaufnahmeverfahrens im Nahmen der Strafprozeßordnung geholfen werden. Hier werden sich die, die von der Unabhängigkeit der Rechtspflege reden und die dafür wirfliche Garantien schaffen wollen, voneinander scheiden.
französische Gnade. Wo bleiben die deutschen Begnadigungen? Die französische Regierung hat durch die Beanadi- gung der in Landau verurteilten Deutschen das Urteil des französischen Kriegsgerichts korrigiert. Die Hetze der nationalistischen deutschen Presse indessen geht weiter. Man liest in der„K r e u z z e i t u n g": „Ergreift die französische Regierung nicht Mittel und Wege, das Urteil umzustoßen— ob Öle Gerichtsverfassung dies ermöglicht oder nicht, kann uns Deutschen o o l l k o m- inen gleichgültig sein—, so ändert die Begnadigung nichts an unserem Standpunkt. Auch ein Vorgehen auf dem Disziplinar- wege gegen Rouzicr kann uns keineswegs genügen, zumal fraglich ist, ob er überhaupt stattfinden kann. Solange die französische Re- gierung nicht gegen das Kriegsgericht einschreitet, das das unglaubliche Urteil von Landau gefällt hat, können wir überhaupt keinerlei Wiedergutmachung des Schandurteils anerkcn- »en. Mit Gnade kann ein Iustizverbrechen nicht aus der Welt ge- schafft werden.... Die deutsche Regierung darf sich keinesfalls init dem„Gnadenbeweis" zufrieden geben. Sie würde sich damit in eine Lage versetzen, die wieder einmal Würde und Ansehen des deutschen Volkes preisgibt." Tatsächlich ist die Korrektur des Landauer Urteils nicht restlos befriedigend— aber sie ist die einzige Korrektur, die nach französischem Recht möglich war. Was die„Kreuz- zeitung" fordert, ist so ungeheuerlich, daß es lächerlich wirkt. Die französische Regierung soll die französische Gerichtsver- fassung umstoßen, sie soll ein Ausnahmegesetz gegen die Rich-
ter von Landau machen, soll K a b i n e t t s j u st i z gegen die Richter üben— das kann niemand ernst nehmen. Wir wollten das Geschrei' der r e u z z e i t u n g" hören, wenn die Forderung in Deutschland erhoben würde, die preußische Regierung solle die Urteile von Landsberg gegen den Fememörder Schulz umstoßen und gegen das Gericht von Landsberg vorgehen! Die politische Korrektur des Landauer Urteils i st erfolgt. Die Verurteilten sind begnadigt. An sie hat die nationalistische Hetzpresse am wenigsten gedacht. Die Opfer französischer Justizwillkür waren am Weihnachtsabend frei. Zwei Deutsche — durch die Gnade der französischen Regierung und des Präsidenten der französischen Republik. Wo aber sind die Gnadenbeweise der d e u t s ch e i R e- gierungen und des Präsidenten des Deutschen Reiches für die Opfer deutscher Justizwillkür, für die vielen, die auf Grund politischer Urteile in deutschen Gefängnisien sitzen? Die deutsch -österreichische Republik hat den Seipelatten- täter begnadigt. Horthy hat 77 Verurteilte amnestiert, darunter 19 Verurteilte aus der Zeit der Räterepublik. In Deutschland hört man nur aus Sachsen von Begnadi- gungen. Und die übrigen Länder? Werden sie zu Neujahr nachholen, was zu Weihnachten versäumt worden ist? Der Widerhall der Begnadigung in Frankreich . Die Aufnahme der Begnadigung in Frankreich entspricht genau der Aufnahme in Deutschland : die Linkspresse begrüßt den Be- schluß des Ministerrates als die aus Gründen der Gerechtigkeit und der politischen Vernunft notwendig« Korrektur des Landauer Fehl- Urteils, die Rechts blätter dagegen sind unzufrieden. Sie protestieren gegen diesen„Akt der Schwäche", der„verfrüht" sei und den Deutschland durch seine„DrohrWgen" bewirkt habe. Der Kongreß der französischen Liga für Menschenrechte in Metz nahm einstimmig eine Protestresolution gegen das frieden- störende Urteil des Landauer Kriegsgerichts und überhaupt für die Abschaffung der Kriegsgerichte an.«
