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Abendausgabe

Nr. 60943. Jahrgang Ausgabe B Nr. 301

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10 Pfennig

27. Dezember 1926

Vorwärts=

Berliner Volksblaff

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Ein neuer Justizskandal.

Weihnachtsgeschenke für Hochverräter auf Kosten der Steuerzahler.

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Das Vertrauen der Hochverräter in die deutsche Justiz hat sie nicht betrogen die Ziviltammer des Landgerichts I die Zivilkammer des Landgerichts I hat das Reichswehrministerium zur Zahlung und Aufwertung verurteilt.

Das ist in Deutschland möglich!

Die Zivilkammer des Landgerichts I in Berlin hat ein| Offiziere sie zu feinerlei Ansprüchen auf Rückzahlung der ge­tolles Urteil gefällt. Sie hat entschieden, daß das Reichswehr - sperrten Gehälter berechtige. ministerium dem General Lüttwig und dem Major Bischoff die infolge des Kapp- Butsches gesperrten Gehälter zurückzuzahlen und aufzuwerten habe. Es war eine Selbstverständlichkeit, daß den Führern des Kapp- Butsches die Gehälter gesperrt wurden. Lüttwit und Bischoff scheuten nach dem Zuschammenbruch ihres verbrecherischen Unternehmens die Verantwortung. Sie wurden flüchtig. Als sie im vorigen Jahre amnestiert wurden, frochen sie wieder aus den Löchern hervor. Sie befassen die frochen sie wieder aus den Löchern hervor. Sie befassen die Dreiftigkeit, vom Reichswehrministerium Gehalt zu for­dern! Das Reichswehrministerium verweigerte die Zahlung aus dem Gesichtspunkte, daß es noch schöner wäre, wenn die Republik Hochverräter nachträglich besolde.

Die Hochperräter Lüttmik und Bischoff aber setzten ihr Vertrauen in die deutsche Justiz. Sie flagten, flagten nicht nur auf Zahlung von rüdständigem Gehalt, sondern zugleich auf Aufwertung! Beide begründeten ihren Anspruch damit, daß durch die Amnestie auch die vermögensrecht lichen Vorauslegungen für diese Forderung gegeben feien, während das Reichswehrminifterium sich auf den Stand­punkt stellte, daß die hochverräterische Betätigung der beiden

Faschistenvereine in Deutschland .

Renzettis Bericht an Mussolini .

Die deutsche Republik muß den Herren Lüttmiz und Bischoff Gehalt für ihre hochverräterische Tätigkeit zahlen, die sie während des Kapp- Putsches geübt haben. So be­stimmt ein deutsches republikanisches Gericht. Glänzende Aussichten für Hochverräter! Nur immer heran, Herrschaf ten, da ist nichts zu riskieren, die Republik zahlt alles, selbst Gehalt für hochverräterische Aktionen.

Wie würde dasselbe Gericht entscheiden, wenn die An­gehörigen der Opfer des Kapp- Butsches Schaden erfazansprüche an Herrn von Lüttwig stellen würden? Oder wenn alle Gehaltsempfänger und Lohnempfänger Aufwertung von Lohn und Gehalt fordern würden? Das Reichswehrministerium hat Berufung beim Kam. mergericht eingelegt. Wird der neueste Justizskandal repariert werden?

Eine Anzahl Mitglieder der Kammerfraktion erflärte fich aus tattischen und prinzipiellen Gründen gegen die Fortsetzung der Koalition, während die bisherige Polint insbesondere bei den Ge. werkschaftsführern wärmste Anerkennung fand. Arbeitsminister Rom , 27. Dezember.( Ep.) Muffolini hat sich von Giuseppe Bauters setzte sich für die Fortsetzung der Regierungsfoalition ein Renzetti, dem faschistischen Delegierten in Deutschland , über und erklärte, daß seine ganze Tätigkeit, vom Standpunkt des Klassen und erklärte, daß seine ganze Tätigkeit, vom Standpunkt des Klassen die Entwicklung der faschistischen Organisation in Deutschland Berich: tampfes aus gesehen, der schärfften Kritik standzuhalten vermöge. erstatten lassen. Nach den Mitteilungen der Blätter über die Wirt- tampfes Die Diskussion wurde schließlich abgebrochen, nachdem eine famfeit Renzellis bestehen faschi lische Sektionen in Berlin , Mün­ chen , Köln , Hamburg , Düffeldorf. Effen und Duisburg . In Ceipzig, velbes ausgearbeitet hatte. Darin heißt es, daß die Rolle der hen, Köln , Hamburg , Düffeldorf, Effen und Duisburg . In Ceipzig, Kommission eine Entschließung im Sinne der Erklärungen Bander. Dresden , Breslau und anderen Säden beftünden vorläufig faschi- gegenwärtigen Regierung an sich mit der Frankenſtabilisierung flische Gruppen oder seien solche in Bildung begriffen. Für flische Gruppen oder feien solche in Bildung begriffen. Für die faschistische Organisation der in Deutschland lebenden Italiener werde Deutschland in fünf 3onen eingeteilt und jede einem Vertrauensmann übertragen. Das italienische Botschafts- und Kon­fula spersonal gehöre vollständig der faschistischen Partei au oder würde von ihr kontrolliert, ferner auch die beiden italienischen Handelskammern von Berlin und München .