Rechtsregierung? Deutschnationale Pläne und Hoffnungen. Zwei Montagsblätter versichern, die Deutschnationalen arbeiteten auf eine Regierung der Rechten ohne das Zentrum hin— entweder eine rechtsstehende Beamtenregierung oder eine Regierung der rechten Minderheit, der„kleinen Rechten". Sie suchten den Reichspräsidenten sür ihre Pläne zu gewinnen. Im Hintergrund stehe die Hoffnung auf den Artikel 48. Es ist möglich, daß dies der Wille der Deutschnationalen ist. Aber der Wille der Deutschnationolen rst noch nicht der Wille der Verantwortlichen. Nur nicht so brutal! Aber, Herr Gchciurrat. was sollen die Leute denken! Die ,Lreuzzeitung" klagt über Unternehmerbrutalität. Nicht gegen die Arbeiter, bewahre, sondern gegen die Rechts- Parteien. Die Unternehmer werden ihr zu deutlich: „Anfang Dezember ist in einer Versammlung führender Indu- striellcr, die zur Gründung einer„st a a t s p o l i t i s ch e n B e r- e i n i g u n g" zusammengekommen waren, vom G e h e i m r a t Dulsberg ein Vergleich mit Amerika gezogen worden. Wenn die Berichte richtig sind, so hat sich der führende Kopf der Chemischen Industrie recht brutal ausgedrückt. Er will weiter nichts anderes, als mit Geld nach amerikanischem Muster die Parteien kaufen. Mit Vernunft auf sie ein- zuwirken, habe er aufgegeben. Rur eine planmäßige Beeinflussung mit den Machtmitteln des Geldes mache die Ueberwindung oller Schwierigkeiten möglich. Wir brauchen nicht zu betonen, daß der Standpunkt, den Geheimrat Duisbcrg eingenommen hat. von uns ebenso abgelehnt wird, wie es auch von der Arbeiterschaft geschieht. Die amerikanischen Zustände sind für uns in dieser Bc- ziehung durchaus nicht erstrebenswert. Wir hallen die Ideal«
unseres Volkes denn doch für zu hoch, als daß ste einfach dem Geldbeutel ausgeliefert we»den." Herr D u i s b e r q hat über eine bereits bestehende Tat- fache mit brutaler Offenheit gesprochen. Das Interesse der „Kreuzzeitung " ist das Entsetzen derer, die bereits genommen haben. Die moralischen Betrachtungen der„Äreuzzeitung" in allen Ehren— aber wo bleibt die Erklärung» daß die Deutschnationalen kein Geld von Herrn Duisberg nehmen werden?
Wenn sie tot sind... Eine Erinnerung an Friedrich Eberk. In einer Berliner Tageszeitung veröffentlicht Professor Dr. K r a us, Direktor der 2. Medizinischen Universitätsklinik in Berlin , Erinnerungen an bedeutende Tote. Er schreibt folgende Sätze über Friedrich Ebert : „In den Anfängen seines vielseitigen Leidens(Gallenstein- anfülle, Magengeschwür, Wurmsortsatzentzündung) hatte ich auch F. Ebert , den ersten Reichspräsidenten, zu beraten. So oft ich ihn sah, befestigte sich in mir die Ueberzeugung, wie wenig doch Schulen und Examina zur Persönlichkeit beitragen. Ebert hatte seine Kenntnisse aus unmittelbarster Gegenwart geschöpft, am „eigenen Leibe" ein ungeheures Stück gesellschaftlicher Entwicklung erlebt und damit einen besonderen Takt und zarte» Empfinden ver- bunde ». Stetes Eindringen in die notwendigen neuen Entwick- lungstendenzsn auf allen, auch auf naturwissenschaftlichen Gebieten, hob ihn weit über jeglichen Parteistandpunkt: er war ein kluges. mildes, der Assoziation dienendes Reichsoberhaupt. Der Pflicht hat er seine Gesundheit, vermutlich selbst sein Leben geopfert. Immer wieder verschob er die rechtzeitige gründliche Untersuchung seines Zustandes in einer Klinik, da er„zunächst noch anderes zu tun habe". Diese Erinnerung— wie überhaupt das warmherzige Urteil über den von ihm behandelten Toten— ehrt den Arzt. Aber diese Erinnerungen stehen— im„Lokal-Anzeiger". Demselben„fiokal-Anzeiger", der an der widerwärtigen und niederträchtigen Hetze gegen den Genossen Ebert kurz vor seinem Tode teilgenommen hat. Heute ist Ebert tot......J_____