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Die italienischen Faschistenvereine in Deutschland , ob schon statuiert oder erst in Bildung begriffen, find natürlich gar nichts anderes als 3mangsvereinigungen, in die man jene Italiener hineinpreßt, die irgendwie von den diplomatischen Aemtern oder Handelskammern" Mussolinis abhängig sind. Jeder anständige Italiener, selbst wenn er noch so nationa­litisch, militaristisch und konservativ gesonnen, ist froh und glücklich, wenn er fern der Verbrecherbandenherrschaft seines unglücklichen Heimatlandes leben kann, und nur stärkster Wirt­schaftsdruck kann ihn schließlich zwingen, mit den Vertretern und Parteigängern dieses Schandregimes in freundschaft­liche" Beziehungen zu treten. Der Bericht des Ren­zetti Mussolini zeigt, an daß diese Abhängigkeit rüdsichtslos zur Erpressung des Beitritts benutzt wird. Um fo mehr sollte der Völkerbund jenen An­regungen folgen, die durch Gewährung eines internatio­nalen Paßersages für Italiener im Ausland diese Abhängig, feit von solchen Botschaften, Konsulaten und Handelskam mern" aufheben wollen, die nichts anderes sind als Zutreiber stellen von Zwangsbeiträgen in befferer Baluta für die Banden Muffolinis!

Was aber diesen Handelsmajor Renzetti anbelangt, fo will uns scheinen, daß sich nicht bald ein anderer Ausländer so I äftig gemacht hat, wie dieser.

Die belgische Koalitionsfrage. Besprechung aber nicht Entscheidung auf dem Weihnachts. parteitag.

Brüssel , 27. Dezember. ( Eigener Drahtbericht.) Der zu Weih­nachten abgehaltene außerordentliche Parteitag der Arbeiterparte: beriet die Frage, ob die Partei ihre Mitarbeit an der Regierung fortjeßen oder in die Opposition zurückkehren icll. Außenminister Genosse Vandervelde ging in seinem Referat von dem Sturz der Regierung Boullet aus und befaßte sich dann mit der Regierung Jaspar- Francqui, beren Hauptaufgabe die Frankenstabili fierung gewesen sei. Als einmüitge Ansicht der Partei stellte der Redner fest, daß die heutige Jaspar- Regierung nicht weiter regieren fönne, ohne nunmehr ein positives Regierungsprogramm zu verfünden und durchzuführen. Bandervelde ist gegen die Rückkehr zur Opposition und ebenso gegen die Wiederholung des Experimentes einer sozialistisch- chriftlich- demokratischen Regierung; ein solches Kabinett würde der erbittertsten Feindschaft der Kopitalistenklasse be. gegnen. Ueberhaupt hält Bandervelde die Bildung einer Kampf­regierung, sei sie nun rechts oder links eingestellt, im Augenblick für höchst gefährlich. Das gleiche äußerte er über eine Parlaments auflösung. Am Schluß forderte Vandervelde Fortsetzung der Roalition unter gemäßigten, aber sofort durchführbaren Vor auslegungen .

beendet sei. Aber es gelte jetzt noch den Frieden zu konsoli­dieren und besonders dem Schuße der Arbeiterinteressen zu dienen. Die Partei sei deshalb bereit, weiterhin sich an der Koalition zu beteiligen, und zwar auf Grund eines genau festzulegenden und unmittelbar durchzuführenden Programms. Dieses Programm soll der Generalrat aufstellen und es dann den Kreisorganisationen zur Billigung unterbreiten. Trotzdem Bandervelde sofortige Abstimmung über die Entschließung verlangte, wurde der Gegenvorschlag der Opposition angenommen. Er besagt, daß die Ent­schließung zunächst den Kreisverbänden zur Abstimmung unterbreitet werden soll. Der Kongreß faßte also nicht einen endgültigen Ent­schluß, sondern diente im wesentlichen einer ausgiebigen Aussprache.