Die Auguren lächeln... Die„Rote Fahne" und die Sowjetgra«aten„ Nachdem die Moskauer„Prawda" ein halbes Geständnis über die Beziehungen Sowjetrußlands zur Reichswehr abgelegt hat, darf auch die Berliner „Prawda" den Schleier etwas lüften. Sie gesteht die Einrichtung der Iunkersfabrik für Kampfflugzeuge, sie gesteht die Einrichtung von Munitionsfabriken und die Gistgasfabritation. Die„Rote Fahne", die das. was sie jetzt gesteht, bisher als sozialdemokratische Lüge bezeichnet hat. erzählt ihren Lesern mit unschuldigem Augenaufschlag: es handelt sich ja nur um die Der- teidigung Sowjetrußlands. Sowjetrußland brauchte natürlich aus- ländische Fachleute sür die Rüstungsindustrie, warum sollte es die deutschen Rllstungsindustriellen nicht ausnehmen, die sich anboten? Verteidigung Sowjetrußlands— was diese Flagge deckt, das nehmen deutsche Kommunisten unbesehen hin. so spekuliert die kom- munistische Zentrale und ihr Organ. Die Auguren lächeln... Aber es ist ihnen doch nicht wohl. Sie wagen kein volles Geständnis. Man liest weiter in der„Roten F a h n e": „Die ganze Produktion der Fabriken, die in Zu- sammenarbeit mit den deutschen Industriellen errichtet wurden, und von denen oben die Rede war, ist in der Sowjetunion geblieben" Eine letzte Lüge, aber eine vorsichtige Lüge! Es wird nlcht mehr bestritten, daß«in erheblicher Teil der Produktion dieser Fabriken der Reichswehr gehört— es wird nur noch be- stritten, daß Granaten usw. nach Deutschland transportiert wor- den sind. Aber eines Tages wird auch diese Lüge, nicht mehr zu halten sein. Dann wirk» die Berliner „Prawda" schreiben: was ist dabei, die Sowjetunion denkt nur an ihre Verteidigung— an der Elbe !
pariser Theater. Von Erich Gottgetreu . Paris , im Dezember. Es macht� Spaß, in Paris ins Theater zu gehen. Zunächst ist es bequem: es fängt selten vor neun an. Man kommt meistens in ganz alte Häuser mit großen, weit ausgebuchteten, dunklen Logen und viel Erinnerungen: Großmutter hat da und da schon das und das gesehen. Früher war's wohl feierlicher. Jetzt darf man die Garderobe mit hineinnehmen und in der Pause den Hut aussetzen. Die Preise für die Plätze sind ziemlich hoch: es kommen also im wesenttichen nur die oberen Schichten ins Theater. Denen ist zum größten Teil— man wird leichter«eich als gebildet— Theater nur Amüsement, kaum Ktilturäußerung. Ihre Freude am Artistischen, die den schon gewohn. heitsmäßigen Beifall auf offener Szene so oft entladen läßt, daß das aufgeführt« Werk selbst zu Schaden kommt, den es gewiß nicht immer verdient— diese ganz unekstatifche Freude ist in ihrer Exklusivität zwar gute französische Traditton, aber in dieser Form doch etwas sehr Weißhaariges— man möchte dagegen reooltteren. Wird mm besser oder schlechter gespielt als bei uns? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Wie in Deutschland teils ganz flirch- terlich geschmiert und teils ganz Herrliches geboten wird, fo natürlich auch hier. Trotzdem glaube ich nach einer Beobachtung von ungefähr zwanzig verschiedenen Pariser Schauspielbühnen urteilen zu können: Es gibt in Paris weniger„Prominente" als z. B. in Berlin , doch dafür mehr gute Ensembles. Gibt es aber auch eine Truppe, die man leicht als vollkommen empfindet? Roch nicht: indessen sieht es so aus, als ob die großen Theaterschlachten des Winters erst noch geschlagen werden sollten. Der Spielplan ist beweinenswert. Die alten General« haben sich zwischen den Kulissen breitgemacht in der Zeit, als es keine Jugend gab, weil man sie in die Schützengräben geschickt hatte, und nun sind sie von den Brettern nicht mehr runterzukriegen. Moliere, Racine. Dumas— schön, das ist Ehrensache. Aber sonst begegnet man vor allem Tristan Bcniard, Henry Bernstein, Louis Verneuil und ihren vielen zum Teil sehr begabten Epigonen— gewiß guten, aber doch längst arrivierten Leuten. Jean Richard Bloch , ein Junger, ist mit seinem„Letzten Kaiser" sieben Jahre lang umsonst von Bühne zu Bühne gezogen. Jetzt ist das sehr interessante und gut gemachte Stück im„Odeon" herausgekommen und hat bei Presse und Publi- lum einen Bombenerfolg gehabt— nur nicht bei einem geradezu dilettantisch blamablen in deutscher Sprache erscheinenden Blättchen, „Reue Pariser Zeitung", das sich vor lauter Nationalismus(ist das nun deutscher oder französischer?) gar nicht fpssen kann, daß ein so feudales Haus wie das„Odöon" ein so demokratisches Stück spielen läßt.(Aber die Pariser konservative Presse, die es übrigens verstau- den hat, sich die besten Theaterkritiker zu holen, kommt natürlich gar nicht auf die Idee, Gömier so gemein anzupöbeln, wie's jetzt wieder mal die Berliner mit Ießner�macht.) Ohne Protest macht die Sache manchen Leuten kein Vergnügen. Jedenfalls sind die Medizinstudenten dieser Ansicht. Zwei berühmt« Chirurgen haben ein schlechtes Stück geschrieben: es heißt„Die Be- rustrng". Es geht da um die Berufung d?r Frau. Die sei: Mutter zu sein und Hausfrau, ober nicht Berussmensch und schon gar nicht
Aerztin. Der Beweis wird zwar daneben, aber sehr radikal geführt: zuletzt fällt ein Schuß. Vorher gaben, natürlich nicht alle Abende, mit Hausschlüsseln und Kindertrompeten die Pariser Medizinstudenten ihr dürftig Teil dazu. Sie sind wenigstens ritterlich, wenn sie ihre studierenden Kolleginnen unterstützen und„Es lebe die Aerztin" rufen. Und das„Thäatre de la Renaissance" hat eine glänzende Re- klame für ein Stück, das es nicht verdient, und ist Abend für Abend ausverkauft. Besonders genannt von den vielen fei noch das„Thöatre des Arts". Dort wurde von der Truppe des wohl in Rußland beheima- teten Ehepaars Pitoeff ganz ausgezeichnetes Theater gemacht. Wurde— denn dieser Tage geht die Truppe auf die Europareise, die zuletzt auch noch nach Deutschland führen soll. Shaws.Heilige Io- hanna" wor hier einfacher als bei Reinhardt und stilisierter, ober ebenso eindringlich. Mmc. Pitoeff, die die Jungfrau gab, war herber als die Bergner. vielleicht auch schon etwas ermüdet— man muß diese vielseitige Künstlerin als Mademoiselle Bouriat in dem gleichnamigen Stück von Claude Anet sehen. In diesem tragikomischen Stück leben hundert Millionen mitteleuropäischer Spießer und ihre Opfer— die Bourrat ist eins davon. Noch etwas ist hier sehr gekonnt: das spannende Stück, die Sensation. Manchmal wird sie sogar recht literarisch ausgeformt, Lermandod, von dem eben die„Magische Liebe" mit viel berechtigtem Erfolg uraufgeführt wurde, ist darin Meister. Und wer einen Abend im„Grand Guignol", der brutaler ist und sich aus Beziehungen zu den Musen nicht viel macht, zugebracht hat, kann die Nacht drauf nicht schlafen. Die Revuen? Sie sind noch flitterglänzender, noch rauschender, noch dekadenter als in Deutschland und so sind sie wenigstens nicht langweilig. Deutsches wird, abgesehen von einem harmlosen Lustspiel von Rudolph Lothar , nicht gespielt. Von Toller soll ja der.Hinkemann" herauskommen, aber die Säume werden sprießen, wenn mit den Proben noch nicht angefangen worden sein wird. Es gibt keine Volksbühne, es gibt keine Arbeitertheater von Rang in Frankreich . das sich um so etwas sorgen könnte. Einige kommunistische Aktionen auf diesem Gebiet sind bisher noch nicht über den Rahmen des Dilet- tantischen hinausgekommen Mit dem„Volk, Du schläfst!", das die Kommunisten jetzt in allen Stadtteilen von Poris spielen lassen, wird weder eine große propagandistische noch irgendeine rein künstlerische Wirkung erzielt. Wird Toller nun auf dem französi- schen Vergnügungstheater zur Aufführung gebracht, so wird man dem Dichter zwar seine ehrliche Gesinnung bestätigen, das Wert aber als Kunstwerk, also überhaupt, verreißen. Der deutsche Bürger empfindet Toller auch nicht gerade als Bruder im Geist, aber durch die Volks- bühnen usw. werden doch weit mehr Menschen, die ihn verstehen können, erfaßt als in Frankreich ..Hinkemann" ist nicht ästhetisch. „Hintemann" ist schlechtweg antifranzösisch. Ist denn Toller, seiner Tendenz und der jungen deutschen Dichtung mit dieser Wahl ein Ge- fallen getan? Ob er nicht besser„Die Wandlung" oder„Masse Mensch übersetzen und aufführen ließ? Anderes Deutsche wird im Juni gespielt werden, wenn das große internationale Theaterfest, geleitet von Firmin Gemier, dem Präst- denten des„Welttheaters", stattfindet Gemier empfing mich dieser Tage in seinem Bureau im„Odäon", das er ja als Direktor leitet,