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Faschistendruck im Memelland . Schärffte Preffezenfur.

Memel , 27. Dezember. ( Tul.) Die 3ensur der memelländischen Das Presse dauert weiterhin in der schärfsten Weise an. Memeler Dampfboot" wies in seiner Weihnachtsausgabe große 3enfurlüden auf. Die memelländischen Abgeordneten, die morgen nach Kowno zu Borstellungen bei der Regierung reisen wollten, haben ihre Reise aufgegeben auf die Nachricht hin, daß der neue Ministerpräsident Woldemaras bereits für die nächsten Tage seinen Besuch in Memel angekündigt hat.

Der deutsche Gesandte hat gegen die Ausweisungen Reichsdeutscher aus dem Memelland energisch protestiert. Woldemaras wird in Memel die Ausweisungsgründe prüfen und fich entscheiden, ob er sie aufhebt. Da die Ausweisung erst zum Neu­jahrstag ausgesprochen ist, besteht auch die zeitliche Möglichkeit, fie noch vor ihrem Bollzug ungeschehen zu machen.

Amerika greift in Nicaragua ein. Truppenlandung und Gebot einer neutralen Zone. In Puerto Cabezas( Nicaragua ) landeten nordamerikanische Streitkräfte zum Schuße des Eigentums der amerikanischen Staats­angehörigen und haben eine neutrale 3one geschaffen, deren Betreten den Streitkräften beider Parteien, nämlich der liberalen und der konservativen, verboten ist.

Dr. Baca, der Vertreter der liberalen Regierung Nicaraguas in Washington , bezeichnet die Landung als Intervention Amerikas zugunsten der konservativen Regierung.

Der Fall Rau.

Ein Beitrag zum Kapitel Neujahrsamnestie.

Bon Otto Landsberg .

Der Redakteur der in Stuttgart erscheinenden tommu­nistischen Süddeutschen Arbeiterzeitung". Frizz Rau, ver­öffentlichte am 14. Dezember 1925 in feinem Blatte die Be­sprechung einer Aufführung des Films Sein Mahnruf". Es hieß darin, der Abend habe für die Besucher nicht in zwei Stunden Unterhaltung bestanden, sie hätten vielmehr eine Lektion revolutionärer Aktivität, aktiven Klaffentampfes und heroischen Wiederaufbaus unter der Herrschaft der Arbeiter und Bauern erhalten Manchem Arbeiter werde erst jetzt bewußt geworden sein, welch' ungeheuer mächtiges Propa­gandamittel der Film in der Hand der bürgerlichen Klasse jei und wie er von ihr zur Berdummung der Arbeiterklasse benutzt werde, während er auf der anderen Seite in der Hand der Arbeiter ein hervorragendes Mittel zur Bildung und Be­lehrung, wie in diesem Falle zur Propagierung der revolu tionären Idee sein könne. Haß, unauslöschlicher Klassenhaß gegen eine Gesellschaft, deren typische Vertreter gewisse im Film vorgeführte Emigranten feien, grabe sich in die Seelen der zuschauenden Arbeiter ein; ihre Herzen schlügen mit denen der russischen Arbeiter, denen fie zujubelten, und in ihnen erstehe der Wille, ihrem Vorbilde nachzuahmen. Lenin ist tot, aber fein Werk lebt." Das sei der Mahnruf, den der Film an Tausende und aber Tausende gelangen lasse. Mögen die deutschen Arbeiter, so schließt die Besprechung, diesen Mahn­ruf ebenso hören, wie die russischen, die ihn damit ant­worteten, daß sie zu Hunderttausenden in die Kommuni ische Partei, in die Reihen der Partei Lenins , eintraten.

In diesem Auffaz, dessen Inhalt ich absichtlich so ausführ lich wiedergegeben habe, hat der vierte Straffenat des Reichs. gerichts eine ein hoch verräterisches Unterneh­men vorbereitende Handlung erblickt und hat gegen Rau am 13. Juni auf eine Gefängnisstrafe von neun Monaten er­fannt. Die Urteilsgründe laffen sich wie folgt zusammenfassen: anwendung erreichen. Die Mahnung Raus, das Beispiel der Die Kommunistische Partei will ihre Ziele durch Gemalt russischen Arbeiter nachzuahmen, fordert die deutschen Arbeiter zu gewaltsamem Handeln auf. Daher ist der Aufsatz hoch­Derräterisch.