und erklärte neben anderem:„Feste Zusagen zur Beteiligung an unseren Festfoiclen liegen bis jetzt vor aus Amerika , England. Deutschland . Rußland, Japan , Ungarn und Polen . Ueber die aus- zuführenden: Stücke sind die Verhandlungen noch im Gange. Aus Deutschland kommt wahrscheinlich ein« Truppe Max Reichardts: es ist übrigens auch möglich, daß demnächst eine französische Truppe, außer den Pitoeifs, Gastspiele in Berlin gibt. Drei tiäuser stehen mir hier für die Festspiele zur Verfügung. Und schließlich ist es mein Traum, in Paris ein Theater zu gründen, in dem nur bedeutende ausländische Stücke in französischer Sprache gespiell werden--" Das wäre nicht übel. Das französische Theater, das an seiner großen Vergangenheit zehrt, aber davon doch seine Jugend und sein Volk nicht sättigen kann, neigt etwas zur Inzucht. Wenn auch nicht gleich revolutionär, so brauchte es doch nicht so konservativ zu sein.
Eine proletarische Feierstunde veranstaltete das Arbeiter- Kulturkartell Groß-Berlin im Großen Schausoiel- haus. Zur Aufführung gelangte Franz Rothenselders Sprechchor„D e'i h e n a ch t— Freudentaa" Das Evangelium des Proletariers„Seid Brüder", die Lehr« des Zimmermanns Jesus Christ „Liebet euch untereinander" wurde in wuchtigen Bildern ge- staltet. Wintertag: Not, darbende Frauen, arbeitslose Männer, sonnenfremde Kinder, Kriegskrüppel— Frühling: freie, brudergläubige Menschen, jubelnde, blumenbekränzte Mädchen, lachende, spielende Knaben. Das ist das Symbol unserer Wintersonnen. wende, das Bekenntnis unseres Glaubens. Unter Albert F l o r a t h s� Leitung formt« der Sprechchor für prole- tarisch« Feierstunden mit den Einzelsprechern Heinrich Witte, Wolf Trutz , Walter Werner und Elsa Wagner dos eindrucksvolle Werk nach, das W o l f g a n g Zeller mit einer fein charakterisierenden musikalischen Untermalung ergänzt hatte. Aus die Tanzeinlage hätte man verzichten sollen. Sie war nur einmal am Platze, als sie mit Iazzrhytbmen des Orchesters bewußt einen Gegensatz ausdrücken wollte. Der Sprechchor aber kann eine Ergänzung dadurch nicht erfahren, zumal nicht durch typisches Ballett, das seinem Charakter völlig artfremd ist. sx. Das Alelropolthealer stellte Kaimans neueste Operette„D i e Zirkusprinzessin" aus seinen Weihnachtssvielplan. Ein aanz großer Wurf, wie die„Czardassürftin" und„Gräfin Mariza " ist dieses Werk nicht. Aber seinen Weg wird es trotzdem machen, wenn auch Kalman diesmal gar genügsam fast auf jede Originalität verzichtete. Doch seine Gewandtheit in der Gestaltung der Melodien und seine Geschicklichkeit in der Behandlung des Orchesters treten euch In der.Zirkusprinzessin " wieder hervor und schaffen ein ge» fälliges Werk, das unter den Operetten der Gegenwart sich immer. hin behaupten kann. Leider liegt der Musik ein sehr fades Text- buch zugrunde, das bis zum zweiten Akt noch einige Spannung ent- wickelt, aber schon hier ein außerordentlich schwaches Finale bringt. Musikalisch ist dieser Aktschluß sehr fein gestaltet, ohne daß er in- dessen dadurch recht zur Wirkung kommen könnte. Das ganze Text- buch von Julius Brammen und Alfred Grünwald baut sich auf der Erkenntnis auf, daß das goldige Wiener Herz, gemilcht mit glänzenden Uniformen und glänzenden Titeln noch nie ganz ver- sagt hat. Und wenn das Metropoltheater nicht wie bei der Premier» die Aufführung viereinhalbe Stunden hinzieht, so wird die„Zirkus -