Die Mitglieder des vierten Straffenats mögen guie Juristen sein, wenngleich sie übersehen au haben scheinen, daß der von ihnen angewendete§ 86 RStrGB. ,, eine hinreichende Bestimmiheit des hochverräterischen Unternehmens" erfordert, die ich in dem Artikel Raus vermisse, auf alle Fälle sind sie schlechte Psychologen. Ein Kommunist, der Speise zu sich nimmt, denkt nicht daran, der Revolution einen Kämpfer zu erhalten, sondern er will nur effen, um seinen Hunger zu befriedigen, und ein Kommunist, der Artikel schreibt, will seinen Lesern etwas sagen, was sie gern hören. Rau hat ganz sicherlich nicht bezweckt, daß die Bezieher der Süd­deutschen Arbeiterzeitung" nach der Lektüre feines Auffages und unter ihrem Eindruck auf die Straße gehen sollten, und sie haben es auch nicht getan. In London verhaftete einst ein Polizist einen Mann, der im Hydepart eine Menschenmenge zum bewaffneten Auftand gegen die Regierung aufgefordert hatte, und schleppte ihn vor den Richter. Der fragte den Rebellen, ob er denn die Regierung für schlecht halte, und Der Fest ob er fie tatsächlich mit Gewalt stürzen wolle. genommene antwortete trogig mit Ja. Darauf sagte der Richter: So gehen Sie hin und stürzen Sie fie. Ich entlaffe Sie." Der Mann geriet in die größte Verlegenheit und die englische Regierung blieb am Leben. Unsere Richter zeigen nur gegenüber blutrünftigen Aeußerungen von Rechts­radikalen dieselbe Nachsicht und Klugheit wie ihr englischer Kollege. Dagegen ahnden sie jede revolutionäre Tirade eines Kommunisten als Hochverrat, statt sich darauf zu ver laffen, daß die Langweiligkeit der ewigen Wiederholung von Drohungen, die nicht verwirklicht werden, das denkbar befte Schuhmittel des Staates ist. Es ist gut, daß dem Jonglieren mit dem§ 86 des Strafgesetzbuches aller Boraussicht nach in absehbarer Zeit der Boden entzogen werben wird. Der Entwurf eines neuen deutschen Straf gesetzbuches verzichtet nämlich auf die Bestrafung von Hand­lungen, die einen Hochverrat vorbereiten sollen und das mit Recht. Der Obrigkeitsstaat hat Furcht vor feinen ,, Untertanen" und läßt seine Angst an Gefeßesbestimmungen erkennen, die ihn gegen eingebildete Gefahren schüßen sollen. Die Grund­lage des Boltsstaates ist das Vertrauen zu den freien Bürgern. Er fühlt sich stark geug, um über Worte, denn das sind die vorbereitenden Handlungen zumeift, zur Tagesordnung über­gehen zu können. Wenn ein Zeitungsauffah ihn wirklich in seinem Bestand erschütern fönnte, so fann ihm auch die Ver­

De la Selva, der Sekretär des Arbeiterverbandes von Nicaragua , der mit dem amerikanischen Arbeiterverband in engen Beziehungen steht, erklärte, der Zweck des amerikanischen Vorgehens sei die Beurteilung des Verfassers nichts helfen. seitigung der Regierung Sacasa um jeden Preis.

Das Staatsdepartement in Washington erklärte, außer den Bünschen amerikanischer Staatsbürger in Nicaragua nach aus reichendem Schutz sei der amerikanischen Regierung fein weiterer Anlaß zur Landung der Marinetruppen in Puerto Cabezas bekannt.

Die Begnadigung der vom Candauer Kriegsgericht Berurteilten ist unterzeichnet worden, ohne daß ein formelles Gnadengefuch ein­gereicht worden sei. Die französische Regierung hat also diesen er freulichen Beschluß gefaßt, ohne daß der formalen Vorschriften voll Rechnung getragen wurde. Die Beanadigung erfolgte, so lautet die offizielle französische Version, auf Empfehlung des Oberfommissars Tirard und des tommandierenden Generals Guillaumat.

Rau ist aber nicht nur wegen hochverräterischen Unter­nehmens, sondern in Tateinheit damit auch wegen Zuwider­handlung gegen§ 7 Nr. 4 des Republitschußgefeßes ver­urteilt worden. Dieses Bergehen hat er sich nach Ansicht des Reichsgerichts schuldig gemacht, indem er als Mitglied der KPD . und kommunistischer Funktionär an einer staatsfeind­lichen Verbindung, die die Bestrebung verfolgt, die verfas fungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform des Reiches zu untergraben, teilgenommen hat. Denn, sagt das Urteil, daß mindestens der sogenannte Funktionärförper der KPD. eine solche Verbindung darstellt, ist außer Zweifel und in ständiger Rechtsprechung angenommen worden,"